Vietnam
Liễu Giai

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Travelers at this place
    • Day 4

      Einmal quer durch Hanoi

      April 3 in Vietnam ⋅ ☀️ 37 °C

      Los ging es mit einem bekannten Essen, dem Bahn Mi. Das ist ein kleines belegtes Baguette, welches es in verschiedensten Varianten gibt und durch die Franzosen im 19. Jahrhundert nach Vietnam gebracht wurde. Im Laufe der Zeit wurden eigene Rezepte kreiert und nach den Vorstellungen der Vietnamesen angepasst.

      Lecker gefrühstückt und ab ging es zum Ho Chi Minh Mausoleum. Etwas zufällig kamen zwei Programmpunkte dazwischen. Das erste war die Train Street. Das Video hat glaube schon jeder gesehen, wo ein Zug durch eine Häuserschlucht fährt und die Märkte bzw. die Kaffees alles rein räumen, damit der Zug durchfahren kann. Danach breitet man sich wieder aus. Jetzt gibt es weitestgehend nur noch Cafe`s. Wir waren auf unseren Weg, kreuzten die Schienen und wollten dort entlang gehen. Fünf Meter gelaufen und schon Pfiff es von der rechten Seite. Da saß ein mies gelaunter Wachmann, welcher sichtlich Spaß an seinem Job hatte. Lust zu kommunizieren hatte dieser auch nicht. Ich hatte gerade meine Frage begonnen und schon schrillte der nächste Pfiff, welcher mit einer Handbewegung signalisierte, dass wir hier nicht durchlaufen dürfen. Andere kamen jedoch aus dem Gebiet raus, also musste es was geben. Ein Einheimischer sah das Spektakel an und teilte mir mit, dass das wohl ein Einbahnstraßen-System war. Also drehten wir uns unter den Pfiffen des Wachmannes um, welcher andere Touristen gerade zurechtwies. Auf der anderen Seite angekommen, konnten wir nun entlang der Schienen spazieren. Leider hatten wir den vorherigen Zug knapp verpasst. Der nächste war 3h entfernt, sodass wir morgen es erneut versuchen.

      Die zweite zufällige Sehenswürdigkeit war die Zitadelle Thang Long (aufblühender Drache). Sie war der Kaiserhof mehrerer vietnamesischer Kaiserdynastien. Später wurde diese für Sportveranstaltungen aber vor allem für militärische Zwecke genutzt. So gab es auch ein Bunkernetzwerk (wohl bis zu 70m tief), welches der vietnamesische Generalstab nutzte (1954 - 1975). Hier war auch zeitweise das Politbüro im Vietnamkrieg stationiert. Der Zeitplan erlaubte aber nur ein überfliegen des Geländes, was sehenswerte Gebäude aber auch heruntergekommene Ecken hatte.

      Nun ging es zu unserem eigentlichen Ziel, dem Mausoleum von Ho Chi Minh. Caro zog sich schnell ihre luftige lange Hose drüber und schon gab es keine Probleme mehr bei der Kontrolle. Das Gebäude ist vom Stil an das Lenin Mausoleum in Moskau angelehnt und Ho Chi Minh war Staatsführer von 1945 – 1969. Er trug maßgeblich zur Unabhängigkeit Vietnams bei. Das Mausoleum selbst war geschlossen und eine Touristin berichtete über verschiedene Öffnungszeiten, sodass wir uns das Gebäude nur von außen anschauten. Über den riesigen Vorplatz zurückgelaufen, ging es nun in Richtung des Ho Tay See.

      Am See wurde die Tran Quoc Pagode etwas vorgelagert errichtet und ist der älteste buddhistische Tempel in Hanoi (gebaut im 6. Jahrhundert). Die Bauweise war mir bereits von Bali bekannt und ich musste daher ein wenig daran zurückdenken. Caro zog sich schnell wieder die lange Hose an. Die Kleidungsordnung beachteten leider nicht alle. An den Verkaufsständen vor dem Tempel wurden kleine Fische oder auch Schildkröten verkauft, um diese freizulassen und das eigene Karma aufzubessern. Die Pagode war nicht groß und bestand aus einem größeren Turm und zwei Nebengebäuden, wo die Altäre aufgebaut waren. Auf einen größeren Platz stand ein Baum etwas erhöht mit einem Windspiel, welches dem ganzen eine rituelle Stimmung verlieh.

