Tag 137: Khiva bis Rand Kyzylkum-Wüste

Endlich geht es auch mir wieder besser und wir können nach der langen Pause weiter. Nachdem wir ausgeschlafen haben packen wir gemütlich zusammen und fahren aus Khiva raus. Es geht wieder vorbei anLes mer
Endlich geht es auch mir wieder besser und wir können nach der langen Pause weiter. Nachdem wir ausgeschlafen haben packen wir gemütlich zusammen und fahren aus Khiva raus. Es geht wieder vorbei an zahlreichen Reisfeldern auf denen fleißig gearbeitet wird.
Vor uns liegt wieder ein Wüstenabschnitt der sich über knapp 300 km dahin zieht. Die Kyzylkm, die rote Wüste, ist nur eine der zahlreichen Wüsten und Steppen des Landes und bedeckt ein Fünftel des Landes.
Nach Khiva zeigt sich die Landschaft zunächst noch abwechslungsreich. Die Straße, der wir folgen, verläuft zwischen Feldern, quert kleine Kanäle und ist dank des Amudarya von Bäumen umgeben.
Am Abend erreichen wir das Ende der Oasenlandschaft und den Rand der Kyzylkum, die uns anders als die Wüstenlandschaften zuvor direkt mit einem sehr sandigen Boden überrascht, auf dem wir unser Zelt aufstellen müssen. Das hat natürlich auch zur Folge, dass kurze Zeit später alles von einem leichten Sandfilm bedeckt ist und auch beim Kochen der Sand nicht aus dem Topf zu halten ist.Les mer
Spätestens um 7 Uhr müssen wir aus dem Zelt, dann ist es nicht mehr auszuhalten. Was normalerweise kein Problem ist, sorgt bei uns schon seit einer Weile dazu, dass wir im Zelt nicht genug Schlaf bekommen. Denn wenn wir abends ins Zelt gehen scheint zwar nicht mehr die Sonne, aber kühl ist es trotzdem nicht. Und so schwitzen wir am Abend oft noch, verfallen nur in einen leichten Schlaf und können teils erst ab 3 Uhr nachts wirklich ohne Unterbrechung durchschlafen.
Das war wieder einmal so eine Nacht. Morgens wird es schon sehr schnell heiß, wir frühstücken und machen uns auf den Weg.
Nach wenigen Kilometern kommen wir auf die Hauptstraße zurück, die Nukus direkt mit Bukhara verbindet. Schon seit Tagen mache ich mir Gedanken, wie die Straße durch die Wüste wohl sein mag. Während die Lebensmittelversorgung unterwegs wohl im Vergleich zu anderen Abschnitten zuvor recht gut sein soll, wird in Berichten teils von den schlechten Straßen erzählt.
Als wir die Straße erreichen rechne ich mit allem - nur nicht dem.
Vor uns liegt eine vierspurige betonierte Straße mit immerhin kleinem Seitenstreifen, auf der nicht allzu viel Verkehr ist. Was zu Hause vielleicht noch als eher schlechtere Straße betrachtet wird, ist hier ein wahres Geschenk! Ohne Schlaglöcher und mit Abstand zu den vorbeifahrenden Autos können wir also unseren Weg durch die Kyzylkum antreten. China sei Dank! Und zu allem Überfluss haben wir auch noch starken Rückenwind.
10 km, 20 km, 30 km, es geht wirklich gut voran. Unfassbar, was doch eine gute Straße und Wind aus der richtigen Richtung ändern kann.
Wir fahren, hören wieder Hörbücher, weil wir uns dann doch nicht unterhalten können und werden von einem Transporter mit Kühlund überholt, der etwa 500 m vor uns hält - ohne zu hupen!
Als wir näher kommen, sehen wir schon, dass der Fahrer aussteigt und mit Kamera vor den Augen auf uns zukommt. Dann wird uns klar: Der Transporter ist ein Wohnmobil und das kommt aus China! Verrückt! Jetzt sind wir schon so weit gefahren, dass wir chinesische Autos antreffen!
