Zwei auf Weltreise

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    Das Fazit. Dann ist Schluss.

    June 1, 2019 in Switzerland ⋅ ☀️ 20 °C

    Sooo, einen hab ich noch. Also wir. Bevor sämtliche Erinnerungen der vergangenen sechzehn Monate dem sommerlichen Alkoholkonsum zum Opfer fallen, wollen die schöne Sue und ich doch noch ein letztes Mal retrospektieren. Ein Fazit ziehen. Quasi das Schlussbouquet nach drei Wochen Schweiz. Und wie es sich für total wichtige Influencer wie uns gehört, einfach alle nochmals wissen lassen, was für eine unfassbar geile Zeit wir hatten. Meistens zumindest. Das dürften auch die lustigen Portrait-Timeshutter beweisen. Oder auch nicht. Egal. Was waren also die spirituellsten High- und die schlimmsten Lowlights, die grössten Learnings und die hellsten Erleuchtungen, die scheusslichsten Speisen oder die irrelevantesten Statistiken? Letzteres sind definitiv die 396 Weine, die wir auf einer Strecke von 0,4x zum Mond degustiert und wovon wir nur die Maulbeer-Pisse in Vietnam nicht ausgetrunken haben. Aber schön der Reihe nach …

    Die einfachste Erkenntnis - und wohl die grösste Überraschung für alle initialen Zweifler meiner Reise- und Anpassungsfähigkeit - ist schnell formuliert: Eine Auszeit nehmen und die Welt bereisen ist viel einfacher, als man und Frau denkt! Selbst mit Nachwuchs ist solch ein Abenteuer problemlos machbar, wie uns unzählige Familien mit teils übertrieben kleinen Kindern während der Reise bewiesen haben. Das vorübergehende Ausscheren aus der Komfortzone und das gefühlte “Verlieren” von so unendlich wichtigen Dingen wie einem Einkommen, einer Wohnung oder einem Auto sind unfassbar kurz. Die Komfortzone stellt sich bei Gewohnheitstieren wie uns Menschen innert kürzester Zeit wieder ein und anders als bei der Rauchentwöhnung, ist nicht nur der effektive Entzug nach wenigen Tagen überstanden, sondern man gewöhnt sich auch genauso schnell an den neu gewonnenen Minimalismus. Nichts ausser einem Rucksack zu haben, ist absolut befreiend! Vor allem wenn eine furchtbar dicke Kreditkarte drinsteckt. 

    Natürlich ist die gewonnene Freiheit nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist noch viel geiler. Es sind all die Dinge, für die man sich nun Zeit nimmt und die man erlebt. Alleine, zu zweit oder als Gruppe. Länder, Kulturen und Menschen die man entdeckt. Also keine unentdeckten Urvölker mit Pfeil und Bogen, die noch nie Kontakt zu Menschen hatten. Die sind gefährlich. Aber sonst so Menschen, die erfrischend anders sind und denen man in der Schweiz oder in den Ferien wohl nie begegnen würde. Und man tut auch all die Dinge, die man eigentlich nie tun wollte. Ich meine jetzt nicht den in diversen Posts verarbeiteten Pärchen-Scheiss oder all die anderen perversen Dinge, die dem abgelenkten Leser nun durch den Kopf schiessen. Nein, ich rede vom Tauchen mit Haien und in Höhlen, auf dem Arsch einen aktiven Vulkan hinunterrutschen, mit Kerze und Badehose bewaffnet durch überflutete Höhlen hetzen oder im Stehen in ein Loch kacken. Grässliche Dinge eben, die dann entweder doch nicht so grässlich sind oder einen unerwartet stark faszinieren und total Spass machen. Genau, wie das mit dem Loch.

    Leider kommen auch wir neben der Brechreiz-Geschichte mit dem Loch nicht um diesen einen Brechreiz verursachenden Quacksalber-Satz herum. Aber “es gibt einfach viel zu viele Highlights, als dass wir sie alle in nützlicher Frist oder noch in diesem Leben aufzählen könnten”. *Kotz*. Aber es stimmt. Leider. Oder auch nicht. Wir können ganz einfach keines der 20’000 geschossenen Fotos oder der 2’000 gedrehten Videos anschauen, ohne uns an eines dieser Highlights zu erinnern. Und damit sich dies auch in den nächsten fünfzig Jahren und mit fortschreitender Verblödung nicht ändert, umfasst unser nun abgeschlossenes Tagebuch neben einer hart umkämpften Auswahl von Fotos und Videos auch stolze 100’000 Wörter. Aber genug vom blumigen Brechreiz. Wenn wir als unerwünschte Inspiration trotzdem einzelne Orte oder Länder zuoberst oder zuunterst auf eine imaginäre und völlig sinnlose Liste setzen müssten, sähe das wie folgt aus: Die Destination mit der grössten Wow-Dichte? Die Galapagos-Inseln. Die Länder mit dem grössten Überraschungspotenzial? Pablo’s Kolumbien und der islamische Iran im positiven Sinne, shity Aserbaidschan im negativen. Das schlimmste Erlebnis? Für mich der erste von zwei und den gesamten Mundbereich ausfüllende Zahnersatz in Panama, für Sue die eingesperrten oder bereits ausgenommenen Hunde und Katzen auf dem Fleischmarkt in Yangshuo, China. Aber beim Vergessen der Lowlights hilft zum Glück das selektive Gedächtnis, das wir den liebenswerten Kolumbianern abgeschaut haben. Ausser das mit dem Loch. Da scheint ein Vergessen eher schwierig.

    Genossen … ähh, gegessen haben wir die Hunde und Katzen sowieso nicht. Zumindest nicht bewusst. Auf dem Teller landete meistens das, was uns schon mehr oder minder bekannt war und davon nicht selten reichlich. Ab und zu wurden wir von einem stinkenden Schafbock überrascht, doch wie so vieles, haben wir auch das überlebt. Verdammtes Aserbaidschan. Die durchschnittlichen 2,5 Tage im selben Bett und somit 184 Mal Packen haben uns in erster Linie Offenheit und die Freude am Minimalismus gelehrt. Und das sind auch die Dinge, die wir um jeden Preis in unser altes, neues Leben mitnehmen wollen. Uns, unserem Umfeld und unserem Planeten zu liebe. Natürlich gehört auch das bereits mehrfach erwähnte Geburtsglück zu den erleuchtenden Erkenntnissen. Diesbezüglicher Stolz in irgendeiner Form sind aber gänzlich unangebracht. Stolz kann man auf Dinge sein, die man erreicht hat. Für die man gearbeitet und gekämpft hat und die einen nachweislich positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Nackt, hilflos und ausgesprochen hässlich an einem bestimmten Ort geboren worden zu sein, gehört definitiv nicht in diese Kategorie. Aber genug geschwafelt, schliesslich zählen weder Gedanken noch Worte wirklich. Das tun einzig Taten. Auf die darf man stolz sein. Und das gilt auch fürs Loch.

