Vier Jungs beim Segeln

May 2020 - July 2023
A 1128-day adventure by Sue and Pasci, Marc, Fönz & Robin Read more
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  • Day 1

    Anfahrt

    May 30, 2020 in Croatia ⋅ ⛅ 20 °C

    Der Lockdown ist grösstenteils beendet und wir dürfen doch tatsächlich die geplante Woche Segelurlaub in Kroatien antreten. Also anfahren, denn das arme Fliegen befindet sich weiterhin im Lockdown. Erst vor wenigen Tagen haben wir die schweren Herzens entschiedene Absage revidiert. Unser lieber Freund Pavel hat uns davon überzeugt, dass uns die knuffigen Österreicher und Slowenen für den Transit passieren lassen und sich die gastfreundlichen Kroaten über jeden Besuch freuen. Zumindest wenn eine bereits bezahlte Buchung vorgelegt werden kann. Über Geld freut sich doch einfach jeder. Beim Einsammeln der Crew in Meisterschwanden (Rode the Smutje), Sarmenstorf (Fischer the Kassier) und Üezmu (Stauber the Skip) bereitet der Abschied hingegen weniger Freude. Also den Daheimbleibenden. Wir vier freuen uns wie kleine Kinder und wollen los. Tschüss.

    Wir machen uns mit dem Vierten im Bunde (Marc the Transporter) auf die eintausendeinhundertdreissig Kilometer langen Weg. Via Italien wäre schneller. Aber Italien stinkt. Wir rechnen mit dreizehn bis vierzehn Stunden. Kurz vor der Grenze zu Österreich kommt ein erstes Mal Hektik auf und die Hamsterkäufe starten. Schliesslich will jemand gelesen haben, dass man in Österreich weder zu futtern noch zu saufen bekommt. Mit Säcken voller Fleischkäse und aufgesetzten Hygiene-Masken begeben wir uns festlich dekoriert zum preussischen Zollhäuschen. Da sitzt allerdings niemand, um unsere coole Getaway-Aufmachung zu bestaunen. Schade. Und Läden und Restaurants sind enet der Grenze auch geöffnet. War ja klar.

    Nach vier Stunden gönnen wir uns - oder in erster Linie Marc - eine Kaffeepause. Fönz und ich nutzen die Gelegenheit, um uns mit vier grossen Säcken Gummibärchen einzudecken. Nach Fleischkäse, Landjägern und sonstigem Müll darf ein entsprechend gesundes Dessert nicht fehlen. Das gilt auch für die lustigen Gruppenfotos. Am heutigen Abend gerne mit Robin, Fönz, mir und dem dunkelhäutigen Tankwart. Oder Marc. Wir sind uns nicht sicher (schau Foto).

    Der Weg nach Primosten in Kroatien führt uns über Kitzbühl, Sankt Johann und auf knapp 1‘400 Meter über Meer. Ob das der schnellste Weg ist? Sicher nicht. Aber wir sind ganz offensichtlich grottenschlecht im Navigieren. Unsere Route ist eher wie Zürich - Bern ohne Autobahn dafür mit Ausflug im Sarmenstorfer Moos. Wie auch immer, um kurz nach zehn Uhr tätigen wir die erste Einzahlung beim Online-Casino jackpots.ch und hoffen auf den grossen Gewinn. Was sollen wir die nächsten Stunden beziehungsweise sieben Tage denn sonst machen? Wäre ja total langweilig.

    Was sich allerdings viel schneller auszahlt als dieses Casino-Invest, ist dem Robin sein Radarwarner. Im Tal der Raser-Tränen steht alle fünfhundert Meter so eine Abzocker-Kamera. Glücklich über den kleinen Assistenten empfangen wir die erste Hiobsbotschaft des Tages. Mehrere Kilometer Stau und bis zu zwei Stunden Wartezeit am Karawanken-Tunnel zwischen Österreich und Slowenien. Das Karavanen-Ende erreichen wir gegen halb zwei Uhr morgens. Dessen Ende und somit den Tunneleingang unfassbare fünf Stunden später!? So was gibts noch nicht einmal zu Ostern am Gotthard. Da helfen nur noch Gummibärchen, um die Stimmung knapp über Kontrollverlust zu halten. Dem Marc sein Wortschatz reduziert sich aber dennoch auf die Worte „unglaublich“ und „Rauuuum“, was beim Segeln das lautstarke Durchsetzen der Vortrittsregel bedeutet. Das macht sich aber auch im stehenden Kolonnenverkehr ganz gut. Findet Marc. Die Nerven liegen also blank und geschlafen wurde die Nacht auch nicht. Und wieso der ganze Scheiss? Welch aufwändigen Prozess haben sich die Slowenen für die Einreise überlegt? Überraschderweise genau eine einfache Frage: Where you go? Croatia. Ok, bye. Die fünf Stunden haben sich also echt gelohnt. Verdammte Slowenen.

    Keiner von uns kann sich an seine letzte Freinacht erinnern. Schon gar nicht in nüchterem Zustand. Muss irgendwann in der übertrieben schönen Kindheit gewesen sein. Ähnlich schön sind die Kroaten. Besser gesagt die mit Laser-Pistolen bewaffnete kroatische Polizei, als diese den flotten Fönz mit fünfundsiebzig anstatt der erlaubten fünfzig aus dem Verkehr zieht. Das kostet in der Schweiz bekanntlich die Fahrerlaubnis. Hier kostet dies ein freundliches Lächeln, das mit den Worten „please drive slow“ entgegnet wird. Endlich jemand der versteht, wie es uns nach sechzehn Stunden im Auto geht. Zusammenfassend kann ich sagen, ich hab Mühe! In erster Linie mit den ständigen Stops. „Ich muss auf Klo!“, „ich will ne Cola“, „ich hab Hunger“, „ich brauch nen Kaffee“, ... ich könnt kotzen. Und irgendwann reisst mir der dünn gestrickte Geduldsfaden. Zusammen mit Skip Robin setzen wir die beiden Dreibuchstäber - eine Indikation für das Tragen von T-Shirts deren Grössenbezeichnung drei Buchstaben hat - mit dem Online-Casino auf die Rückbank, re-aktivieren den Radar-Warmer und ab die Post. Das rasante Vorankommen hält genau zwanzig Minuten, dann muss das Mädchen hinten links schon wieder Wasser lassen. Ich krieg die Krise. Als die beiden dann noch verkünden, dass unser Echtgeld-Saldo im Online-Casino soeben die Talsohle - also CHF null - erreicht hat, spreche ich vorübergehend nicht mehr mit ihnen. Pfeifen.

    Nach unglaublichen neunzehn Stunden sind wir knapp vor dem Mittag endlich am Ziel. Wahnsinn. Wir stinken, sind stinkig und es regnet. Egal, eine Flasche Schlibo auf den Tisch und die Spiele können beginnen. Wir Schaffen es zwar noch zu einem frühen Pizza-Dinner - Robin die kleine skinny Bitch mag natürlich nur Garnelen und Salat - aber der Schaden ist schon angerichtet. Die letzten Tropfen Schlibo vernichten wir beim anschliessenden Musizieren ohne Rücksicht auf anwesende Nachbarn. Einziger Wehrmutstropfen für die ungewollt Beschallten? Das kanonenvolle Viererpack ist schon vor neun besinnungslos und verkriecht sich in die feudalen Kojen. Ein wirklich netter Einstieg in die Woche. Finden wir. Andere Meinungen sind nicht gefragt. Finden wir.
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  • Day 3

    Ausfahrt

    June 1, 2020 in Croatia ⋅ ☀️ 19 °C

    Bereits um kurz vor sechs Uhr herrscht Betrieb auf Deck. Verdammte Frühaufsteher. Mach ich eben auch mit. Wobei ich bin eigentlich beleidigt, da Scampi-Robin das einzig verfügbare Wasser an sich gerissen und in sich geschüttet hat. Die Sau. In Marc‘s Auto hätte es noch fünf Flaschen, aber niemand der sie für mich holt. Scheissfreunde. Neben den Wasserflaschen erinnere ich mich eigentlich nur noch an das Abendessen und den Typ, der sich während dessen mit dem Skateboard auf die Fresse gelegt und aus eben dieser geblutet hat. Nur dank intensivem Brainstorming und gegenseitiger Stimulierung des Erinnerungsapparates kommen weitere Fetzen zum Vorschein. Verdammter Schlibo. Taeschler schwört bereits hoch und heilig keinen einzigen Schluck mehr anzurühren. Aus meiner Sicht - wie bei der politischen Meinungsbildung - sehr voreilig. Wir werden sehen.

