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  • Day 20

    Angekommen

    August 19, 2018 in Brazil ⋅ 🌙 19 °C

    Die erste turbulente Zeit ist vorüber und ich fühle mich, als wäre ich angekommen. In der Uni haben sich viele Zweifel und Unstimmigkeiten über Kurse, Raumzuteilung und Anforderungen gelegt, auch wenn eine Priese Chaos geblieben ist. So war beispielsweise mein Portugiesischkurs bisher aus unerfindlichem Grund jedes Mal in einem anderen Raum, wobei man mit Hinweiszetteln von Raum zu Raum geleitet wird, der Kurs am Ende aber doch woanders stattfindet. Nun ja, solche Dinge gehören zwischendurch dazu, wenn man in Lateinamerika studiert.
    Ansonsten habe ich jetzt einen gewissen Alltag und fühle mich angekommen. Straßen und Umgebung sind mehr vertraute als unbekannte Orte, auch wenn es natürlich noch viel zu entdecken gibt. Oft helfen mir hierbei meine Mitbewohner, die mich zu neuen Orten mitnehmen und mir versteckte Winkel zeigen. Oder ich schnappe mir den Hund und erkunde die Gegend, was uns beiden viel Spaß macht.

    So habe ich am Wochenende endlich auch etwas vom Zentrum von Campinas entdecken können. Am Samstag waren wir auf eine Art Stadtfest, die auf einem Platz um einen Aussichtsturm herum war. Es gab Musik der 70er und 80er Jahre, was mal was anderes war, besonders als nur noch brasilianische Lieder aus dieser Zeit gespielt wurden und die Brasilianer mit ihrem Gesang die eigentliche Musik deutlich übertönten. Nach der Feier waren wir noch in einer Bar und kamen unterwegs an einem gigantischen Baum vorbei, an dem ich am liebsten geblieben wäre. In der Bar gab es, wie in vielen Lokalen hier, erneut Livemusik, mit der wir den Abend ausklingen ließen.

    Auch am Sonntag war ich Stadtzentrum. Pedro hatte eine Probe mit seiner Band, in der er Schlagzeug spielt und fragte mich, ob ich nicht einmal mitkommen wolle. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als wir ankamen und die Probe in einem Studio war mit mehreren Proberäumen, wobei aus manchen schon die Musik anderer Bands zu hören war. Es gab noch eine andere Zuhörerin und wir bekamen als die Probe begann ein kleines Privatkonzert. Wir hatten Spaß und ich war besonders dankbar über die Ohrstöpsel, die ich bekommen hatte, weil es ansonsten mit dem Schlagzeug in dem engen Proberaum unerträglich laut gewesen wäre. Auch so konnte ich das Wummern von Bass und Schlagzeug buchstäblich spüren. Mit den Stöpseln im Ohr konnten wir aber entspannt zuhören. Später erfuhr ich, dass die Truppe ihre Lieder selber schreibt und Pedro erst vor acht Monaten dazugekommen ist, nachdem er eins der Bandmitglieder in einem Uber-Taxi kennengelernt hat. Wie das Leben so spielt.
    Nach diesem außergewöhnlichen Nachmittag wollten Pedro und ich uns etwas umschauen und eine Kleinigkeit in einem Café oder Bistro essen. Ich stellte fest, dass auch das Zentrum von Campinas relativ grün ist, jedoch nicht wie unser Stadtteil Barão Geraldo. Außerdem gibt es einige Hochhäuser, wobei in unserem Viertel die Häuser nur ein oder zweistöckig und eher im Bungalowstil sind.
    Durch großen Zufall entdeckten wir eine deutsche Bäckerei (Padaria Alemã). Kurzerhand entschlossen wir uns also für einen kleinen Abstecher und bestellten Brezeln und Zitroneneistee. Pedro versuchte die deutschen Wörter auf der Karte zu lesen wie Kürbiskernbrötchen oder Sonnenblumenkernbrot, was für mich ziemlich erheiternd war. Ich erklärte ihm wie die einzelnen Wörter ein neues Wort bilden und was sie bedeuten. Wir unterhielten uns lang über Minas Gerais, woher Pedro kommt und was es dort alles zu entdecken gibt.
    Als wir uns wieder auf den Weg machten, nahmen wir den Bus, was ein Abenteuer für sich war. Da ich bisher in Campinas überall zu Fuß hingegangen bin oder nur vereinzelt in dem Auto von Freunden oder im Uber unterwegs war, war diese Erfahrung nun ganz anders. Eigentlich meinte ich die klappernden alten Busse, die hier kursieren, schon aus Kolumbien zu kennen. Dieser, in den wir am Ende des Tages einstiegen, war jedoch ein ganz besonderes Exemplar. Das prägnanteste an dem Bus war wohl der Lärm einerseits von dem Motor und andererseits von dem Bus an sich, der nur aus Metallplatten zu bestehen schien und an allen Ecken und Enden rumste und polterte. Alle Insassen waren jedoch ruhig auf ihren Sitzen und schienen alles für ganz normal zu halten. Pedro und ich mussten dagegen stehen und die Fahrt war nur eine konstante Welle von Erschütterungen und Krachen, wobei ich dachte, dass in jedem Augenblick der Bus einfach auseinanderfällt. Ich musste permanent lachen, weil es so unglaublich war, dass das Ding überhaupt noch fuhr. Ein Wunder. Natürlich sind wir am Ende doch noch heil angekommen, auch wenn ich zwischendurch bedenken hatte. Manchmal erlebt man Abenteuer wo man sie am wenigsten erwartet.