    Auf was wir uns aber auch nach stundenlanger Überlegung keinen Reim machen können, ist die äusserst mysteriöse “55er”-Korrelation. Also nicht die 55-Stunden-Bar der Heuröpfler, die macht total Sinn. Aber während den 150’000 zurückgelegten Kilometern in 56 Flug- und 127 Landfahrzeugen - vom alten, amerikanischen und mit 20 Marktverkäufern und 30 Hühnern geteilten Schulbus in El Salvador, über die für 12 Personen zugelassenen und mit 25 Personen gefüllten Minibusse in … hm, fast überall auf der Welt, zu umgebauten, indischen und frontscheibenlosen Offroad-Lastwagen in Afrika, bis hin zu Luxus-Reisecars mit Schlafsitzen und Porno-Beleuchtung in Argentinien - haben wir im Schnitt alle 55 Tage Pinguine gesehen, alle 55 Tage gestritten und alle 55 Tage etwas verloren. Da muss es einen Zusammenhang geben! Klauende Pinguine, die von der geflügelfreundlichen Sue unterschwellig, aber kategorisch und gegen mein Bauchgefühl in Schutz genommen wurden und so unbemerkt einen Keil zwischen uns trieben? Oder ein Universum, das uns nach dem unnötig schludrigen verhühnern meist wertloser Gegenstände und dem daraus entstandenen gegenseitigen Unmut übertrieben süsse Frackträger zur Versöhnung schickte? Ich hab keine Ahnung. Sue auch nicht. Drum lassen wir das jetzt. Wie das mit dem Loch.

    Doch was ist nun unser Fazit? Oder was wäre die Antwort auf die Frage, ob wir so eine Reise nochmals unternehmen und jedem empfehlen würden? Sue? Logo. Pasci? Hm, jup.

    Es grüssen zum letzten Mal von dieser Reise,
    die schöne Sue & … Pasci

    *** WICHTIGER “freiwilliger” Nachtrag ***

    Zu allerletzt im allerletzten Post möchte ich dem allerersten Marc noch sagen, dass ich mich - entgegen der in einem Fall offensichtlich falsch verstandenen Darstellung in meinem Brief an Greta - unendlich über den Besuch in Melbourne gefreut habe. Und das bisschen CO2 für den kurzen Flug nach Australien und zurück habe ich heute früh via South Pole sauber erledigt. Die verursachten 6 Tonnen CO2 werden nun von einem Projekt in Thailand kompensiert, welches Methan aus dem Abwasser einer Stärkefabrik sammelt und so nachhaltige Energie erzeugt. Soo wichtig ist mir der Marc. Und die Umwelt.

    *** Mein Dad hätte mich sonst enterbt ***
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  • Day 485

    Brief an Greta

    May 16, 2019 in Switzerland ⋅ ⛅ 13 °C

    Liebe Greta

    Du hast ja in letzter Zeit ganz schön viel um die Ohren. Ziemlich viel Wind gemacht für ein sechzehnjähriges Mädel. Aber es geht ja auch um alles!

    Wir sind dankbar und froh, nimmst du das alles auf dich. Menschen brauchen diese Art von Führungsfiguren. Ein Gesicht, das für eine Vision und eine Message steht. Für die unverhandelbare Aufforderung zum Handeln. Dass du in diesem Fall die Kinder dieser Welt vertrittst, macht dein unkonformes Auftreten umso mächtiger und kraftvoller. Bitte mach weiter, bis wir diese Krise zusammen überstanden und die Welt gerettet haben. Natürlich wird es unzählige Menschen geben, die Dich denunzieren und lieber in der Schule anstatt auf politischen Podien sehen wollen. Das sind entweder Klimaleugner - eine Frage des Verstandes - oder „Erwachsene“, die sich grundsätzlich nichts von „Kindern“ sagen lassen - eine Frage des Egos. Beide sind zu ignorieren und gesellschaftlich mit Ächtung abzustrafen. Die Pappnasen. Du hast nicht nur unsere seelische Unterstützung, sondern auch unser Wort, dass wir unseren Teil zur Rettung der Erde beitragen.

    Dies von zwei vom Geburtsglück geprägten Schweizern zu hören, die in den letzten 480 Tagen zusammen mal eben 38 Länder besucht und 150’000 Kilometer - viele davon im Flugzeug - zurückgelegt haben, klingt jetzt sicher wie Hohn in deinen kleinen Ohren. Aber gib uns bisher ignoranten Sündern eine Chance. Wir haben in der Zeit vieles von und über die Welt gelernt, Wunderschönes aber auch Übles gesehen und wir sind noch nicht verloren. Versprochen. Hier ist unser zweistufiger Plan: In einem ersten Schritt beziffern wir den negativen Effekt, den unsere Weltreise verursacht hat und finden einen Weg, diesen sinnvoll und effektiv zu kompensieren. Zugegeben, das ist weit weniger sinnvoll als Vermeiden, aber immer noch sinnvoll. Insbesondere wenn man sich dies wie fast jeder in der westlichen Welt locker leisten kann. Im zweiten Schritt widmen wir uns der künftigen Vermeidung von Treibhausgasen und sonstiger Naturverschmutzung im täglichen Leben sowie den politisch/gesellschaftlichen Veränderungen, die unabdingbar und dringend nötig sind.

    Also, Schritt 1: Wie du wohl selber weisst, ist es verdammt schwierig, CO2-Zahlen und wirklich vergleichbares Material über mehrere Länder hinweg zu erhalten. Das Internet bietet einen wilden Mix aus diversen Verbraucher- und Verursacher-Statistiken. Oft reduziert auf lediglich fossile Brennstoffe, den Verkehr oder dergleichen. Wir haben es trotzdem versucht. Glaubt man den offiziellen Quellen, verschulden wir zwei in der Schweiz auf grossem Fuss und verbrauchstechnisch leicht überdurchschnittlich lebend je etwa 15t CO2 pro Jahr. Das ist viel zu viel wirst du jetzt sofort sagen. Zurecht. Aber eins nach dem andern. Dank aufwändiger Recherche haben wir für die meisten der knapp vierzig relevanten Länder vergleichbare Verbraucherstatistiken gefunden und die übrigen Länder total ausgeklügelt mit vergleichbaren Nachbarländern extrapoliert. Ausserdem haben wir für die relevanten 16 Monate jede Schiff-, Bus-, Zug- und Autofahrt, sowie jeden Flug im Detail dokumentiert und CO2-technisch bewertet. Scheiss viel Arbeit und nur dank der einen oder anderen Flasche Rotwein machbar.

