Norway
Såemslian

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Travelers at this place
    • Day 17

      Pizza und Hotel „mit Charme“

      June 16, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 16 °C

      Ich glaube, so tief wie in der vergangenen Nacht habe ich auf dieser Reise noch nicht geschlafen. Mitten in der Nacht, um 3:00 Uhr, werde ich wach. So halb wenigstens. Ich weiß, dass ich auf Tour bin und im Zelt schlafe. Aber in diesem dösigen Zustand brauche ich lange, um herauszufinden, wo mein Zelt gerade steht. Herrlich! Ich war sowas von weit weg.

      Ich muss pinkeln. Als ich die Zelttür aufmache, ist der Horizont schon in orangenes Licht getaucht. Um drei Uhr nachts! Eine unglaubliche Stimmung! Ich klettere zurück ins Zelt und mache es mir wieder gemütlich. Weil es zunehmend heller wird, ziehe ich mir die Mütze wieder bis tief über die Nase. Und tatsächlich gelingt es mir noch einmal einzuschlafen.

      Gegen 7:00 Uhr werde ich wach. Es wird zunehmend warm im Zelt, da die Sonne schon mit voller Kraft scheint. Draußen weht kein Lüftchen. Ich setze mich draußen auf einen Stein, noch in T-Shirt und Boxershorts, und genieße hier die erste Tasse Kaffee. In der Stille hört man nur das Rauschen eines Baches nicht weit von mir entfernt. Ich mache mir noch einen Kaffee und sitze fast eine Stunde hier.

      Heute vor einem Jahr hatte Nicole ihren schweren Unfall in Annecy. Ich erinnere mich noch, wie sie mir schrieb, dass sie mit der Gruppe noch einmal für einen Abendflug hoch zum Stadtplatz fährt. Ich habe den Tag damit verbracht, dass ich ein Video für einen Kunden geschnitten habe. Am Abend bin ich noch einmal die Bärnseerunde spaziert und habe dabei ein paar schöne Fotos vom Sonnenuntergang gemacht, die ich Nicole geschickt habe. Weil keine Antwort kam, ging ich davon aus, dass sie mit den anderen Fliegern am Landeplatz in Doussard ein Bierchen trinkt und die leckeren Pommes isst.

      Als später am Abend mein Handy klingelte und ich sah, dass Christa (die Fluglehrerin) anruft, hatte ich schlagartig ein scheiß Gefühl und richtige Angst, ans Telefon zu gehen. Christa erklärte mir, dass Nicole mit einem anderen Piloten zusammengestoßen und am Rettungsschirm runtergekommen ist. Sie kann mir nicht genau sagen, was los ist. Aber nichts von dem, was sie sagte, klang irgendwie nach Entwarnung. Nicole sei mit dem Hubschrauber nach Annecy geflogen worden. Nach dem Telefonat rannte ich im Wohnzimmer hin und her und war kurz davor zu hyperventilieren. Aber irgendwie konnte ich mich zusammenreißen und habe im Klinikum in Annecy angerufen. Nach etlichen Weiterleitungen hatte ich plötzlich Nicole am Telefon. Sie klagte ständig über starke Rückenschmerzen, was mir große Sorgen machte. Aber sie war da und ansprechbar. Und scheinbar dicht bis in die Haarspitzen. Teilweise erzählte sie ein ganz schönes Durcheinander.

      Dieser Tag hat unser Leben verändert. Die Wochen und Monate darauf waren nicht leicht, besonders für Nicole. Aber irgendwie sind wir glaub ich beide dran gewachsen.