    Das Einkaufen und Bunkern verläuft dank sonntäglicher Offenheit von Supermarkt, Bäcker und Metzger grösstenteils reibungslos. Nur Transport-Genie Marc wird stellenweise angehupt, was bei seiner heutigen Schlibo-Fresse aber nicht weiter überrascht. Vielleicht ist es auch aufgrund der bescheidenen Parkplatzwahl. Wahrscheinlich beides. Der erste Segeltag ist purer Luxus. Sonne, fünfundzwanzig Knoten Wind und keine Wellen. Eher selten und völlig übertrieben für die Segelneulinge Fönz und Marc. Aber das gönn ich ihnen natürlich. Grosszügig wie ich bin. Weniger grosszügig bin ich bei seglerischen Fehlleistungen, schliesslich trainieren wir bereits für die Regatta am Folgetag. Inmitten der Kornaten wollen wir dem Pavel und seiner Crew eine kleine Lektion erteilen. Standen wir letztes Mal noch zusammen auf dem siegreichen Kahn - und Robin auf dem anderen -, so stehen sich der erfahrene Seebär und der überhebliche Taktiker heute gegenüber. Doch egal wie es ausgeht, den im Anschluss geplanten Schweinebraten haben wir bereits mariniert. Und einen Grill hat unsere scharfe Schüssel auch zu bieten. Genau was man(n) für die gehobene Zeit auf See braucht. Neben Bier. Und Schlibo.

    Auch am zweiten Tag beginnt der morgendliche Trubel schon vor sechs Uhr. Hinzu kommt die Beschallung mit „Guten Morgen Sonnenschein“ von Nana Mouskouri. Als ob Sandra Joho zu einem fastnächtlichen Spontanbesuch gekommen wäre. Was ist bloss mit den drei bettflüchtigen Senioren los?! Echt grenzwertig. Ich könnt schon wieder kotzen. Aber egal, die Stimmung muss halten, sonst wird es heute nichts mit der Lektion für Pavelito. Und die hat er sich doch sicher verdient, das alte Segelhäschen. Also Segel rauf. Wind viel. Reff rein. Wind wenig. Segel ganz raus. Wind weg. Segel runter. Motor. Bier. Tolle Vorbereitung.

    Im Laufe des Tages schenkt uns das kroatische Volk - oder wer auch immer für das hiesige Wetter verantwortlich ist - dann aber einen weiteren Luxussegeltag mit unfassbar perfekten Konditionen. Dann allerdings kurze Verwirrung kurz vor dem Ziel. Wo liegt der Pavel mit seinem Schiff genau? Dort hinten in der Bucht, von der wir seit Stunden sprechen? Gehen wir mal schauen. Der Tiefenmesser schaut auch. Etwas besorgt. 2m, 1m, 50cm ... sind wir hier richtig? Klar, schliesslich reden wir schon den ganzen Tag von dieser schönen Bucht. 30cm, 20cm, ... hmm, sicher?? 10cm, 0cm ... das wird eng - findet der Tiefenmesser. Und auch Skip Robin, der geistesgegenwärtig vollen Schub zurück gibt und das Schiff rückwärts aus der verdammten Schlickgrube manövriert. Ein kurzes Telefonat mit Regattengegner Pavel bestätigt. Nein, da hinten ist er nicht. Dort passen gar keine Segelschiffe durch. Soso. War ja klar.

    Nachdem wir den kleinen Buchten-Ausflug beinahe mit dem Leben bezahlt hätten - oder auch nicht -, bestaunen wir die schöne Segeljacht, die sich der Pavel gepösterlet hat. Einen kleinen Apero gibt es bei den Freunden auch. Allerdings wartet auch eine massive Enttäuschung auf uns. Es wird keine Regatta geben. Nicht heute und auch nicht morgen früh. Pavel hat zwar eine wunderschöne Jacht aber scheinbar die Hosen voll. Als Gründe werden der baldige Wetterwechsel und die weite Strecke genannt, welche die flüchtigen Gegner ab 06:00 zurückzulegen hätten. Klar. Das wird es sein. Der überhebliche Taktiker in mir fühlt sich natürlich trotzdem als Sieger. Der ebenfalls überhebliche Taeschler natürlich auch. Zur improvisierten Siegesfeier auf unserem Schiff serviert der Gute feierlich die nächste Flasche Schlibo. Total konsequent der Mann. Mir gefällts.
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  • Day 5

    Auffahrt

    June 3, 2020 in Croatia ⋅ ☀️ 23 °C

    Tag drei und wieder herrscht schon um halb sechs in der Früh unüberhörbarer Betrieb auf unserem Schweinefrachter. Verdammt nochmal, was ist bloss mit den Herren los? Das hier sind doch Ferien. Ich könnt kotzen. Wegen dem ungeheuerlichen Tumult zu einer unmenschlichen Zeit und wegen der erneuten Flasche Schlibo gestern. Gut möglich, dass ich diesen Frust heute mit Vodka bekämpfe. Wir werden sehen. Fönz bekämpft derweil die ansetzende Fäulnis und nimmt sein erstes Bad im Meer. Viel zu kalt findet der Rest. Wir stinken lieber weiter vor uns hin. Hat ja jeder seine eigene Koje. Und Deo.

    Noch ein Wort zu den bisherigen Fortschritten der Segel-Newbies, nachdem die lang ersehnte Regatta aufgrund Hosen voll ja abgesagt wurde. Die Bilanz der sonstigen Manöver sieht wie folgt aus. Es wurde jeweils abends eine Boje angefahren. Skip Bään macht seinen Job gewohnt souverän und lenkt unsere Jacht Madicken - klingt für mich irgendwie nach dicken Männern - mit feiner Hand rückwärts an die Boje. Meinen Beitrag des Einholens der Boje und des Einschlaufens der beiden Leinen liefere ich mit vergleichbarer Souveränität ab. Taeschler und Fischer erhalten die vergleichsweise simple Aufgabe die Enden der beiden Leinen zu halten und zum vorderen Ende des Schiffs zu laufen. Auf halbem Weg fragt Taeschler verlegen, ob er auch nur mit einem Leinenende nach vorne laufen kann. Das andere liegt schon wieder im Wasser und das Manöver ist quasi gescheitert. Toll gemacht Marc. Ganz toll gemacht.

    Tags darauf wechseln wir die Rollen und Marc darf sein Selbstbewusstsein beim Einfädeln der Leinen wieder aufbessern, was soweit auch ganz ordentlich klappt. Ich mache mit Fönz den Teil mit Enden halten und nach vorne laufen. Auf halbem Weg ist es heute Fischer der verlegen lacht. Mit lediglich einem Ende in der Hand ist auch bei diesem Manöver Ende Gelände. Meine Fresse, was ist bloss los mit euch? Es geht hier weder um komplizierte Knöpfe knüpfen noch um Segel trimmen. Einfach nur zwei Leinenenden halten. Das sollte doch möglich sein. Auch nach zehn Büchsen Bier. Apropos Bier, den Manöverdrink gibts natürlich trotzdem. Auch für die lahmarmigen Leinenschleifer. Sind ja keine Unmenschen. Zumindest Robin nicht.

    Das andere Hobby unserer beiden Ersatz-Fender ist das Fischen. Langweiliger als Fischen selber ist lediglich beim Fischen zuzuschauen. Extrem hochwertiges Material hat der Marc bei Alibaba besorgt. Das Teil würde nicht mal als Wünschelrute eine gute Falle machen. Als Fischerrute noch viel weniger. Doch an Tag drei scheint dem Taeschler des Fischers Glück hold. Ganz nervös informiert der nutzlose Rutenhalter den Rest der Crew über den deutlich spürbaren Widerstand am billigen Gerüt. Zehn Sekunden später staunen wir nicht schlecht, als Taeschler die zum Einweichen ins Wasser gehängte Pfanne am Haken präsentiert. Gratuliere. Einen gemeinen Pfannenfisch hat sich der Marc geangelt. Keine zehn Minuten später macht es ihm der nicht minder unnütze Fischer Fönz gleich und die anfängliche Hektik vom vermeintlichen Biss endet in grossem Gelächter. Richtige Helden die zwei. Oder Komiker. Sagen wir komische Helden.