Als wir den Camper erreichen steht der Mann mit Kamera und seine Frau vor uns. Mit Gesten fragen sie, ob wir ein Bild machen können und bevor wir überhaupt reagieren können, steht schon die Frau zwischen uns und der Mann knipst munter drauf los. Dann wird noch gewechselt. Wir versuchen noch herauszufinden, woher sie genau kommen. Allerdings sprechen wir vermutlich die Orte immer falsch aus und letztendlich einigen wir uns auf Peking. Ein wenig ahnen wir nach diesem Treffen schon, wie unser Fahrradalltag in China aussehen wird.
Es geht weiter und nach einer Weile sehen wir, dass hinter uns ein Sandsturm aufzieht. In den Himmel türmen sich dunkle Wolken auf und die Luft darunter ist grau und voller Sand. Zu unserem Glück sind wir nicht weit entfernt von ein paar Häusern und entdecken auch direkt eine Bushaltestelle (sieht eher aus wie ein Stall), unter der wir Unterschlupf finden. Kurz danach geht es dann los. Um uns herum fegt der Sand über den Boden und sobald wir den Mund aufmachen knirscht es zwischen den Zähnen. Es fallen nur ein paar Tropfen, ansonsten ist es trocken. Der Sturm hält eine Weile an, danach ist es wieder ruhiger.
Wir fahren weiter und erreichen nach 153 km, unserem Rekord der Reise, unseren Zeltplatz für die Nacht.Les mer
Der nächste Tag verläuft etwas weniger abwechslungsreich. Wir folgen wieder der betonierten Straße und haben noch immer Rückenwind, diesmal allerdings nicht mehr ganz so stark. Vor uns liegt noch immer eine weite Fläche, die sich im Laufe des Tages nicht groß ändert.
Am Mittag erreichen wir einen Laden, decken uns noch mit ein paar Eiern ein und kochen diese direkt. Auch wenn sich manchmal tagelang landschaftlich nicht viel ändert, solche kleinen Dinge, wie gekochte Eier zum Mittagessen, sind dann ein absolutes Highlight.
Am Nachmittag habe ich dann die Befürchtung, unser Glück mit guter Straße und Rückenwind sei vorbei. Der Wind bläst zwar immer noch aus der richtigen Richtung, aber die Straße ist katastrophal. Hier können wir gut sehen, wie die alte Straße ausgesehen haben muss, bevor China das Projekt der Neuen Seidenstraße angegangen ist.
Am Abend finden wir einen sandigen, aber doch recht schönen Zeltplatz etwas entfernt von der lauten Straße. Als wir aufgebaut haben und Lukas gerade anfängt zu kochen, zieht eine kleine Wolke über uns, die nochmal aufgewirbelten Sand und ein paar Tropfen bringt. Sicherheitshalber halte ich mal unser Zelt fest. Die Wolke ist schnell vorbei und danach zeigt sich uns noch ein schöner Regenbogen, während wir beim Sonnenuntergang zu Abend essen.Les mer
Heute haben wir nur noch 60 km zu fahren bevor wir die alte Stadt Bukhara an der ehemaligen Seidenstraße erreichen. 20 km geht es noch durch die Wüste, dann fahren wir wieder an Feldern und kleinen Orten vorbei.
Wir suchen uns eine Unterkunft und werden auch schnell fündig. Bevor wir überhaupt unser Zimmer bezogen haben, werden wir erstmal mit Melone, Brot, Tee und Baqalajon versorgt, das die beiden Besitzer für sich selbst zubereitet haben. Baqalajon (usbekisch: Aubergine) ist angebratene Aubergine, Paprikastreifen und Tomate mit Knoblauch und vermutlich anderer Gewürze. Es ist das Beste, das ich seit Tagen, wenn nicht sogar Wochen gegessen habe!
Bevor wir in die Stadt gehen, sollen wir der Frau und ihrem Mann noch versprechen, dass wir nichts auswärts essen, sondern am Abend mit ihnen gemeinsam essen, während er (ehemaliger Musiklehrer an einer Uni, der schon Auftritte in Europa hatte) uns etwas vorspielt.
