Spain
Betoño

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Travelers at this place
    • Day 8

      Villamayor de Monjardin - Torres del Rio

      September 7, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 24 °C

      19,84 km

      Sanfte Hügel

      Wieder liegt eine anstrengende Nacht hinter mir. Ich habe kaum geschlafen. Natürlich musste ich nachts mehrmals auf Klo. Ist ja klar! Wenn es unpassend ist, dann muss ich. Ich bin extra noch mal Pippi machen gegangen, als sich alle hingelegt haben. 30 min später musste ich wieder und dann noch mal. Es war nicht möglich, geräuschlos oder leise die Leiter runterzuklettern. Metall auf Metall macht furchtbare Geräusche. Zumindest waren meine Zimmergenossinnen dann auch immer wach. Um 5.30 Uhr ging der Wecker von 2 Frauen aus unserem Zimmer. Sie versuchten sich so leise wie möglich fertig zu machen und den Rucksack zu packen, aber natürlich klappt das nicht. Ich hatte den Abend vorher mit der älteren Frau, die am Fenster geschlafen hat, vereinbart, dass ich sie, falls sie noch nicht wach ist, um 6 Uhr wecken soll. Gesagt, getan. Um 6 Uhr gehe ich zu ihr und wecke sie. Sie bedankt sich und dann schlägt sie die Bettdecke zurück und zwei in die Jahre gekommene Brüste gucken mich an. Auf diesen Anblick war ich am frühen Morgen nicht vorbereitet.
      Ich mache mich fertig. Viele aus den anderen Zimmern sind schon weg, obwohl es noch dunkel ist. Das wird sich mir nie erschließen, wo die so früh schon hinwollen. Man sieht so doch gar nix von der schönen Natur.
      Ich gehe dann mit meinem gepackten Rucksack und dem Frühstücksbeutel, den wir gestern Abend nach dem Essen feierlich überreicht bekommen haben, nach unten. Da steht ein Wasserkocher und ich trinke einen Kaffee und esse eine Kleinigkeit. 2 Frauen, die auch deutsch sprechen, kommen dazu. Dann erscheint noch Benedikt. Ich dachte, er ist auch schon weg, aber er hat in einem anderen Trakt geschlafen. Auch Thomas ist noch da. Er war, als er erwacht ist, ganz alleine in seinem Zimmer. Alle anderen waren schon ausgeflogen. Ich frage ihn, ob er nichts davon mitbekommen hat. Nein! Scherzhaft sage ich zu ihm, dass er die anderen wohl vergrault hat.
      Wir verabschieden uns. Thomas geht heute einen Ort weiter als ich. Benedikt und ich schlafen im gleichen Ort. Gegen 7.30 Uhr verlasse auch ich die Herberge. Es wird hell. Die aufgehende Sonne zaubert auf der einen Seite ein wunderschönes rotes Licht und auf dem anderen Berg ein gelbes. Was für eine Begrüßung am frühen Morgen.
      Es geht bergab. Klar doch! Das, was ich mich gestern hier hoch gequält habe, geht's nun wieder runter. In mir kommt wieder das Gefühl hoch, dass es den Pilgern mit Absicht schwer gemacht wird. Man hätte den Weg ja auch anders legen können. Für Leute zB, die kein Bergauf mögen - also quasi mich.