    Am Mittwoch ist es dann endlich soweit. Die Fraktion „Morgenstund hat Gold im Mund“ hält frühmorgens mehrheitlich die Fresse und ich kann bis kurz vor acht schlafen. Herrlich. Ist ja gar nicht so schwer. Auch der Weg durch unzählige Inseln nach Šibenik - aka Schabernak - ist nicht wirklich schwer. Wind hat es heute sowieso keinen, was bei gewissen Winden Mitreisender durchaus als fataler Nachteil zu werten ist. Furchtbar fatal. Schabernak ist wie der Rest hier unten fast vollständig ausgestorben und wir meist alleine. Liegt wohl an Corona. Oder an den Fönz‘schen Winden. Wahrscheinlich beides.
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  • Day 6

    Abfahrt

    June 4, 2020 in Croatia ⋅ ☁️ 21 °C

    Wir kehren schon an Donnerstag zurück in den sicheren Hafen. Sturmböen bis achtzig Stundenkilometer soll es geben und morgen völlig unfaire Gewitter Tag ein Tag aus. Nix für uns. Schlibo bietet da eine ideale Alternative. Die morgendliche Abfahrt in Sibenik muss allerdings auch ohne Schlibo als beschränkt souverän bezeichnet werden. Und zur Abwechslung macht das Führungsduo Stauber/Rode eine unterdurchschnittliche Figur. Überlebt haben aber auch bei diesem Manöver alle. Worüber wir uns natürlich tierisch freuen und uns ein frühes Bier gönnen.

    Jugo - so heisst der Wind hier wirklich - schenkt uns zum Abschluss noch herrliche vier Stunden Überfahrt. Das Gross im zweiten Reff bei bis zu fünfunddreissig Knoten hart von hi... ähh hart am Wind bis kurz nach Primosten. Der Kutter legt sich nochmals maximal schief ins Wasser und jeder darf ein paar Highspeed-Schläge am Steuer stehen. Höhe wird dabei des Öfteren verschenkt. Aber davon haben wir heute ausnahmsweise genug. Im Gegensatz zu Leinenenden bei den Bojenmanövern. Den Speed-Rekord stellt Taeschler auf. 9,0 Knoten bei maximalem Höheverschenken. Trotzdem geil. Kaum im Hafen - das Manövrieren hat Skip Robin wieder toll gemacht - wollen wir umgehend weitere Höhe gewinnen. Steil bergauf. Primosten leersaufen heisst das gemeinsame Ziel. Bevor es los geht aber noch schnell alle Fotos in der allgegenwärtigen Cloud sichern. Damit wir uns morgen noch an die schöne Woche erinnern. Sind ja nicht doof. Oder doch. Aber auch das wird heute gefeiert.

    Zur Feier des Tages stellen sich alle vier Stinkstiefel unter die Dusche. Also nicht zusammen. Die Art von Feier ist nicht unser Ding. Auch wenn das schöne Portmonee von Kassier Fischer und die süssen Segelhandschuhe von Taeschler durchaus anders vermuten lassen. Robin kommt als letzter zurück vom Duschen, steigt runter in seine Koje und setzt sich rückwärts aufs Bett. Diese einfach anmutende Aktion wird allerdings jäh unterbrochen von einem „Was willst denn du hier?“ - schockiert ausgestossen von einem älteren Herren, auf dessen Gesicht sich der lustige Robin eben gesetzt hat. Das ist eine wirklich gute Frage, Robin. Wieso drückst du dem armen Herren deine behaarten Klöten in die Fresse? Auf seinem Schiff?! Wir sitzen alle auf dem Schiff nebenan. Auf unserem Schiff. Total peinlich unser Skip. Herzig, aber peinlich. Sofort einen Gin/Tonic mixen, den Taeschler in einem Moment geistiger Umnachtung - eher ein Dauerzustand - als Aschenbecher nutzt. Was ist heute bloss wieder los mit euch? Die eben beschriebenen Vorkommnisse spielen allesamt b e v o r wir uns aufmachen, um Primosten leerzusaufen. Austrinken tut der Marc seinen Drink dann trotzdem. Auch herzig. Und peinlich.

    Unsere kleine Sauftour startet mit einem grossen Erfolg. Die erste Bar, die wir besuchen, hat keinen Tropfen Schlibo mehr. Check. Das gehobene Restaurant unserer Wahl hat hingegen noch alles. Wir entscheiden uns für zwei anderthalb killölige Wolfsbarsche aka Loup de Mer aka Sea Bass. Unglaublich lecker. Das sind die Dinger, die ich bald in der Schweiz produzieren werde. Oder auch nicht. Wir werden sehen. Zur Vorspeise gönnen wir uns vorzüglichen Tuna. Ausser Spezialmensch Taeschler, der will ums Verrecken Miesmuscheln in Sosse. Zwei Muscheln später sieht der Eigenbrötler im weissen Pullover aus wie Sau. Schau Foto. Nicht herzig. Dafür umso peinlicher.

    Ansonsten gestaltet sich das Dinner perfekt und wir kredenzen einen Weiss- und zwei Rotweine aller erster Güte. Was man vom zu Beginn des Törns erstandenen Potpourri bestehend aus zwölf unterschiedlichen Flaschen aus dem Tiefpreissegment definitiv nicht sagen kann. Verdammte Plörre. Einzig Taeschler kämpft sich durch einige der Kochweine. Laut Vivino taugen die meisten Rostwasser nicht einmal für die Essigproduktion. Wenn der Präsi vom Weinclub das wüsste. Das gäb Ärger. Oder auch nicht.

    Nach einem weiteren Schlibo begeben wir uns zurück zum Hafen, wo wir uns weitere vier Schlibo und eine Proschutto/Funghi gönnen. Ausser Extrawürstchen Taeschler, der will natürlich noch ein Wässerchen. Damit giesst der pflanzenfreundliche Fischer allerdings umgehend den Rosmarien neben dem Tisch. Der Kellner findets lustig. Das Extrawürstchen nicht. Und noch bevor wir unser kleines Mitternachts-Häppchen auf dem Tisch haben, erklärt der inzwischen sichtlich angeschlagene Taeschler dem netten Kellner lallend „the worst Schlibo ever!“, worauf der Angegriffene sichtlich enttäuscht entgegnet „I make it myself.“ Danke Marc. Die noch nicht gelieferte Pizza wird wohl spontan noch mit fettigen Sackhaaren verfeinert. Garnelen-Robin fasst das Ding sicherheitshalber gar nicht erst an. Fischer und mir ist das völlig egal. Der Fladen ist jetzt das Wichtigste im Leben. Für den mit Tomatensosse eingesauten Taeschler kommt der rettende Happen allerdings zu spät. Der hat schon wieder massiv an Höhe verschenkt und ist in sich zusammengesackt und schnarcht. Am Tisch. Unglaublich. Und total peinlich. Aber herzig. Irgendwie.

    Das wars denn auch mit dem Törn. Einen Tag früher als geplant aber sechs Tage später als noch vor zwei Wochen gedacht machen wir uns auf den Heimweg. Zwölf bis dreizehn Stunden sagt Google. Aber vielleicht hält die Welt ja nochmals so einen fünfstündigen Monsterstau für uns bereit. Oder das Duo „Mikrobläschen“ muss wieder alle zwölf Minuten auf Klo. Pipi machen. Wir werden sehen.
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  • Day 736

    Schreier on Tour

    June 4, 2022 in Greece ⋅ 🌬 27 °C

    So. Papa haut ab. Alleine. Also mit Freunden. Aber ohne Family. Frech. Der Bus fährt schon um kurz nach sechs Uhr in der Früh. Zwei Minuten vor sechs beginnt es zu regnen. Auch frech. Das Ölzeug somit wieder auspacken? Oder doch lieber Schirm? Den sollte man ja immer dabei haben bei Segelferien in Griechenland. Und 30 grad. Egal. Los gehts. Rollkoffer in der einen, Schirm und Kaffeebecher in der anderen Hand. Kann bei den vorherrschenden Orkanböhen natürlich nicht gut gehen. Idiot. Nach rund zehn Metern reicht ein entschiedener Windstoss und der Schirm klappt in die Gegenrichtung während sich der heisse Kaffee auf Hose und unnötig teure On-Schuhe verteilt. Fuck. Ich glaub ich bleib zu Hause. Scheissferien.

    Unterwegs bin ich mit den gleichen Hochsee-Helden wie vor zwei Jahren. Skip Robin hat das Kommando, ich bin Co-Skip - zumindest auf dem Papier -, dann kommt lange nichts mehr und dann noch die beiden Leinenschleicher Fischer und Taeschler. Letzterer hat sich die ehrbare und vormals mir anvertraute Aufgabe des Smutjes geangelt. Angeln will uns der neue und grossmaulige Küchenchef täglich frischen Fisch, wofür auch eigens Ausrüstung mitgeschleppt wird. Aber ich nehms vornweg. Der Mann fängt nichts. Gar nix. Nada. Rein. Gar. Nichts. Und Röschti kauft Sarmenstorfs Gewürz-Papst lediglich zwei anstelle der üblichen fünf Packungen. Ich könnt schon das erste Mal kotzen. Tu ich aber nicht. Vielleicht hat der Mann ja noch ein kulinarisches Ass im Ärmel. Vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.