    Du hast natürlich recht, fliegen ist im Vergleich immer katastrophal. Dafür produziert das Übernachten in einem abgelegen Dorf in Myanmar mit zehn anderen Spinnern in einem ungeheizten Raum und nur mit Wolldecken gewärmt weit weniger CO2, als in der Schweiz zu zweit eine Flasche Schampus im auf 37 Grad geheizten Whirlpool zu schlürfen. Ist also nicht nur negativ, dieses Reisen. Und wir sind ja nicht so bescheuert, für lediglich 10 Tage mal kurz nach Australien und wieder zurück zu fliegen. Das machen andere. Im Resultat haben wir in den letzten 16 Monaten je sagenhafte 29t CO2 verursacht. Das sind rund 9t CO2 mehr, als wir in unserem alten Leben in der gleichen Zeit verursacht hätten. Hmm, nicht gut. Die Kompensation für diese 9t CO2 liegt gemäss South Pole (https://shop.southpolecarbon.com/de/) bei etwa CHF 180. Aber du hast natürlich schon wieder recht, wir sollten unser altes Leben gar nicht erst als Standard nehmen. Schliesslich sind unsere 15t CO2 pro Person und Jahr nicht kompatibel mit unserer Erde. Die verträgt nämlich nur etwa 2,3t CO2 pro Person und Jahr. Demnach haben wir für die letzten 16 Monate ganze 26t pro Person zu kompensieren, was gemäss South Pole für CHF 500 zu machen ist. Das sind nur gerade 1,25% der entstandenen und mit beiden Händen ausgegebenen Reisekosten. Also nichts im Vergleich. Das unterstützte Projekt beschäftigt sich mit der Wiederaufforstung illegal gerodeter Wälder in Kolumbien. Pablos Koksfelder haben offensichtlich ziemlich Platz gebraucht.

    Wie schon erwähnt, ist die Kompensation mit Geld natürlich nicht die beste Lösung. Vermeidung ist der Schlüssel. Aber es ist ein veritabler Ansatz zur Wiedergutmachung entstandener Schäden. Und wir reichen Säcke sollten genau da anfangen. Natürlich ist dies nur ein Teil - oder eben Schritt - und es braucht noch viel politische und gesellschaftliche Bewegung, um in der Schweiz auch nur ansatzweise auf 2,3t CO2 pro Person zu kommen. Heute ist dies praktisch nicht möglich. Der bisherige Ansatz des Bundesrats - man setzt auf freiwillige Umsetzung der Klimaziele - wird uns nicht schnell genug weit genug bringen. Und damit sind wir auch schon bei Schritt 2: Freiwillig ist gut. Wir sollten alle freiwillig weniger Fleisch essen - ACHTUNG, ich hab gesagt “weniger”, nicht “kein”, verdammte Karnivoren wollten mich schon mit einem Shitstorm eindecken -, regionale Produkte wählen, weniger Dinge wegschmeissen, ausschliesslich erneuerbare Energie konsumieren, den Zug anstelle vom Flieger nehmen, Elektroautos kaufen, und und und. Und den verbleibenden “Fehlbetrag” sollten wir alle freiwillig kompensieren. Sofort und jedes Jahr. Und genau diese Dinge werden wir zwei tun. Konstant und nachhaltig. Und wenn es um die Politik geht, ist unser Kredo klar: Man muss nicht “radikal links” stehen oder ein "Gutmensch" sein, um zu kapieren, dass wir Gesetze und Vorgaben brauchen, um unser Leben und Wirken mit der Kapazität unserer Erde in Einklang zu bringen. Jetzt. Nicht in 50 Jahren. Auch wenn dies “kostet”. Denn niemand kann sich den Preis für ein Versäumnis leisten. Nicht einmal Mr Bezos.

    Also, liebe Greta. Wir arbeiten ab sofort jeden Tag daran, dass die Mischung aus “grün” und “liberal” auch bei uns funktioniert. Andere Länder und Du machen es ja schon vor. Und Veränderung ist immer auch eine Chance mit viel Potential in alle Richtungen. Du weisst das natürlich schon alles. Wir jetzt auch.

    Keep going!

    Sue & Pasci
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  • Day 480

    Plan C mit Blutgrätsche

    May 11, 2019 in Switzerland ⋅ 🌧 12 °C

    Auch auf dem letzten Flug von Barcelona nach Zürich sitze ich auf einem Nichtraucher-Sitz und neben Sue. Doppelt verloren. Aber egal, sind ja bloss neunzig Minuten und als Belohnung winkt eine waschechte Cervelat! Die schöne Sue und ich wollen unsere Reise so beenden, wie wir sie begonnen haben. Wir zwei, ein Bus und keine winkenden Hände. Und so haben wir keiner Menschenseele erzählt, dass und wann wir wieder zu Hause sind. Der Plan ist einfach. Samstag gegen Mittag in Sarmenstorf auftauchen, wo sowieso das halbe Dorf in der Bäckerei Ruckli sitzt. Kurzes Selfie ins grosse, weite Internetz hochladen und gut ist. Hoi zäme! Doch wie so vieles im Leben kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Zumindest für Sue.

    Der Flug verläuft bis auf die bescheidene Platzzuteilung für mich angenehm ereignislos. Kaum im kalten Zürich gelandet, steigt die Nervosität allerdings spürbar. Wer läuft uns als erstes über den Weg? Bald stehen wir wieder Zuhause auf dem Dorfplatz und sehen nach vierhundertachtzig Tagen unsere Freunde und Familien wieder. Womöglich. Man weiss es nicht. Aber mit jedem zurückgelegten Kilometer steigen die Chancen. Die Zug- und Busfahrten fühlen sich wie kleine Ewigkeiten an. Doch irgendwann sehen wir es, dieses einzigartige Schild mit diesem einzigartigen Schriftzug “Sarmenstorf”. Endlich. Bis zur Bäckerei Ruckli sind es noch vier Haltestellen. Doch schon bei der ersten der vier Haltestellen steigt ein uns nur zu bekanntes Gesicht samt Kick-Board zu. Es ist Fönz, der scheinbar gar nicht glauben kann, wen er da sieht. Die Überraschung ist bei allen gross. Auch bei mir.

    Die überschwängliche Begrüssung inmitten des fahrenden Buses wird abrupt unterbrochen, als an der zweiten der vier Haltestellen Robin, Steffi und der kleine Ian - mein Göttibub, den ich noch nie persönlich getroffen habe - zusteigen. Während Sue noch an Zufälle glaubt, ahne ich bereits, dass unsere Ankunft nicht nach Plan B läuft. Plan A ist ja schon lange gestorben. Aber Robin dürfte eigentlich gar nicht hier sein, der trainiert doch mit irgendwelchen Special-Forces in Polen. Doch auch diese Begrüssung wird wenige Augenblicke später jäh gestört. An der vorletzten Haltestelle steht der Marc samt Handy-Kamera und signalisiert “Endstation”. Aussteigen. Hm, wir werden es also nicht bis zum Ruckli schaffen und Sue glaubt noch immer an Zufälle. Zumindest scheint sie ziemlich überfordert mit der Situation. Ich irgendwie auch, denn dies ist definitiv nicht Plan B.