Dieses Versprechen fällt uns nicht schwer und so machen wir uns auf den Weg zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, die uns überwältigen.
Dennoch bleibt Khiva im Gesamtbild unser Favorit, da die Stadt durch ihre Mauer und die Enge ein ganz eigenes Flair austrahlt.
Am Abend sitzen wir dann mit unseren Gastgebern beisammen, essen und lauschen der Musik unseres Gastgebers. Extra für mich hat er nochmal Baqalajon gemacht, weil ich das am Mittag so lecker fand und er etwas Vegetarisches für mich machen wollte.
Nach dem Essen gehen wir dann nochmal gemütlich auf den Hauptplatz von Bukhara, um das Wahrzeichen der Stadt im Glanz zu sehen und das Treiben zu beobachten.Les mer
Und hier noch ein paar Bilder. :)
Gleich am Morgen werden wir mit leckerem Frühstück aus den Resten des Baqalajon, Eiern, Brot, Melone und selbstgemachter Aprikosenmarmelade versorgt. Wir räumen unser Zimmer und packen die Räder. Ohne Probleme dürfen wir sie und das ganze Gepäck im Hotel stehen lassen, bis wir von einem Rundgang durch die Stadt mit weiteren Sehenswürdigkeiten und einem Mittagessen im Restaurant (außer fettigen Kartoffeln, Salat und Brot gibt es wieder mal nichts Vegetarisches) zurück kommen.
Wir verabschieden uns von unseren sehr herzlichen Gastgebern und fahren dann am Mittag los. Es geht aus der Stadt raus und an Feldern vorbei. Unser Glück der letzten Tage ist vorbei, denn jetzt haben wir wieder Gegenwind und das nicht zu wenig!
Wir kämpfen uns voran, ständig dem Wind ausgesetzt. Erst bei Dämmerung erreichen wir das Ufer des Sees, zu dem wir heute kommen wollten.
Immer mal wieder in Kontakt mit unseren "Geschwistern" haben wir von Vincent erfahren, dass es hier schöne Möglichkeiten gibt zu zelten. Bei zunehmendem Schnakenaufkommen finden wir ein recht nettes Plätzchen, stellen die Fahrräder ab und holen das Zelt.
In diesem Moment kommt ein Auto und hält direkt neben uns an. Ein Mann steigt aus und beginnt zu telefonieren, ein anderer spricht uns an. Lukas geht näher zum Wagen und versucht dem Gesagten zu folgen.
Zu dem See kommen wohl oft Betrunkene vor denen uns die beiden warnen wollten. Sie meinen, sie hätten ein Haus etwas am Ufer zurück und wir sollten ihnen doch gerne folgen, da es dort sicherer sei. Nicht einmal einen Kilometer soll ihr Haus entfernt sein.
Die Möglichkeiten abwägend, entscheiden wir uns schließlich ihnen zu folgen. Nach ein paar Minuten kommen wir ein paar Unterständen näher neben denen ein paar Autos parken. Zwischen einigen dort Feiernden finden wir die beiden Männer wieder, die schon etwas vorgefahren waren.
Direkt kommen sie uns entgegen und zeigen uns einen Unterstand, unter dem wir schlafen dürfen. Normalerweise werden diese vermietet, wir dürfen hier umsonst übernachten.
Nach einer Weile ziehen die Feiernden ab und am See wird es leiser. Unsere Gastgeber versorgen uns sogar noch mit Matten und Kissen und deuten an, dass wir auf der Holzpritsche unter dem Unterstand problemlos schlafen können. Sogar eine Autobatterie wird uns gebracht, damit wir auch genug Licht haben.
Weil auch hier eine Menge Schnaken herum schwirren entscheiden wir uns dazu, statt frei auf der Pritsche zu übernachten, doch noch das Zelt aufzubauen.
