Tanzania
Msimbazi Creek

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Travelers at this place
    • Day 18

      Auf Schienen quer durchs Land

      September 29, 2018 in Tanzania ⋅ ⛅ 29 °C

      Heute wollen wir mit dem Zug von Kigoma nach Dar es salaam fahren. Schlappe 1254 km. Die „Central line“ ist eine der zwei Verbindungen, die es in Tansania gibt und wurde 1905 von der deutschen Kolonialregierung erbaut.

      Obwohl wir uns den „Express-Train“ gönnen, hat man uns schon vorgewarnt, dass dies eine langwierige Geschichte werden könnte. Keiner kann einem sagen, wann wir ankommen. Die Fahrt dauert „between 1 and 3 days“.
      Das ist uns egal. Wir haben ja Zeit und wollen so reisen wie die Einheimischen. Und wir wollen mehr vom Land sehen.

      7 Uhr: Voller Vorfreude auf die Zugfahrt stehen wir am Bahnhof. Mit uns hunderte Leute in den buntesten Kleidern. Wir, als die einzigen Mzungus, fallen natürlich auf und werden interessiert beäugt.

      8 Uhr: es kommt eine Durchsage. Wir verstehen kein Wort, außer uns sind keine mzungus da und nach einigem Rumfragen wissen wir zwar, dass der Zug Verspätung hat, bekommen aber verschiedene Aussagen über die neue Abfahrtszeit. Irgendwann verstehen wir dann, dass es eine Suaheli Zeit gibt und dass deren 2.00 Uhr in unserer Zeitrechnung acht Uhr abends heißt.
      Der Zug hat also 12 Stunden Verspätung. Puhh. Ok wir stoppen ein Bajaji (TukTuk) und lassen uns zum Strand fahren.

      19 Uhr: Im Bajaji. Wir lassen uns wieder zum Bahnhof zurück fahren. Es steht noch kein Zug da. Schlechtes Zeichen. Wieder versuchen wir uns durchzufragen, was los ist. Die ersten paar Gesichter bleiben komplett starr. Doofe Sprachbarriere.
      Eine Stunde später kommt ein junger Einheimischer auf uns zu. „Hey my friend! You remember me from this Morning?“ ENDLICH jemand, der uns weiter helfen kann. Er war einer derjenigen, der heute früh die Durchsage für uns übersetzt hat.
      Leider schlechte Nachrichten: Der Zug kommt erst um 24 Uhr. So warten und warten und warten wir in der überfüllten Bahnhofshalle. Wir kriegen einen extremen Bierdurst und fragen unseren neuen Kumpel Kelvin, der hier in Kigoma studiert, ob es hier eine Bar oder was ähnliches gibt. So verbringen wir die nächsten zwei Stunden bei Bier und Karaoke in einer Bar und tauschen uns mit Kelvin aus. Er lernt von uns, dass man in Deutschland auch Bier trinkt und wir lernen von ihm, wie man Pommes mit Ei auf Suaheli bestellt.

      23 Uhr: Wieder am Bahnhof. Immer noch kein Zug da. Wir schlängeln uns durch das kunterbunte Schlafgelege und machen es uns in einem Eck auf dem Boden gemütlich.

      24 Uhr: “Its amazing. It’s become another day!” sagt Kelvin und lacht sich kaputt. Wir verlieren die Geduld und bitten Kelvin, nachzufragen, wo der Zug bleibt. Freundlich wie er ist, frägt er einen Mitarbeiter und übersetzt: „Any time from now!”
      Ah gut. Also der Zug kann jederzeit kommen. Wir warten ja erst seit 17 Stunden. Felix will aufgeben. „We think about giving up. Going to a hotel. You will wait?” Mit einem breiten Grinsen antwortet Kelvin „For sure. I wait until coming.”

      TIA!!

      1 Uhr: Felix kann nicht glauben, dass kein Mensch weiß, ob und wann dieser Zug kommt. Er sucht nach dem „Station Master“ und wird tatsächlich in dessen Büro vorgelassen, wo er erfährt, dass der Zug wohl um 4 Uhr kommen soll.
      Am erstaunlichsten finde ich eigentlich, dass unter den Hunderten Menschen hier sehr viele Säuglinge und Kleinkinder sind. Auch sie warten seit 18 Stunden. Und wir haben ungelogen in der ganzen Zeit noch kein einziges schreien oder quengeln gehört. Unfassbar!

