Satellite
Show on map
  • Day 28

    The Translator Ride

    October 19, 2023 ⋅ 🌧 10 °C

    Der Morgen startete so gegen 09:00, ich lief nochmal zu der Brücke, da ich nochmals ein paar Bären sehen wollte. Das Wetter war recht wolkig und so richtig herbstlich. Ich lief die Strecke bis zu der Brücke und traf natürlich meinen Fotografenkollegen von den Vortagen. Wir hatten auch schonwieder einen Bären vor der Linse und ich war wieder mal baff. Es wird nicht langweilig. Im Großen und Ganzen passierte aber nicht viel anderes wie vorgestern. Während einer wieder im Wald war, fragte ich meinen japanischen Freund, ob er die Nachricht auf Instagram gelesen hatte, natürlich alles über Google Translater übersetzt. Er verneinte, und ich fragte ihn per App, wann er losfährt, und ob die Möglichkeit besteht mich mitzunehmen. Er liess mich wissen, dass er gleich losfährt, und ich natürlich mitfahren könne. Jetzt hatte ich aber die zusätzliche Nacht gebucht und natürlich auch nicht mein Zeug gepackt. Man hätte bis 10:00 auschecken müssen. So fotografierten wir noch ein bisschen weiter, und stiegen dann ins Auto in Richtung Guesthouse. Ich ging kurz hinein und er wartete im nahegelegenen 7eleven. Ich traf die Besitzerin und teilte ihr die News mit. Sie war nur bedingt erfreut, und liess mich wissen, dass ich leider trotzdem bezahlen müsse. Dies fand ich leicht übertrieben, bezahlte dann aber trotzdem. Ich packte meine Sachen uns traf meinen japanischen Freund am 7eleven.
    So fuhren wir los, 6-7 Stunden Strasse lagen vor uns. Unterwegs war noch ein wunderschöner Nationalpark, den ich mir vorab schonmal gespeichert hatte. Es gibt dort einen klasse Wasserfall. Da unsere Route sowieso dort vorbeiführte, willigte mein Fahrer ein dort einen Stopp zu machen.
    So sassen wir nun im Auto, er sprach kein Englisch, ich kein Japanisch. Doch trotzdem konnten wir unterhalten. Danke Google! Teilweise übersetzte Google etwas falsch, aber auch dies lösten wir immer schnell in dem wir anders artikulierten. Ich erfuhr von ihm, dass er 33 Jahre alt ist, er einen Hund hat (dessen Name ich natürlich nicht mehr weiss), er eigentlich am Biwa See aufgewachsen ist (In der Nähe von Nagoya), und er die Hitze nicht mag und darum nach Hokkaido gezogen ist. Auf die Frage, was er beruflich macht, bekam ich keine schlüssige Antwort. Meine Frage war so gestellt, dass ich fragte, wie er seinen Lebensunterhalt verdient. Dies beantwortete er damit, dass er von Erspartem lebt. Dies machte es für mich natürlich noch viel spannender zu erfahren, was genau er machte. Denn wer kann schon mit 33 Jahren von seinem Erspartem Leben? Auf die Frage, was er studiert oder gelernt hatte, sagte er mir, dass er keine Ausbildung hat. Merkwürdig. Da ich natürlich nicht aufdringlich sein wollte fragte ich nicht weiter nach. Er erzählte mir, dass er sich in den kommenden Wochen zu einer Prüfung einschreiben möchte, um Jäger auf Hokkaido zu werden. Er wünscht sich ein kleines Häuschen im Wald. So kann er immer mit seinem Hund an die frische Luft. Stelle ich mir schön vor. Absolut idyllisch!
    Wir machten unterdessen einen Halt, er wollte unbedingt seinem Hund ein Geschenk mitbringen. So kaufte er in einem Souvenirshop ein Plüschtier. Wie süss dachte ich mir. Er scheint seinen Hund sehr gerne zu haben. Er hatte mir Fotos von ihm gezeigt, ein superknuffiger Dackelmischling. Er ist aktuell bei seiner Ex-Freundin.
    Er hatte sich vor zwei Jahren getrennt. Auf seinem Instagram Profil zeigt er sich wie ein J-Pop Star. Er sieht klasse aus, super modisch gekleidet, Bilder von Champagnerflaschen, Teuren Markenkleider, teure Parfümflaschen und viel sonstiger Luxus. Trotzdem wirkt das Profil nicht wie eine persönliche Seite. Alles sehr bedacht und emotionslos.
    Ich erzählte ihm von meinem Onsen Erlebnis in Kushiro. Wie cool ich das fand, und was für mich so faszinierend war. Ob er oft in ein Onsen oder Sento gehe, fragte ich ihn, er verneinte. Unvorstellbar für mich als neuen Onsen Liebhaber. Auch die Rückfrage, wieso er nicht in Onsens gehe, sagte er, bzw. der Übersetzer, ‘Dort hat es nur ältere Menschen, und die kümmern sich nicht um ihre Schamhaare. Das widert mich an’. Ich musste die Antwort 3-mal lesen, und wir brachen in Gelächter aus. Ich hätte vieles erwartet, aber ganz sicher nicht diese Antwort. Ich habe Tränen gelacht, und er mit mir.