Während Lukas noch etwas kocht baue ich das Zelt auf, wir essen und gehen dann so schnell es geht ins Zelt. Zum Glück jucken die Stiche nicht so lange, weil hier die Schnaken nicht ständig irgendwelchen Pestiziden ausgesetzt sind.
Durch den Wind, der hier ziemlich stark bläst, ist es zum Glück nicht allzu warm im Zelt. Tatsächlich schlafen wir auch bald ein.
Nachts werden wir allerdings immer mal wieder wach, weil doch noch ein paar Autos an den Strand oder von ihm weg fahren.Les mer
Wir werden wieder früh wach. Die Gegend wirkt noch verschlafen. Einige der Männer laufen schon herum und bewässern den Boden, damit es weniger staubt. Eine unendliche Beschäftigung, denn das Wasser verdunstet hier unfassbar schnell.
Ich ringe noch mit mir. Soll ich heute Morgen noch in den See? Jetzt wo wir schonmal da sind. Allerdings habe ich das Problem, dass ich mit dem Bikini hier nicht so einfach ins Wasser kann. Da wir noch nie Mädchen oder Frauen in Usbekistan im Wasser gesehen haben, möchte ich hier nicht den Anfang machen, nicht wissend, wie das ankommt.
Wir entscheiden uns letztendlich nur mit den Füßen ein bisschen ins Wasser zu gehen und sind dann auch froh drum, denn so gut der See von außen auch aussieht, aus nächster Nähe müssen wir uns wirklich fragen, ob unsere Füße nicht vor dem Bad sauberer waren als danach.
Das kühle Wasser ist trotzdem sehr angenehm. Wir waten durch den flachen See und machen uns dann zur Weiterfahrt bereit. Heute haben wir noch stärkeren Gegenwind als gestern. Leider entfernen wir uns heute wieder von der Oase und fahren durch Steppenlandschaft. Demnach werden wir dem Wind die ganze Zeit ausgesetzt sein.
Wir haben den See noch eine Weile im Blick, bevor sich die Straße von ihm abwendet und tiefer ins Nichts hineinführt. In der Ferne können wir schon die ersten wirklichen Berge seit einer Ewigkeit sehen. Es ist kaum vorzustellen was für eine Wirkung dieser ferne Anblick auf uns hat. Direkt sind wir motivierter und wären es vermutlich auch geblieben, wenn die enorme Hitze und der pausenlose Gegenwind nicht gewesen wären.
Am Mittag entdecken wir dann tatsächlich ein Kieswerk in der Nähe der Straße und seit längerer Zeit die ersten Häuser. Wir biegen ab, um ein Schattenplätzchen für unsere Mittagspause zu finden. Wir peilen ein Haus an. Ein junger Mann kommt uns entgegen, wir fragen erschöpft, ob wir hier Pause machen dürfen und wieder einmal zeigt sich die Gastfreundschaft. Natürlich dürfen wir es uns im Schatten gemütlich machen. Die jungen Männer, die hier im Kieswerk arbeiten, bieten uns auch an im etwa 20 Grad klimatisierten Aufenthaltsraum Pause zu machen. Natürlich hätten wir uns über kühlere Temperaturen gefreut, allerdings wäre dann die Weiterfahrt unerträglich.
Wir fragen, ob wir das Wasser für die chinesischen Nudeln, die wir nun immer mittags essen, im Wasserkocher warm machen dürfen. Natürlich ist das kein Problem und die Männer schenken uns sogar noch ein ganzes Fladenbrot, das vermutlich das beste Brot ist, dass wir bisher in Zentralasien gegessen haben.
Wir ruhen uns noch ein bisschen aus. Dann geht es zurück in die Sonne und zurück in den starken Gegenwind. So langsam steigt die Straße an und trotz der Anstrengung ist die Tatsache, dass sich die Landschaft endlich mal geändert hat, sehr motivierend. Statt bisherige Fragen wie: "Ist das dort hinten am Horizont etwa ein Felsen?", nur um die Gedanken von der Einöde abzulenken, stellen wir uns jetzt eher die Frage, was hinter dem nächsten Hügel wohl liegen mag.