    The first turbulent time is over, and I feel like I'm settled now. In the university many doubts and disagreements over courses, rooms and tasks are gone, even if a pinch of chaos has remained. So, for example, has my Portuguese course always been in a different room so far for some inexplicable reason. Where we got send from one room to the next by papers hanging on the doors, whereas the course in the end takes place somewhere else anyway. My new technique is then to just wait for the professor in the stairway, to see where she's heading to. Well, things like that are part of studying in Latin America I assume.
    Otherwise, I now have a set everyday life and feel like I'm more settled. Roads and surroundings are more familiar, although of course there remains so much to discover. Often my housemates take me to new places and show me hidden spots. Or I take the dog to explore the area, which we both enjoy.

    In this way this weekend I finally discovered some of the center of Campinas. On Saturday we were on a festival, which was on a square around a watchtower. There was music of the 70s and 80s, which was kinda different when in the end only Brazilian songs from that time were played and the Brazilians sang louder than the actual music. After the party we dropped into a bar and came, passed along the way a gigantic tree where I would have loved to stay. In the bar there was, like in many places here, live music, with which we ended the evening.

    On Sunday I was in the city center as well. Pedro had a rehearsal with his band where he plays the drums and asked me if I wanted to come along. I was quite surprised when we arrived at a studio with several rehearsal rooms. There was another spectator and we got a small private concert when the band began to play. We had fun and I was extra grateful for the earplugs I got because otherwise it would have been unbearably loud with the drums in the kinda narrow room. Even so, I could literally feel the thick bass and the drums. But with the plugs in the ear we could listen more relaxed. Later I learned that the band composes their songs themselves and that Pedro joined them just eight months ago, after meeting one of the band members in an Uber taxi.
    After this extraordinary afternoon we wanted to take a look around and something in a café or bistro. I noticed that the center of Campinas is also quite green, but not like our district Barão Geraldo. There are also some tower blocks, whereas in our neighborhood the houses have only one or two floors.
    By accident, we discovered a German bakery (Padaria Alemã). Out of the blue, we decided for a little detour and ordered pretzels and iced lemon tea in the terrace. Pedro tried to read the German words on the menu like Kürbiskernbrötchen (bun with pumpkin seeds) or Sonnenblumenkernbrot (bread with sunflower seed), which was pretty amusing for me. I explained to him how the individual words form a new word and what they mean. We talked for a long time about Minas Gerais, where Pedro comes from and what there is to discover.
    When we left, we took the bus, which was an adventure too. Since I've been walking everywhere in Campinas, or only went sporadically to places in the car of friends or with the Uber, this experience was very different now. Actually, I meant to already know the clattering old buses from Colombia. However, this one, which we entered at the end of the day, was a very special one. The most striking thing about the bus was probably the noise, on the one hand from the engine and on the other hand from the bus itself, which seemed to consist only of metal plates and rumpled and rattled in every nook and cranny. All inmates, however, were quiet in their seats and seemed to think everything was normal. Pedro and I had to stand though, and the ride was just a constant wave of jolts and clanks and i thought that the bus would fall apart at any moment. I had to laugh constantly because it was so incredible that the thing was still driving. A wonder. Of course, in the end we arrived safely, even if I had serious doubts about it. It's true sometimes you have an adventure where you least expect it.
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