      Ich will mich aber nicht zu sehr in den Erinnerungen an den Unfall verlieren und fange an, meinen Rucksack zu packen. Heute habe ich nur 15 km bis Rjukan. Ein Spaziergang! Motiviert mit Vorfreude auf heiße Dusche und heiße Pizza mache ich mich auf den Weg. Es dauert nicht lange, und es geht wieder durch sumpfiges Gelände und Schmelzwasser geflutete Wege. Dennoch lass ich mir die Stimmung nicht versauen. Nach einem der zahlreichen Schneefelder verliere ich meinen Pfad aus den Augen. Laut GPS sollte er auf der anderen Seite des Baches sein. Ich entscheide mich, nicht zurück zum Pfad, sondern querfeldein zu gehen. Allerdings führt mich diese Variante immer wieder durch dichtes Gestrüpp und beschert mir zusätzliche Höhenmeter. Es dauert eine Weile, aber dann bin ich wieder auf dem markierten Weg. Der Weg führt nun wieder bergauf über wunderschöne Felsrücken. Von hier aus sehe ich auch zum ersten Mal auf die Hardangervidda . Tatsächlich sieht es nach wenig Schnee aus. Nach anderthalb Stunden mache ich eine Pause und stelle fest, dass ich gerade einmal 4 km bewältigt habe. Von wegen Spaziergang. Das Querfeldeingehen hat nicht nur viel Kraft, sondern auch viel Zeit gekostet.

      Irgendwann verlasse ich die Felsrücken und allmählich geht es bergab. Ich war mir sicher, dass es von hier an dauerhaft bergab bis nach Rjukan geht. Stattdessen führt ein rund 5 km langer Weg stetig bergauf. Große Abschnitte davon gehen durch sumpfiges Gelände. Auch das Wettergeschehen scheint heute labiler als gestern. Schon jetzt bilden sich viele dunkle Wolken. Ich lege einen Zahn zu, schließlich ist es ja nicht mehr so weit. Und schon höre ich das erste leise Donnern aus der großen, dunklen Wolke vor mir.

      Obwohl ich zügig unterwegs bin, komme ich heute irgendwie nur langsam voran. Vielleicht habe ich die 15 km einfach unterschätzt. Ursprünglich dachte ich, dass ich die in 3 Stunden runter laufe. Aber alles dauert länger als gedacht. Irgendwann geht es dann wirklich nur noch bergab. Mittlerweile hat es angefangen leicht zu regnen. Nach 20 Minuten hört es aber wieder auf. Auch das Donnergrummeln wird seltener. In Summe laufe ich über 1100 Höhenmeter herunter. Je tiefer ich komme, desto lauter werden die Geräusche der Stadt. Überhaupt kann ich schon von oben sehen, dass Rjukan keine schöne Stadt ist.

      Unten angekommen ist es drückend warm. In dem Ort soll es einen Wohnmobilstellplatz geben, wo man auch zelten kann. Zu aller erst schaue ich, wo der nächste Supermarkt ist. Zu meinem Glück nur 100 m Luftlinie. Hierzu überquere ich ein paar Gleise und lauf eine Böschung herab. Hier versorge ich mich erst mal mit Cola, Weißbrot, einer Packung Salami und einem Viererpack Donuts. Ausgewogene Ernährung ist wichtig!

      Dann mache ich mich auf den Weg zum fast einen Kilometer entfernten Campingplatz. Leider stellt sich heraus, dass es sich um einen reinen Wohnmobilstellplatz handelt. Es gibt keine Rezeption und keine sanitären Anlagen. Man soll 200 Kronen in einem Briefumschlag in einen Briefkasten werfen. Niemand ist hier. Es gibt zwar auch Rasenfläche, diese ist aber ohne jeden Schatten inmitten dieser Industriekulisse. Das habe ich mir anders vorgestellt. Ich recherchiere, ob es Alternativen gibt. Einen richtigen Campingplatz gibt es nicht. Hostels oder Hotels haben stolze Preise. Beim günstigsten Hostel rufe ich an, die sind für heute aber schon ausgebucht. Ich gehe zurück zur Brücke über den Fluss, der mitten durch dieses Tal läuft. Ich rufe beim nächsten Hotel an. Hier bin ich bei Google schon nicht ganz schlau draus geworden, ob man hier Hotelzimmer oder Hütten mietet. Man hätte eine „Cabin“ frei, welche ungefähr 120 € kosten würde. Ich bin kurz davor zuzusagen, frage vorsichtshalber noch einmal nach, ob in dem Preis alles enthalten ist. Die Frage verneint sie und sagt, dass noch circa 40 € Reinigungsgebühren und 15 € irgendwelche anderen Kosten hinzu kommen würden. Das ist mir eindeutig zu viel.