    Doch was ist eigentlich aus unserer Idee mit dem unangemeldeten Erscheinen geworden? Ich fand die Idee dann doch nicht soo gut. Kaum hatten wir vor ein paar Wochen die Flüge nach Barcelona und Zürich gebucht, habe ich hinterrücks Plan A verworfen und ein kleines aber feines Organisationskomitee für Plan B ins Leben gerufen. Meine lieben Freunde Robin, Marc und Fönz sollten mir helfen, die kleine Sue bei der Ankunft mit einem kleinen aber ebenfalls feinen Empfangskomitee vor der Bäckerei zu überraschen. Aber das EK-OK hatte scheinbar noch eigene Ideen und Plan C geschaffen. Arschgeigen. Ich mag keine Überraschungen. Sue scheinbar schon, wertet man ihr nasses Gesicht als Freudentränen. Kaum hat sie unsere sauber aufgereihten Familien erspäht, versteht aber auch sie, dass hier jemand geschummelt hat. Und das ist nur das, was vor der kleinen Eventlocation steht. Im Inneren warten noch viel mehr Menschen darauf, uns wieder in die Arme zu schliessen. Und das tun wir dann auch. Egal ob nach Plan A, B oder C.

    Eigentlich kann unsere Heimkehr an der Stelle als abgeschlossen betrachtet werden. Es gibt reichlich Getränke, der Grill läuft und wir freuen uns einfach, wieder im Kreise unserer Liebsten zu sein. Doch einen Twist hat die Geschichte dann doch noch. Denn auch mit Plan C gab es noch dieses eine kleine Geheimnis zwischen mir und dem EK-OK. Nachdem Sue und ich Jede und Jeden in die Arme geschlossen haben, bedanke ich mich noch mit ein paar “offiziellen” Worten bei allen herzlich für das Erscheinen und bringe nochmals unsere grenzenlose Freude zum Ausdruck. Und dann passiert es. Mitten in meiner kleinen Rede streckt mich ein imaginärer Freund mit einer Blutgrätsche nieder. Mit voller Wucht von hinten in die Kniekehle. Ich gehe natürlich sofort zu Boden. Als ich dann Sues ungläubigen Blick sehe, verstehe ich sofort, wie das für sie aussehen muss. Ich, vor all den Leuten, auf einem Knie. Und um den Moment nicht zu zerstören und für immer in ihre Seele zu brennen, frage ich die Schöne ganz einfach die Frage aller Fragen. Ich wollte ja eigentlich zehn Jahre warten, aber nach neuneinhalb Jahren inklusive sechzehn Monaten Weltreise gehe ich das verbleibende Risiko einfach ein. Totaler Dare-Devil eben. Einen Ring habe ich leider nicht, aber als Traveler gibt es nichts, das man nicht mit Duct-Tape geregelt kriegt. Und ja, sie hat trotzdem JA gesagt. Zum Glück.

    To be continued …
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  • Day 479

    Food und Porn bis die Chinos reissen

    May 10, 2019 in Spain ⋅ ☁️ 19 °C

    Ich staune auch nach über fünfzig Grenzübertritten noch, welch bewundernde Blicke der rote Pass so auf sich ziehen kann. Erinnert mich immer wieder an unser Geburtsglück. Danke Mam und Dad! Oder wer auch immer dafür verantwortlich ist. Ich bins sicher nicht. Der komischen Schnepfe am Security-Check ist mein Pass allerdings ernüchternd egal. Nachdem ich mein Rucksack, mein Handy, mein Cap, mein Gürtel und auch sonst alles fein säuberlich auf das laufende Röntgenband gelegt habe, schreite ich mutig und zügig durch den Body-Scanner, die linke Hand lässig in der linken Hosentasche. Wie erwartet, bleibt das graue Blech-Gate stumm. Nicht so Sheriff Ramona vor mir. „Goo bäck!“ wettert es in diesem typisch russischen Akzent. Man darf an der Stelle nicht vergessen, es ist vier Uhr in der Früh und ich fühle mich ohne Cap, Gürtel und Handy irgendwie verletzlich. Das lasse ich mir aber natürlich nicht anmerken, bleibe bewegungslos stehen und starre die olle Ramona ungläubig an. Was soll der Scheiss? Ich bin sauber. Das hat der stille Body-Scanner doch eben bestätigt. „Gooo bääck!“ schallt es mir erneut entgegen. Aber ich will noch immer nicht. Wieso auch? Also schaue ich die Kuh einfach weiter fragend an. Für einen Moment will ich ihr sogar meinen roten Pass zeigen, finde es dann aber doch irgendwie unpassend und nicht im Sinne des Erfinders - oder Schöpfers. Ausserdem ist der ja auch schon auf dem Röntgenband davon gefahren. „Puut your händs up“ höre ich als nächstes. Oh boy, that escalated quickly! Verhaftet aufgrund übertrieben ungläubigem Starren?! In Erwartung eines SWAT-Tacklings schaue ich kurz zur Seite und nach hinten. Aber da kommt nichts. Ich hebe also langsam und fragend die Arme und harre der Dinge, die da kommen. „Nau gooo bääck“ nörgelt Tante Ramona weiter. Ich nehme den ganzen verbliebenen Mut zusammen und frage mit genervtem Unterton „why?!?!!“ ... „Händ not in pooket and goo bäck!“ schnaubt es ebenfalls genervt zurück. Ach so, meine linke Hand soll das Problem gewesen sein. Mal wieder was Neues. Hält man die mitgebrachte Granate also einfach in der Hand, so wird sie der einfältige Blech-Scanner nicht entdecken?! Lustig. Ramona. Sehr lustig. Um ein Haar hätte ich gelacht.

    Bei der Zwischenlandung in Athen will ich das Ramona-Dings genau wissen, denn man schickt uns erneut durch einen Security-Check. Beim Gang durch das Blech-Gate stecke ich demonstrativ beide Hände in die Taschen. Und wen interessierts? Genau, keine Sau. Ausser mich natürlich. Bei mir dreht sich gerade alles um die verdammte Ramona-Attacke. Knappe drei Sekunden später habe ich mich aber bereits wieder gefangen und beruhigt. Und so schaffen wir es trotz Händen in der Hose ins sonnenverwöhnte Barcelona. Genau, in Spanien. Wir schleichen uns also von Süden her gen Heimat. Wir lieben Barcelona. Auch wenn die Stadt nach den vielen Monaten auf Reisen ein vernichtender Preisschock ist. Wir wohnen die Tage bei Marcela, die ursprünglich aus Kolumbien stammt und dank ihrer drei Katzen gewisse Ähnlichkeiten mit der Crazy Cat Lady aufweist. Also weniger sie selbst und mehr ihr Zuhause. Aber etwas anderes als ihr Gästezimmer können beziehungsweise wollen wir uns hier nicht leisten. Natürlich braucht es keinen Tag und mindestens einer der drei Stubentiger outet sich als bipolarer Scheissbeisser. Und diese Haare!? Meine Fresse, diese Haare! Ich lass mehrheitlich die Finger von den Viechern. Sue nicht.