Am höchsten Punkt angekommen geht es neben Zementfabriken entlang und dann nach Navoiy, einer doch recht modernen Stadt.
Schon über den Tag haben wir uns entschieden hier eine Unterkunft zu nehmen, da wir jetzt wieder an die Hauptstraße kommen und es dort vermutlich sehr schwer sein wird ein ruhiges Plätzchen fürs Zelt zu finden.
Duech ein paar Gässchen fahrend peilen wir ein Hotel an, um dort nach dem Preis zu fragen. Dabei treffen wir auf einen jungen Mann, der uns auf Englisch anspricht und fragt, was genau wir suchen. Als wir sagen, dass wir ein Hotel suchen, meint er wir könnten zu ihm kommen. Er hätte ein Haus und eine Wohnung, wir könnten zusammen essen und bei ihm schlafen. Wie immer, wenn wir ein solches Angebot erhalten, schauen wir uns gegenseitig an, um zu sehen, was der andere darüber denkt. Da wir beide ein gutes Gefühl haben, machen wir uns mit ihm auf den Weg. Wir erfahren, dass er Polizist ist, zwei Kinder hat und er vor Jahren schonmal zwei Frauen aus Amerika zu seiner Familie eingeladen hat.
Bei seiner Familie angekommen, nimmt er sein Auto und wir folgen ihm bis zu seinem Haus. Dort lernen wir seine Eltern und Brüder kennen. Sein Haus (bzw. das Haus seines Großvaters) ist sehr groß mit Innenhof, in dem vielerlei Obst- und Gemüsesorten angebaut sind.
Lukas und ich duschen uns und parken die Räder, während Asim, der Polizist, seine Familie holt. In sauberer Kleidung steigen wir dann in Asims Auto. Mit dabei Asim, seine beiden Söhne und Asims Eltern. Seine Frau bleibt im Elternhaus zurück.
Im Auto geht es aus der Stadt heraus und dann in einen Vorort. Unterwegs halten wir an einer Tankstelle. Da hier die große Mehrheit mit Gas tankt, muss jeder das Auto verlassen und im Abstand zu den Zapfsäulen warten, bis das Auto geladen ist.
Im Vorort angekommen halten wir an einem Haus mit Innenhof an, den wir betreten. Gleich werden wir herzlich empfangen, der bereits gedeckte Tisch wird geräumt und für uns neu gedeckt.
Aber wo befinden wir uns überhaupt? Von Asim wurden wir mitgenommen auf einen Krankenbesuch der Mutter seines Chefs. Was hier völlig normal ist, wäre in Deutschland undenkbar gewesen. Die Vorstellung, mit meinen Eltern zur Mutter meines Chefs zu gehen, ihr einen Krankenbesuch abzustatten und dazu noch gerade von der Straße aufgelesene, wildfremde Fahrradfahrer mitzubringen, ist wirklich absurd.
Am Tisch werden wir mit leckerem Brot, saftiger Melone, Tomatensalat und Tee versorgt. Süßigkeiten gibt es natürlich auch wieder. Am Ende kommt Lukas tatsächlich auch nicht drum herum, mit dem Vater des Chefs und Asims Vater aus den Teetässchen Schnaps zu trinken. Auch einen Toast muss er aussprechen, während Asim für den Rest, die kein Englisch sprechen, übersetzt.
Wissend, dass Asims Frau im Elternhaus ebenfalls Abendessen zubereitet, esse ich nicht so viel. Bei Dunkelheit fahren wir wieder zurück und essen dann im Innenhof des Elternhauses erneut mit Asim, seiner Frau, den beiden Kindeen, den Eltern und Brüdern. Asims Frau (deren Namen ich leider mal wieder nicht weiß) ist Buchhalterin (usbekisch: Buxgalter, witzigerweise "Buchalter" ausgesprochen). Sie spricht fast einwandfrei Englisch und ist ihrem Mann quasi gleichgestellt. In Usbekistan darf der Mann noch immer entscheiden, ob die Frau arbeiten darf. In dieser jungen Familie ist das kein Problem. Während die Kinder im Kindergarten oder bei der Oma sind, gehen die Eltern beide arbeiten. Von einem der Brüder erfahren wir, dass er Jura studiert und nach Amerika auswandern will. Zu Essen gibt es Brot, Tee und Kartoffeln mit Fleisch.
