Uma aventura rápida mas muito boa pela Guntrun Leia mais
  • Guntrun Müller-Enßlin

Lista de países

  • Alemanha Alemanha
Categorias
Nenhum
  • 161quilômetros percorridos
Meios de transporte
  • Voo-quilômetros
  • Andando-quilômetros
  • Caminhada-quilômetros
  • Bicicleta-quilômetros
  • Motocicleta-quilômetros
  • Tuk tuk-quilômetros
  • Carro-quilômetros
  • Trem-quilômetros
  • Ônibus-quilômetros
  • Motorhome-quilômetros
  • Caravana-quilômetros
  • Veículo 4x4-quilômetros
  • Natação-quilômetros
  • Remoção/Arremesso-quilômetros
  • Lancha-quilômetros
  • Veleiro-quilômetros
  • Casa flutuante-quilômetros
  • Balsa-quilômetros
  • Cruzeiro-quilômetros
  • Cavalo-quilômetros
  • Esqui-quilômetros
  • Carona-quilômetros
  • Cable car-quilômetros
  • Helicóptero-quilômetros
  • Descalço-quilômetros
  • 2pegadas
  • 2dias
  • 20fotos
  • 4curtidas
  • Weinreben, Burgen und Braunkohle

    4 de novembro de 2021, Alemanha ⋅ ☁️ 6 °C

    Sightseeing mal ganz anders. Schauplatz Kohleabbau Garzweiler südlich von Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen. Nach dem Tauziehen um den Hambacher Forst in den Vorjahren kämpfen mehrere Dörfer in der Nachbarschaft der Tagebaue Garzweiler I und II dagegen, in letzter Sekunde vor dem Braunkohle-Aus in Deutschland noch plattgemacht zu werden. Es ist noch nicht lange her, dass ich davon erfahren habe, und ich möchte mir das gerne anschauen. Zwei trübe Novembertage haben wir uns dafür ausgesucht, S und ich, und machen uns morgens gegen 10:30 in Stuttgart auf den Weg. Zuerst flutscht alles, bereits um 13 Uhr kurven wir zwischen Bingen und Koblenz das Rheintal entlang. Herbstlich gefärbte Rebenhänge, im Wasser ein Mäuseturm, eine weiße Kaiserpfalz und hinter jeder Biegung eine Burg samt Fried. Schreiend bunte Häuschen, am Rheinufer aufgereiht wie Spielzeugklötzchen, schreiend buntes Laub auf und unter Bäumen. Der Rhein hat Niedrigwasser, vor kurzem sind hier Schiffe stecken geblieben, heute fahren sie. Hinter Sankt Goar regnet es sich erst ein, dann aus, dann schüttet es. Inzwischen sind wir wieder auf der Autobahn, aber die hat dann plötzlich keine Lust mehr und hört auf, ist gesperrt - Bauarbeiten nach den Überschwemmungen im Ahrtal im Sommer. Die nächsten beiden Stunden gleichen einem Geduldsspiel, in dessen Verlauf wir uns an allen Staus vorbei im Schneckentempo unserem Ziel nähern. Nicht planmäßig um 16 sondern erst um 18 Uhr erreichen wir Heinsberg. Vorher haben wir noch die Ruhr überquert und ich muss an einen blöden Witz denken: Der eine zum anderen: Ich bin an der Ruhr geboren. Der andere zum einen: Ich habe gedacht, an der Ruhr kann man nur sterben, ha ha ha.
    Obwohl es bereits stockdunkel ist, machen wir uns nach dem Einchecken in unser Appartement noch auf den Weg Richtung Garzweiler und die von der Räumung bedrohten Dörfer, es sind fünf mit freundlichen Namen. In Lützerath wohnt niemand mehr, dafür hat sich hier das Widerstands-Camp mit allen Attributen einer Protestbewegung eingenistet: Schautafeln, Transparente, an Hauswände gepinnt, Graffiti. Streiter sind da, nicht wenige, gekommen, um zu bleiben. Sie harren aus in Hütten, Zelten, Campingwagen, trotzen Wind und Wetter, Regen und Kälte. An diesem Abend gibts von allem im Überfluss. „Schade, dass so ein Camp immer gleich schmuddelig wirkt“, sage ich zu S. Wir kommen uns hier vor wie am Ende der Welt, und am Ende der Welt gibt es vor allem Lehm, Dreck und Matsch. In der Ferne inmitten eines Meers aus Dunkelheit Inseln aus gespenstisch gleißendem Licht. Das dürften die Zechen sein. An einer Art Marketplace steigen wir aus, der Platz wirkt etwas einladender und heller als der Rest des Widerstandsdorfs. Leider nicht hell genug, so dass es mich kopfüber über das Ende einer Bank schlägt. Diese Millionstel-Sekunden, in denen Dir klar ist, dass Du fällst, und daran verzweifelst, dass Du nicht mehr verhindern kannst, dass Du fällst. Es haut mich seitlich in den Matsch und unsanft auf den Ellbogen. Der anschließende Check nach dem Schreck ergibt, dass alles noch an mir dran ist, wenn auch blutig und besudelt mit Dreck. Check, Schreck, Dreck, super Reim.
    Das Dorf Keyenberg ist, ebenso wie Oberwestrich und Berverath, bereits mehr oder weniger aufgegeben, geräumt, entvölkert. Kaum ein Haus, in dem noch Licht brennt, herunter gelassene Rollläden, leere Fenster, leere Gehwege, nur hier und da eine Katze, die es noch nicht kapiert hat. Und die Straßenlaternen blinzeln auch noch. Von diesen bedrückenden Geisterdörfern hebt sich nur Kuckum ab, hier wird noch gelebt - in erst kürzlich gebauten schmucken Einfamilienhäusern, hier wird noch gehofft, sich aufgelehnt und gestritten. Neulich im Fernsehen sagte eine Einwohnerin: „Kuckum muss bleiben, Kuckum ist wunderschön!“
    Wir sind gespannt, ob wir das morgen bei Tag auch finden.
    Leia mais

