Satellite
Show on map
  • Day 40

    Straßenmusik, Theater und Faulenzen

    November 27, 2018 in Argentina ⋅ ☁️ 21 °C

    Eine Sache, die ich hier besonders toll finde, ist die Tatsache, dass man tatsächlich jedes Mal in und vor der U-Bahn Live-Musik bekommt. Dabei reicht es von einem peruanischen Panflötenspieler über dramatische Balladensängerinnen und Blaskappellen bis zu Jazz-Duos. Und alle machen es mit dieser unheimlichen lateinamerikanischen Leidenschaft, die ansteckt. Ich hätte mich häufig gerne mit meinem Saxophon dazugestellt, das ist aber eben nicht möglich. In Europa wäre sowas wahrscheinlich auch schon wieder illegal...
    Tja, das ist aber nicht nur die einzige Erkenntnis der letzten Woche, ich habe nämlich auch am Freitagabend das Theater für mich entdeckt. Über einen guten, aber ziemlich verpöhnten Kontakt wurde ich zu einem Stück namens ,,Como si pasara un tren" eingeladen, das lustig und bei weitem nicht so ernst und avantgardistisch war, wie ich erwartet hatte. Also eine coole Sache.
    Danach ging es dann nach San Telmo, wo wir in einer leeren Billardbar waren, in der ich ausnahmsweise mal wieder geflucht habe wie ein Weltmeister. Das hat leider nichts gebracht und Harald und Daniel, die zusammen das schwedische Duo gebildet haben, konnten mich in einer epischen, nie vorher dagewesenen Schlacht niederringen, die sogar Carsten Stahl, James Bond und Chuck Norris zum Zittern gebracht hätten. Also eigentlich war ich ziemlich schlecht, aber das muss ja keiner wissen...
    Wie auch immer, die beiden, Franziskus und ich verbrachten dann noch einen sehr schönen Abend (der mittlerweile ein Morgen geworden war) in einer Bar in San Telmo, die Harald kannte, weil dort ein Schwede arbeitet. Immer diese mafiösen Schweden, die sich alle untereinander kennen...
    Die Bar war vollkommen leer und somit konnten wir uns gestrost über Mädels, Sprachen, Nationalitäten und mehr unterhalten, während wir an unseren Bieren nuckelten und Popcorn aßen. Es wurde zu einem der schönsten Abende bis jetzt, mir gefallen solche kleinen Runden mit wichtigen Gesprächsthemen und Co-Philosophen. Ich weiß ja nicht, was andere denken, aber wir werden später mal die Welt regieren.
    Am nächsten Tag ging es nachmittags nach River, um das Spiel zu gucken, das verschoben wurde, während alle uns ansprachen und versuchten, sich an die Mädels aus unserer Truppe ranzumachen. Somit konnten wir ein paar ganz nette, aber auch ein paar sehr unangenehme neue Bekanntschaften machen. Später stellte sich heraus, dass das Spiel wieder verschoben wurde, weil einige Fans von River Plate den Bus der Spieler der Boca Juniors angegriffen hatten. Also machten wir uns stattdessen auf die Suche nach einem Restaurant, weil das auch zufälligerweise das chinesische Viertel von Buenos Aires war. Man muss sich aber die Stimmung in einer Fußballhochburg, wenn ein Spiel wieder verschoben wird und die ,,normalen" Leute sowieso schon alle Türen und Fenster vernagelt hatten, vorstellen wie Silvester ohne Feuerwerk und gute Laune: angespannt und ein Prickeln in der Luft. Also klopften wir an ein Restaurant, in dem zwar Leute waren, aber die Gitter unten waren. Ein paar sehr nette Chinesen machten uns daraufhin ein sehr leckeres Essen, das einige aber mit einer fatalen scharfen Soße begossen, sodass es ein paar puterrote Gesichter mit laufenden Nasen gab. Abends ging es mit einer Party bei Stef weiter, auf der ich mich mit ein paar interessanten Leuten, beispielsweise einer zukünftigen