    Wir starten unsere Sonnenzeit in Barcelona mit einem Dinner im CDLC. Nach Monaten voller „einfachem“ Leben lassen wir mal wieder die Korken knallen. Alles hier ist perfekt abgestimmt und orchestriert. Kein warten, jeder ist zuvorkommend und das Essen ist ein Traum. Wie kann Sushi nur soo viel besser sein als sonst wo? Das Treatment ist natürlich nicht gratis, obwohl wir weder Kobe noch richtig teuren Wein bestellt und die Sushi-Platte als Vorspeise ungewöhnlich klein gehalten haben. Aber selbst die „günstige“ Rechnung ist nicht unser Problem. Mich kostet das bloss ein überhebliches ... äh, müdes Lächeln. Schliesslich habe ich die Wette gegen Tesla-Thomi gewonnen, bei der ich schon vor anderthalb Jahren prophezeit habe, dass sein reserviertes Modell 3 frühestens 2019 ausgeliefert wird. War ja klar. Danke fürs Dinner, Loser! Was hingegen mein Problem ist, sind die verdammten Schmerzen beim Anziehen der Chinos, die ich an der Hochzeit in Südafrika getragen habe. Irgendwie habe ich die Passform ganz anders in Erinnerung. Das wars also schon wieder mit skinny bitch und das Hemd kommt mir definitiv nicht in die Hose. Der Kaukasus war also ganz gut zu mir. Zu gut offensichtlich. Verdammtes Ajaruli Khachapuri.

    Ich würde ja wieder Sport machen, aber das hat der Onkel Doktor in Ankara verboten. Zumindest für ein paar Wochen noch. Ich fühle mich die Tage also ein wenig wie Thor in Avengers: Endgame. Armer Junge. Armer, pummeliger Junge. Barcelona ist allerdings ein ganz schlechter Ort für solch ein Problem, denn wir wollen hier in erster Linie futtern. Chino-Krise hin oder her. Und futtern tun wir die Tage auch, wie der kleine Clip zeigt. Also zeigen sollte. Die Teller sind aber des Öfteren bereits leer oder haben es gar nicht erst auf Band geschafft, denn die schöne Sue entpuppt sich als furchtbar schlechte Foodporn-Kamerafrau. Im entscheidenden Moment sind ihre Gedanken nicht bei der Kamera sondern ausschliesslich beim Food und Porn und so schiebt sie sich das Zeugs ohne Umschweife ins Gesicht. Sushi, Tapas, Empanadas, Patatas, Pasta, Paella, Panini, Pincho, Pimmel, Pizza ... Ganz egal, einfach immer schön rein damit. Nein, mache natürlich nur Spass. Paninis hatten wir die Tage keine.

    Da wir Barcelona schon ein wenig kennen, unternehmen wir diesmal auch ein paar Tagesausflüge rund um Barcelona: Wandern am wunderbaren Montserrat - wir erklimmen immerhin tausendundsiebenundachzig Höhenmeter -, Roadtrip entlang der wunderbaren Costa Brava - wir furzen immerhin dreihundertsiebenundfünfzig Kilometer durch die Gegend - und eine Velowein-Tour im wunderbaren Penedès - Sue degustiert sich auf immerhin 1,8 Promille. Aber ganz egal wo wir sind, Essen steht ganz oben auf der Liste der Dinge, die uns die Tage bewegen. Soll heissen, wir bewegen uns in erster Linie, um an Futter und Getränke zu gelangen. Doch irgendwann ist auch die bewegte Woche in Barcelona rum und wir bewegen uns weiter in Richtung Norden. Näher zu dem, was ich soo sehr vermisse. Genau, Cervelats.
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  • Day 472

    Beziehungs-Endgame

    May 3, 2019 in Georgia ⋅ ☀️ 21 °C

    Der schwarze Mercedes Viano stinkt zwar nach Kotze, ist sonst aber ganz bequem für die vierstündige Fahrt zurück nach Georgien. In der Hauptstadt Tiflis waren wir noch nicht und die Hoffnung auf zahlreiche Ajaruli Khachapuris ist gewaltig. Die Stadt ist wunderschön. Zumindest das was wir davon sehen. Es gibt hier sogar einen natürlichen Wasserfall. In der Stadt. Das sagt ja schon alles. Und was Narnia kann, kann Tiflis schon lange. Hoch über der Stadt thronen die unfassbar grossen Chroniken von Georgien. Ziemlich beeindruckend, auch wenn die Dinger wie die riesige Treppe in Jerewan nie richtig fertig gebaut wurden. Was Tiflis aber nicht kann, ist Ajaruli Khachapuri. Natürlich bestellen wir mindestens ein Mal pro Tag so ein deftiges Käseschiff. Doch wir sind enttäuscht. Furchtbar enttäuscht. Kein Geschmack, scheiss Teig oder einfach schlabbrige Scheisse wird uns serviert. So schwach, dass ich in einem Fall den Scheiss stehen lasse und den verbleibenden Hunger und die entstandene Enttäuschung im gegenüber liegenden Mäc bekämpfe. Ein Double Cheese Burger ist nie verkehrt. Ein sicherer Wert. Weltweit. 

    Wir haben nach einer längeren Phase übertriebener Harmonie mal wieder Zoff. Natürlich ist Sue schuld. Wer sonst? Hmm, vielleicht auch das verdammte Käsebrot. Geholfen hat es sicher nicht. Der letzte Versuch beziehungsweise die letzte Bestellung ist geschmacklich allerdings nochmals ein grosser Erfolg. Immerhin. Das Ajaruli Khachapuri bleibt somit unsere Lieblings-Entdeckung im Kaukasus. Noch vor Murka, dieser bipolaren Schnapp-Mieze. Auf der Suche nach weiteren Katzen fahren wir für zwei Nächte ins vier Autostunden entfernte Stepantsminda auf über siebzehnhundert Metern. Bergfeeling ohne mit dem Lada stecken zu bleiben ist das erklärte Ziel. Und tatsächlich, in Kazbeghi klappt auch das mit den schneebedeckten Bergen im Kaukasus noch. Obwohl es da oben aktuell nicht sonderlich kalt ist - wie die kurzen Hosen beweisen -, gönnen wir uns kaum zurück in Tiflis eine Stunde Private-Spa in einem der unzähligen Sulfur-Bäder. Diese „warmen Quellen“ haben der schönen Stadt „Tiflis“ schliesslich ihren Namen gegeben. Wobei „warm“ hier nicht wirklich zutrifft. Unmenschlich heiss ist der Scheiss. Man könnte darin locker Eier kochen. Solange bleibe ich dann aber jeweils nicht drin. Nicht deshalb aber trotzdem ist unser Zoff irgendwann auch wieder beendet. Die Beziehung nicht. Zum Glück.

