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  • Day 9

    Riga - das Herz des Baltikums

    August 21, 2022 in Estonia ⋅ ⛅ 22 °C

    Nachdem Rüdi so tapfer mit mir durch die Markthallen getrabt ist, wird es Zeit uns auch mal das tatsächliche Riga anzuschauen. Ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass er aber auch ein kleines Highlight in den Markthallen hatte, was ihm den Aufenthalt sprichwörtlich versüßt hat. Es gab nämlich eine „Pavlova-Rolle mit Heidelbeeren“. Für die Unwissenden unter Euch, erkläre ich es kurz. Pavlova - ist eine mit Sahne und Früchten gefüllte Torte aus einer Baisermasse. In diesem Fall, wurde es aber als Rolle neu interpretiert. Es war auch echt lecker. So lecker, dass wir nicht einmal ein Foto gemacht haben, so schnell war das Ding verputzt. So, aber nun los. Die Altstadt ist nur durch eine Bahntrasse vom Markt getrennt, also sind wir in wenigen Minuten dort. Rüdi entdeckt sofort wieder unsere neuen, treuen Begleiter von BOLT und will direkt einen dieser E-Scooter leihen. Ich bin nicht ganz so begeistert, denn an sich wollte ich gern zu Fuß, die Altstadt erkunden. Weil man da besser gucken kann und auch hier und da mal was anschauen. Wir laufen also noch eine Weile durch die Gegend, schauen in eine Kirche, in der gerade ein deutscher Gottesdienst abgehalten wird und sind mal wieder fasziniert von den vielen Kneipen, Bars und Restaurants. Dass wir uns in einer Metropole befinden ist auch ganz deutlich, denn es sind unendlich viele, internationale Touristen unterwegs. Das hatten wir in den letzten Städten ja kaum. Überrascht sind wir, als wir neben einer Kirche, die bronzene Statue der „Bremer Stadtmusikanten“ entdecken. An der immer wieder Touristen empor hüpfen, um die Schnauzen der Tiere zu berühren. Ich war natürlich neugierig, was es damit auf sich hat und habe das schlaue Internet befragt. Die Partnerstadt von Riga ist Bremen und deshalb hat es 1990 besagte Statue als Geschenk gemacht. Der Aberglaube besagt nun, dass es Glück bringt, die Tiere an der Nase zu berühren. Und je weiter oben sich das Tier befindet, desto größer ist das Glück. Deshalb versucht natürlich jeder, den Hahn am Schnabel zu erwischen. Dass dies nur wenigen Leuten gelingt, sieht man deutlich, da der Schnabel noch dunkel ist, wie der Rest des Körpers. Hingegen die Schnauzen von Esel, Hund und Katze bereits golden glänzen. Rüdi erreicht den Hahnenschnabel natürlich spielend, während ich auf ganzer Linie versage und ins Nichts greife. Ich bin zwar hoch gesprungen, aber eben über die Katze hinaus und für den Hahn nicht hoch genug. Da bereits die nächsten „Hüpfer“ in den Startlöchern stehen, versuche ich es nicht noch ein weiteres Mal, sondern verlasse mich darauf, dass das große Glück meines Schatzes auch für uns beide ausreicht. Für mich ist ER ja sowieso das größte Glück. Als wir an einem größeren Platz wieder einmal die Roller stehen sehen, ist Rüdi nicht mehr zu bremsen und will jetzt unbedingt Rollern statt laufen. Also gebe ich mich geschlagen. Wir fahren vorbei am Freiheitsdenkmal, einem 42m hohen Obelisken mit Frauenstatue auf der Spitze. Davor patrouilliert eine Ehrengarde täglich von 9-18 Uhr. Ich stelle mir diesen Job echt langweilig vor. Auch wenn es dort stündlich einen Wechsel gibt, möchte ich nicht darüber nachdenken, im Gleichschritt mit meinem zweiten Wachmann, eine Stunde lang hin und her zu schreiten. Dann verkaufe ich doch lieber schnöde Klamotten, an meine netten Geschäfte. Wir fahren weiter zu einer russisch – orthodoxen Kirche, deren goldener Zwiebelturm schon von weitem strahlt. Hinein können wir natürlich wieder mal nicht, denn ich habe schon wieder das falsche Outfit an. Für den Kirchenbesuch zumindest. Denn da heißt es ja bekanntlich bedeckte Schultern und Knie. Hier wird sogar noch ein Kopftuch gefordert. Also machen wir nur ein Foto von außen und düsen weiter. Wir fahren durch einen wunderhübschen Park, durch den sich ein Fluss schlängelt. Hier kann man Bootstouren unternehmen, oder wie man bei einigen Leuten auch sieht, mit dem SUP durch die Stadt paddeln. Das würde mir auch gefallen. Als wir wieder im historischen Teil der Altstadt ankommen, beginnt der schlimme Teil dieser Tour.