    Der Rest unserer Anreise mit dem öffentlichen Verkehr verläuft angenehm unspektakulär und dank Röschti-Muffel Taeschler feucht fröhlich mit Büchsenbier.
    Wie man das frühmorgens und mit Anfang Zwanzig im ÖV eben so macht. Bei der Ankunft im griechischen Athen gilt überraschend Maskenpflicht. Das interessiert bloss keine Sau hier. Mich somit auch nicht. Auf der Arrival-Toilette trage ich sie trotzdem. Sicher ist sicher. Rauchbein Taeschler hangelt sich derweil von Raucherraum zu Raucherraum. Wobei Fischer und Rode sich in Zürich auch noch mit einer fünfundzwanziger Kiste feiner Robustos eingedeckt haben. Und Stauber raucht wie immer von Taeschler. Für permanent dicke Luft auf dem Kutter dürfte also gesorgt sein.

    Unser Lieblings-Skip Stauber hat neben der zum Segeln nötigen Yacht verdankenswerterweise auch den nötigen Transfer vom Flughafen zur Marina organisiert. Brav und wortkarg empfängt uns Stavros - nehme an er heisst so -, bevor wir ihm nach draussen zum Mini-Bus folgen. Daran läuft er dann aber ziemlich überraschend vorbei. Und öffnet das gelbe Truckli dahinter. Ja was jetzt?! Vier kolossale Jungs mit massiv Segelgepäck sollen in diesen Kleinstwagen? Nie im Leben. Weiss der verdammte Costas nicht, dass ich wie zwei von hunderttausend Menschen an essentieller Thrombozythämie leide? Hallo!? Thrombosengefahr! Ihm egal. Er meint das mit Rücksäcken zwischen und der Segeltasche auf den Beinen tatsächlich ernst. Der „grosse“ Marc solle vorne sitzen, sonst lassen sich hinten die Türen nicht schliessen. Mir wird schon wieder schlecht. Scheissferien.

    Skip Bään und ich sind ja gespannt, was die zwei Elektro-Wintscheler diese Woche so auf die Reihe oder eben daneben kriegen. „Banausen“ heissen auch die Neulinge bei Robin’s Super Puma Display Team. Und so plant der allmächtige Skip diese Woche einen Banausen-Tag, um die Fortschritte der leinenlahmen Zweitsegler zu testen. Zuerst dürfen die beiden mal einkaufen gehen. Das sollte ja klappen. Und siehe da, tatsächlich. Mit zwei grossen Einkaufswagen voller Leckereien kommen die Hasen eine Stunde später zurück. Muss das ganze Zeugs nur noch auf den geilen Kahn. Habt ihr ne Schachtel oder auch einfach nur eine Migros-Tüte mitgebracht? Ich denke wir kennen alle die Antwort. Wird eben jedes Päckli Pasta und jedes Stück Käse einzeln über die Gangway getragen. Toll gemacht. Jungs. Ganz grosses Kino.

    Bevor wir uns fürs Dinner ready machen, wird noch die Flagge unseres lieben und leider viel zu früh verstorbenen Segelfreundes und -mentors Pavel gehisst. Er ist bei uns und wird es immer sein. Das lokale Essen am ersten Abend ist ok. Aber auch nicht mehr. Die Drinks im Palmera an der Promenade sind da schon einiges geiler. Natürlich saufen wir angesichts des anstehenden ersten fünfundvierzig Meilen Schlags viel zu viel. Aber egal. So macht man(n) das eben mit Anfang zwanzig. Wir stehen mit Athena - so heisst unser gecharterter Schweinefrachter - auf dem ersten Parkplatz an der Promenade. Weit nach Mitternacht hüpfen wir quasi vom Bartisch direkt ins Bett. Womit auch gesagt wäre, wie nah mein Bett am ganzen Zaziki-Fresser-Trubel liegt. Das lokale Party-Volk feiert auch ohne uns weiter und das bei unverschämter Lautstärke. An Schlafen ist nicht zu denken. Wir wollen aber um Sieben los, heisst um sechs Uhr aufstehen. Ich will also einfach nur meine REM-Phase erreichen. Oropax rein, Fenster zu. Viel zu heiss, schwitze wie Sau. Scheiss Leben. Und dann, irgendwann, ist endlich Ruhe. Ich freue mich sogleich auf ein wenig Schlaf und schaue kurz auf die Uhr. Es ist sechs Uhr! Und das verdammte Palmera hat eben das letzte Lied gespielt. (Schau Video) Verdammte scheisse. Spinnt ihr?! Ich will eigentlich nur kotzen. Aber dazu kommen wir später noch.

    Als wir gefühlte fünf Minuten später ablegen, läuft mein Körper lediglich mit Notstrom und in einem Notfallprogramm. Das lasse ich mir natürlich nicht anmerken. Ich schaue einfach grimmig. Also Leinen los, Fender rein und weg sind wir. Wobei, kaum sind die Segel gesetzt merken wir, ein Fender hängt noch draussen. Auf Taeschler‘s Seite. Unglaublich. Wie kann man einen ganzen Fender nicht sehen?! Egal. Bei dem diffusen und starken Wellengang behebt der Skip diesen unentschuldbaren Fehler lieber selber. Der Wind ist klasse und ideal zum Segeln. Doch irgendwie ist dem Taeschler das egal und doch alles zu viel. Nach kurzer Vorwarnung schreit der Fender-Schreck lauthals über die Reling. Was soll der Scheiss? Vielleicht will er damit auch bloss Fische anfüttern und zum hinterher geschleppten Tuna-Wobbler locken. Wie auch immer. Ich finds schrecklich und könnt schon wieder selber kotzen.

    Ich halte das plötzlich auftretende Drücken im Magen aber vorerst für Hunger und frage Skip Robin nach einer Banane. Wir haben ja noch gar nix gefuttert heute. Doch kaum halte ich die krumme Banana in der Hand, schon will sich mein Mageninhalt zu Taeschlers Sauce gesellen. Und das tut er dann auch. Verdammt. Für ein Mal könnte ich es nicht nur. Ich tue es auch. Voller Inbrunst schreie ich wie Taeschler kurz zuvor über die hintere Reling. Unter aller Sau. Der gute Fischer macht das schon einiges besser. Er verklemmt sich das Geschrei für eine weitere Stunde, bevor er dann auch losreihert. Schrecklich. Ein richtiger Schreierkahn diese Athena. Captain Stauber ist sichtlich enttäuscht ob der kollektiven Kotz-Schwäche und setzt sich alleine aufs Dingi auf dem Vorschiff, um per Facebook-Gruppe bereits nach einer neuen Crew zu suchen. Der Arsch.

    Nach acht langen und intensiven Stunden ist es dann geschafft und wir erreichen die angepeilte Bucht. Ziemlich verpeilt, aber froh am Leben zu sein. Erst mal was essen. Dann baden, duschen und geniessen. War kein einfacher Tag. Emotional und so. Da gilt es noch einiges zu verarbeiten. Nun geben wir aber gut aufeinander acht, trinken Rosee, sprechen uns Mut zu, dass das mit dem Bier schon gut kommt und es nunmal weg muss. In all der harmonischen Überfürsorglichkeit ist es Fischer, der die versenkte Halteöse der Bodenplatte nach dem Wasser reichen mit voller Absicht und einer grossen Portion Böswilligkeit nicht mehr artgerecht verschliesst. Als ich in der Folge mit meinem grossen Zeh in ebendieser Öse einstecke und in der Konsequenz mit blutendem Fuss aufs Deck stürme, ist die Harmonie für einen kurzen Moment in Frage gestellt. Verdammte Anfänger! Nur ein Tag ohne Fehler wäre das Ziel. Nur EIN Tag.
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  • Day 738

    Go. Away.

    June 6, 2022 in Greece ⋅ ☀️ 25 °C

    Wir sind bereits den zweiten Tag auf See und die zwei mässig beliebten Banausen überlegen sich sicher schon, was sie heute so anstellen könnten. Uns siehe da, kurz nach acht Uhr morgens ist es Taeschler, dessen Toilette nach eigener Aussage nicht mehr funktionieren würde. Also von vorne. Läuft die Absaugpumpe? Ja. Und kommt Spülwasser? Ja. Hm, dann funktioniert die Toilette ziemlich genau so wie vom Bootsbauer angedacht. Ja aber das Minuten zuvor abgeladene Zeugs verschwindet nicht und der Wasserspiegel steigt mit jedem Spülversuch weiter an. Ach so. Das nennt sich anders. Und bedeutet Schweinerei. Schrecklich. Ich könnt schon beim Gedanken daran an die Reling stehen. Aber das hatten wir schon. Drum lass ichs bleiben. Diesen Luxus hat der arme Taeschler leider nicht. Das Zeugs muss weg. Da lassen wir gar nichts bleiben. Nach einigen erfolglosen Versuchen soll es ein Kabelbinder-Duo richten und das entstandene Scheiss(e)-Vakuum durchbrechen. Und siehe da, wenige Minuten später schallt es YES! YES! YES! aus des Taeschlers Nasszelle. Glück gehabt. Geile Kabelbinder.