    Nach vierhundertsiebzig Tagen ist es gar nicht so einfach, neue Dinge zu finden, die man in der Zeit noch nicht gemacht hat. Doch wer sucht, der findet. Und manchmal ist es ganz simpel: Kino. Nach dem ganzen Social Media Hype rund um Avengers: Endgame, schauen wir uns den Streifen eben an. Wir verbringen durchaus unterhaltsame drei Stunden, wobei wir auch nach all den Jahren nicht verstehen, wieso Filme in diesem komischen und oft verschwommenen 3D gezeigt werden. Echt zum Kotzen. Womit wohl auch geklärt wäre, wieso der schwarze Mercedes Viano so gestunken hat. Egal. Wir verlassen Tiflis um 03:15. Jup, richtig gelesen, um kurz nach drei Uhr. Mitten in der Nacht. Krank.
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  • Day 466

    Engel mit Eisaugen und Käsebrot

    April 27, 2019 in Armenia ⋅ ⛅ 14 °C

    Auf dem Weg zurück nach Georgien machen wir Halt am Sevan Lake. Bei Murka, der schönsten Katze der Reise. Böse Zungen behaupten sogar schöner als die schöne Sue. Aber anders als die schöne Sue, ist Murka so schön wie verbissen. Ein kleiner Teufel mit teuflisch schönen Augen. Oder wie Amanda Knox ein Engel mit Eisaugen. Ohne Vorwarnung und mitten im Liebesspiel schnappt die Kuh über. Ständig. Ich tippe auf bipolare Störung. Wie eigentlich alle Katzen. Oder das Biest hat einfach einen an der Klatsche. Natürlich kriegt sie trotzdem endlose Streicheleinheiten, wird getragen wie ein Baby, liebevoll umgarnt und zärtlich durchgeschmust. Ständig. Bis sie eben zubeisst. Die Sau. Ein schönes Beispiel dafür, dass es die Schönen einfach einfacher haben im Leben. Gäll, Sue.

    Die Sevan-Halbinsel samt Kirche aus dem zehnten Jahrhundert ist aber auch schön. Ein Grüppchen Asiaten ist auf der Suche nach dem perfekten Insta-Pic, was irgendwie mein Interesse weckt. Wieso weiss ich nicht. Mir ist wohl langweilig vom ständigen Warten auf Insta-Sue, die immer und überall das perfekte Pic sucht. Die fernöstliche Dame in weiss bewegt sich theatralisch in Richtung der tief stehenden Sonne und wird ziemlich geblendet. Die Anweisung vom Fotografen lässt daher eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Gesichtsausdruck vermuten: "Open your eyes!" ... Als ob das nicht schon lustig genug wäre - was keine Beleidigung asiatisch schmaler Augen sein soll, sondern reine Szenenkomik, die alle Beteiligten zum Lachen bringt - versucht sie tatsächlich mit aller Macht, entgegen der Natur und trotz Sonne ihre Augen weit aufzureissen. Total amüsant. Wir bekommen in der Folge nämlich lediglich ihren weit aufgerissenen Mund zu sehen. Topmodel eben. Bestimmt ein ganz tolles Insta-Pic geworden.

    Dilijan markiert das Ende unserer Armenien-Rundreise. Man nennt den Ort auch "the Armenian Switzerland". Wieso weiss ich nicht. Cervelat habe ich auf jeden Fall keine gefunden. Verdammte Frechheit. Wir fühlen uns aber auch sonst nicht gross an die Schweiz erinnert. Ausser vielleicht bei der Service-Freundlichkeit in unserem Hotel. Die könnte man durchaus als ein bisschen Schweiz bezeichnen. Ziemlich grumpy und rüpelhaft eben. Ausserdem erinnert der lokale Rummel wieder einiges mehr an Prypjat als an Davos oder Engelberg. Unsere kleine Tageswanderung ist trotzdem schön, die Vegetation sogar ein wenig wie in der Schweiz. Aber nur ein wenig. Und damit ist auch schon wieder Schluss mit Armenien. Schön wars. Aber jetzt fahren wir zurück nach Georgien. Der Drang nach Ajaruli Khachapuri ist einfach zu stark. Verdammtes Käsebrot.
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  • Day 463

    Totale Hochkultur ... und Pizza

    April 24, 2019 in Armenia ⋅ ☀️ 12 °C

    Jerewan - die „Pink City“ nennen anderthalb der insgesamt drei Millionen Einwohner Armeniens ihr Zuhause - empfängt uns mit einem klasse Zimmer in einem netten Guest House im Herzen der Stadt. Die Küche darf ebenfalls mitbenutzt werden und ich habe derart Hunger, dass ich bei der kurzen Besichtigung einen von vier lecker strahlenden Muffins klaue. Also stibitze, das klingt harmloser. Fertig ausgepackt und zurück vom Zimmer auf dem Weg in die grosse, fremde Stadt, packt mich aber dann doch das schlechte Gewissen und ich gestehe mein Verbrechen ungefragt. Er sei wirklich total lecker gewesen. Das diebische Feedback freut die gute Irina aber dermassen, dass sie uns sogleich Brot, Käse, Eier und Weisswein sowie die restlichen drei Muffins auf den Tisch stellt. Esst, esst! Ehrlichkeit zahlt sich also doch aus. Manchmal.

    Armenien hat neben einer sehr lebendigen Kaffeekultur leider nach wie vor mächtig Beef mit Azerbaijan - es geht um post-sovjetische Landverteilung und die Zugehörigkeit seither autonomer Regionen innerhalb Azerbaijans - und der Türkei, die den Genozid vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nach wie vor leugnet und innerhalb deren Landesgrenze das armenische Wahrzeichen - der Berg Ararat - liegt. Über Georgien, das seinerseits mit allen einigermassen gut auskommt, macht man sich gerne lustig und die grossen Verbündeten heissen Russland und(!) die USA. Der Kaukasus ist so gesehen wenig harmonisch. Der Wein aus der Region hingegen schon. Armenien für sich hat eine interessante und in weiten Teilen tragische Geschichte. Im Bezug auf Azerbaijan leider noch immer mit tödlicher Dynamik. Ein paar Anekdoten dazu erfahren wir während der eher mittelmässigen Free Walking Tour mit einem Guide vom Typ „Kunstlehrer mit narzisstischen Zügen und regelmässigen Anflügen von Schwachmatismus“. Den Namen von Ramon habe ich mir erst gar nicht gemerkt. Fragen sind zwar ausdrücklich erwünscht aber ungern beantwortet. Auf meine Frage, ob die eben erwähnte Cognac-Fabrik am Oster-Montag wohl offen hat, bekomme ich ein vielsagendes „if it‘s open, it‘s open“ ... ah, shut up, bitch! Das abschliessende Bier halten wir kurz. So kurz wie möglich. Schliesslich wartet eine extrem leckere Pizza auf uns. Vor allem auf Sue. Die ist total aus dem Häuschen. Ich irgendwie auch. Das Teil ist so authentisch, dass wir den Laden die Tage noch ein zweites Mal aufsuchen. Für Menschen vom Land mit einfachen Gemütern wie uns braucht es definitiv nicht viel, um glücklich zu sein. Und sonst ist da ja noch der Wein.