      Unser Weg führte uns nun am See entlang. Wir sahen viele Angler aber auch vermüllte Abschnitte. Die Bänke hatten auch schon die besten Tage hinter sich und die Sonne drückte von oben. Ab und zu kamen wir an Trimm-dich-Pfaden vorbei, ehe wir uns an einer Bar am See niederließen und abkühlten. Das eigentliche Ziel eine Roof Top Bar, war leider noch geschlossen.
      Der Tag war noch nicht zu Ende und so wollten wir als nächstes hoch hinaus. Das Sky Observation Deck bietet einen 360° Blick auf Hanoi und das in einer Höhe von 253m. Wir hatten eine schöne Aussicht aber man konnte auch die Smoke Wolke erkenne, welche wie eine Dunstglocke über Hanoi schwebt. Es gab zwei besondere Aussichtspunkte, wo nur ein Glasboden dich von der Außenwelt trennte und man bis zur Straße schauen konnte. In unserem Ticket war noch ein Getränk dabei, was wir im klimatisierten Raum genossen, ehe wir zum letzten Programmpunkt aufbrachen.

      Das Sky Observation Deck befand sich an einer größeren Straße mit regen Treiben. Wir versuchten etwas in die City zu laufen und kamen am Ende einer Straße an, welche sich in einen holprigen Feldweg verwandelte. Bäume und Sträucher ragten ein wenig hinein und ein paar freilaufende Hunde schauten uns bereits entgegen. Hier nutzten wir zum zweiten Mal ein Grab. Diesmal über die App und diesmal keine Extrakosten. Nun stand das Wasserpuppentheater auf dem Programm. Wir konnten uns gestern Plätze in der zweiten Reihe sichern und von nächster Nähe bestaunen. Insgesamt wurden 17 kleine Geschichten erzählt, welche wir durch einen Audio Guide übersetzt bekommen hatten. Begleitet wurde das Theater mit zwei Sängerinnen und 5 Musikern. Die Aufmerksamkeit fiel ein wenig schwer und so musste ich ein paar Mal gegen die Müdigkeit ankämpfen. Die Vorstellung selbst war aber sehr schön und es machte Spaß dieser zu folgen.

      Als letztes aßen wir einen Hot Pot, ein weiteres traditionelles Essen. Das hatten wir des Öfteren bei den Einheimischen gesehen, wenn sie abends nach getaner Arbeit zusammensaßen. Bei dem Gericht gibt es einen Topf mit Brühe, Gemüse und ein wenig Ei, welcher auf einer Heizplatte steht. Dazu gibt es Reisnudeln, Salat und rohes Fleisch, was man selbst in den Topf wirft. Ungeahnt der Menge, rollten wir aus dem Restaurant und freuten uns auf unsere Dusche. Da uns die eine Roof Top Bar verwehrt blieb, suchte Caro schnell eine versteckte heraus. Versteckt deswegen, der Eingang führte durch einen dunklen Gang, welcher erst zum Schluss durch eine Lampe erhellt wurde. Hinauf ging es mehrere Etagen durch ein enges Treppenhaus, welches heruntergekommen war. An privaten Wohnungen vorbei, aus denen Stimmen halten, fragten wir uns jede Etage, ob wir hier richtig seien. Aber ein kleines Schild verriet, wir müssen weiter aufwärts. Noch eine Tür und schon standen wir in der Bar und suchten uns einen Platz im kleinen überdachten Außenbereich. Wir hatten Glück, die Bar ist erst seit einem halben Jahr geöffnet und deswegen noch nicht bekannt. Gut für uns, sonst hätten wir keinen Platz bekommen. So ließen wir den Tag über den Dächern mit einem Cocktail ausklingen.
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    • Day 198

