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  • Day 16

    Ganz schön benagelt!

    October 22, 2018 in Norway ⋅ 🌧 6 °C

    Regen, Regen, Regen... Das, was uns gestern aus Bergen vertrieben hatte, begrüßte uns auch heute morgen auf unserem nächtlich angefahrenen Platz am Hardangerfjord. Es regnete zwar weniger stark als am Vortag, aaaaber der hatte ja auch grad erst begonnen.

    Wie üblich gab es nach der Morgentoilette das Frühstück, heute bestehend aus Müsli mit kalter Milch. Das spart Zeit und Spülwasser. Danach schaute ich kurz nach unserem rechten Hinterreifen, nachdem sich Tags zuvor unser Reifendruckkontrollsystem (Wort merken für die nächste Runde Hangman!) lautstark gemeldet hatte. Äußerlich gab es erstmal nichts zu beanstanden, obwohl ich hätte meinen können dass der Reifen etwas platter da stand, als seine drei übrigen Kollegen. Ich schob das aber auf meine Einbildung, quasi das umgekehrte Placebo Prinzip. "Wenn Auto sagt Reifen platt, dann bestimmt Reifen platt!" Nach dem Start Richtung Tankstelle aber bestätigte sich mein Verdacht, zeigte die Reifendruckmessung nun 0,5 Bar weniger an als am Abend zuvor. 3,1 statt 3,6 Bar. Und bei 5 Bar Vorgabe war hier also ganz sicher was faul.

    Nach kurzer Fahrt erreichten wir die erste Tankstelle und der Test mit dem dortigen Kompressor bestätigte die Angaben der Bordcomputers. Und dann entdeckte ich dieses kleine, silbrig schimmernde Scheisserchen, eingerahmt von winzigen, sprudelnden Luftbläschen. Da hatten wir uns doch tatsächlich einen Nagel in den Reifen gefahren. Herrlich! Das fehlte noch auf unserer Liste. Räder wechseln mache ich Zuhause grundsätzlich und aus Prinzip immer selbst. Aber bei diesem voll beladenen, 3,5 Tonnen Mietfahrzeug, das uns immerhin noch gut 2000km durch 3 Staaten bringen muss, hatte ich wenig Bock auf Experimente. Das sollte jemand machen, der da Erfahrung und im Idealfall ne Hebebühne hat.

    Wie es der Zufall wollte, wuchtete nur 5 Meter von mir entfernt ein in Gummiparker gekleideter, norwegischer Ureinwohner einen mit Spikes besetzten Winterreifen auf die Vorderachse eines Geländewagens. Offensichtlich der Inhaber der an die Tankstelle angrenzenden Werkstatt. Direkt angesprochen, gab mir dieser jedoch in erstaunlich gutem Englisch zu verstehen, dass ich besser eine Werkstatt weiter fahren sollte, da er den Hof voll stehen und gerade keine Zeit hätte. In den Bergen war über Nacht Schnee gefallen und so wollten jetzt alle ihre Winterreifen aufs Auto haben. Dabei drehte er sich mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger einmal um sich selbst und deutete auf die gut 20 Autos, die rund um das Garagentor versammelt standen.

    Ok, verstanden. Also wieder rein ins Auto und weiter. Das würde der Reifen jetzt auch noch überstehen. Angekommen an besagter Werkstatt zeigte man sich trotz ähnlich gefülltem Gelände deutlich flexibler und so kam nach kurzer Wartezeit ein deutsch sprechender älterer Herr zu uns, begutachtete kurz den Reifen am Auto und winkte uns in die Werkstatt ein. Über der Grube zum stehen gekommen, machte er sich gleich ans Werk. Doch anstatt den Reifen gegen das Reserverad zu tauschen, flickte er ihn zügig und behände und so waren wir nach nicht ganz 30 Minuten wieder fahrbereit.

    Nun ist Norwegen ja alles in allem ein unglaublich kostengünstiges und nahezu billiges Reiseland... Nicht! Mit vorgewärmter Kreditkarte ging es also ans bezahlen und uns stockte beiden kurz der Atem. Ganze 200 Kronen kostete der Spaß, umgerechnet etwa 20 €. Da wir mit irgendwas zwischen 100 und 150 Euro gerechnet hatten, schauten wir uns wieder im Auto sitzend fragend an, lachten, gaben uns High 5 und fuhren los.

    Unser Weg führte uns dann weiter Richtung Süden, vorbei an den Ausläufern des Hardangerfjordes, in denen Sarah etwas entfernt Schweinswale zu Gesicht bekam, vorbei an Bergen die nur so trieften und die gar nicht mehr wussten, wohin mit all dem Wasser. Es reihte sich ein Wasserfall an den nächsten und manchmal schien der Berg über seine gesamte Breite von Wasser überströmt zu werden, sodass die gesamte Flanke von weisser Gischt bedeckt war. Wir stoppten noch kurz am Låtefossen, der uns letztes Jahr schier umgehauen hatte. Dieses Jahr, und das kam uns wirklich spanisch vor, war er nicht annähernd so spektakulär wir das Jahr zuvor. Egal, beeindruckend ist er dennoch allemal.

    Irgendwann wandelte sich der Regen in Schnee, quasi simultan mit dem Anstieg der Straßen. Je höher es ging, desto weisser wurde die Umgebung. Mit etwas Schweiß auf der Stirn ob der abenteuerlichen Straßenverhältnisse überquerten wir schliesslich den Gipfel und der Schnee nahm zusehends ab. Zum Glück nahm aber auch der Regen nicht wieder zu und so hielten wir schliesslich an einem Picknickplatz mitten im Hardangervidda.

    Nach kurzem Spaziergang durch die urige, nahezu urwäldliche Umgebung bereiteten wir bereits unser Nachtlager sowie die Nahrungsaufnahme vor, als leises Rieseln aufs Autodach uns nachdenklich stimmte.

    Der Schnee hatte uns eingeholt.

    Der Kopf sagte: "Geil!" Die Ganzjahresreifen brüllten von draußen: "Alter! Fahr weiter!" Keiner kann hier oben wissen, ob über Nacht 2 cm, 20 cm oder ein halber Meter Schnee fällt. Mit ersteren wären wir klar gekommen, der potentielle halbe Meter jedoch machte uns Sorgen. Also brachen wir die Zelte ab und kämpften uns regelrecht durch einen Schneesturm. Kurzum, richtige Entscheidung. Die Sicht betrug oft nur noch gut 20 Meter und mehr als 20 Km/h saßen nicht mehr dran.

    Irgendwann wurde aus Schnee wieder Regen und wir hielten auf einem Schotterplatz abseits der Hauptstraße E9.

    Und jetzt kommt's nochmal richtig dicke. Grad eben, während ich hier schreibe, verabschiedete sich unsere Wasserpumpe und wir sitzen vorerst auf dem trockenen. Morgen also erneut bei Dümo anrufen und abwarten, was die uns erzählen wie es denn weiter gehen soll.

    Man darf gespannt sein.
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