    Wir kompensieren diesen Ausbruch frivoler Freude an einfachem italienischen Essen mit einem kulturell um einiges höher gestellten Besuch der Jerewan’schen Philharmonie. Alexander Romanovsky und das armenische Symphonie-Orchester geben Sergei Rachmaninoffs übel schweres Piano Concerto No.3 in D-Moll zum Besten. Kein Stück verlangt mehr Noten pro Sekunde am Klavier. Total kranker Scheiss. So krank, dass der australische Pianist David Helfgott bei seinem Konzert in London 1970 einen Nervenzusammenbruch erlitt und für mehrere Jahre in die Klapse wanderte. Alex behält aber zum Glück die Nerven und spielt das total toll. Und das ganz ohne Noten. Wir sind beeindruckt. Und haben geklatscht.

    Wir haben unseren Besuch in Jerewan bewusst so geplant, dass wir während des „Genocide Memorial Days“ hier sind, an welchem den mehreren hunderttausend Opfern der Kriegsverbrechen des Osmanischen Reichs an den Armeniern vor und während dem ersten Weltkrieg gedacht wird. Bewegende Stunden, während denen über achthunderttausend Menschen die über der Stadt liegende Gedenkstätte besuchen. Die niedergelegten Blumen bilden zum Schluss gigantische Wände und schaffen eine einzigartige Atmosphäre. Sehr bewegend. Ein anderer Tagesausflug bringt uns ins unendlich weit entfernte Tatev, eine der grossen Touristenattraktionen Armeniens. Im Sommer. Es ist aber auch bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt schön. Wie Sue, einfach anders. Zurück in Jerewan finden wir - wie eigentlich in allen Städten und grösseren Gemeinden im Kaukasus - auch hier einen permanenten Rummel. Dieser kommt aber weit weniger solidarisch daher, als die Rummel die wir bisher in der Region gesehen haben. Das Riesenrad ist zwar rostig, dreht sich aber fröhlich im Kreis und auch sonst sind diverse Familien mit Kindern unterwegs. Der schönen Sue kommt der aktive Betrieb ganz gelegen. Sie will sofort Popcorn. Und das kriegt sie natürlich. Wie sonst alles im Leben. Zum Beispiel mich. 

    Da wir nach dem wiederholten Pizza-Flash das kulturelle Niveau nochmals aufzubessern haben, Bier ja eher für Bauern ist und „because if it’s open, it‘s open“, besuchen wir Menschen von Welt noch die berühmte Cognac-Fabrik „Noy“, bei der uns als Teil des Tastings auch ein Gläschen 75-jähriger Port für zweitausendfünfhundert Dollar die Flasche gereicht wird. Total classy eben. Damit schliesst sich aber der armenische Kreis allmählich und wir verlassen Jerewan in Richtung Norden. Irgendwo auf dem Weg soll es ja noch die „Armenische Schweiz“ geben. Aber wehe es gibt dort keine Cervelats. Da versteh ich keinen Spass!
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  • Day 460

    Romantische Zombie-Apokalypse

    April 21, 2019 in Armenia ⋅ 🌬 5 °C

    Per Marshrutka - eine Art Minibus - tingeln wir über verschneite und schlammige Strassen nach Armenien. Kaum passieren wir die Grenze, scheint auch schon die Sonne. Ein ähnlich freundlicher Empfang wie damals Georgien. Doch ein Blick auf die Speisekarte verrät, nein, hier gibt es kein Ajaruli Khachapuri. Schade. Dafür hat sich der blöde Schafbock wieder auf das Menu gemogelt. Egal, die Sonne scheint und unsere erste Gastfamilie spricht fliessend Deutsch. Soweit so gut. In Gjumri wurden beim verheerenden Erdbeben von 1988 achtzig bis neunzig Prozent der Häuser zerstört. Die meisten wurden wieder aufgebaut oder repariert, ein anderer Teil noch nicht. Zusammen mit dem lokalen Rummel herrscht auch hier ein gewisses Fallout-Flair. Das scheint ja durchaus üblich in der Region. Vielleicht sind dies aber auch einfach eine Art Solidaritätsbekundungen für Tschernobyl und Umgebung. Ich hab keine Ahnung. Sue auch nicht. Wovon wir aber scheinbar Ahnung haben, sind Fremdsprachen. Die Dame Im lokalen Telekom-Shop spricht nur eine Fremdsprache. Französisch. Damit haben wir zwei Osterhasen zwar nicht gerechnet, aber nach wenigen Minuten haben wir beide vollen Handy-Empfang und grinsen stolz wie Oskar. Wenn mich Stalking-Mam doch bloss sehen könnte. Ohh, très bien! Ça marche. Merci madame. Je suis très heureux. À tout à l‘heure. 

    Da wir auch den diesjährigen Karfreitag auf Reisen verbringen, verpasse ich schon den zweiten 11bis11-Sauf ... äh, Jassmarathon im Kreuz. Ich bin obdessen derart frustriert, dass wir neben Museen, Klostern und Festungen auch eine Brauerei aufsuchen. Bier in einem normalen Laden zu kaufen, scheint mir heute nicht das Richtige. Aber es ist Karfreitag und Armenien ein äusserst christlich-traditionelles Land. Der Fabrikladen ist denn auch erwartungsgemäss geschlossen, doch die Produktion läuft unbeeindruckt vor sich hin. Der Security-Mensch am Eingang spricht wie unser Guesthouse-Daddy und heutiger Fahrer ein paar Worte Deutsch und nach ein paar Telefonaten kriegen wir doch tatsächlich eine Privatführung mit Trinkproben. Total nett und total gut gegen den Frust. Zum Schluss decke ich uns noch mit ein paar 1,5l-Flaschen ein. Für später. Wenn der Frust zurück kommt. 

    Auf dem Weg nach Jerewan machen wir für eine Nacht halt in Spitak, dem Epizentrum des Erdbebens von 1988, welchem mehrere zehntausend Menschen zum Opfer fielen. Spitak wurde dabei komplett zerstört und einige Kilometer entfernt vom ursprünglich Zentrum neu aufgebaut. Die damals aufgestellten Container werden teilweise heute noch genutzt. Das hat jetzt nicht direkt damit zu tun, aber die kleine Sue hätte es in einem einfachen Container wohl auch einfacher. Die „Erlebnis“-Dusche im YMCA Spitak ist der Schönen offensichtlich viel zu kompliziert und ich werde mit mürrischem Ton mehrfach ins Badezimmer bestellt. Trotz drücken aller Knöpfe an der elektrischen Konsole fliesst kein Wasser. Ich drücke zuerst ein paar von Sues Knöpfen und öffne dann einfach den physischen Wasserhahn. Gern geschehen. Beides.