    Heute herrscht totale Flaute. Wind null. Ausser in Fischers Enddarm, da hats immer Wind. Immer. Ausserhalb Rönees Analen scheint indes die Sonne und wir nutzen die Zeit, um uns um die nach wie vor üppigen Bierreserven zu kümmern. Kurz nach dem kurzen und vom Smutje frisch zubereiteten Mittags-Snack - es gibt einen reichhaltigen Thonsalat mit Brot - passiert es. Der schon als Säugling souveräne Skip Robin schreit nach ultrakurzer Vorwarnung den unverdauten Thonsalat in grossem Bogen über die hintere Reling. Trotz perfektem Wetter und nicht erwähnenswertem Wellengang. Was soll denn der Scheiss? Ein Skip der vom Kahn kotzt?! Geht ja gar nicht! Die restliche Crew gründet umgehend eine eigene Facebook-Gruppe für die Suche nach einem neuen Skip. Wobei, eigentlich sitzen wir jetzt sowohl bildlich, wortwörtlich als auch metaphysisch im gleichen Boot. Das kotzende Quartett ist quasi komplett. Irgendwie geil. Vier Kötzlis on Tour. Im gegenseitigen Einverständnis löschen wir beide Facebook-Gruppen. Ab jetzt gibt es definitiv keine Tabus mehr. Und auch wenn ein kotzender Skip nicht unbedingt als direktes Feedback an die Küche zu verstehen ist, sollte es dem neuen und definitiv taumelnden Küsche zu denken geben …

    Wohl als kleine Prämie für die zurückgewonnene Harmonie der vier Ägäis-Schreier empfängt uns eine grosse Schule von Delphinen. Vielleicht hat sich aber auch nur herumgesprochen, dass hinter unserem Schiff regelmässig maritime Fütterungen mit vorverdautem Thonsalat, Drinks vom Vorabend und Gallensaft stattfinden. Ich weiss es nicht. Unsere Reise führt uns mit weiteren Delphinsichtungen nach Paros. Genauer gesagt zum unfassbar schönen Hafenörtchen Naoussa, wo wir Zeugen unfassbar schlechter Hafenmanöver werden. Also nicht unser eigenes, das römisch-katholische Anlegen meistert unser Skip in einem Anlauf und nicht geringer als perfekt. In zwei anderen Fälle - in einem davon mit unüberriechbarem Elektrobrand an Bord - hat der Marinero schon nach wenigen Minuten die Schnauze voll und schnauzt die leistungsschwachen Crews mit einem „hell no, go away! GO. AWAY.“ fort, wonach diese sich wieder aus dem Hafen verpissen dürfen. Griechische Hilfsbereit- und Gastfreundschaft at its best. Uns ists recht, hatten wir doch mehrfach alle Hände voll zu tun, um unseren eigenen Kahn vor fiesen Ramm- und Ankerabrissversuchen zu schützen. Ein gemütlicher Nachmittag sieht anders aus. Unterhaltsam ist es aber allemal. Und abgefackelt ist der kokelnde Kahn dann auch nicht. Hoffentlich.

    Zur Belohnung für die tadellose Defensivarbeit der eigenen Mannschaft, suchen wir uns das beste Restaurant im Ort für unser Sieger-Dinner. Fazit: Essen top. Lokale Weinempfehlung top top. Nur der neuerdings speiende Robin bremst ein wenig. Zu verunsichert ist der arme Mann vom ungewohnt unsouveränen Brechfiasko Stunden zuvor. Was war der Auslöser? Passiert das nun jeden Tag? Lag es an Taeschlers Küchenleistung und ist die wirklich unter aller Sau? Oder an dessen Scheissleistung? Wir wissen es nicht. Noch nicht.
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  • Day 740

    Book of Ra

    June 8, 2022 in Greece ⋅ ☀️ 23 °C

    Heute ist es also soweit. Der kleine Finn hat Geburtstag. Zum allerersten Mal. Schön für ihn. Und ich - Daddy of the year - bin nicht zuhause. Irgendwie fies, ich weiss. Und ich vermisse die kleine Version von der schönen Sue und dem grossen mir auch. Aber wer feiert schon an einem Mittwoch Geburtstag? Genau, niemand. Machen wir dann alle zusammen am Sonntag. Ausserdem ist auch Götti Robin an FFs erstem Geburtstag abkömmlich. Eher unentschuldbar für einen Götti, aber das muss er mit sich selber ausmachen. Beziehungsweise wieder gutmachen bei Finn. Zum Beispiel mit Geld. Viel Geld.

    Worst Daddy und worst Götti ever, zusammen mit dem Küchenhexer und Luzius Flatulentius, beginnen den Tag mit der bei allen Seglern beliebten Schweizer Röschti mit Spiegeleiern. Bei der Suche nach der ofenfesten Ofenform zeigt sich mir im Ofen dann aber ein verstörendes und schreckliches Bild. Das restliche Gemüse und die restlichen Kartoffelecken vom Vorabend liegen lieblos und etwas ranzig dreinschauend herum. Smutje! Was soll der Scheiss? Wir hassen Foodwaste und lieben unser mühsam und mit viel Herzblut zubereitete Bord-Essen. Und du lässt es einfach so im Ofen verrotten. Skip Stauber und ich diskutieren ein kurzes Kielholen als Strafe, sprechen uns dann aber doch und einstimmig dagegen aus. Zu gross ist die Angst, dass der Grosse am Kiel hängen bleibt und einer von uns mit Taucherbrille und Flossen die sterblichen Überreste bergen muss. Viel zu viel Arbeit. Das Küsche-Fass ist aber definitiv und wie des Küsches Kloschüssel tags zuvor randvoll. Einzig die besorgte Geburtstagskerze und der goldene Ballon halten den offensichtlich überforderten Taeschler noch in seiner Funktion. Mal schauen wie lange noch.

    Zum Fassfüllstand hat sicherlich auch der erst später erkannte Fauxpas beim Anfänger-Einkauf beigetragen. Es macht natürlich Sinn, die unterschiedlichsten fünfhundert Gramm Pasta-Packungen zu kaufen, wenn fünfhundert Gramm Pasta für uns speienden Seebären nie und nimmer reichen. Kochen wir eben jeweils zwei Arten Pasta mit unterschiedlichen Garzeiten in einem Topf. Total lässig. Verdammte Banausen. Um die Stimmung etwas aufzuwerten verwandeln wir die gute Athena kurzerhand in ein Casino-Schiff. Säuli jage. Book of Ra. Wir geben alles. Fischers Handy ist mit der Anlage an Board verbunden und wir lauschen gespannt den Slotmachine Sounds. Schliesslich wissen wir alle wie es tönt, wenn die grossen Gewinne drohen. Und ob man es glaubt oder nicht, wir räumen tatsächlich grosse Gewinne ab und träumen schon von bezahlten Segelferien. Ausser Robin. Der träumt noch immer von einer Welt, in der er nicht wie seine gesamte Crew vom eigenen Schiff gekotzt hat. Träum weiter …

    Neben klein Finns Geburtstag ist heute auch der lange erwartete Banausentag. Die ehrenwerten Talentbrocken Fischer und Taeschler haben das Kommando. Und die Verantwortung. Ganze vier Strikes - also segeltechnische Fehler, bei denen der Skip eingreifen muss - werden den Temporär-Skips zugesprochen. Schaffen es die Banausen unter den vier Strikes zu bleiben, zahlen wir das Dinner. Sonst eben die Versager. Doch noch bevor wir die mit Spannung erwartete Stabsübergabe vollziehen können, ist es erneut Taeschler, der seinen eigenen Tag lediglich durch den Einsatz von Kabelbindern zu retten weiss. Was eine erneute Scheissleistung. Unfassbar. Und gruusig. Aber was soll man sagen. Für einen Strike reicht die völlig unnötige Aktion laut Schiri Robin nicht. Ich hätte anders entschieden. Interessiert bloss keine Sau.

