Satellite
Show on map
  • Day 354

    Vielschichtig

    August 16, 2020 in Tanzania ⋅ ⛅ 19 °C

    Unser letzter Tag hier im Paradies der Serengeti ist angebrochen. Wir sind dankbar für die unglaubliche Möglichkeit die sich uns hier geboten hat. Mit fliegen trotz Reisewarnung, einer weit abgelegenen Location und der (retrospektiv unbegründeten) Angst vor durch Mücken übertragenen Krankheiten sind wir subjektiv schon ein gewisses Risiko eingegangen. Die Ängste und Bedenken waren aber schnell verflogen und die Zeit hier macht alle Gedanken wieder wett.

    Neben dem ganzen Luxus hatten wir auch die Möglichkeit, (z.b. während eines gemütlichen Grillens mit Musik) mit den Locals in tiefere Gespräche zu kommen und einen Einblick in die afrikanische Kultur zu erlangen. Es ist schon grotesk, wie die Made im Speck zu leben und gleichzeitig zu wissen, dass 90 Mitarbeiter von 250 jetzt gekündigt wurden. Eine sozial Absicherung besteht dahingehend, dass eine Art Rentenkasse angelegt wird. Die Auszahlung erfolgt aber nach jedem Arbeitgeberwechsel. Prinzipiell kann das Geld an den neuen Arbeitgeber übertragen werden, kann aber auch durch den Arbeitnehmer direkt Verbraucht werden. Und, wen wunderts: wenn es weg ist ist es weg. Dann muss man gucken wo man bleibt.

    Auch die Idee, sich einfach einen neuen Arbeitsplatz zu suchen ist bei dem weggebrochenen Tourismus nicht ganz einfach.

    Die kompromisslose Härte des Lebens wie wir sie bei den Zebras erlebt haben, ohne Netz und doppelten Boden ist hier viel mehr etabliert als bei uns. Ich kann mich hier an die Zeit in der Chirurgie in Südafrika erinnern während derer ich gelernt habe: Menschen sterben nun mal.

    Nicht um Leben und Tod, aber ebenfalls unangenehm ist die Situation mit einem Schwarzafrikaner des Sicherheitsdienstes, den ich als Patient hatte. Seit einigen Tagen beklagte er diffuse Bauchschmerzen. Durch seinen Supervisor wurde aber klar mitgeteilt: wenn du jetzt hier gehst, brauchst du nicht wiederkommen. Krankheit = Entlassung.

    Heute morgen haben wir ihn dann um 5 Uhr morgens notfällig mit einer Gallenkolik versorgt. Nach einer einigermaßen erfolgreichen Analgesie, durfte er sich dann sechs Stunden in den Bus setzen um über holprige Schotterstraßen ins Krankenhaus zu kommen. So ist nun mal das Leben hier. Das ganze wird dann noch grotesker, wenn Stephan über einen Fall von völliger medizinischer und kostenintensiver Überversorgung berichtet, wie wir sie alle in deutschen Krankenhäusern schon oft erlebt haben.

    Ein Wort noch zu Corona: die Menschen hier sind sehr gläubig und glauben, dass die richtige Ernährung, eine naturheilkundliche Therapie und beten helfen wird. Die Regierung hat sich ganz offiziell dazu entschieden keine Infektionszahlen mehr weiter zu geben, da sie der Meinung sind dass dies hauptsächlich Angst verbreitet. Corona existiert, das wissen auch die Menschen hier. Allerdings sagen verschiedene sehr reflektiert, dass es kein richtig großes Problem sei. Die meisten können zu Hause mit Ingwertee und Inhalationen gut versorgt werden. Nur wenige gehen ins Krankenhaus und natürlich sterben auch welche. Insgesamt finde ich ein sehr reflektierter Umgang mit diesem unglaublich angstbesetzten Thema.

    Wir sind dankbar für die Zeit, die Erlebnisse und die Möglichkeit unser Bild der Welt wieder ein kleines Stückchen zu erweitern.
    Read more