      Felix hat sich mittlerweile zu den Schlafenden auf den Boden gelegt. Ich unterhalte mich mit Kelvin. Er kümmert sich einfach rührend um uns. Er übersetzt, er führt uns zu den Toiletten und besorgt danach auch noch Seife, er unterhält uns und teilt sogar seinen Maasai-Umhang mit uns. „Feel free. If you have any problem. Please tell me!” Wundervoller Mensch.

      Kurz vor unserer Deadline zum Aufgeben, also um 4 Uhr, kommt er tatsächlich. Unser Zug. Jetzt kann es sich nur noch um 1-2 Stunden handeln bis wir losfahren, erklärt uns Kelvin stolz.

      Trotz dass er selbst nur eine Sitzplatzreservierung hat (und sich trotzdem wie ein Schnitzel auf die Fahrt freut), führt er uns bis in unsere Schlafwaggons. Da wir viel zu nett sind und alle drängelnden Einheimischen vorlassen, ergattern wir in unseren geschlechtergetrennten Kabinen jeweils nur noch die oberste Pritsche. Links und rechts ein 3er Hochbett, dazwischen ein kleiner Gang.

      Wir gehen auf Tuchfühlung mit den Locals. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn als ich in mein Abteil komme, sind da zu den fünf Frauen mindestens nochmal so viele Kinder und der Boden ist übersät mit Tüten, Körben und Kartons.
      Als ich es geschafft habe, mich und mein Gepäck in mein Bett hoch zu hieven, ohne jemanden auf den Kopf zu treten, wünsche ich mir zwei Köpfe kleiner zu sein. Denn für diese Größe wurden die Betten wohl gemacht. Embryohaltung geht gerade so, auch wenn Hintern und Knie dann anstoßen. Egal. Ich bin dankbar, dass ich mich überhaupt hinlegen kann und bin so hundemüde, dass ich direkt einschlummere, noch bevor der Zug abfährt.

      Schnitt. Ich schrecke hoch, schlage mir erst mal den Kopf an der Decke an und weiß nicht, wo ich bin. Ultralaute Partymusik dröhnt aus der Box über meinem Kopf. Ach klar. Ich bin im Zug. Ich schaue auf die Uhr. Es ist acht, ich habe also gerade mal 3 Stunden geschlafen. In meinem Abteil wimmelt es vor Frauen und Kindern in den buntesten Kleidern und Tüchern. Einige mampfen Reis oder Chapati (Fladenbrot), Andere beäugen mich kurz kritisch und schnattern dann weiter. Es ist also ganz offensichtlich keine Schlafenszeit mehr.

      Ungelenk klettere ich aus meinem Hochbett und schaue aus dem Fenster, wo beeindruckende Landschaften vorbeiziehen. Wie in König der Löwen. Nur ohne Löwen.

      Dann mache ich es den Frauen in meinem Abteil nach, bestelle auch einen Chai-Tee mit Chapati und genieße mein Frühstück am offenen Fenster, wo schon wieder aufs übelste hin und her gedrängelt wird. Authentisches Erlebnis. Perfekt. Genau so wollten wir es.

      Nach einem halben Tag Fahrtzeit verstehe ich auch, weshalb Frauen und Männer getrennte Kabinen haben. Es wird affenheiß und „meine Mädels“ beginnen sich nach und nach auszuziehen. Bäuche und Brüste werden ausgepackt. Ständig hängt eines der vielen Babies an einer der vielen Brüste. Nicht selten werden auch beide Brüste simultan angezapft.

      Wir tuckern bereits seit 29 Stunden mit einer „Pole-Pole“-Durchschnittsgeschwindigkeit von 32km/h quer durchs Land , haben zwar keine Dusche (ein Hoch auf Feuchtetücher) und keine Privatsphäre, dafür aber ganz viel Zeit.
      Zeit, um das Leben der Menschen in den Dörfern zu beobachten.
      Zeit, um mit unseren Mitpassagieren in Kontakt zu treten. Zeit, um „Last Card“ zu zocken (wie gut, dass unsere Kili-Jungs es uns beigebracht haben).
      Zeit, mit einheimischen Lehrern das tansanische mit dem deutschen Schulsystem zu vergleichen (immer diese Lehrer!).
      Zeit, den Kopf in den Fahrtwind zu strecken und die so verschiedenen landschaftlichen Szenerien zu genießen.
      Zeit, um sich im mittlerweile gemütlichen Bettchen einzukuscheln, zu lesen und sich dann vom Zug in den Schlaf schaukeln zu lassen. Fühlt sich an wie in einem zu kleinen Kinderwagen, in den man quer gestopft wurde.

