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  • Meditieren auf Koh Samui

    January 17, 2022 in Thailand ⋅ ⛅ 29 °C

    Den Buddhismus finde ich schon viele Jahre sehr interessant. Vor 15 Jahren habe ich erste Bücher dazu gelesen. Erste Selbstversuche im Meditieren blieben erfolglos. Vor rund 7 Jahren bin ich dann mit Achtsamkeitstrainings (MBSR) in Kontakt gekommen und habe dadurch einen neuen, sehr wertvollen Zugang zum Meditieren und dem Buddhismus erhalten.

    Für all jene, die neugierig darauf sind, was es mit Achtsamkeit und den zahlreichen Auswirkungen auf unser Wohlbefinden - hier ein Artikel dazu: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psych…

    Achtsamkeit ist Bestandteil jeder Meditation und ich wollte mehr darüber erfahren und war immer schon gespannt darauf, wie es wohl sein würde an einem Meditationsretreat in einem buddhistischen Kloster teilzunehmen und diese Möglichkeit haben Claudia und ich uns vergangene Woche geschaffen.

    Von Dienstag bis Dienstag sollten wir im Dipabhavan Meditation Center, einer Zweigstelle des Wat Suan Mokkh (Surat Thani) auf Koh Samui, an einem Anfängerkurs im Meditieren teilnehmen.

    Was heißt das?

    Nachdem es ein Schweigeretreat ist, bedeutet das 7 Tage lang nichts zu reden.

    Außerdem erklärt man sich bereit alle möglichen Ablenkungsmöglichkeiten wie z.B. Smartphones, Notebooks, Digitalkameras, … für diesen Zeitraum abzugeben.

    Wann hab’ ich eigentlich das letzte Mal mein Handy für eine Woche nicht benutzt?

    Das muss tatsächlich vor dem Zeitpunkt gewesen sein, als ich mein erstes Handy bekommen hab, also vor mittlerweile 20 Jahren. Bei all den Vorteilen, die mir das Smartphone – besonders auch auf der Reise ermöglicht(z.B. ständiger Internetempfang und der Möglichkeit nahezu alles online zu recherchieren, buchen und zu erledigen, GPS-Navigation beim Wandern, …), ist es schon unglaublich, dass ich in den letzten 20 Jahren nicht einmal eine Woche mal ohne mein Handy verbracht habe.

    Okay, zu was erklärten wir uns noch bereit…

    Beispielsweise dem nachfolgenden Tagesplan:

    04.30 Morgenglocke und Aufstehen
    05.00 Morgenlesung
    05.15 Sitzmeditation
    05.45 Yoga
    07.00 Sitzmeditation
    07.30 Frühstück & Chores (z.B. Reinigungsdienste rund um das Zentrum) /Freizeit
    09.30 Dhamma talk (Einführung in die buddhistischen Lehren)
    10.30 Geh- oder Stehmeditation
    11.00 Sitzmeditation
    11.30 Mittagessen & Chores / Freizeit
    14.00 Einführung ins Meditieren & Sitzmeditation
    15.00 Geh- oder Stehmeditation
    15.30 Sitzmeditation
    16.00 Geh- oder Stehmeditation
    16.30 Chanting (in Pali and English) & Meditation der liebenden Güte
    17.30 Tee / Freizeit
    19.00 Sitzmeditation
    19.30 Gehmeditation (als Gruppe)
    20.00 Sitzmeditation
    20.30 Schlafenszeit
    21.00 Nachtruhe

    Bin ich in meinem Leben eigentlich jemals eine Woche Tag für Tag (freiwillig) um 4:30 aufgestanden?

    Möchte ich wirklich nur zweimal am Tag Essen (einmal um 7:30 und einmal um 11:30)? Und die viel wichtigere Frage, kann ich das überhaupt?
    Am Abend zum Tee gab’s dann immerhin noch eine kleine Banane, die hatte mehr psychologische als tatsächlich sättigende Wirkung – aber auch das hat geholfen und letztlich haben wir beide unsere „Sicherheitsvorräte“ gar nicht gebraucht ;-)

    Möchte und kann ich wirklich täglich 3,5 Stunden sitzend und 2 Stunden stehend meditieren?

