• Day 2

    Tag 2 - Der Esel bin ich…

    May 7 in Spain ⋅ ⛅ 15 °C

    Ein weiser Australier (also eigentlich der Australier von gestern im Transportbus) hat mal gesagt:
    Jedem passiert auf dem Weg irgendetwas. JEDEM!
    Okay, aber doch nicht gleich am ersten Tag, oder? Tja, mir offenbar doch. Dann hab ich’s ja jetzt wenigstens schon hinter mir.

    Heute Morgen hab ich mir beim Packen extra Zeit gelassen. Ab 9:00 Uhr wollte ich meinen Koffer im Transportbüro abgeben – der sollte nämlich direkt nach Santiago de Compostela geschickt werden. Da sind ein paar Sachen drin, die ich jetzt nicht brauche. Beziehungsweise: Dort dann schon. Nach fünf Wochen will ja selbst ich Modemuffel mal was anderes anziehen.
    Um 9:15 Uhr stand ich also vor dem Büro von „Express Bourricot“. Witzigerweise heißt das übersetzt so viel wie „Esel-Express“. Der Esel war aber eindeutig ich. Das Büro öffnet nämlich nicht, wie ich mir im Vorfeld notiert hatte, um 9:00 Uhr – es SCHLIESST um 9:00 Uhr. Geöffnet ist von 7:00 bis 9:00 Uhr. Und natürlich: Niemand mehr da.
    Das ist wieder typisch ich. Da plane ich alles minutiös und stehe dann wie der sprichwörtliche Esel vor der geschlossenen Tür. Was nun? Die Nummer, die am Büro klebte, habe ich angerufen – keine Antwort. Klar, draußen hörte ich das Telefon zwar klingeln, aber drinnen war ja nun niemand mehr da, der hätte abnehmen können.
    Zurück in die Pension konnte ich den Koffer auch nicht bringen. Erstens, weil die Pension komplett kontaktlos funktioniert – Türen per Code, nie jemanden gesehen, keiner da. Und zweitens, weil mein Zugangscode schon gelöscht war.
    Ich kürze das Drama mal ab: Ich bin tatsächlich die erste Etappe mit meinem zwölf Kilo Rucksack auf dem Rücken UND einem acht Kilo Kabinen-Trolley in der Hand gelaufen. Am Anfang kam ich mir schon ziemlich bescheuert vor, aber hier auf dem Camino gibt’s echt nichts, was die Leute nicht schon hundertmal gesehen hätten. Wahrscheinlich sogar einen bekloppten Deutschen, der mit Rucksack UND Koffer den Jakobsweg läuft.
    Mit dem Koffer durch den Ort zu laufen, war noch okay. Aber dann wechselte der Weg. Sagen wir mal so: Schotterwege, Waldwege, Wiesen und Berge – alles nicht gerade die natürliche Umgebung für Kofferrollen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie ich ausgesehen haben muss, muss ich echt lachen.
    Also: Tragen. Ich wusste nicht, wie schwer acht Kilo werden können. Spoiler: Sehr, sehr schwer!
    Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin jetzt in Valcarlos in einer ziemlich netten Pension angekommen – und dank der Hilfe von Alejandra, meiner bezaubernden Herbergsmutter, wird der Koffer morgen endlich abgeholt.
    Meinen allerersten Camino-Tag hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Aber egal, dann ist morgen eben Tag 1b…

    Fazit des Tages: Australier haben immer recht.

    Ach so, ich bin übrigens jetzt in Spanien. ¡HOLA!
    Read more