    ACHTUNG: An dieser Stelle bitte ich alle Leute, die das lesen und mit dem Gedanken spielen in alten Städten E-Scooter zu fahren, dies genau zu überdenken. Zumindest wenn die Straßen noch aus den originalen, klobigen Kopfsteinpflastern bestehen. Ich war nach wenigen hundert Metern schon komplett durchgeschüttelt und hatte Magenschmerzen. Teilweise habe ich den Roller sogar geschoben. Wenn man bedenkt,dass man für die Teile ja minütlich Geld bezahlt, ist das schon ganz schön blöd. Die Straßen wurden nicht besser, aber meine Schmerzen immer schlimmer. Also haben wir die Dinger dann auf dem Rathausplatz am Schwarzhäupterhaus abgestellt und sind zu Fuß weiter. Langsam macht sich ein kleines Hungergefühl breit, nachdem sich mein Magen wieder beruhigt hat und ich schau schnell mal bei Google nach den Bewertungen der umliegenden Kneipen. Das ist auch so eine Macke von mir. Ich habe immer Angst, auf die Nase zu fallen, was das Essen betrifft. Besonders in touristischen Regionen, wo Touri – Nepp großgeschrieben wird. Direkt um die Ecke, soll es einen super Burger – Laden geben. Na dann nichts wie hin. In den Bewertungen wurde der Yeti Burger besonders gelobt und auch die Knoblauchsauce. Damit müssen wir nicht lange überlegen und bestellen uns zweimal den Yeti, mit Pommes und Knoblauchsauce. Unsere Erwartungen waren hoch und wurden sogar noch übertroffen. Ich habe meinen nicht geschafft, obwohl ich wirklich gekämpft habe und selbst Rüdi, konnte kaum noch atmen, nachdem er seinen und meinen Rest verdrückt hatte. Auch bei der Knoblauchsauce wurde nicht übertrieben. Sie war absolut köstlich.
    Nach dieser riesigen Mahlzeit, war der Verdauungsspaziergang Pflichtprogramm. Also haben wir uns noch eine Weile, mit unseren kugelrunden Bäuchen durch die Stadt geschleppt, bevor wir zurück zum Parkplatz gelaufen sind. Jetzt stand sie wieder im Raum, die große Frage: „wo geht es jetzt hin?“
    Nun sind wir schon so weit gekommen, da können wir auch noch weiter nach Norden fahren. Schließlich ist es bis zur nächsten Landesgrenze ja nicht mehr weit…
    Eine knappe Stunde später, passieren wir die Grenze zu Estland. Verrückt!!! Jetzt sind wir gerade mal 9 Tage unterwegs, wollten eigentlich nur nach Polen und sind jetzt im nördlichsten Land des Baltikums angelangt. Es ist wirklich schön, sich einfach mal treiben zu lassen. Selbst für mich - alte Planerin. Direkt nach der Grenze weist ein Schild auf eine romantische Touristenstraße hin. Die erste Abfahrt dorthin, haben wir klassisch verpasst, aber ich navigiere uns einfach über die nächste kleine Seitenstraße dorthin. Die Straße führt wieder parallel an der Küste entlang und auch hier gibt es wieder zahlreiche Stellplätze. Aber es gibt einen großen Unterschied zu den vorangegangenen Ländern. In Estland gilt das „Jedermannsrecht“. und das besagt, dass Jedermann das Recht hat, überall zu übernachten, wo es keine deutlichen Verbote gibt. Natürlich gilt dies nur für öffentliche Bereiche und nicht für Privatbesitz. Ergo bedeutet dies, man kann auf jeder Wiese, jedem Waldparkplatz, oder auch direkt im Wald übernachten. Und als ob das nicht schon gut genug ist, richtet die Forstbehörde mitten im Wald auch noch Grill- und Feuerplätze, sowie Trockentoiletten aka Plumpsklos für die Camper ein. Es ist also wie im Paradies. Denn man muss nicht langfristig planen, wo man übernachtet, oder wie weit man noch fahren muss. Nein - man bleibt einfach stehen wo es einem gefällt. Und das machen wir natürlich auch. Am ersten Parkplatz steht ein Wohnmobil aus Leipzig, womit die Theorie der reiselustigen Sachsen wieder bestätigt wäre. Leider haben wir hier keinen Meerblick, also gehen wir uns eine Runde im Meer erfrischen und laufen dann noch ein Stück am Strand entlang, der wieder fast menschenleer ist. Dann fahren wir ein paar Minuten weiter. Wir sind zwar auch hier nicht die Ersten auf dem kleinen Parkplatz, neben einem Vogelbeobachtungszentrum, aber die anderen Camper mit ihrem riesigen Expeditionsmobil sind total freundlich und so halten wir noch einen Plausch, bevor wir uns ein kleines Feuer anmachen und ein Glas Rotwein genehmigen.
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