      Erfahrungsbericht Auslandssemest. Teil 1

      February 14, 2023 in Vietnam ⋅ ☁️ 16 °C

      Erfahrungsbericht Auslandssemester

      Foreign Trade University Hanoi, Vietnam im WiSe 2022/23

      Autor: Erik Müller Student der Wirtschaftswissenschaften

      Das bisher erlebnisreichste Semester meines Lebens ist nun zu Ende gegangen und ich schreibe gerade in einem thailändischen Reisebus auf dem Weg von Chiang Rai nach Lampang. Das zeigt auch schon den ersten Grund, weshalb ein Auslandssemester so bereichernd und vielfältig sein kann. Man kann die Gunst der Stunde nutzen und die ganze Region nun mit mehr Erfahrung erkunden. Während des Semesters hätte man auch ein Multiple- Entry Visa beantragen können, aber ich habe mir die ca. 50 Dollar gespart und mir meine Auslandsreisen für die Zeit danach aufgehoben. Wenn man weit weg von Deutschland studiert, kann man kostengünstig die Nachbarländer bereisen, ohne immense Summen für Flüge auszugeben. Überhaupt am besten beim Auslandssemester fand ich, dass man lange genug vor Ort ist, um wirklich die Stadt, die Läden, die Menschen und die “Ups and Downs” des Alltags zu erleben. Mit am schönsten war es, seinen eigenen Alltag in einer komplett neuen Welt aufzubauen, mit allen Vorteilen und Abstrichen, die das Gastland mit sich bringt. Ich werde es an einem beispielhaften normalen, “alltäglichen” Wochentag verdeutlichen und zwischendurch Dinge etwas mehr ausführen. Meine Gastuniversität war die Foreign Trade University, die recht zentral, ein paar Kilometer westlich von der Hanoier Altstadt liegt. Hanoi ist riesig und doch wirkt alles mit Moped erreichbar - es sei denn, es ist Rushhour. Diese setzt ca. 16:30 ein und ist meist 18:30 vorbei. Das kann natürlich leicht variieren, aber Reisen um 17-18:00 galt es zu vermeiden. Nun zu meinem normalen Tag.

      Vietnamesen nutzen den Tag und stehen früher auf als die Deutschen, so ca. 1,5  Stunden früher sagt mein Bauchgefühl. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber einer war sicherlich das Hahnengeschrei in jeder Ecke der Stadt oder die morgendliche Nachrichten Zusammenfassung per Megafon. Selten war ich so aufgebracht, wie an jenem Samstagmorgen, wo ich zum ersten Mal um 6 Uhr morgens von einer 20 Minütigen Megafon- Nachrichten-Verlesung aus dem Schlaf posaunt wurde. Wer da keine verglasten Fenster hat, sondern wie viele nur ein Loch in der Wand mit hölzernen Fensterläden, der wird wach. Wenn man sich dieser Tatsache bewusst ist, überrascht es wenig, dass die erste (von 4) Vorlesugszeiten am Tag um 7:00 anfängt. Da ich meinen Stundenplan selbst zusammenstellen konnte, habe ich als Nachteule diese Zeit so gut es ging vermieden. Ganz ohne ging es jedoch nicht, deswegen musste ich meist 1-2 mal die Woche zu der frühesten Einheit. 

      Der Tag fängt an.

      6:30 morgens und mein Wecker klingelt. Ich bin sehr müde, doch ich stehe sofort auf und gehe hastig ins Bad zum Zähneputzen. Für Zahnbürste anfeuchten und Mundausspülen benutze ich abgekochtes Wasser, das vom Abkochen meiner Zahnbürste am Vortag übrig blieb. Trinkwasser muss man leider immer einkaufen, am besten in großen Behältern. Während ich meine Beißer schrubbe, laufe ich durch mein Zimmer und sammle meine sieben Sachen für die Uni und packe sie in den Rucksack. Ich lebe alleine und habe einen ca. 18m² großen, voll möblierten Raum mit einem kleinen, etwas defekten Kühlschrank (der ständig vereiste) und einer Küchenzeile mit Waschbecken und Arbeitsfläche, welche von einer tragbaren Induktionsplatte bedeckt war. Reis/Wasserkocher, Besteck usw. waren ebenfalls vorhanden, sowie ein billiges Küchenmesser. Das Bett hatte harte Metallfedern als Matratzenkern und war direkt zwischen der Fensterfront und dem Schreibtisch platziert. An die Küchenzeile grenzte ein kleines Badezimmer mit einem Fenster, bei dem das obere Drittel der Glasscheibe fehlte. Das war gut für die Lüftung, jedoch schlecht fürs Heizen und die Luftqualität im Klo, da die Smog Luft ungehindert rein strömte. Hanoi leidet an vielen Tagen unter extremen Smog; nur Regenschauer, starke Winde oder manchmal wolkenloser Himmel konnten dem entgegenwirken. Ursachen für den Smog sind neben dem Verkehr, die Energiegewinnung durch Kohlekraftwerke, das Verbrennen von Ernterückständen auf den Feldern außerhalb der Stadt, die Müllverbrennung, das Heizen und Kochen mit fossilen Brennstoffen und zuletzt der Baustaub, denn die Stadt wird ständig erweitert.