    Die Reisezeit hat hier noch nicht wirklich begonnen und wir sind die einzigen Gäste im vom Schweizer CEVI ins Leben gerufene YMCA. Eine Art Schulhaus mit diversen Klassen- und Sporträumen, einer grossen Mensa und ein paar Gästezimmern im oberen Stock. Sobald wir abends alleine sind, kommt allerdings ziemlich Fallout-Feeling auf. Ist das jetzt diese Zombie-Apokalypse? Sind wir die Letzten? Und wo ist unser Lead-Preper Robin, wenn man ihn braucht? Jeder Schritt und jedes Wort hallt durch das übertrieben kalte Gebäude. Man überlässt uns netterweise den Schlüssel zur Küche, welche wir für die Herstellung eines (letzten?) Abendessens bestehend aus Pasta mit Reste-Sosse aus gefüllten Zucchinis nutzen. Total lecker und das Abendmal ist inmitten dieser post-apokalyptischen Grundstimmung in gleichem Masse einsam wie romantisch. Die gleichentags erworbene Flasche Rotwein aus armenischer Produktion spielt aber das Zünglein an der Waage und lässt die Stimmung zum Schluss vollends ins Romantische kippen. Zombies hin oder her. Und falls sie nicht gestorben sind, ... blablabla.
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  • Day 457

    Das anale Ende Georgiens

    April 18, 2019 in Georgia ⋅ 🌫 7 °C

    Kaum haben wir das südwestliche Ende Georgiens erreicht, sind wir auch schon wieder auf dem Weg nach Osten. Wir machen Halt in Khulo, was in einigen Sprachen bekanntlich so viel wie das „anale Ende von lebenden Organismen“ bedeutet. Vergleicht man Georgien mit einem Menschen, würde man Khulo tatsächlich etwa an der Stelle finden. Charme hat es trotzdem reichlich und wir fühlen uns irgendwie ans Wallis erinnert. Und wäre Khulo selber ein Mensch, ja dann würde die Lage „am Arsch“ auch für unser Guesthouse gelten. Die Hütte ist dermassen weit vom Zentrum dieser Tausend-Seelen Gemeinde entfernt, dass der Taxifahrer zehn anstatt der ursprünglich vereinbarten fünf Lari von uns will, als ihm irgendwann das wahre Ausmass dieses Beförderungsauftrags klar wird. Die idyllische Abgeschiedenheit wird mit Pizza sowohl zum Dinner als auch zum Frühstück belohnt. Klingt erst mal total geil und sieht auch irgendwie so aus. Das Weisse ist allerdings weniger Mozzarella und viel mehr Mayonnaise. Trotzdem geil. Findet Sue. Eine Nacht am Arsch of everything reicht aber und wir müssen weiter gen Osten. Nahe der armenischen Grenze haben wir uns wieder was Schönes gebucht. Doch diese eine bauernschlaue Quacksalber-Binsenweisheit stimmt auch in Achalziche. Der April macht was er will. Und für den Moment will er einfach nur regnen. Der Arsch.

    Wir schauen uns trotz Wetterkapriolen das hiesige Castle an und unternehmen den geplanten Tagesausflug zu einer nahe gelegenen Felsenstadt. Deshalb sind wir ja eigentlich hier. Das zwei Autostunden entfernte Vardzia ist eine furchtbar imposante Siedlung, die vor etwas mehr als einer Ewigkeit in eine Felswand geschlagen und über Jahrhunderte erweitert wurde. Sie ist nach dem deftigen Ajaruli Khachapuri eine der grossen Attraktionen Georgiens. Auch bei Regen. Was sollen wir denn auch sonst machen? Den ganzen Tag saufen und fressen? Hm, klingt eigentlich auch ganz gut. Ich glaub das mach ich jetzt. Sue auch.
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  • Day 454

    Hässlicher Loser

    April 15, 2019 in Georgia ⋅ ☀️ 15 °C

    Neben all den Casinos gibt es viele äusserst kuriose Gebäude in Batumi. In einem Fall wurde gar ein Riesenrad in ein Hochhaus verbaut. Viele Türken kommen zum Gambeln über die nahe gelegene Grenze in dieses Las Vegas Georgiens. Wir sind natürlich nicht wegen den Casinos hier. Wir wollen zum ersten Mal das Schwarze Meer sehen. Und unser modernes Studio-Apartment für fünfzehn Stutz pro Nacht bietet sogar einen Blick darauf. Aber Achtung, Spoiler-Alarm! Es ist auch blau. Wie unspektakulär. Spektakulärer war da sicher die Schach-Olympiade, die 2018 hier stattfand. Ob Deep Blue auch hier war? Wahrscheinlich nicht, die sture Kiste. Noch einen Tick spektakulärer ist sowieso das aus dieser Region stammende Ajaruli Khachapuri. Ein offenes, knuspriges Brotschiff gefüllt mit Käse, frischem Butter und Eigelb. Vergessen wir mal Penicillin. Wer auch immer diese Geschmacksbombe erfunden hat, verdient alle Nobelpreise, Oscars und Grammys dieser Welt. Ich bleibe hier. Für immer. Oder mindestens bis Montag.

    In einem letzten verzweifelten Unterfangen, unsere Reisekasse nochmals voll zu machen, besuchen wir das laut Google äusserst beliebte Princess Casino. Lovely Sue ist nicht wirklich begeistert, aber broke und verzweifelt genug, um dem Besuch zuzustimmen. Casino ist eine Sache der Einstellung, sage ich immer. Das Resultat erstaunt daher nicht. Sue der Loser verzockt ihre zwanzig Dollar, während ich meine vervierfache. Kein Ahnung wieso ich die letzten zwanzig Jahre so viel verloren habe. Ist ja eigentlich ganz einfach. Muss an Marc liegen. Oder Fönz. Der heutige Gewinn reicht zwar nicht für ein weiteres Jahr reisen, aber für drei deftige Ajaruli Khachapuri Dinner mit Wein aus der Flasche allemal. Das ist ja auch was. Aus lauter Freude mieten wir uns umgehend ein Elektrodreirad und heizen die Promenade rauf und runter. Ganz der Gewinnertyp, kaufe ich der glücklosen und doch so schönen Verliererin ausserdem einen Ballon. Den hat sie sich tags zuvor schon gewünscht. Nicht den hässlichen Masha-Ballon, den ich ihr gekauft habe, aber das ist nicht mein Problem. Ich habe die scheiss Kohle schliesslich nicht verloren. Verdammter Loser.

    Apropos Loser. Kaum sieht meine Stirn wieder etwas besser aus, fangen die umgesiedelten Haare auch schon an auszufallen. Alles Teil vom kommunizierten Plan und somit erwartet. Aber das macht den entstehenden Flickenteppich auch nicht schöner. Unschön beim Essen und auch sonst einfach hässlich. Armer, hässlicher Junge.
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