    Wie du siehst, gibt’s da schon ein paar – wie soll ich sagen – Rahmenbedingungen, die so ein Retreat mit sich bringt und das muss man/frau schon auch wirklich wollen.

    Und für uns war klar: Wir wollen das. :-)

    Und so sind wir am vergangenen Dienstag am Nachmittag mit 22 anderen Menschen aus den USA, Russland, Frankreich, Deutschland, Österreich, … im Meditation Training Center angekommen. Mit wenigen Ausnahmen waren alle Menschen zwischen etwa 25 und 40 Jahre alt.

    Wir haben unsere Wert- und Ablenkungsgegenstände abgegeben und unsere „Zimmer“ bezogen. Es gibt einen getrennten Schlafsaal für Männer und Frauen. Der Männerschlafsaal bestand aus abgetrennten Kabinen. In den Kabinen gibt es für jeden eine Holzpritsche mit einer Strohmatte zusätzlich bekommt man eine Decke und ein Moskitonetz. Um uns den Schlaf etwas bequemer zu gestalten, nutzten wir unsere Camping- und Isomatten, die wir sowieso mit uns dabei hatten.

    Am Abend um 19 Uhr beginnt nun das Schweigen und nach den ersten Einführungen auch das Meditieren.

    Wir lernten in dieser Woche zwei Arten der Meditation kennen:
    - Konzentrationsmeditation (in Pali: Anapanasati)
    Das Ziel während dieser Meditation besteht darin sich sitzend oder stehend
    auf den eigenen Atem zu konzentrieren. Dabei hilft es sich auf die Körperempfindungen und -bewegungen (z.B. Bauchdecke oder Brustkorb, der sich bewegt, Nasenraum) zu fokussieren.
    - Einsichtsmeditation (in Pali: Vipassana)
    Vipassana-Meditation bedeutet übersetzt so viel wie „die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind“, deshalb auch Einsichtsmeditation. Diese Technik wurde vor über 2500 Jahren von Gotama Siddharta - dem Buddha – wiederentdeckt.
    Im Gegensatz zur Konzentrationsmeditation konzentriert man sich nicht ausschließlich auf den Atem, sondern beobachtet innerlich das Auftreten und Vergehen von Geräuschen, Gerüchen, Körperempfindungen, Gedanken, Gefühlen, … . Damit erhält man ganz allgemein die Möglichkeit (neue) Einsichten (für sich) zu bekommen, lernt sich selbst, seine Mitmenschen, das Leben und die Welt besser kennen.

    Und da es sich um ein Meditationstrainingszentrum handelt, haben wir genau das auch diese Woche gemacht… Meditieren trainiert.

    Wir sind viel gesessen. Wir haben viele achtsame und dadurch sehr langsame Schritte auf den Boden gesetzt. Wir haben versucht möglichst viele Dinge des Alltags achtsam und sehr bewusst auszuführen, z.B. Zähneputzen, Essen, … .

    Ich hab Meditation jetzt deutlich besser erfahren können. Das heißt nicht, dass ich – auch wenn es äußerlich bei Meditierenden immer so aussieht als wären sie unglaublich gelassen – auch innerlich so ruhig war. Es ist ein häufiger Irrglaube, dass Menschen während der Meditation nichts denken und es gelingt ausschließlich nur auf unseren Atem zu achten.
    Wir versuchen es. Es gelingt nur wirklich oft nicht und das ist manchmal ein wirklich mühsames, frustrierendes, anstrengendes und auch langweiliges Unterfangen. Viel netter kann man es eigentlich nicht ausdrücken. Dennoch finde ich es faszinierend und lohnend sich damit zu beschäftigen.
    Zu bemerken, dass ich nicht meine Gedanken bin, war eine wirklich eindrückliche Erfahrung für mich und diese Erfahrung hat sich in der vergangenen Woche nochmal vertieft und intensiviert. In einer Zeit, wo ich kaum neue Informationen erhalten habe zu bemerken, dass mein Kopf immer noch gerne vor sich hindenkt und sich vor allem ständig neues ausdenkt, sich mit Vergangenem beschäftigt, die Zukunft plant oder sich dabei erwischt, wie man im Gedanken den neuen Blogbeitrag formuliert, war schon sehr hilfreich.