      Es ist so wundervoll, einfach mal Zeit zu haben. Wer mich kennt, weiß, wie busy ich immer unterwegs bin. Vielleicht genau deshalb genieße ich das In-den-Tag-leben, das spontane Entscheiden, das Nicht-weit-voraus-planen so sehr.

      Es macht einen gelassener. Freier. Und man übt sich in Geduld.

      Ich fühle mich total im Einklang mit mir selbst und merke ganz deutlich, wie mir das Reisen gut tut.

      Mit der Essensversorgung ist es fast wie beim McDonalds Drive-in: Immer wenn wir in die Bahnhöfe einfahren, rennen Menschen mit verschiedensten Waren (natürlich auf dem Kopf) an den Zug und man kann vom Fenster aus Tomaten, Bananen, Gurken, Mais, Kokosnuss, Erdnüsse, frittierten Fisch, Reisbällchen, Getränke und noch viel mehr einkaufen. Wir shoppen was das Zeug hält, sodass uns schon bald das Kleingeld ausgeht. Auf 5.000 Schilling (ca. 2€), kann kaum einer rausgeben. „Sorry! No change!“
      Diese Schwierigkeit hatten wir schon öfters. Wir versuchen, oft bei den Locals zu essen. Reis oder Ugali (Maisknödel) mit Bohneneintopf, Spinat und ein Stück Fisch/Fleisch drauf ist der Klassiker. Oder halt Chipsi mayai. Pommesomelette. Kostenpunkt 1.000 Schilling, also 40 Cent (!!).

      Kein Wunder sind wir die weißen Bonzen in den Augen vieler Einheimischer. Schon krass - der Kontrast zwischen der recht armen Durchschnittsbevölkerung, die für ein paar Cent zu Mittag isst und den mzungos, die mal schnell für Tausende Euro den Kilimanjaro besteigen, Safari machen und dann noch kurz auf Sansibar chillen.

      Doch von Neid keine Spur. Im Gegenteil. Wir spüren Genügsamkeit, Interesse, Gutmütigkeit, Hilfsbereitschaft, Fröhlichkeit, Gelassenheit und Gastfreundschaft. Da kann man nur den Hut ziehen.

      Unser neuer Kumpel Kelvin ist für uns der Inbegriff dieser ganzen Eigenschaften. Entweder er kommt in unsere Schlafzellen oder wir besuchen ihn vorne bei sich im (übel engen) Sitzabteil. Geschlafen hat er die ganze Zugfahrt noch nicht und ist trotzdem die Freude in Person. „I am always awake. Like a soldier.” Unermüdlich informiert er uns über die verschiedenen Völker, an denen wir vorbei tuckern. Tansanische Ethnologie durch das Fenster. Wie im Museum, nur lebendiger.
      Es ist auch Kelvin, der uns beibringt, dass man vor dem Essen „Karibu“ in die Runde sagt. Das heißt übersetzt „Herzlich willkommen“ und bedeutet, dass man alle Umsitzenden einlädt, bei seinem Essen mit zu futtern (man hofft natürlich, dass keiner das Angebot annimmt). Eine Höflichkeitsklausel, die zur tansanischen Kultur gehört, erklärt Kelvin. Ein harter Brocken für Felix, dem es schon schwer fällt, seine Kekse zu teilen. „Man weiß ja nie, wann man plötzlich in Unterzucker kommt!“

      Nach 21 Stunden warten und 39
      Stunden fahren erreichen wir schließlich unser Ziel Dar es salaam und verabschieden uns von unserem Freund und Helfer Kelvin.

      „I will never forget you. Because you gave me a present. I will remember you until I die.”
      So sehr hat Kelvin uns ins Herz geschlossen, weil wir ihm ein paar Euromünzen und Kopfhörer geschenkt haben.

      Wir verlassen den Bahnhof und stoßen auf eine Front emsig geschäftiger Menschen. Gefühlt greifen hunderte Hände nach uns und zerren an unseren Armen. Jeder will unser Taxifahrer sein, jeder will uns eine Tour andrehen.
      „DON’T TOUCH ME!”
      Die Flitzpipen und ich erschrecken gleichermaßen an Felix’ plötzlicher Lautstärke. Seine Gorillagebärde zeigt Wirkung und wir werden wenigstens kurz in Ruhe gelassen.