      Wie in einem schlechten Film fängt es zu regnen an. Der Himmel ist inzwischen richtig dunkel und man hört zunehmend mehr Donner. Noch stehe ich halbwegs geschützt unter einem Baum. Als der Regen stärker wird, renne ich zur Hauptstraße und stelle mich hier in einem Hauseingang unter. Der Regen legt nach und nach deutlich zu. Ich würde ja schon auf dem Rasen beim Wohnmobilstellplatz übernachten. Dann würde ich einfach die ganze Zeit am Zelt bleiben, denn das möchte ich dort nicht unbewacht stehen lassen. Aber die Tatsache, dass es dort kein Klo gibt, ist ein echtes Argument.

      Jetzt wähle ich die Nummer von einem kleinen Hotel, das ich zuvor ignoriert hatte. Es ist bei Google mit 2,5 von fünf Sternen bewertet. Normalerweise fällt sowas bei mir komplett aus der Auswahl raus. Aber heute muss ich mir irgendwas organisieren. Der Mann am anderen Ende der Leitung hat einen asiatischen Akzent und ist super freundlich. Er hat noch ein Zimmer frei, was ich sofort zusage. Inzwischen gießt es wie aus Eimern und ich warte noch ab, bevor ich den 6 Minuten langen Weg zum Hotel antrete. Auf dem Weg liegt der Supermarkt, bei dem ich vorhin schon eingekauft habe. Für eine weitere Cola und ein paar Kleinigkeiten mache ich hier noch mal Halt. Es regnet sogar im Supermarkt. Das Dach scheint undicht und einige Mitarbeiter rennen hektisch durch die Gegend, um Behälter zu finden, die sie unter den doch ordentlichen Wasserfall stellen können.

      Dann geht es zum Hotel. Alles sieht sehr einfach aus. Aber für heute Nacht soll es reichen. Der Eingangsbereich, die Rezeption, die Treppenhäuser, die Gänge, einfach alles hier sieht absolut nicht einladend aus. Aber der Mann an der Rezeption ist immer noch nett. Klingt doof, aber das macht einiges wett. Nicht nur, weil es sich reimt. Auf dem Weg zu meinem Zimmer wachsen die Befürchtungen, was mich hinter meiner Zimmertür erwarten wird. „In die Jahre gekommene Holzklasse“ würde ich das ganze nennen. Klo,Dusche und Bett sehen aber sauber aus. Ich bin beruhigt. Einzig auf der Spüle der kleinen Eckküche liegt eine Spülbürste, mit der ich nichtmals einen alten Grillrost reinigen würde. Für nicht ganz 80 € ist das für norwegische Verhältnisse schon in Ordnung. Und Frühstück gibt es morgen auch.

      Anstatt mich also über eine weitere größere ungeplante Ausgaben zu ärgern, freue ich mich nun über die Dinge, die ich hier nutzen kann. Ich freue mich über eine heiße Dusche, die Möglichkeit später ein paar Kleidungsstücke hier zu waschen, WLAN, mehrere eigene Steckdosen, einen Vorhang, mit dem ich später das Zimmer verdunkeln kann und eine Bettdecke, unter der ich meine Beine und Füße unabhängig voneinander in alle Himmelsrichtungen strecken kann.

      Zum Abendessen gönne ich mir eine Pizza in Übergröße und schaffe es beinahe, sie aufzuessen. Aber ich bin vernünftig und lasse ein paar Stücke über, dass noch ein Eis vom Supermarkt reinpasst. Der hat heute bis 23.00 Uhr auf. Nur ein zweites Feierabendbier soll es nicht geben. Nach 20.00 Uhr darf in Norwegen kein Alkohol verkauft werden. Gar nicht mal so doof. Außer für mich jetzt. Dann geht es eben eine Bierlänge früher ins Bett.
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    Såemslian, Saemslian

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