    Also nur weil wir einen sehr rigiden Tagesablauf hatten und viel gesessen und einen Schritt nach dem anderen gegangen sind, heißt dass nicht, dass wir nichts erlebt hätten – unser Kopf hat schon dafür gesorgt :-D

    Und letztlich verraten einem die Gedanken, die man/frau sich so macht, vieles über einen selbst… Was beschäftigt mich, worüber mache ich mir Gedanken, was macht mir Sorgen, was macht mir Angst, was ärgert mich, was bereitet mir Freude, ...

    Und das ist auch das schöne am Meditieren, es ermöglicht eine unglaublich ehrliche, intensive, anstrengende bereichernde und letztlich schöne Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, wie sie wirklich ist.

    Letztlich gebe es noch sehr viel zu schreiben, aber jeder meiner Gedanken oder Tagträume wär’ dann doch zu viel… (und nein im Gegensatz zu einem Kollegen links hinter mir, hab’ ich es nicht geschafft im Sitzen einzuschlafen, wobei ein leichtes Zusammenzucken wie bei einem Sekundenschlaf ist dann doch manchmal vorgekommen :-D)

    Diese sehr spezielle Woche durften wir umgeben „vom Paradies“ (wie unser Meditationslehrer es nannte) verbringen. Und er hatte nicht unrecht …. auf einem Berg auf Koh Samui, umgeben vom Regenwald, direkt von unserer Meditationshalle konnten wir aufs Meer hinunterblicken und der Vorteil des frühen Aufstehens war Yoga beim Sonnenaufgang und das Tag für Tag :-)

    Ich hoffe ich konnte dir somit ein bisschen einen Einblick geben, in das was wir vergangene Woche erfahren durften. Aufgrund der Vielschichtigkeit, der Fremdheit des Themas und einem Leben in dieser Zeit so völlig anders, als wir es gewohnt sind, ist es gar nicht so einfach, dass schriftlich in nicht allzu ausschweifender Form auszudrücken.

    Zum Abschluss dennoch noch ein kurzer Auszug aus einem Text, den wir heute morgen – an unserem letzten Tag vorgelesen bekommen haben. Leider habe ich nur die englische Version dazu gefunden, dennoch ein sehr schöner Auszug, der auf eindrückliche Weise zeigt, wie alles miteinander verbunden ist:

    „Just as a piece of paper is the fruit, the combination of many elements that can be called non-paper elements, the individual is made of non-individual elements. If you are a poet, you will see clearly that there is a cloud floating in this sheet of paper. Without a cloud there will be no water; without water, the trees cannot grow; and without trees, you cannot make paper. So the cloud is in here. The existence of this page is dependent on the existence of a cloud. Paper and cloud are so
    close. Let us think of other things, like sunshine. Sunshine is very important because the forest cannot grow without sun- shine, and we humans cannot grow without sunshine. So the logger needs sunshine in order to cut the tree, and the tree needs sunshine in order to be a tree. Therefore you can see sunshine in this sheet of paper. And if you look more deeply, with the eyes of a bodhisattva, with the eyes of those who are awake, you see not only the cloud and the sunshine in it, but that everything is here: the wheat that became the bread for the logger to eat, the logger's father- everything is in this sheet of paper.“ (The heart of practice; Thich Nhat Hanh)
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