Spain
Román

Discover travel destinations of travelers writing a travel journal on FindPenguins.
Travelers at this place
    • Day 132

      Begegnungen am Wegesrand - Teil 14

      July 10, 2023 in Spain ⋅ ☀️ 16 °C

      Ich bin an diesem nebligen Morgen in meine Unterhaltung mit Alyssa vertieft, als vor uns im Wald plötzlich eine uralte, steinerne Brücke auftaucht. Davor hat jemand auf der rechten Seite hübsche Anhänger und Ohrringe auf zwei niedrigen Tischen zum Verkauf arrangiert. Erst auf den zweiten Blick fällt uns die hagere Gestalt auf, die sich uns aus Richtung des Flusses nähert. Ein jung wirkender Mann mit langen Haaren und Bart nähert sich uns.
      "Hola", begrüßt er Alyssa und mich. "Wie geht es euch?" Er nimmt Platz auf seiner Sitzmatte neben dem kleinen Verkaufsstand. "Warum seid ihr auf dem Camino?", beginnt er unerwartet das Gespräch.
      Ich erzähle kurz, dass ich schon oft am Camino war und dass er zu einer Leidenschaft von mir geworden ist.
      "Sei vorsichtig", sagt der Spanier. "Der Camino kann eine Sucht sein. Manchmal sehe ich die selben Menschen drei, viermal in einem Sommer hier vorbeikommen. Es gibt mehr im Leben als den Camino."
      Verblüfft schaue ich erst Alyssa an und dann Addie und Amy, die in diesem Moment den Weg zur Brücke hinunter kommen und zu uns hinzustoßen.
      Der junge Mann fragt uns, woher wir alle kommen und erzählt uns dann etwas von seiner Lebensphilosophie. Dass das Leben nur aus Entscheidungen besteht und wir mit diesen zufrieden sein sollten - sonst solle man andere Entscheidungen treffen. Dass man mit Entscheidungen immer sein Leben ändern kann.
      Dann nimmt er sich uns einzeln vor und wir fühlen uns plötzlich wie in einer Gruppentherapie: Als Alyssa einen Witz über einen vorbeigehenden Amerikaner macht (sie ist selbst Amerikanerin), wird der Mann ganz ernst und fragt sie, warum sie jetzt diese Bemerkung gemacht hat. "Ein Witz sagt mir mehr über dich als über den anderen Pilger", meint er.
      Addie erwischt er dabei, wie sie abwesend in die Bäume schaut. "Wo war dein Kopf gerade?", fragt er.
      "Nirgendwo", behauptet Addie.
      "Weit weg, in Australien", meint der Mann.
      Addie (die aus Australien kommt) erzählt uns später, dass sie überlegt hat, wie wir höflich von hier verschwinden können.
      Schließlich stößt Sam hinzu.
      "Hi, Sam", sagen Addie, Amy, Alyssa und ich.
      "Hi, Sam", sagt der Mann und sieht den Oberösterreicher interessiert an. "Soll ich dir beim Rasieren helfen?" Sam, dessen Bart um einiges länger ist als der des Mannes an der Brücke, lehnt dankend ab. "Weißt du, Männer verstecken ihren Schmerz unter ihrem Bart", behauptet der Mann.
      Alyssa, Amy, Addie und ich werfen uns schiefe Blicke zu, dann schauen wir zu Sam hinüber, den wir nur ruhig und ausgeglichen kennen und der immer betont, wie glücklich er mit sich und seinem Leben ist.
      Schließlich wirft der Mann noch Amy, die bisher verschont geblieben ist, einen intensiven Blick zu und sie sieht verwirrt zur Seite.
      "Warum kann ich dich nicht anschauen?", fragt der Mann. "Warum ist es dir unangenehm? Hast du etwas zu verbergen?"
      "Haben wir das nicht alle?", fragt Amy zurück. "Wie ist eigentlich dein Name?"
      "Jesús", stellt sich der mysteriöse Mann vor. Uns fällt kollektiv die Kinnlade herunter.

      Als wir es schließlich schaffen, uns von Jesús zu verabschieden, gehe ich wieder neben Alyssa. Wir überqueren endlich die alte, steinerne Brücke, die nach wie vor von Nebelfetzen umgeben ist.
      "Ich glaube, wir haben gerade einen Dschinn gesehen", murmelt Alyssa. "Es würde mich nicht wundern, wenn wir uns umdrehen und er ist verschwunden."
      Sicherheitshalber drehen wir uns nicht um.
      Read more

    You might also know this place by the following names:

    Román, Roman

    Join us:

    FindPenguins for iOSFindPenguins for Android