      Mein Zimmer war eines der billigsten auf der Wohnungs-Exelliste, die von der FTU erstellt wurde, mit 5,4 Mio VND Miete. Alle Zimmer und Wohnungen waren privat und nicht direkt von der Uni bereit gestellt. Die meisten davon tatsächlich ziemlich teuer auch für Deutsche Verhältnisse, jedoch oft mit Putzservice, Möbeln und guter Lage in der Stadt. Mir war es wichtig, bei der Miete zu sparen, damit ich mehr Geld für Erlebnisse habe.

      Fertig mit der Bad Routine und ich schnappe mir den obligatorischen Mopedhelm und laufe die Treppen runter zur Eingangshalle. Dieser Raum/Hausflur dient in der Regel als Moped-Parkplatz für alle Hausbewohner. In der Ecke stand ein ungeputzter Fischtank mit zwei roten Fischen und keiner Bepflanzung. Die Mopeds standen dicht an dicht und man musste meist sein Moped etwas freiräumen, bevor man es über eine kleine mobile Rampe hinaus auf den Weg schieben konnte. Die Hauseingangstür war ein Stahlgittertor, welches mit einem dicken Vorhängeschloss verschlossen wurde (sehr typisch für die vietnamesische Bauart). In Einfamilienhäusern ist diese Eingangshalle meist das Wohnzimmer und Moped-Abstellplatz zugleich. 

      Bei der frühen Vorlesungsschicht hatte ich keine Zeit, vorher zu frühstücken. An anderen Tagen aß ich gerne Haferflocken mit frischer Mango oder Maracuja. Und ich kann euch sagen, das frische Obst schmeckt unglaublich gut. Allgemein ist das Thema Obst fast schon einen eigenen Bericht wert. Während des Semesters habe ich viele neue mir unbekannte Obstsorten probiert. Einige davon sind: Jackfruit, Wasserapfel, Drachenfrucht, Starfruit, Rambutan,  Longan, Pomelo, Guave, Star Apple, natürlich Mango, diverse Melonen, Ananas, Papaya, Durian und mehr… Diese Vielfalt werde ich sehr vermissen.

      Zurück zum Alltagsbeispiel: 

      Auf mein Moped gesetzt und losgefahren. Morgens war der Verkehr recht ertragbar und ich konnte im rasanten Slalom zur Uni düsen. Vor meinem Auslandssemester hatte ich noch nie auf einem Moped gesessen. Heute kann ich sagen, dass ich sowas wie ein Moped Profi bin. Ende des ersten Monats hatte ich mir eine Automatik für 800k VND im Monat ausgeliehen, trotz aller Warnungen. Das sind ca. 35€ und ist erheblich billiger, als wenn man jeden Tag mit den Moped-Taxis fährt. Es gibt 3 große Anbieter: Grab, Bee, Gojek, die ähnlich wie Uber agieren und auch Banking, Digital- Pay und Zustelldienste anbieten. Eine Fahrt zur Uni kostet ungefähr 80cent zur Mittagszeit und 1,50€ zu den Stoßzeiten. Das wirkt erstmal nicht nach viel, wenn man allerdings noch in der Stadt etwas erledigen/erkunden möchte, dann summiert sich das. Ganz davon zu schweigen wie viel Spaß Mopedfahren macht (außer in der Rushhour). Auf dem Moped ist es ratsam, eine FFP2-Maske zu tragen. Man tut das hauptsächlich auf Grund der Abgase und außerdem dient sie als Sonnenschutz. 

