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- Dec 30, 2023, 8:39 AM
- ⛅ 21 °C
- Altitude: 16 m
- New ZealandWaikatoWaikato DistrictHuntlyHakanoa Lake37°32’17” S 175°10’1” E
Harakiri Track
December 30, 2023 in New Zealand ⋅ ⛅ 21 °C
Das Gefühl, am Morgen in feuchte Socken und nasse Schuhe zu schlüpfen, an denen unzählig viele Grannen und Spelzen vom Gras kleben, ist unbeschreiblich. Dazu noch der Geruch aus Schweiß und Matsch - einfach himmlisch. So freut man sich doch gleich viel mehr, in die nächste Etappe aufzubrechen. Diese hat den wohlklingenden Namen „Hakarimata Summit Walk“ - Hakarimata-Gipfel -Weg. Ein sehr anspruchsvoller 12 Kilometer langer Wanderweg über die Gipfel von Huntley bis nach Ngaruawahia (inzwischen kann ich den Ortsnamen durch viel Übung fast perfekt auf Mãori aussprechen).
Die Aussichten, dass die Schuhe weiter nass bleiben und stinken, stehen heute besonders gut, denn es hat letzte Nacht in Strömen geregnet. Jetzt kommt also noch Schlamm dazu, das gibt den Schuhen immer so ein besonderes Aussehen, das man sich hart erarbeiten oder „erwandern“ muss. Wir werden oft dafür beneidet.
Die Temperaturen für diese wieder mal sehr herausfordernde Etappe sind optimal: Durch den Regen laufen wir bei einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit und schwülwarmen 26 Grad los. Wir sind noch keinen Kilometer gelaufen, da sind wir schon klatschnass. Andere gehen dafür in die Sauna.
Der Weg ähnelt den bereits absolvierten Etappen durch die Northland Forests. Steil nach oben, steil nach unten, der Boden übersät mit unzähligen Wurzeln, umgefallenen Bäumen, tiefe Mulden, die mit Wasser gefüllt sind, lehmiger und rutschiger Boden. Inzwischen sind wir da recht unempfindlich. Nervig ist, dass wir durch diese Bedingungen nur schleppend voran kommen und für 1,5 Kilometer fast eine Stunde brauchen. Richtig frustriert allerdings sind wir, als uns 3 jüngere Te Araroa Wanderer überholen, als sei der Weg ein Kinderspiel. Was zur Hölle machen oder können die besser als wir? Ist es wirklich unser Alter, das uns im Schneckentempo vorankommen lässt? Der Clou ist dann ein (deutscher) Jogger, der zwar ohne Rucksack, dafür im Sprint an uns vorbeisaust. Wir zweifeln an uns, schimpfen, fluchen und bekommen uns kurzzeitig sogar deswegen in die Haare. Ich will nämlich auch so schnell sein wie die Jungspunde und falle dafür richtig auf mein Hinterteil. Danny meckert, dass er keinen Bock hat, wegen so was den Trail abbrechen zu müssen, das sei falscher Ehrgeiz. Wir dürfen uns nicht mit anderen vergleichen, aber genau das fällt uns schwer.
Statt der angegebenen 5 Stunden brauchen wir 6,5 bis zum Aussichtspunkt. Wir sind - mal wieder - am Ende unser körperlichen Kräfte. An den Stellen, wo mein Rucksack am Rücken aufliegt, bin ich wundgescheuert. Aber das spielt jetzt alles keine Rolle mehr, denn wir haben den Gipfel erreicht und haben eine wahnsinnig schöne Aussicht. Am Geländer hängt auf einem Schild ein Spruch: „Es ist nicht der Berg, den wir bezwingen, sondern uns selbst“. Mir kommen ein bisschen die Tränen, weil ich in dieser Etappe tatsächlich wieder sehr mit mir selber oder meinen (Leistungs)Ansprüchen kämpfe. Es ist viel schöner, den Fokus auf Erreichtes anstatt Unerreichtes zu legen.
Jetzt müssen wir nur noch 1496 Treppen nach unten ins Tal steigen und dann gibt’s ne Cola und ein Eis. Wir laufen los und es läuft sich tatsächlich recht flüssig. Doch ab Stufe 600 werden meine Füße müde und meine Knie fangen wieder an zu zittern. Ich muss mich arg konzentrieren, dass ich wirklich nicht ausrutsche oder stolpere. Wir haben es fast geschafft, als Danny vor mir beschließt, die letzten Stufen zu fliegen. Allerdings kommt es erst zu einem Aufschrei und dann (fast) zu einer Bruchlandung. Das Handgelenk rechts schmerzt und 2 Finger sehen irgendwie verbogen aus. Fast wie die Spitze meines Wanderstocks. Wir beschließen, direkt zur Unterkunft zu laufen. Es ist wieder ein Trail Angel, also eine Einheimische, die uns auf ihrem Grundstück zelten lässt. Glück im Unglück: Sie ist Ärztin und arbeitet in der Notfallambulanz im 20 Kilometer entfernten Hamilton. Sie untersucht Dannys Finger und bietet an, ihn am nächsten Tag im Krankenhaus zu röntgen. Das Angebot nehmen wir gern an.
Am nächsten Morgen steigen wir zu ihr ins Auto. Sie setzt uns nach ein paar Kilometern ab und meint, es sei so ein schöner Wanderweg am Waikato River, die letzten Kilometer sollen wir ruhig zu Fuß gehen und die Landschaft genießen, das mit dem Röntgen könne warten. Das nenne ich mal „Prioritäten setzen“. Also gehen wir die letzten 12 Kilometer zu Fuß. Dannys Gesicht ist leicht schmerzverzerrt, aber er genießt den Blick auf den Fluss. Im Krankenhaus müssen wir zum Glück nicht lange warten, was uns trotzdem gegenüber den anderen Patienten etwas unangenehm ist. Nach sämtlichen Untersuchungen dann endlich Entwarnung: nix gebrochen, nur verstaucht. Puh. Das war knapp, denn nach Bruch kommt ab 🤪.Read more