      Ich merke relativ schnell, dass was mit meinem rechten Bein nicht stimmt. Das Knie fühlt sich komisch ab. Als wenn es nicht richtig belastbar ist. Ich nehme es zur Kenntnis, gleiche es mit meinen Wanderstöcken aus und denke mit nichts weiter dabei. Kurz vor mir hat der nicht sprechende, knurrig wirkende ältere Mann die Herberge verlassen. Ich versuche mich an seine Fersen zu heften. Es gibt keinen Pilgerstrom - außer ihm und mir kein weiterer Pilger in Sicht. Trotz des komischen Gefühls rechts komme ich gut voran. Mehrmals schlage ich mich in die Büsche zum Pippi machen. Beim hinhocken kommen Schmerzen im rechten Knie auf. Ich ignoriere den Umstand. Plötzlich kommen Hügel in Sicht, die eine ungewöhnliche Form haben. Sie sind rund und wirken irgendwie sanft. Sieht sehr schön und doch eigenartig aus. Bendikt überholt mich und informiert mich, dass laut Wettervorhersage es heute nur 28 Grad werden sollen und die Sonne soll sich hinter Wolken verstecken. Na hoffen wir mal, dass das auch stimmt. Heute fallen mir die Botschaften der anderen Pilger am Wegesrand besonders auf. "Keep going" und "Buen Camino" lese ich zb.
      Auch auf einen am Baum hängenden, einsamen und verlorenen BH komme ich vorbei. Dass seine Vorbesitzerin wegen ihm zurückkommt, wage ich zu bezweifeln.
      Dann passiere ich den Ortseingang von Los Arcos. Irgendwie ging das schnell. Schon 12 km geschafft. Dann kann ich es jetzt etwas ruhiger angehen.
      Ich komme zu einem Marktplatz mit einer schönen Kirche und einem Café. Hier werde ich mir eine Pause gönnen. Es gönne mir einen leckeren Kaffee. Mir gegenüber sitzt eine Deutsche. Wir kommen ins Gespräch. Linda ist aus Naumburg und hat ihr heutiges Etappenziel erreicht. Ich sage ihr, dass ich noch 8 km vor mir habe. Plötzlich überlegt sie, ob sie sich mir anschließen und auch bis Torres del Rei laufen soll. In mir zieht sich alles zusammen. Ich möchte alleine pilgern.
      Ich sage ihr, dass ich eine Unterkunft reserviert habe und es wahrscheinlich kein freies Bett mehr gibt. Sie sagt, sie bleibt in Los Arcos. Geht doch!
      Nach meiner wohl verdienten Pause ziehe ich weiter. Mein Knie bereitet immer mehr Probleme und ich setze die Stöcker als Unterstützung ein uns versuche das Gewicht des Rucksackes mehr nach links zu verlagern, um es zu entlasten. Die Wolken werden weniger und die Sonne brennt wieder unerbittlich von oben. Es sind kaum schattige Plätze auf dem Weg vorhanden. Dann führt der Weg auf einer normalen asphaltierten Landstraße bergauf. Es ist sehr anstrengend. Ich treffe unterwegs die beiden älteren Frauen, die deutsch sprechen und auch Bernadette aus London. Alle waren auch in der gleichen Herberge wie ich. Bernadette ist auch sehr kräftig und mir wird bewusst, dass die Langsamsten auf dem Weg, die Dicken sind. Bernadette, Leonie und ich. Man kann da keine allgemeingültige Formel von Ableiten, aber in der Regel sind die schnellen Pilger schlank und durchtrainiert.
      Mit diesen Gedanken erreiche ich Sansol. Ich übernachte einen Ort weiter, aber mir sticht sofort das Schild "Farmacia" ins Auge. Apotheke. Okay kann ja nicht schaden, hier mal vorbeizuschauen. Leider ist noch bis 14 Uhr Siesta und ich möchte nicht noch über 30 Minuten in der Hitze warten. Ich entscheide mich, weiter zu gehen. Es kommt noch mal ein schwieriger und steiler Abstieg und - wie immer kurz vor der Unterkunft - noch ein steiler Aufstieg. Ich kann kaum noch laufen, aber nach fast 20 km ist das normal. Ich stehe vor meiner Herberge in Torres del Rei. Sie hat einen kleinen Pool, aber leider gibt es Hinweise, dass man nur in Badesachen in den Pool darf. Wer schleppt denn für so einen Fall noch einen Badeanzug im Rucksack mit sich rum? Ich checke ein und betrete mein schönes Zimmer. Ich will mit meiner Routine beginnen und duschen, Wäsche