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- Dia 2
- quinta-feira, 4 de novembro de 2021 10:08
- ☁️ 6 °C
- Altitude: 353 m
AlemanhaIdar-Oberstein49°42’50” N 7°18’22” E
Weinreben, Burgen und Braunkohle

Sightseeing mal ganz anders. Schauplatz Kohleabbau Garzweiler südlich von Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen. Nach dem Tauziehen um den Hambacher Forst in den Vorjahren kämpfen mehrere Dörfer in der Nachbarschaft der Tagebaue Garzweiler I und II dagegen, in letzter Sekunde vor dem Braunkohle-Aus in Deutschland noch plattgemacht zu werden. Es ist noch nicht lange her, dass ich davon erfahren habe, und ich möchte mir das gerne anschauen. Zwei trübe Novembertage haben wir uns dafür ausgesucht, S und ich, und machen uns morgens gegen 10:30 in Stuttgart auf den Weg. Zuerst flutscht alles, bereits um 13 Uhr kurven wir zwischen Bingen und Koblenz das Rheintal entlang. Herbstlich gefärbte Rebenhänge, im Wasser ein Mäuseturm, eine weiße Kaiserpfalz und hinter jeder Biegung eine Burg samt Fried. Schreiend bunte Häuschen, am Rheinufer aufgereiht wie Spielzeugklötzchen, schreiend buntes Laub auf und unter Bäumen. Der Rhein hat Niedrigwasser, vor kurzem sind hier Schiffe stecken geblieben, heute fahren sie. Hinter Sankt Goar regnet es sich erst ein, dann aus, dann schüttet es. Inzwischen sind wir wieder auf der Autobahn, aber die hat dann plötzlich keine Lust mehr und hört auf, ist gesperrt - Bauarbeiten nach den Überschwemmungen im Ahrtal im Sommer. Die nächsten beiden Stunden gleichen einem Geduldsspiel, in dessen Verlauf wir uns an allen Staus vorbei im Schneckentempo unserem Ziel nähern. Nicht planmäßig um 16 sondern erst um 18 Uhr erreichen wir Heinsberg. Vorher haben wir noch die Ruhr überquert und ich muss an einen blöden Witz denken: Der eine zum anderen: Ich bin an der Ruhr geboren. Der andere zum einen: Ich habe gedacht, an der Ruhr kann man nur sterben, ha ha ha.
Obwohl es bereits stockdunkel ist, machen wir uns nach dem Einchecken in unser Appartement noch auf den Weg Richtung Garzweiler und die von der Räumung bedrohten Dörfer, es sind fünf mit freundlichen Namen. In Lützerath wohnt niemand mehr, dafür hat sich hier das Widerstands-Camp mit allen Attributen einer Protestbewegung eingenistet: Schautafeln, Transparente, an Hauswände gepinnt, Graffiti. Streiter sind da, nicht wenige, gekommen, um zu bleiben. Sie harren aus in Hütten, Zelten, Campingwagen, trotzen Wind und Wetter, Regen und Kälte. An diesem Abend gibts von allem im Überfluss. „Schade, dass so ein Camp immer gleich schmuddelig wirkt“, sage ich zu S. Wir kommen uns hier vor wie am Ende der Welt, und am Ende der Welt gibt es vor allem Lehm, Dreck und Matsch. In der Ferne inmitten eines Meers aus Dunkelheit Inseln aus gespenstisch gleißendem Licht. Das dürften die Zechen sein. An einer Art Marketplace steigen wir aus, der Platz wirkt etwas einladender und heller als der Rest des Widerstandsdorfs. Leider nicht hell genug, so dass es mich kopfüber über das Ende einer Bank schlägt. Diese Millionstel-Sekunden, in denen Dir klar ist, dass Du fällst, und daran verzweifelst, dass Du nicht mehr verhindern kannst, dass Du fällst. Es haut mich seitlich in den Matsch und unsanft auf den Ellbogen. Der anschließende Check nach dem Schreck ergibt, dass alles noch an mir dran ist, wenn auch blutig und besudelt mit Dreck. Check, Schreck, Dreck, super Reim.
Das Dorf Keyenberg ist, ebenso wie Oberwestrich und Berverath, bereits mehr oder weniger aufgegeben, geräumt, entvölkert. Kaum ein Haus, in dem noch Licht brennt, herunter gelassene Rollläden, leere Fenster, leere Gehwege, nur hier und da eine Katze, die es noch nicht kapiert hat. Und die Straßenlaternen blinzeln auch noch. Von diesen bedrückenden Geisterdörfern hebt sich nur Kuckum ab, hier wird noch gelebt - in erst kürzlich gebauten schmucken Einfamilienhäusern, hier wird noch gehofft, sich aufgelehnt und gestritten. Neulich im Fernsehen sagte eine Einwohnerin: „Kuckum muss bleiben, Kuckum ist wunderschön!“
Wir sind gespannt, ob wir das morgen bei Tag auch finden.Leia mais
ViajanteDas muss bedrückend sein, durch diese leergefegten Dörfer zu laufen... Schön, dass es Wiederstand gibt und dass in Kuckum noch gehofft wird. Gute Besserung für deinen Ellenbogen, Grüße an S. und viele eindrückliche Erlebnisse auf eurer Studienreise!
ViajanteDanke, Grüße zurück, wir sitzen gerade in einer Bäckerei in Erkelenz und frühstücken...
Viajante
Heimatgefuhle 😍❤️