    Ich fragte ihn, was er denn an Wochenenden mache, wenn er nicht irgendwo Bären sucht. Er meinte, dass das nächste Wochenende für ihn und seinen Hund reserviert sei. Er möchte mit ihm ausgiebig spazieren und vielleicht abends einen Film schauen. Ich habe noch nie gehört, dass jemand mit seinem Hund ein Wochenende plant, aber irgendwie auch süss. Erst nachträglich hatte ich das Thema Vereinsamung in Japan im Kopf. Ob er viele Freunde hat, weiss ich nicht. Aber so kommunikativ wie er war, kann ich mir vorstellen, dass er in unserer Welt viele Freunde hätte. Trotzdem fragte ich ihn noch, wo er denn so feiern geht und vielleicht auch seine zukünftige Frau kennenlernen könnte, wenn er denn mal geht. Darauf antwortete er mir, dass er nicht mehr feiern geht, da dies jahrelang sein Job war. Ich fragte nach wie er das genau meint. Und jetzt wurde es schwieriger mit dem Translater. Aber ich fand heraus, dass er ein sogenannter Host war, für acht Jahre. Ich hatte darüber ein wenig gelesen. Dies sind Etablissements in Japan, wo Frauen sich von Männern umgarnen lassen können. Anfangs dachte ich, dass dies vergleichbar ist mit einem Bordell in Europa. Nur hier ist der Unterschied, dass ein Treffen in einem dieser Läden nicht mit Sex endete (eher in seltenen Fällen). Dies kann einem Host den Job kosten, erzählt er mir. Frauen, welche eine solche Dienstleistung in Anspruch nehmen, werden beim ersten Treffen ca. zehn Männern vorgestellt. Sie entscheidet sich für einen davon. Die Frau bestellt Getränke, alkoholische Getränke, und er erhält pro Bestellung eine Provision. Die Getränke sind extrem teuer. Und die Provision kann gut 50% betragen. Er erzählte mir, dass er in seinem besten Monat 100'000 USD verdient hat. Mir wird klar, wie er sein Lebensunterhalt von Erspartem bestreiten kann. Mittlerweile weiss ich, dass dies nicht unrealistisch ist. Es gibt in Tokio Ranglisten der besten Hosts in Japan. Wir reden hier über ein Millionengeschäft. Ich werde warm und möchte alles wissen. Ich verstehe nur einen Bruchteil wie das genau funktionieren soll, aber es hört sich so surreal an. Frauen die sich Zeit mit hübschen Männern kaufen, nur der Aufmerksamkeit wegen?
    Darf er sich die Frauen aussuchen?
    Welche Motivation hat die Frau diese Dienstleistung zu beziehen?
    Aus Männersicht hört sich das erstmal nach Paradies an. Schnell kommt Ernüchterung auf. Mittlerweile weiss ich auch wie er heisst, Taka. Taka erzählt mir, dass es seine schlimmsten Jahre im Leben waren. Sein Job bestand darin Alkohol zu trinken und jederzeit für die vielen Kundinnen zur Verfügung zu stehen. Es sollen nach 8 Jahren um die 3000 Frauen gewesen sein. Eine Frau davon sei seine Ex-Freundin. Er hat Arbeitskollegen die mittlerweile 3 Kinder haben, mit einer Frau, die sie über diesen Weg gefunden haben. Ich verstehe immer noch nicht, wie das Ganze funktioniert, aber ich sehe seine Mimik, seine mehrfachen Wiederholungen, wenn er ins Handy spricht, um ja keine Fehlinterpretation aufkommen zu lassen. Ich erfahre wieder mal eine Seite Japans die ich nicht verstehe, und die ich vielleicht auch nie verstehen werde.
    Mittlerweile sind wir in der Region Sapporo. Unterdessen hatten wir noch bei dem schönen Wasserfall angehalten. Da es aber regnete war es ein wirklich kurzer Stopp. Wir entschieden uns in Sapporo noch kurz etwas Kleines zu schnabulieren. Wir bestellten und Gydon. Eine Schale Reis, wo obendrauf Rindfleisch und Zwiebeln liegen. Sehr lecker.
    Das Thema war immer noch sehr präsent, ich fragte viel. Vielleicht zu viel. Im Restaurant sagte er mir, dass er es sehr schätzt mit mir darüber zu sprechen. Er wischte sich eine Träne aus den Augen. Ein sehr spezieller Moment. Ich fragte mich, mit wem er sonst über solche Themen reden kann, es wirkte so, als ob er niemanden hat, mit dem er über solche Themen reden kann. Diese Frage wollte ich aber nicht stellen.
    Wir fuhren dann in Richtung Hostel. Er hielt auf der Strasse, und wir hatten nicht viel Zeit, um uns ausgiebig zu verabschieden. So sagte ich ihm, er soll so bleiben wie er ist, und ich hoffe, dass er seine Jägerprüfung besteht und bald sein Paradies erschaffen kann. Irgendwo in der Natur, mit seinem Hund und vielleicht auch mit seiner zukünftigen Frau. Aber inegeheim wünsche ich ihm, dass er Menschen in seinem Leben findet, mit welchen er sein Leben vollkommen teilen kann. Schöne wie auch weniger schöne Momente.

    In dem Sinne, hab euch alle lieb, schön dass ich euch alle habe und ich vermisse euch!
    Merry Christmas!

    Grüsse aus, mittlerweile, Taipei
    Till

    Hier noch ein paar Links zu diesem Hostbusiness auf deutsch:

    https://www.japandigest.de/aktuelles/kolumne/ho…
    Read more