      Vorbei an dem imposanten Lotte Tower, vorbei an den älteren Damen, die am See ihre Morgengymnastik machen und vorbei an unzähligen Cafés, Läden und Restaurants. Man muss auf den Straßen Vietnams mit allem Rechnen und doch wird man immer überrascht von flitzern, links abbiegenden, die auf dem kürzesten Weg die Straße überqueren, Geisterfahrern, Regierungs-Jeeps, Mopeds mit einer 4 köpfigen Familie oder Mopeds mit einem 2 Meter Weihnachtsbaum. Man denkt, man hat alles gesehen und dann sieht man wieder was neues verrücktes, was auf einem Moped umhergekarrt wird. Waschmaschinen, ein ausgenommenes Schwein, ein lebendes Schwein, Paket Türme, Türen, 8 mal 20 Liter Wassertanks usw. In der Chua Lang Straße staut sich meist der Verkehr, weil jemand bei der Stadtplanung auf die glorreiche Idee gekommen war, 4 große Unis an eine ohnehin schmale, stark befahrende Straße zu platzieren. Speziell die Autos und Busse, die abbiegen wollen, sorgen für Staus und man muss sich haarscharf an den Außenspiegeln vorbei quetschen. Falls Sie als Leser*in den eben beschriebenen Weg zur Uni sehen wollen dann schauen Sie sich gerne dieses YouTube Video von mir an. Hier der Link https://youtu.be/ZpeKbvHuhlM

      In der Uni angekommen, muss man sein Moped auf einem Parkplatz abstellen und 3000 Dong Parkgebühr zahlen. Am Eingang zu den Parkplätzen ist meistens ein Mann, der einem ein Kärtchen, welches man beim Rausfahren wieder abgeben muss, in die Hand drückt. Simultan wird ein Foto vom Mopedkennzeichen mit der Überwachungskamera gemacht .

      Meistens kamen die Lehrer eine Viertelstunde zu spät zur Vorlesung. Anfangs war ich noch pünktlich zur offiziellen Zeit, aber als ich dann diese Begebenheit bemerkte, habe ich meinen Zeitplan ebenso angepasst, wie die meisten vietnamesischen Studenten. Die Vorlesungsräume erinnern an deutsche Klassenräume, sind etwas größer und haben viele Sitzbänke hintereinander, auf denen sich dann alle Studenten wie die Hühner auf der Stange aneinanderreihen. Zu meiner Überraschung sind die meisten vietnamesischen Studenten während des Unterrichts sehr häufig mit ihren Handys und Laptops beschäftigt. Der Stereotyp, dass Asiaten extrem fleißig sind, stimmt also nur teils, trotzdem haben die meisten neben der Uni noch ein Praktikum oder einen Nebenjob und haben kaum Freizeit für Sport oder andere Aktivitäten. Allgemein sind die vietnamesischen Studenten auch sehr jung, da sich nur ausgesprochen wenige Familien es sich leisten können, dass die Kinder ein Gap-Year machen oder über Regelstudienzeit hinaus an der Uni studieren. Ursache dafür sind die Uni-Gebühren, die für den Großteil der Bevölkerung recht teuer sind. 

      Nun zu den Studieninhalten: Ich habe mich bewusst für internationale, interkulturelle Module entschieden und auch ein paar ausgewählt, die ich nicht an der UPB studieren kann.

      Manche Professor*innen hatten ein ausgezeichnetes Englisch und super Vorlesungen. Andere Professor*innen waren etwas oberflächlich von den Inhalten und schwer zu verstehen, durch den starken vietnamesischen Akzent. Besonders herausfordernd war Business Psychology, weil die Professorin 80% des Lernstoffes auf vietnamesisch erklärte und wir somit lediglich die Folien als Lerngrundlage hatten. Der Kurs war als englisch sprachiger Kurs ausgewiesen und auf Nachfrage erfuhren wir, dass sie eine externe Professorin war und nicht direkt von der FTU. Besonders positiv fand ich die Kurse E-Commerce und Negotiation and Conflict Management, da diese sehr lehrreich und interaktiv waren.