Nach dem Essen fahren wir mit Asims Familie in deren Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Sehr modern ist sie eingerichtet. Die etwa 80 Quadratmeter große Wohnung haben die beiden für umgerechnet knapp 40000 Euro erworben. Als wir den beiden erzählen, wie viel wir in Deutschland für eine solche, sehr zentral gelegene Wohnung zahlen würden und was Versicherungen, Steuern und anderen alltägliche Dinge kosten, können sie es gar nicht fassen. Die Vorstellung ist oft, dass wir in Deutschland das Geld bloß von der Straße aufheben müssen. Was oft nicht bekannt ist, sind die Kosten, die alle zu zahlen sind.
Bei der Rechnung dürfen wir als Europäer allerdings nicht vergessen, dass wir trotz der teils hohen Preise in einem Luxus leben, der in vielen Regionen der Welt undenkbar ist. Der Luxus und der Überfluss den wir in Deutschland tagtäglich erfahren, zeigt sich uns gerade in diesen Ländern, durch die wir im Moment reisen. Während wir in Deutschland teilweise schon unruhig werden, wenn im Supermarkt das Nudelregal um die Hälfte geleert ist oder bei der Gemüsetheke nur noch Gemüse zu kaufen ist, das nicht mehr direkt der deutschen Norm entspricht, sind wir hier in Usbekistan übermäßig glücklich, wenn wir überhaupt Gemüse oder Nudeln bekommen.
In der Wohnung angekommen zeigt Asim Lukas dann seinen Schlafplatz. Sie beide schlafen in einem Zimmer. Als ich dann nach einer Weile nachfrage, wo ich schlafen kann, heißt es, ich schlafe bei seiner Frau und den Kindern. Als seine Frau das mitbekommt muss sie grinsen. Zu ihrem Mann sagt sie: "No. We sleep together in our room and they can sleep there." Das zeigt uns wieder einmal, dass sie eine modernere Familie sind. Ayxan (Elmurats Frau) hätte das nie entscheiden dürfen.
Während ich mit dem kleineren Sohn noch ein bisschen Wenn-ich-dich-fange,-kitzel-ich-dich spiele, unterhält sich Lukas noch mit Asim. Danach gehen wir schlafen. Als Matratzen gibt es die hier typischen Matten, auf denen wir bereits in Kasachstan und auch bei Elmurat geschlafen haben.
(Bilder der Familie zeigen wir hier nicht. Da Asim Polizist ist, soll seine Familie geschützt werden und nicht im Internet sichtbar sein.)Les mer
Am Morgen frühstücken wir gemeinsam mit Asim (30), seiner Frau (30) und den beiden Jungs (etwa 2 und 5 Jahre). Wie auch am Abend zuvor darf das Tischgebet danach, beziehungsweise die Wünsche, die wir für die jeweils anderen haben, nicht fehlen. Asim wünscht uns, eigentlich wie alle anderen zuvor auch, eine gute Reise und danach viele Kinder und ein glückliches Leben.
Es erinnert an viele Momente zuvor, an denen wir gefragt wurden, ob wir verheiratet sind und Kinder haben. Das Erste haben wir in den muslimischen Ländern immer bejaht um Schwierigkeiten zu vermeiden, das Zweite haben wir verneint. Immer wieder wurde uns geraten doch endlich die Reise abzubrechen, nach Hause zurück zu kehren und ganz viele Kinder zu bekommen. Für viele ist das noch immer ein Zeichen eines glücklichen Lebens, das nicht früh genug begonnen werden kann.