  • Kuckum, Garzweiler und viele Fragen

    4 de novembro de 2021, Alemanha ⋅ 🌧 6 °C

    Der Tag beginnt mit einer Überraschung. Auf dem Weg nach „Kuckum bei Tag“ stoßen wir auf einen Wegweiser zu den bereits umgesiedelten Dörfern: Kuckum Neu, Keyenberg Neu, usw., dem wir neugierig folgen. Dass die Umsiedlung im Gang ist, war uns klar, aber dass sie in kompletten Dörfern erfolgt - staun! Wir stoßen auf ein Neubaugebiet von gigantischem Ausmaß, in dem ein Wohngebäude am anderen aus der Erde wächst, lauter schicke Einfamilienhäuser, und wir begreifen, dass viele Dorfbewohner das Entschädigungsangebot des RWE-Konzerns gerne annehmen - als lukrative Chance, ein neues Leben anzufangen oder doch ein neues Wohnen.
    Bei der Besichtigung von Alt-Kuckum müssen wir unseren nächtlichen Eindruck, die Einwohnerschaft kämpfe und hoffe noch, relativieren. Wie in den übrigen angezählten Dörfern hat auch hier der Exodus bereits statt gefunden; die meisten Vorgärten sind verwildert, die Mehrzahl der Häuser verwaist bis auf die, hinter deren Fenster Zimmerpflanzen stehen. In der Dorfmitte die Backsteinkirche mit spitzem Turm, ein von Bäumen und viel Grün umgebener Kirchhof., Vogelgezwitscher. Kuckum ist wirklich wunderschön, die Tatsache, dass es todgeweiht, verloren ist, geht mir zu Herzen. Vereinzelte Widerstands-Signale - Hundegebell, ein gelbes X, Parolen „Alle Dörfer bleiben“, „Kuckum bleibt“ - werden seinen Untergang wohl nicht verhindern.
    Ein Dorf ist ein Dorf ist ein Dorf, denke ich. Ein Dorf hat eine Geschichte, ein Neubaugebiet nur Häuser. Neubaugebiete haben keine Gassen, keine verschwiegenen Winkel, keine alten Eichen, keine Kirchhöfe, anstelle einer Seele haben sie nur Steine.
    Keyenberg ist entsetzlich still. Aber es duftet! Nach frischem Brot! Auch hier eine riesige verwaiste Backsteinkirche, dahinter aber - kaum zu glauben - eine funktionierende Bäckerei. Die Verkäuferin allerdings abweisend und unfreundlich, will mit einem recherchierenden WDR-Team nicht reden und S und mir weder einen Kaffee servieren noch eine Schneckennudel verkaufen. Na ja, vielleicht haben die Leute, die hier noch aushalten, die Neugier der Widerstands-Touristen, zu denen auch wir uns zählen müssen, satt.
    Soll man als Außenstehende gegen etwas protestieren, wenn die Mehrzahl der Betroffenen sich längst dagegen entschieden hat? Soll man sich einem Widerstand anschließen, aus dem sich die, die es angeht, längst verabschiedet haben? Für mich eine offene Frage. Die Leute im Protest-Camp Lützerath tun das. Sie kommen aus Berlin, aus Aachen, aus dem Main-Tauber-Kreis, aus Viechtach und aus Holland, sie kommen in alten Autos oder per Fahrrad, und sie sind alle jung. Sie übernachten in Iglu-Zelten, gezimmerten (Baum)häusern, gehen auf morastigem Boden auf provisorische Plumpsklos und halten wochenlang hier aus. Wo nehmen sie ihre Motivation her? Allerdings machen auch sie den eher zugeknöpften Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft, Versuche, ins Gespräch zu kommen, scheitern. Nach einer Weile haben wir genug vom Waten im Schlamm und von unserer Rolle als Zuschauerinnen. Eins ist sicher: Zur Aktivistin tauge ich nicht.