      Als Austauschstudent bekommt man meistens eine extra Portion Aufmerksamkeit, was manchmal ganz praktisch war, hin und wieder auch etwas nervig. Die Lautstärke in den Vorlesungen war oft hoch, da wie gesagt, viele in der Vorlesung quatschen oder am Handy und Laptop spielen. Die Uni hatte ein sehr cooles Rooftop Cafe mit wunderschöner Aussicht über das Meer an Wellblechdächern. Dort bin ich oft zwischen den Vorlesungen hingegangen, um einen Mittagsschlaf zu machen oder zu lernen. Direkt neben der Uni gibt es sehr viele, sehr leckere Restaurants und Streetfood Läden. Alles, was das Herz begehrt: Von Tortilla ähnlichen Gebäck und Desserts, bis hin zu Frühlingsrollen und diversen Nudelsuppen und Nudelsalaten, war alles vorhanden. Da das Hauptuni Gebäude ein Hochhaus war, waren die Vorlesungsräume über viele Etagen verteilt und teilweise recht weit oben im Haus angesiedelt. 

      Das brachte den Nachteil mit sich, dass sich zu Vorlesungsbeginn Unmengen an Studenten vor den Fahrstühlen stauten. Manchmal blieb also keine andere Option, als neun Etagen hoch zu hechten, um rechtzeitig im Vorlesungsraum anzukommen. In Vietnam ist es auch so, dass es viele in meinen Augen etwas unnötige Jobs gibt. So gab es bei den Fahrstuhltüren einen Mann, der dafür sorgte, dass nicht zu viele Studenten in einen Fahrstuhl strömten. Nach der letzten Vorlesungs Schicht sind viele Studenten auf dem Campus Gelände und praktizieren Kampfsport oder tanzen in Gruppen zu typischen K-Pop Hits. Die Uni hatte auch eine kostenlose Gym, wo ich hin und wieder zwischen Vorlesungszeiten oder auch nach der Uni zum Sport machen hinging. Oft hielt ich auf dem Heimweg bei einem Smoothie Stand an und bestellte mir frisch gepresstes Obst.

      Gerne traf man sich mit anderen Austausch Studenten zum gemeinsamen Essen und mit der Zeit kristallisierten sich echte Freundschaften heraus. Dabei verstand ich mich besonders gut mit zwei Damen und einem Kerl aus Deutschland sowie zwei Koreanern, einem Japaner und einem Norweger und Schweden. Zur Realität gehört auch, dass ich mit einigen Austauschstudenten*innen eher weniger zu tun hatte, da Sie mir zu “machohaft” oder arrogant waren. Außerhalb des Uni Umfelds knüpfte ich gute Freundschaften mit einem Franzosen, der Architektur an einer anderen Uni studierte und zwei reisenden (Süd) Koreanern. Meinen französischen Freund lernte ich bei einem Filmdreh für das Vietnamesische Staatsfernsehen VTV kennen. Wir waren französische Soldaten bei einem historischen Film aus den 1940er Jahren, soweit ich mich richtig erinnere. Insgesamt drei sehr lange Drehtage und Nächte später, waren unsere Szenen abgefilmt und wir wurden gut entlohnt. Der Job wurde von einer Mitarbeiterin des International Office in der Whatsapp Gruppe angeboten und ich war sofort bereit, ohne zu wissen, was genau auf mich zukommen würde. Wer das Beste aus seinem Auslandsaufenthalt machen will, sollte definitiv zu solchen Möglichkeiten “JA” sagen.