    Lange steht der Zähler allerdings nicht auf null. Nachdem das neue Skipper-Duo die Ankeraufnahme überraschend fehlerfrei vollzogen hat, reicht ein kurzer Blick unter den Herd und des Schiris Frage, ob das Gas abgedreht wurde, für die erste Kerbe im Banausen-Brett. Anders als die allseits beliebte Wind-App Windy - und nein, das hat nichts mit Fischers Winden zu tun - angekündigt hat, starten wir den langen Banausen-Schlag ohne jeglichen Wind, was die Gefahr von Fehlern zu Gunsten der zwei Temporär-Skips massiv reduziert. Nach zwei Stunden flaute und nachdem Schiri Bään in seiner Koje verschwunden ist - wahrscheinlich nach wie vor mit der Verarbeitung seiner Kotzerei beschäftigt -, endlich der erste sinnvolle Befehl der Zweitbesetzung. Bier. Total vernünftig wie ich finde. Noch ist nicht zehn, aber hey, der Skip macht die Regeln. Und das ist aktuell der vorübergehend beliebte Taeschler.

    Die nächsten vier Stunden ändert sich nichts mehr. Kein Wind und somit keine relevante Aufgabe für die erstaunlich souverän wirkenden Banausen. Wir entscheiden uns kollektiv für die Wiedereröffnung des maritimen Online-Casinos und hauen einen Dreifränkler nach dem anderen in die Reichtum versprechenden Maschinen. Kurz nach Mittag brechen wir den Banausentag aufgrund fehlenden Windes ab - beziehungsweise verschieben diesen auf morgen - und steuern eine für den letzten Tag taktisch kluge Bucht an. Ganz anders als erwartet, läuft die Casino-Session auch heute richtig gut. Bei satten viertausend Franken reissen Bään und ich die für Spielsüchtige - sprich Taeschler und Fischer - unerreichbare Reissleine. Die Hälfte der Segelferien wäre somit beglichen. Geil. Und danke. Casino Baden. Geiler wird es wohl nicht mehr auf dem nach Siegerschweiss stinkenden Kahn. Ausser unsere Frauen wären hier. Klar.
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  • Day 743

    Souvlaki zum Frühstück

    June 11, 2022 in Greece ⋅ ☁️ 24 °C

    Also gut. Etwas hat unser illusorischer und vom grossen Fang träumende Pescatore dann doch noch gefangen. Viel zu klein für die Bratpfanne, aber die eine oder andere Fäkal-Grundel hat sich dann doch noch erbarmt und das Petri-Heil-Herz vom Küsche höher schlagen lassen. Bravo. Mit „catch of the day“ haben die mini Fischli aber in etwa gleich viel gemein wie die Griechen mit Arbeitsmoral. Gibts eben was aus Päsche’s Vegi-Küche. Die vorletzte Nacht des trotz permanent hoher Brechquote durch und durch schönen Törns verbringen wir in einer windigen aber überidyllischen Bucht. Wir geniessen die Ruhe - (Polit-)Banause Taeschler redet vergleichsweise wenig heute - und suhlen uns im finanziellen Erfolg des mehrstündigen, virtuellen Casinobesuchs. Die mit Fengschui vertrauten Fischer und Rode finden neben der völlig vernünftigen Sauferei sogar noch Zeit, einen kolossalen und astro-aktiven Steinturm zu bauen, um der Crew die energetische und esoterische Gunst der lokalen Wetter-Götter zu sichern. Der vor Souveränität strotzende Stauber will die letzte Nacht trotzdem an Deck verbringen. Der Wind könnte drehen, wird uns als Begründung präsentiert. Wir glauben eher, dass er so schon näher bei der Reling ist, sollte es erneut Probleme mit seiner Magenklappe geben. Die ganze Wahrheit wird wohl nie ans Licht kommen. Das spielt nach sieben, acht oder neun Büchsen Bier aber auch gar keine Rolle. Darf doch jeder in seiner eigenen Realität leben, solange er sie noch wahrnehmen kann …

    Der letzte Tag auf See startet eher gemütlich. Die beiden Banausen machen da weiter, wo sie gestern aufgehört haben. Sprich sie nerven meistens. Ihre Sache als Skip und auch Skip machen die ehemaligen und bald wieder Winschenschweine allerdings auch bei ordentlich Wind und dem logisch folgenden Segelhissen ordentlich gut. Ich bin überrascht. Was in erster Linie an den unterirdischen Erwartungen liegt. Auch wenn es zwei, drei kleine Manöverkritiken zu verteilen gibt, reicht die solide Leistung der zwei Neosegler für den gänzlich unerwarteten Gewinn der Banausen-Wette und des damit verbundenen Nachtessens. Schon wieder bravo. Zu dem Zeitpunkt hat sich die Crew allerdings bereits gegen Skip Robin verschworen und entschieden, dass egal wie die Wette ausgeht, der beste Skip der Welt zum festlichen Dinner eingeladen wird. So sind wir eben. Geile Crew.

    Beim letzten Anlegemanöver im Zielhafen kurz vor Mittag wird klar, die letzte Nacht dürfen wir gar noch näher beim offensichtlich landesweit beliebten Palmera verbringen. Ich rechne somit mit keinerlei erwähnenswerten REM-Phasen, ehe uns das Taxi um fünf Uhr in der Früh zum Flughafen fahren wird. Aber mal schauen, wie sich der Tag entwickelt. Vorher steht ja noch das Sieger- beziehungsweise Skipper-Dinner an. Bestellt wird, wie es sich für Casino-Millionäre gehört, viel zu viel. Mein auf Ressourcen schonen und Foodwaste vermeiden bedachte Herz blutet. Das gemeinsame und pink leuchtende Portmonee aufgrund der im nationalen Vergleich doch sehr unterschiedlichen Lebenshaltungskosten zum Glück nicht. Das oft mit Fäusten ausgetragene Debriefing während des Essens verläuft sehr zur Freude des bemühten Restaurantpersonals ohne nennenswerte Auseinandersetzungen. Haben es alle ganz toll gemacht. Vor allem der Skip. Und ich.

    Für einen schnelleren und besseren Schlaf gönnen wir uns im bei uns grösstenteils unbeliebten Palmera noch ein paar Drinks. Ziemlich ruhig heute. Geil. Die machen heute wohl früher Schluss. Oder auch nicht. Verdammte Spinner. Um drei Uhr dröhnen immer noch irgendwelche Souvlaki-Schnulzen aus den Boxen und als wir um fünf Uhr das Taxi beladen, ist es nach wie vor schwierig, das eigene Wort zu verstehen. Ich könnt ein letztes Mal kotzen. Scheue aber die direkten Folgen wie die Sauerei auf den Schuhen, den sauren Nachgeschmack und die verurteilenden Blicke der Schaulustigen. Lasst uns einfach gehen. Am Flughafen beschäftigt uns dann eigentlich nur noch eine Frage. Sind die zwei Typen neben uns beim Business-Class Boarding einfach Freunde oder eben doch ein Pärchen? Er, feminine Körpersprache, in „high fashion“ Klamotten mit hautengen, weissen Jeans und allerlei modischen Rich-Kids-Gadgets, vom Typ her Reederei-Erbe. Und sie … ähh auch er, einfach gekleidet, alte Schuhe, aber schön frisiert, vom Typ her Nutte.

    Der schöne Swiss-Flieger steht an einem Finger-Dock und doch werden wir Passagiere lieber mit dem Bus hingekarrt. Griechen. Keine Ahnung wie die es geschafft haben, die Schulden beim IWF zu tilgen. Bevor unser Bus losfahren kann und nach einem zärtlichen Blickaustausch mit seinem mysteriösen Begleiter, hüpft das eben erwähnte Business-Häschen in Röhrli-Jeans nochmals raus zum Swissport-Mitarbeiter. Wohl um sich zu versichern, dass auch er als Business Class Traveller adliger Herkunft mit dem ollen Bus und uns minderbemittelten und nach Abenteuer stinkenden Seefahrern zum ausschliesslich für ihn in den Flugplan aufgenommenen Flieger fahren muss. Das scheint der Fall zu sein. Arme Sau.