    Es wird Zeit, einen Blick auf die Hintergründe des Dorfräumungs-Dramas und seine Verursacher zu werfen: Garzweiler I, den Tagebau, dessen ockerfarbenen Abbrüche hinter Äckern am Horizont schimmern wie Gebirge - weit weg, aber nicht unerreichbar. Warum nicht versuchen, an die Kante zu gelangen und einen Blick in den Krater zu werfen? Gesagt, getan. Nach 20-minütigem Fußmarsch querfeldein treten wir tatsächlich unbehelligt an die Abbruchkante diesseits der Grube. Die Luft bleibt uns weg. Ich war gefasst auf eine riesige Wunde, über die ich entsetzt sein würde, stattdessen bin ich hingerissen. Die aufgerissene Erde gewährt uns einen atemberaubenden Blick in ihr Inneres, eröffnet uns die Sicht auf einen Querschnitt ihrer verschiedenen Schichten in allen möglichen Braun- und Beige-Tönungen. Die Kohle wird mit zwei riesigen Schafelradbaggern gefördert. Zum ersten Mal sehe ich so eine Mine mit eigenen Augen. Ich muss an ein modernes Gemälde mit einer geradezu poetischen Note denken - schrecklich und schön zugleich.
    Hinter uns hält ein weißes Auto. "Sie wissen, dass das RWE-Betriebsgelände ist“, sagt eine Männerstimme. Nö, wir wissen natürlich NICHT ;-) ! Hier seien letzte Woche zwei Leute abgestürzt. Während S mit den beiden Autoinsassen verhandelt, fotografiere ich wie verrückt. Auf unserem Rückweg folgt uns der RWE-Wagen sage und schreibe fast bis zur Straße. Bei unserem Versuch, mit dem Auto noch einen öffentlichen Aussichtspunkt auf die Mine zu erreichen, werden wir von einer Gruppe Ordner in gelben Overalls abgewimmelt, die nicht nur uns, sondern alle anderen zurückschicken, die einen Blick auf den Tagebau werfen wollen. Wegen der Aktivisten, lautet die lapidare Antwort auf unsere Frage, warum. Wir machen noch ein paar weitere Versuche, die Zeche aus der Nähe zu sehen, doch überall, wo wir hinkommen, taucht gleich ein weißes Auto mit Wache haltenden RWE-Männchen auf.
    Wir fahren südwärts zum Hambacher Forst, der vor drei Jahren kurz vor der Rodung stand. Ungehindert erreichen wir die Aussichts-Plattform auf den Tagebau Hambach mitten im Wald. Vom damaligen Camp der Klimaktivisten sehen wir nichts mehr, wohl aber riesige Transportschneisen und Gleise, auf denen das schwarze Gold in Waggons abgefahren wird. Auch hier im Hambacher Forst hat die RWE mit ihrer Logistik Duftmarken für den geplanten Ausbau hinterlassen - überall.
    Auf der langen Heimfahrt nach Süden unterhalten wir uns. Wem gehört die Kohle in der Erde? Doch nicht dem RWE- Konzern, dessen Funktionäre sich vorort wie Gutsherren gebärden? Wem gehört der Grund und Boden, der in den Dörfern enteignet wird? Und was bedeutet eigentlich der Kohleausstieg 2038 oder früher? Heißt das, dass von da an die Kohle in der Erde bleibt? Oder darf sie nur nicht mehr verbrannt, jedoch auch weiterhin gefördert und beispielsweise ins Ausland verkauft werden? Dafür müsste sich RWE noch nicht mal mit Emissionszertifikaten freikaufen, mutmaßen wir, da es ja nicht sie ist, die Emissionen ausstößt. Fragen über Fragen, auf die wir an diesem Abend keine Antwort finden.
    Leia mais