reisenden Künstlerin oder Marketing-Expertin (je nachdem, was finanziell bessere Aussichten hat...) und einem chilenischen 3D-Animatoren, mit dem ich meine Leidenschaft für PIXAR-Filme ausleben konnte - für ein paar Stunden. Nach der Party fuhren einige von uns noch zu einer Disco, wo es dann bis sechs Uhr morgens darum ging, zu tanzen und irgendwie meine Jacke so zu halten oder zu tragen, dass sie möglichst wenig Wärme spendet. Abgesehen davon war es aber ebenfalls ein sehr netter Abend/Morgen. Als ich aus der Disco trat, war es schon hell. Eine äußerst interessante Erfahrung, die aber nicht unbedingt in naher Zukunft wiederholt werden muss.
    Der Tag danach war schon fast vorbei, als ich dann endlich mal um halb zwei erwachte. Schande über mein Haupt. Ich konnte die Scham vor mir selbst kaum ertragen, also beschloss ich, den Tag lang zu faulenzen und in meiner gewohnten Ecke (der einzige Ort, an dem es WLAN gibt, mehr oder weniger) YouTube zu gucken und Kekse zu essen. Das musste auch mal sein, fand ich.
    Montag war ich dann wieder im Büro. Dienstag nicht, da arbeitete ich zu Hause, weil Ezequiel morgens meinte, dass er doch nicht zum Büro komme. Ich hatte dann auch keine Lust mehr die Stunde zu Peters Büro zu fahren und ich konnte dann auch noch praktischerweise ein paar andere Dinge in Boedo erledigen, weil ich mir dadurch zwei Stunden Transfer sparte. Deswegen verwandelte ich mein Zimmer und Havanna, ein Café (wie Starbucks) in mein Büro. Abends war dann wieder Fußball angesagt! Ein großer Spaß, wieder mit viel Gefluche und netten Leuten. Danach, während wir unser wohlverdientes Gläschen Bier (ca.) tranken, sagte Finn, der Hamburger/Kölner, dass es sein letzter Abend sei und er mit seinem Bruder (der auch mitgespielt hatte und ein paar Tage zuvor nach Argentinien gekommen war) gerne ausgehen wollte und jeden einlud, der mitkommen wollte. Ich war mir anfangs nicht sicher, aber als ich merkte, dass ich sonst der einzige wäre, der zu Hause bliebe, gab ich mir einen Ruck und sah für diese Nacht über meine Vernunft hinweg. Ein paar Stunden später trafen wir uns also frisch geduscht in einer Bar wieder, in der wir sogar schon Mal gewesen waren. Finn, sein Bruder und der Rest machten sich dann irgendwann zu einer Disco davon, Harald, Daniel und ich wollten aber lieber zu dem Jazzclub gehen, der laut Google offen war. Zwei Mädchen, die beide nicht auf der Schule waren, begleiteten uns dahin. Eine betrunkene Argentinierin (mit der Franziskus mal etwas hatte) und eine Tschechin. Beide sehr nett. Als Harald und ich uns mit der betrunkenen Argentinierin unterhielten, schienen Daniel und die Tschechin aber Gefallen aneinander zu finden. Als wir dann ankamen, war der Jazzclub, der laut Google aber noch offen war, geschlossen. Also begaben wir uns nach dieser großen Enttäuschung in eine Bar mit DJ in der Nähe. Dort war dann die große Sensation, dass Daniel und die Tschechin anfingen, miteinander zu knutschen, während die betrunkene Argentinierin Harald und mir Swing beibrachte (obwohl Reggae lief). Also ein cooler Abend ;)
    Am Mittwoch blieb ich dann auch zu Hause und arbeitete wieder von da aus. Ich verzichtete abends darauf, wieder auszugehen...
    Tja, und heute war ich wieder im Büro, aber Ezequiel war nicht da, was er mir zwar gesagt, ich aber vergessen hatte. Es ging darum, ein Interview zu kürzen, was aber sehr viel schwieriger war als man denken würde...
    Und morgen früh geht es nach Uruguay! Ich freue mich! :)
    Read more