      Ende September, nachdem meine Freunde aus der Heimat wieder abgereist waren, fühlte ich mich an manchen Abenden einsam. Die Phase war jedoch nur von kurzer Dauer. Meistens half es mir einfach raus aus meiner Wohnung und rein in die Stadt zu gehen und schon war ich wieder lebensfroh und glücklich. Ein weiterer Tipp von mir ist es, seine Freunde und Familie anzurufen oder spontane Gespräche mit Fremden beim Phở -Schlürfen anzufangen.  Heimweh hatte ich während des gesamten Aufenthaltes nur an zwei Nächten, da ich eh schon länger in Deutschland alleine lebe und auch als Kind es gewohnt war, nie beide Elternteile in einem Haus zu haben. Ich bin allgemein sehr neugierig und weltoffen und verspürte nach Jahren der Corona Lockdowns Fernweh und Reiselust. Egal ob man prinzipiell eher das eine oder das andere ist, man lernt mit Unsicherheit und Einsamkeit umzugehen und wird merken, dass die meisten Länder halb so gefährlich sind, wie es in den Medien oder Online Berichten dargestellt wird. Mit gesundem Menschenverstand und einer Prise Glück kann man problemlos zurechtkommen und ich bin nicht der einzige Reisende mit der Feststellung, dass europäische Großstädte deutlich gefährlicher sind als 90% der südostasiatischen Städte. Allerdings bin ich als relativ großgewachsener Mann körperlich im Vorteil. Frauen würde ich von unnötigen, nächtlichen Solo- Spaziergängen abraten. Am meisten Angst/Respekt hatte ich vor meinem Auslandssemester vor Straßenhunden gehabt. Doch die waren selten ein Problem, da ich meistens mit dem Moped unterwegs war und die Hunde schüchtern sind. Man sollte sich jedoch vor Wachhunden im ländlichen Raum in Acht nehmen, denn die verteidigen das Grundstück! Da sollte man am besten mit anderen Vietnamesen oder den Besitzern aufkreuzen. Zu meiner Überraschung hatte ich keine einzige Lebensmittelvergiftung. Nur einmal habe ich mit zwei Freunden aus der Heimat in einem leeren Cafe am Bahnhof von Hue ein verdorbenes Eier Banh Mi gegessen. Mein Freund Nr. 1 hatte, ich zitiere: ”Die bisher schlimmste Nacht [s]eines Lebens”, während Freund Nr. 2 und ich mit Bauchschmerzen und Durchfall davon kamen. Davon abgesehen hatte ich zwei Erkältungen und einmal Halsschmerzen… nichts, was sich vom deutschen Winter unterscheidet. 

      Nochmal ein kleiner Einwurf zum Studienverlauf an der FTU: 

      Ein Semester ist an der FTU in zwei Perioden unterteilt, das heißt, alle Kurse sind halb so lang, wie deutsche Kurse. In der 3. Oktoberwoche gab es Ferien und dann ging es auch schon los mit Periode zwei. Außerdem gab es in jedem Kurs Midterms, die meist aus einer Gruppenarbeit (meist 5 Leute, und 20-25 Seiten Hausarbeit) und Vortrag bestanden. In zwei Modulen gab es zusätzlich noch einen Midterm Test und das alles, um dann wenige Wochen später die Abschlussklausur zu schreiben. Ich muss sagen, die Prüfungen waren etwas einfacher als in Deutschland, aber durch die Anwesenheitspflicht und die Midterm Strapazen würde ich sagen, dass sich die Kurse vom Arbeitsaufwand sehr ähneln. Insgesamt habe ich somit 7 Vorträge gehalten. Meine Kurse hatte ich so gewählt, dass ich jeden Freitag frei hatte und so übers Wochenende Ausflüge machen konnte.

      Die meisten Kommilitonen konnten ausreichend gutes Englisch und man konnte sich problemlos verständigen. 

      Neben der Uni war ich noch als Englisch Lehrer für IELTs tätig und konnte mein Taschengeld etwas aufstocken. Oft wurden meine blonden Haare und mein westliches Aussehen auch für Marketingzwecke “ausgenutzt” und so nahm ich an diversen TikToks, Videos, Interviews und sogar einer Talkshow teil. Alles natürlich mit meiner Zustimmung und für die Talkshow gab es auch einen kleinen Bonus, also warum nicht. Besonders gefiel mir, dass ich in den Schülergesprächen sehr viel über ihr Leben und verschiedene vietnamesische Denkweisen und Traditionen lernen konnte.