    Den wahren Beziehungsstatus von Niarchos Jun. und seinem Toy werden wir wie schon den Grund für Staubers Deck-Geschlafe nie erfahren. Interessiert auch kein Schwein. Noch irrelevanter ist eigentlich nur noch die Törn-Statistik. Diese führt über zweihundert Dosen Bier, neunzehn Flaschen Wein, drei Flaschen Schnaps, zwanzig Zigarren, einen blutigen Zeh und lediglich aus der Sicht des Premieren-Smutjes vernachlässigbare Essensreste. Ach ja, hundertdreiundachtzig Seemeilen haben wir auch geschafft. Trotz oder gerade wegen der üppigen Getränkeliste. Man weiss es nicht …
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  • Day 1,121

    Mit Schirm, Charme und Mitte Vierzig

    June 24, 2023 in Croatia ⋅ ⛅ 26 °C

    Man darf nun von Tradition sprechen. Gemeint ist die jährlich wiederkehrende und zumindest bei mir reichlich beliebte Segelwoche mit meinen Besties. Nein, damit sind weder die schöne Sue noch der ebenso schöne Finn gemeint. Die sind schon auch cool. Und schön. Das gilt natürlich auch für die Züri-Bitches, nur können die nicht segeln. Und Griechenland hätte ziemlich sicher zu wenig Champagner kühl gestellt für Fake Antoine und seine noch fakere Entourage. Drum segle ich lieber mit Skip Bään, mit dem wir uns diese Woche auch auf die bevorstehenden Wochen mit Immun- und Chemotherapie vorbereiten. Scheiss Lymphom. Kein einfaches Thema. Aber was ist schon einfach - ausser die zwei Enden eines Seils festhalten? Die bekanntermassen seilschwachen Schlachtschiffe Taeschler und Fischer sind natürlich auch wieder dabei. Wollen die Woche ja auch was zu lachen haben. Egal. Die Statistik, die medizinische Versorgung und die antrainierte Resilienz eines Kampfpiloten sind sowieso auf unserer Seite. Chunnt aso scho guet. Was auf die morgendliche Anreise – wir reden hier von vier Uhr morgens - zum Flughafen Mulhouse so sicherlich nicht zutrifft. Taeschler drängt sich auch dieses Jahr als Chauffeur auf. Allerdings reichen in seinem Fall weder ein Navi noch rote Ampeln, um ihn auf den richtigen Weg zu bringen oder auf diesem zu halten. Wir absolvieren dank dem schlechtesten Uber-Fahrer von Sarmenstorf eine längere Ehrenrunde über Deutschland, überfahren Rotlichter und fahren über gesperrte Baustellen. Taeschler! Riiss die zäme!! Verdammt nochmal. Ganze fünfundzwanzig Minuten “kreisen” wir um diesen scheiss Flughafen bis wir endlich den vorreservierten Parkplatz S12 erreichen. Stimmung bereits grenzwertig.
     
    Dank Einstunden-Puffer in der Reiseplanung für Midvierziger reicht’s natürlich trotzdem. Ausser für das frische Sandwich vor dem Boarding. Die dreissigminütige Schlange zum einzigen Kassierer und Kafi-Drücker – die faule Sau – müssen wir auf halbem Weg dann doch wieder verlassen und aufgeben. Stimmung bleibt also grenzwertig. Der Flug selbst verläuft bis auf die spektakulär beschissenen Ewighaltbar-Sandwiches an Board unspektakulär. Nur leider wartet am Flughafen-Ausgang in Split keine Sau auf uns. Obwohl wir eine gebucht haben. Diese steckt dem Vernehmen nach noch im Verkehr fest. Scheiss Ausrede. Geht also weiter mit Stimmung. Um diese leicht anzuheben, überweist jeder Casino-René kurzerhand zweihundertfünfzig Stutz. Im letzten Jahr hat uns das Casino Baden ja grosszügigerweise die Hälfte des Törns finanziert. Immerhin viertausend Stipidilzen. Dank erstklassiger Planung - und ein paar Euro extra - können wir unseren übertrieben geräumigen Kat bereits um halb eins übernehmen und so schippern wir ausnahmsweise schon am Samstag los und gen die Bucht der Insel Sinai. Die Erinnerungen bei Stauber und Rode schiessen unweigerlich hoch, haben wir hier vor ein paar Jahren doch zwei ausserordentlich unterhaltsame und ereignisreiche Tage mit dem wilden Wilde-Duo Kaufme und Roggi erlebt. Aber wen interessiert’s? Genau. Niemand. Wir wollen schliesslich nicht Geschichte hören sondern schreiben. Etwa zur gleichen Zeit rollen Prigoschin und seine Schergen auf Moskau zu, um Geschichte zu schreiben. Es bleibt also spannend.
     
    Soo lange geht die Geschichte am ersten Abend dann aber doch nicht. Haben wir die Nacht davor dank unmenschlich-morgendlichem Appell um drei Uhr in der Früh ja kaum geschlafen. So gegen neun und somit kurz nach Taeschlers gefüllten und erstaunlich schmackhaften Pouletbrüstli ist auch schon Lilö und Ruhe auf dem Kahn. Natürlich nicht ohne vorher dem Online-Casino einen kurzen Besuch abzustatten und unser Kollektivvermögen um zwanzig Prozent zu erhöhen. Totale Winnertypen eben. Der nächste „Gewinn“ ist in meinem Fall eine Migräne, welche Tag zwei grösstenteils einnimmt und mich in die Koje treibt. Voll fies. Armer Junge. Am Ziel Vis gehen wir bereits wieder an Land und Taeschler sieht man den bewusst fehlenden Sonnenschutz an den Beinen deutlich an. Wie sich herausstellt sind diese in etwa gleich rot wie die Küche kurz zuvor. Hatten sich Küsche Taeschler und sein „Alle dreissig Sekunden probieren“-Küchengehilfe Fischer scheinbar etwas zu sehr an die ruhige und stabile Lage eines Katamarans gewöhnt und die offene Flasche Wein einfach so rumstehen lassen. Was dann passiert ist, habe ich dank Migräne in meiner Koje nicht direkt mitbekommen. Allerdings dürfte das anhand der tiefroten Flecken in praktisch jeder Fuge im vorderen Schiffsbereich ziemlich klar sein. Skip Stauber und ich sind wie schon in der Vergangenheit nicht wirklich wütend. Nein. Aber enttäuscht sind wir. Richtig enttäuscht.
     
    Am Montag ist die unaufgefordert eingetretene Migräne auch schon wieder weg. Genau, verpiss dich! Wir stehen früh auf, schliesslich wollen wir den Neuseglern die durchaus schöne und eindrückliche Blue Cave zeigen. Konnte man diese vor zehn Jahren noch mit dem eigenen Dingi besichtigen, gibt es heute nur noch geführten Zugang in schmucken Mykonos-Bötchen. Die Blue Cave ist eine natürliche Höhle, die nur mit einem Boot «begehbar» ist, mit Lichteinfall unter Wasser und Kroaten die unverschämte achtzehn Euros heuschen. Pro Person versteht sich! Als ob die hier was gebaut hätten. Stauber fährt souverän und rückwärts die äusserste Boje an. Das B-Team bestehend aus Taeschler und Fischer ist an den Seilen eingeteilt. Es hat weder Wind noch Wellen. Total einfaches Standard-Manöver. Die Boje wird souverän angefahren, Taeschler fädelt souverän ein, Fönz übernimmt souverän das Leinenende, nur um dieses drei Sekunden später auf dem Weg nach vorne wieder loszulassen. Was ist bloss los mit dir? Hatten wir das nicht beim letzten Törn durch? Kann doch nicht so schwer sein. Klar, den ganzen Tag in der Sonne liegen bis die Sonnencreme dank Lederrücken auch nach dreissig Minuten nicht einziehen will. Das geht. Aber einfach ein Seil halten ist irgendwie zu viel verlangt. Meine Fresse. Fangen wir eben wieder bei null an. Nicht dass Stauber und ich deswegen wütend wären. Nein. Das nicht. Aber enttäuscht sind wir. Richtig enttäuscht.
     
    Wohl als kleine Wiedergutmachung des Universums sind wir dann doch wirklich die Allerersten, die heute in die Blaue Höhle geschippert werden. Wo sich normalerweise vier Boote parallel in dem Gewölbe tummeln, kreisen wir mutterseelenallein durch Kroatiens Gedärme. Nicht dass es Höhlenmeider Taeschler deshalb weniger mulmig zumute wäre. Doch die Stimmung ist im Allgemeinen durchaus gut. Den Rest des Tages verbringen wir ohne nennenswerten Wind und daher durchaus gemütlich - und feuchtfröhlich. Wir übernachten an einer Boje, um auch unserem notorischen Ankerwächter und Skip Stauber eine erholsame Nacht zu ermöglichen. Hat der Kämpfer auch wirklich nötig. Taeschler’s Hackfleisch-Babootie schmeckt einigermassen und bringt dank massiv ausgelaufenem Fett den armen Ofen mächtig zum Rauchen. Wenigstens reflektiert der Küsche auf Probe einigermassen realistisch und korrekt. Gesamtleistung ungenügend. Das geht besser. Viel besser. Wie zum Beispiel das mit der vorbildlichen Körperhygiene an Bord. Tägliches Nacktbaden und Pimmellüften wird für alle Midvierziger an Bord zur täglichen Routine. Was vor zwanzig Jahren sicherlich für einige Auf- und Anregung bei in Sichtweite befindlichen, weiblichen (oder non-binären oder homo- oder pansexuellen) Menschen geführt hätte, ist heute eher die Sorte FKK, vor der wir uns vor zwanzig Jahren selber geekelt haben. Tja, Zeiten ändern sich. Körper leider auch …
     