waschen usw, aber nach dem ich meine Hose ausgezogen habe, trifft mich der Schlag. Mein Problemknie ist rechts richtig geschwollen. DAS kann ich nun nicht mehr ignorieren. Was nun? Das sieht gar nicht gut aus. In mir kommt ein wenig Panik hoch. Ich setze mich aufs Bett und google. Überanstregung, kühlen, Ruhe usw wird mir angezeigt. Ich mache mein Handtuch nass und lege es aufs Knie. In meinem Kopf sind Millionen Gedanken. Nicht das auch noch. Ich hatte so was nicht eingeplant und bin auch nicht vorbereitet. Es gibt wohl Bandagen, die helfen. Ich beschließe zu duschen und danach die Apotheke in Sansol aufzusuchen. Das bedeutet auf dem Hinweg einen steilen Ab- und Aufstieg und auf dem Rückweg das gleiche noch mal in umgekehrter Reihenfolge. Aber wat mutt, dat mutt. Also quäle ich mich zur Apotheke. Der junge Mann spricht nicht so gut Englisch, aber ich präsentiere ihm das Problem. Ich bekomme eine Bandage und Salbe. Ich frage ihn, ob ich morgen laufen kann. Das muss ich entscheiden. Wenn ich keine Schmerzen habe, spricht nichts dagegen. Ich soll kühlen. Nun gut. Zurück geht es nur noch ganz langsam.
      In der Herberge frage ich nach Eis zum Kühlen und bekomme das auch. Einen Kaffee nehme ich mir auch noch mit aufs Zimmer. Immer wieder in meinem Kopf die Frage, was nun werden soll. Ich bin mir sicher, dass ich morgen so nicht pilgern kann. Zuerst hatte ich im Kopf, meinen Rucksack voraus zu schicken und ohne Gepäck zu wandern, aber diese Überlegung verwerfe ich dann. Noch mal 20 km mit einem lädierten Knie. Ich soll auf meinen Körper hören. Ich rufe Jenny an und wir reden.
      Ich bin sauer auf mich und fühle mich hilflos. Ich schaue nach Möglichkeiten, wie ich nun weiter fortfahren kann und gucke auch nach Möglichkeiten heim zu fahren.
      Dann ziehe ich in Erwägung, meinen Camino abzubrechen. Am Freitag würde ein günstiger Flug von Vitoria aus nonstop nach Köln gehen. Dann müsste ich nur von hier nach Vitoria kommen. Ich gehe nach unten und benutze die Waschmaschine. Ich spreche mit dem Herbergsvater. Es gibt einen Bushaltestelle im Ort und von dort kommt man günstig nach Logroño.
      Ich gehe nach oben und entscheide, heim zu fliegen. Ich nehme alle Buchungen vor. Unterkunft in Vitoria und Flug. Mir fällt diese Entscheidung unendlich schwer. Ich habe so lange geplant, viel Geld ausgegeben und für ein Sabbatical Geld angespart und nach einer(!) Woche muss ich abbrechen. Was werde alle sagen? Am End' war es klar, dass die dicke Cindy es nicht schafft. Ich teile Jenny meine Entscheidung mit und bitte sie, erst einmal nichts zu sagen. Nur ihre Eltern vielleicht. Diese Entwicklung muss ich erst einmal verarbeiten. Ich humpel' zum Abendessen. Der Herbergsvater fragt, ob ich Lust auf Konversation habe oder alleine bleiben möchte. Ich möchte alleine bleiben. Dann gibt es ein sehr leckeres Abendessen. Ich trinke auch ein kleines Glas Wein auf das Ende meines Jakobsweges. Dann gehe ich schlafen. Vorher trete ich in Facebook aus allen Jakobsweggruppen aus und entferne meine Pilgermuschel vom Rucksack. Ich bin kein Pilger mehr - vielleicht bin ich nie einer gewesen.
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    You might also know this place by the following names:

    Betoño, Betono, Betoñu

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