      Dann kommt schon der nächste Luri ums Eck. „Hakuna matata rafiki!“, was soviel bedeutet wie „Keine Sorge, Kumpel!“
      Er lacht uns an, wir lachen mit und kurz darauf sitzen wir in seinem Taxi.

      Danke Leben für diese abenteuerliche Reise!
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    • Day 38

      Die Tazara-Line

      October 19, 2018 in Tanzania ⋅ ⛅ 31 °C

      „Ich kann’s kaum erwarten, wieder einen Bericht von dir zu lesen!“
      „Aber Felix, du warst doch überall dabei. Du hast es selber miterlebt.“
      „Achso stimmt. Aber...ähhh...ich vergess halt immer so schnell wie’s war.“

      Es ist einfach lustig, einen Felix an seiner Seite zu haben. Ausserdem ist sein unerschütterlicher Optimismus Gold wert, als wir uns zum Beispiel das völlig abgeranzte Zimmer mit einer Million Moskitos teilen, der Besitzer mit einer XXL-Gift-Spraydose anläuft, bei der nicht sicher ist, ob er die Moskitos oder uns umbringen will und aus dem Wasserhahn bernsteinfarbene, faulig riechende Flüssigkeit rauskommt. Felix sieht meinen Blick und meint „Ok, ich zähl dir jetzt mal alle Vorteile dieser Unterkunft auf!“

      Mittlerweile sind wir voll im Reisemodus. Neben all den wundervollen Seiten des Reisens haben wir nun schon auch einige der eher weniger Angenehmen durchlebt. Von einer kleinen Lebensmittelvergiftung über massive Moskitoattacken und Duschwasser, bei dem fraglich war, ob man davon wirklich sauberer wird, bis hin zu hohem Fieber mit Schüttelfrost und geschwollenen Mandeln war alles dabei. Bei letzterem war ich kurz davor, mein Blut an einer Malaria-Teststation prüfen zu lassen. Als jedoch jemand meinte, dass ich das wirklich nur machen soll, wenn ich total verzweifelt bin, weil ich eventuell mit mehr Krankheiten zurückkomme als ich hin bin, ließ ich es bleiben.

      Da Malawi unser nächstes Ziel ist, nehmen wir heute die Tazara-Line (TAnzaniaZAmbiaRAilway), die von Dar es salaam bis nach Sambia fährt. Dieses Mal ergattern wir uns First-Class-Tickets und schlafen zwar immer noch geschlechtergetrennt, aber immerhin nur zu viert in der Kabine.
      Die Frauen in meinem Abteil sind in so viele wunderschöne farbenfrohe Tücher (Kitenge) eingewickelt (die ihnen gleichzeitig als Bekleidung, Kopftuch, Babytrage, Decke und Kopfkissen dienen), dass ich zweimal hinschauen muss, ob sie in ihren Betten liegen oder ob es nur ein bunter Tücherberg ist.

      Dieser Zug ist insgesamt um einiges luxuriöser als die Central Line, fährt zügiger und ist sogar recht pünktlich!

      Wie schon bei der letzten Zugfahrt genieße ich am offenen Fenster die verschiedenen Landschaften, die wir auf unserem Weg durchkreuzen und winke den winkenden Kindern zurück, bis mir der Arm fast abfällt.
      Aber ich kann einfach nicht damit aufhören, weil es so schön ist zu sehen, wie sie Luftsprünge machen, wenn sie entdecken, dass ihr Winken erwidert wird. Mit wie wenig Aufwand man doch gegenseitig Freude verbreiten kann.

      Auf dieser Zugfahrt quer durch den Süden zeigen sich die unterschiedlichen Gesichter des Landes in komprimierter Form. Von der recht modernen, trubeligen Großstadt über knochentrockene Savanne und Geröllwüsten, in denen abgeschieden einzelne Lehmhütten stehen, bis hin zu feuchtgrünem, hügeligem Dschungel und schließlich imposanten Bergketten rund um Mbeya.
      Als wir die Eisenbahn dort nach 26 Stunden verlassen, sind wir fast ein bisschen traurig, dass wir nicht bis zur Endstation mitfahren, so viel Freude bereitet uns das Zugfahren.
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    You might also know this place by the following names:

    Msimbazi Creek

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