    Auch am Dienstag pfeift kein erwähnenswerter Wind – oder weiblicher Mensch – die Segel bleiben unten und wie schon tags zuvor wollen drei von vier Seeleu(ch)ten bereits ab neun Uhr in der Früh lieber Online-Casino als chillige Musik in den Boxen hören. Was beim letzten Törn noch Abend- oder vereinzelte Tagessessions mit kompletter Glücksspiel-Hingabe waren, verkommt nun zu beiläufigem Zweifränkler drücken ohne grossen Gruppeneffekt und mit überschaubarer Freude. Irgendwie traurig. Und nervig. Aber das scheint nur mir so zu gehen … natürlich verliert das lustige Gambler-Trio den Grossteil der gemeinsam einbezahlten Kohle. Auch das nervt. Aber auch das scheint nur mir so zu gehen. Muss an den ultrareichen Sarmenstorfern liegen, sie allesamt schon Eigenheime für Millionen besitzen. Die gross und breit angekündigte Fischerei von Taeschler verläuft ähnlich erfolglos. An diesem Dienstag kommt dann zwei Sekunden Hektik auf, als sich Taeschler’s Hochsee-Rute doch ziemlich abrupt bewegt. Ich hör nur ein lautes „ässe!“, als ob gerade klar geworden wäre, was heute Abend in der Pfanne landet. In Wirklichkeit schreit der überrumpelte und überforderte Kaulquappen-Fischer Taeschler aber „Mässer!“, da sich der aufgewickelte Silch gerade in Rekordzeit von der Rute löst. Vier Millisekunden später ist die Action auch schon wieder vorbei und der Silch von der Rute gerissen, welche Taeschler sichtbar konsterniert und mit beiden Händen vor sich hält. Wie wir schnell bemerken, hat sich das Schnellboot, dass kurz hinter uns gequert hat, den orangen Gummi-Tintenfisch mit den grossen Kulleraugen geschnappt und mit etwa achttausend Umdrehungen pro Minute in seine Schraube gewickelt. Toller fang. Marc.
     
    Der Mittwoch soll’s wieder richten. Wir segeln bei über zwanzig Knoten Wind durch die Ausläufer eines Sturms und treiben den Zweirümpfer immerhin auf 8,2 Knoten. Segeln ist schon geil. Doch irgendwann ist auch dieser Spass vorbei und auf den letzten Meilen zu unserem Zielhafen im wunderschönen Maslinika darf sich der erfolgloseste Fischer aller Zeiten - also Taeschler, nicht Fischer - nochmals an der Rute versuchen. Doch kaum ist der nun blau-grüne Gummi-Tintenfisch mit grossen Kulleraugen ausgeworfen kreuzt die nächste Motorjacht hinter uns. Und wir erleben das gleiche Spektakel wie tags zuvor. Diesmal kommt ebendiese Motorjacht allerdings sofort zum Stehen. Das ist neu. Und unerwartet. Meine drei “Freunde” tun umgehend so als wäre rein nichts gewesen und schmeissen alle relevanten Utensilien wie Rute, Köder und Silch in meine Kabine. Lustig. Sehr, sehr lustig. Zur Feier des grossen Erfolgs in Taeschler’s neuem Lieblingsspiel Schiffeversenken gönnen wir uns die #1 auf TripAdvisor fürs Dinner. Trotz oder vielleicht wegen der grossen Vorfreude erleidet Babootie-Kokler Taeschler einen kurzen Nervenzusammenbruch, als ich seinen unfassbar schwachen Rotweinvorschlag wenig charmant in der Luft zerreisse, da der Hauptgang - immerhin ein Fisch von zwei Kilogramm, etwas wovon unser Pfannen- und Jachtenfischer nur träumen kann - in einer Weisswein-Sosse daherkommt. Wie kommt der nur auf solche Ideen?! Egal. Vieles von dem, was der gute Taeschler so denkt und sagt, versteht er wohl selbst nicht so recht. Und daher geht es auch nicht lange und die Situation endet ohne wüste Schlägerei. Sind ja alles Freunde. Oder zumindest einige davon.
     
    Am Donnerstag folgt das, was man sich für eine Segel-Woche eigentlich immer wünscht. Nein, weder Koks noch Nutten – das gibts nur an Freitagen. Viel besser. Und ganz einfach über Stunden eitel segeln bei idealen Licht-, Wetter- und Getränke-Verhältnissen. Den heutigen Abend verbringen wir dann nicht minder schön in einer ruhigen Bucht mit vergleichsweise grossem Bojenfeld. Irgendwie präsentiert sich hier aber auch vergleichsweise überdurchschnittlich viel nackte Haut rund um unser Schiff. Leider ausnahmslos in der bereits früher erwähnten FKK Form. Scheint hier schon so ein Ding zu sein und wir hoffen keine unbewussten Zeichen zu setzen mit quer hängenden Badehosen, längs gefalteten Tüechli oder auf dem Kopf stehenden Ananas-Bikinis, wonach die unrasierten ungarischen Bären vom Nachbarschiff zu einem Ringelpietz mit Anfassen zu uns übersetzen. Passiert aber nichts dergleichen. Jachtenschreck Taeschler hätte die Situation sicherlich selbstlos bereinigt für uns. Nach kurzer Abstimmung hätten wir unser Küchenmonster einfach zur freien Benutzung rüber aufs andere Schiff gegeben. Da hätte er nach dem Babootie noch sein eigenes Bootie zum Rauchen bringen können.
     
    Der Freitag startet gemütlich mit frisch geraffelter Röschti. Schliesslich fehlen uns nur noch vierzehn Meilen zu unserem letzten Liegeplatz in Primosten und das Meer ist flach wie Flunder. Keine Hektik also. Und ideal für die Sichtung einer kleinen Flotte von Delphinen nur wenige Meter neben unserer Private Beach. Da akzeptieren wir auch läppische 2,5 Knoten Speed unter Segel. Ausser Gay-Opfergabe Taeschler, der schmeisst aus lauter Frust die schöne Schöpfkelle über Bord. Vielleicht ist sie ihm auch aus der Hand gefallen. Ich weiss es nicht. So oder so. Sie ist weg. Den letzten Abend verbringen wir also im wirklich schönen und international bekannten Primosten. Beim eben beendeten Segeln hat eigentlich alles so funktioniert, wie man sich das für so eine Woche Buddy-Segeln wünscht. Ob das für den letzten Abend ebenfalls zutrifft, darf getrost bezweifelt werden. Experimentierfreudig wie wir - oder zumindest Teile der Reisegruppe - sind, haben wir im selben Restaurant reserviert wie vor drei Jahren. Damals, Corona hat gerade Fahrt aufgenommen, haben wir das Lokal quasi für uns alleine. Die Küche und die Weine ein Gedicht. Fünf Sterne. Ohne Diskussion. Wir wollen natürlich den gleichen Tisch. Den gleichen Wein. Am liebsten auch den gleichen Kellner. Nur kann sich niemand mehr an dessen Visage erinnern. Egal. Das Essen ist trotzdem grandios und der Skip natürlich eingeladen. Hat er seine Arbeit doch einmal mehr ausgezeichnet gemacht und alle wieder heil - zumindest körperlich - nach Hause gebracht. Stimmung so ziemlich maximal. Als ich von der schwankenden Toilette zurückschwanke, laber ich vor lauter Freude kurzerhand den Eigentümer des Lokals an und schwärme von seiner Küche, die auch im internationalen Vergleich ganz oben mitspielt. Bla bla geile Siech und so. Stellt sich heraus, er ist nicht der Eigentümer. Freut sich aber trotzdem über das Gespräch. Ebe, geile Siech.
     
    Ja und dann wird es schon wieder zu viel. Zu viel Schlibo. Zu viel Drinks. Zu viel Landgang. Zu viel Primosten. Wie üblich bei diesen lustigen Segelwochen müssen wir um fünf Uhr in der Früh los und ich sehe mich eher ins Beet kotzen als Taxi zu fahren. Das klappt dann aber doch. Also das Taxi fahren. Als krönender Abschluss begrüsst uns der Flughafen in Split mit einem infernalischen Platzregen. Die Art von Regen, die man vielleicht zwei oder drei Mal erlebt im Leben. Soll heissen, auf den dreissig Metern vom völlig zu Unrecht ungedeckten Parkplatz zum Vordach der Abflughalle werden sowohl Socken wie auch Unterhosen nass. Von den Kleidern darüber gar nicht erst zu sprechen. Zur Überraschung meiner wenig euphorischen Mitreisenden bin ich als einziger Reiseprofi adäquat vorbereitet und zücke locker flockig meinen Knirps aus der Tasche. Tsss … Keine Ahnung, was die so in ihr Gepäck stecken. Aber ein Schirm gehört in jede Tasche. Auch zum Segeln.
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