Wir machen uns startklar. Dann fahren wir zum Kindergarten des älteren Sohns. Da er aber bitterlich weint und es sein kleiner Bruder schon seit einer Weile nicht im Kindergarten aushält, fahren wir zu Asims Mutter, die selbstverständlich auf beide aufpasst. Dann verabschieden sich Asim und seine Frau, die beide zur Arbeit müssen.
Wir packen unsere Räder, ziehen uns die Fahrradklamotten an und verabschieden uns dann von den Kleinen und Asims Eltern. Wir sollen doch bald wieder kommen, sagt die Mutter.
Für uns geht es jetzt aber erstmal weiter Richtung Osten. Wir verlassen bald Navoiy und folgen der Hauptstraße. Nun ist es nicht mehr so öde um uns herum. Auf beiden Seiten der Straße werden Felder bewirtschaftet, Bäume wachsen und immer wieder kommen wir durch kleine Orte bestehend aus ein paar Häusern.
Auch die Versorgung wird hier deutlich besser. Allerhöchstens 10 km liegen zwischen den kleinen Lädchen, in denen wir Wasser kaufen können. Um weitere Lebensmittel zu kaufen, müssen wir größere Läden anfahren, die es allerdings nicht so häufig gibt. Auch wenn wir an einem solchen Laden ankommen ist noch nicht sicher, ob es Essen zu kaufen gibt, das wir auf dem Fahrrad auch mitnehmen können.
Was es in Hülle und Fülle gibt sind Melonen. Aufgestapelt auf große Haufen oder noch gelagert in Transportern sind sie am Straßenrand zu kaufen, unter ihnen Wasser- und Honigmelonen. Für weniger als einen Euro (pro Stück) sind die großen Früchte zu genießen.
Am Mittag kaufen wir uns eine Honigmelone und teilen sie mit einem Schweizer, der uns am Melonenstand einholt. Erst im Mai in seiner Heimat gestartet, legt er knapp 120 km am Tag zurück, will zum Pamir Highway und dann wenn möglich bis Ende November über China, Mexico und Westeuropa zurück in die Schweiz fahren. Interessant, wie jeder doch anders reist. Während wir uns mehr Zeit lassen und auch kleine Begegnungen mit Einheimischen mitnehmen, verbringt er die Zeit hauptsächlich auf dem Fahrrad, Einladungen verpassend oder ablehnend.
Wir fahren noch ein Stück, nachdem wir uns von ihm verabschiedet haben und essen dann unsere Nudeln.
In Katta-Kurgan nehmen wir uns dann am Nachmittag ein Zimmer, da wir von den letzten zwei unruhigen beziehungsweise kurzen Nächten doch sehr erschöpft sind. Nach einer angenehmen Dusche genießen wir auf dem Bett unser Abendessen, das aus Früchten, Brot und Aufstrich besteht, den wir sonst wegen der Hitze nicht mitnehmen können. Dazu schauen wir uns noch einen Tatort an - für ein bisschen Heimatgefühl!Les mer
Wir frühstücken im Hotel. Das Frühstück wird im Keller serviert, der wirklich mehr wie ein Abstellraum, als ein Essenssaal aussieht. Wir bekommen Brot, Spiegeleier, Pommes, Tomaten, Gurke und verschiedene Würste. Das Fleisch trete ich liebend gerne an Lukas ab. Generell sind wir etwas vorsichtig, das Essen ist doch sehr fettig und weitere Magen-Darm-Beschwerden wollen wir umgehen.
Wir fahren noch die fehlenden 75 km bis Samarqand, der bekannten Stadt an der ehemaligen Seidenstraße. Nachmittags kommen wir an, besichtigen noch das Mausoläum von Amir Timur, dem ehemaligen mongolischen Herrscher dieser Region, und suchen uns dann ein Hotel. Wir finden eins mit Innenhof für unsere Fahrräder, beziehen unser Zimmer und bekommen direkt einen Kirschsaft angeboten, den wir noch trinken.