      Ich habe mich auch sehr über mein Promos Stipendium gefreut, doch hätten es gerne mehr als 1000€ sein können, da der Hinflug allein schon 730€ kostete. Die südkoreanischen Kommilitonen erhielten immerhin 600$ jeden Monat… aber besser als nichts und vor allem viel besser als was die vietnamesischen Studenten an Unterstützung kriegen, also nochmal vielen Dank für das Stipendium.

      Während des Semesters wurde ich von drei Freunden aus der Heimat besucht und später im Dezember auch von meiner Mutter. Wir besuchten Orte wie das historische Hoi An, die Kaiserstadt Hue, die Reisfelder in Sapa um den Fansipan (höchster Berg Indochinas) und Cat Ba Island in der Halong Bucht. Das kleine Video zum Sapa Ausflug finden Sie hier: https://youtu.be/2CWcmEBVcso

      Unfassbare Aussichten, Reiterrassen, dichte Wälder und Felsen! Vietnam ist etwas verdreckt in den Städten und auch an vielen Orten der Natur werfen speziell einheimische den Müll nach Belieben weg, aber die Schönheit der Natur und Gebäude scheint darüber hinweg. Mein persönliches Highlight war der Ha Giang Loop im Norden Vietnams mit ein paar skandinavischen Kommilitonen. Mit der Halbautomatik durch die Berge und Täler, bei den abgelegenen Bergdörfern der Hmong Stämme und mit Blick auf die unglaublichen Schluchten und Karstformationen und alles bei bestem Wetter und umgeben von vielen bunten Schmetterlingen. Dieser Ausflug war sehr spontan entstanden, weil ich mich der Gruppe kurzfristig angeschlossen hatte und es war in der einen Ferienwoche. Drei von uns (u.a. Ich) wurden unglücklicherweise am Anfang der Tour von Polizisten angehalten und mit auf die Wache genommen. Wir hatten keinen internationalen Führerschein und wir waren blöd genug unseren europäischen Führerschein rauszurücken. Der wurde fortan als Druckmittel benutzt und wir musste gucken, wie sich alles entwickelt. Zwischendurch verschwanden alle Polizisten zum Mittagessen und hinterließen uns alleine auf der Wache. So konnte ich die Polizeistation inspizieren und konnte es mit meiner GoPro filmen. Anfangs waren wir, speziell ein Norweger, sehr aufgebracht und enttäuscht. Später dann wechselte die Stimmung und es kam zu seltsamen Gesprächen mit einigen der “Cops” über z.B. den 60.000€ teuren BMW des Polizei Chefs, Thuốc lào (sehr starker Bambuspfeifen Tabak) und sie erzählten uns von ihrem Lieblingsfleisch (ich sag nur Miau als Tipp). Zwischenzeitlich hieß es, wir dürfen nicht weiter fahren, aber später dann doch, so lange wir die Motorräder aus dem Überwachungskamera-Sichtfeld schieben. Bezahlt haben wir 50€, was für Vietnam sehr viel ist, aber immerhin konnten wir weiterfahren und hatten ein bizarres Erlebnis zu verbuchen.

      Meiner Auffassung nach sind die Vietnamesen im ländlichen Raum und in Zentralvietnam etwas freundlicher, in Hanoi waren viele Vietnamesen nicht besonders freundlich und es wurde z.B. selten Danke gesagt oder gelächelt. Wobei ich persönlich denke, dass es am stressigen und ungesunden Großstadt Umfeld liegt. Doch so sehr der Smog mich nervte und einschränkte, so sehr trug er auch zu der unfassbaren Atmosphäre der Stadt bei. Wenn die Abendsonne durch den Dunst auf den grün verseuchten Westlake schien, die Mopeds knatterten, die Bäume und Palmen von Lichterketten angestrahlt wurden und hunderte Menschen am Straßenrand aßen und Tee tranken, dann fühlte sich alles sehr surreal und einzigartig an. Hanoi hat so viele interessante Ecken und ebenso viele Ratten, die nachts in diesen krabbeln und wühlen. 
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    You might also know this place by the following names:

    Liễu Giai, Lieu Giai

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