Nachdem wir uns geduscht und ein wenig ausgeruht haben gehen wir in die Stadt, deren Zentrum nur 200 m vom Hotel entfernt liegt. Wir machen uns auf zum Registan Platz, dem bekanntesten Ort Usbekistans. Völlig unwissend dachten wir, das wir kostenlos auf den Platz laufen können. Das ist allerdings schon seit einer ganzen Weile nicht mehr der Fall, denn zu bekannt ist er unter den Touristen. Also gehen wir auf die Aussichtsstufen, die kostenlos zu erreichen und von Menschen überfüllt sind. Hier haben wir uns mit Noel verabredet, der zufällig auch in Samarqand ist. Wir machen einige Bilder vom in der Dämmerung angestrahlten Registan Platz und sehen ihn dann.
Die Familie ist (zum Teil) wieder vereint! Seit er mit Vincent auf dem Grund des Aralsees in einen Truck gestiegen ist, hat auch er einiges erlebt. Nachdem sie wegfuhren ging es zunächst in einen Arbeiterort und nächsten Tag nach Muynaq und danach nach Nukus. Mit neuem Schlauch fuhr er dann über einige Kalas nach Khiva. Da er immer wieder Platten hatte, entschied er sich schließlich den Zug nach Tashkent zu nehmen, um dort bessere Fahrradersatzteile zu bekommen. Von der Hauptstadt ging es dann in die Berge und dann nach Samarqand. Hier wird er seine Freundin treffen, mit ihr Bukhara besuchen und anschließend wieder alleine ins Pamirgebirge aufbrechen.
Wir essen zusammen in einem Fastfoodrestaurant zu Abend, weil es hier immerhin etwas Vegetarisches (Dönerbrötchen mit Karotten und einer Menge Mayo) gibt. Danach gehen wir wieder getrennte Wege, eventuell mit der Aussicht uns in China wieder zu sehen.Les mer
Auch hier bekommen wir wieder ein Frühstück. Dieses ist allerdings deutlich abwechslungsreicher als das letzte und sättigt gut.
Wir lassen wieder die Fahrräder stehen und machen uns nochmal auf zum Registan Platz, um nun die Medresen anschauen zu können. Für etwa 8 € pro Person (ein stolzer Preis hier) dürfen wir uns alles anschauen. Das linke der drei Gebäude ist die Ulugbek Medrese. Ulughbek war ein bekannter Astronom und Mathematiker des 15. Jahrhunderts und zudem ein Timuriden-Fürst. Als einer der Enkel des Amir Timur war er maßgeblich an der Kalkulation des Jahres auf knapp 365 Tage und der Dokumentation der Positionen von knapp 1000 Sternen beteiligt. Sogar ein Saurier, der in Usbekistan entdeckt wurde, ist seit wenigen Jahren nach ihm benannt.
Es ist sehr beeindruckend, wie prächtig die Gebäude vor uns liegen. Immer wieder wurden sie zum Teil zerstört und wieder aufgebaut.
Nach dem Registan Platz holen wir unsere Räder wieder ab und fahren noch zum Ulughbek-Observatorium im Norden der Stadt. Während immer einer von uns herum läuft, nutzt der andere die Zeit Mittagspause zu machen. Wir haben Bananen, eine Art Nutella (sie wird seit Wochen nicht schlecht) und Samarqand Naan. Das Lembasbrot von Herr der Ringe ist nichts im Vergleich dazu, so sehr sättigt es. Ich hatte zur Sicherheit mal drei Brote geholt, da Weißbrot bei uns normalerweise schneller gegessen als gekauft ist. Von diesem packen wir allerdings zu zweit gerade mal ein halbes Brot.
Auf dem Weg aus der Stadt heraus fahren wir noch an einer weiteren Medrese vorbei, bevor es dann an der Hauptstraße entlang weiter geht.
50 km kommen wir heute weit, dann schlagen wir unser Zelt in einem kleinen Wäldchen auf.
Weil die Straße so nahe ist und der Verkehr so laut, bleibt uns nichts anderes übrig, als Ohrstöpsel zu benutzen. Dann haben wir zumindest nicht mehr das Gefühl, dass die Straße durch unser Zelt verläuft.Les mer