Satellite
  • Day 6

    Portoroz

    August 31, 2016 in Slovenia ⋅ ☀️ 29 °C

    Portoroz. Ein Name, der Bilder von stolzen und hart arbeitenden Familien und post-jugoslawischen Fabrikhallen in unseren Köpfen aufblitzen lässt. Wir tun der kleinen Hafenstadt, dessen Name zu deutsch "Rosenhafen" bedeutet, Unrecht.
    Zwar wird uns das Parken am 4 Sterne Strand mit unserem sanften metallischen Riesen verwehrt, so lernen wir doch bald den wahren Geist von Portoroz kennen und zu schätzen. Bald schon finden wir ein Refugium nur wenige Meter vom klaren adriatischen Meer entfernt. Hier gefällt es uns gut. Hier können wir nicht nur sein wer wir sind, sondern auch wer wir sein wollen.
    Nach einer äußert aggressiven visuellen und auditiven Annexion der umliegenden Umgebung scheint uns das Schicksal erneut für unseren jugendlichen Mut belohnen zu wollen. Während Broiler-operator und Telezoom Experte Julius G. und Golf-Guru Eske auf dem vorschriftsmäßigen Bier-Run sind, treffen el Capitano und Fallout Fabian auf das Unverhoffte in Gestalt von Michael und Lissy. Die Wiedersehensfreude gleicht der, die tot geglaubte Veteranen in den Herzen ihrer Angehörigen entfacht haben müssen, als sie nach langen harten Jahren aus den sowjetischen Arbeitslagern heimkehren durften. Heimkehren. Heimat. Das Wort scheint kaum noch greifbar und unwirklich für uns nach den Erlebnissen unserer Reise. Wie mag es wohl inzwischen zu Hause aussehen?
    Um diesem schmerzlichen Gedanken zu entrinnen, flüchten wir uns in weltlichere Ebene. Broiler, Peristaltik, Jugendstil und eine beinahe greifbare Homoerotik dominieren die Agenda der nächsten Stunden. Argus und Laško helfen uns tatkräftig das Niveau dem unmittelbar nahen Meeresspiegel anzugleichen, auch zur Belustigung der vorbeieilenden Passanten. Eine dieser Seelen heißt Alfred, der sich promt auf ein lauwarmes Bier zu uns ins Lager verirrt. 3 Weitere sollten folgen. Leider sinkt mit steigendem Bierkonsum Alfreds Unterhaltungswert auf ein Level, dass den Burgfrieden der Villa Germania empfindlich zu stören scheint. Julius hat seit mehreren Minuten kein Wort über Boxen oder Buchen verloren, ein alarmierendes Signal gleich dem Aufrichten einer Königskobra. Um das potente Pulverfass nicht an den Rande einer Kernschmelze zu bringen, entscheiden wir uns zum Aufbruch in die Stadt. Der erste Stopp ist das Grand Casino von Portoroz, inspiriert durch Geschichten und Erzählungen längst vergangener Tage, in denen Christoph mit flinker Hand und stählernen Pokerface die europäische Cashgame Szene in Angst und Schrecken hielt. Julius im professionellen Berghain-Dress scheitert leider an der Tür der edel anmutenden Glücksspiel-Hölle. Scheiß Flüchtlinge!!
    Doch des einen Pech ist des anderen Glück. Ein Spieler bleibt ein Spieler und so sichert Christoph mit drei 3 glücklichen Händen den anhaltenden Erfolg des WoMo Racingteams und die nächsten Drinks im Paprika Club, unserem nächsten Ziel.
    Dort treffen wir auf eine motorisierte österreichische Version von Rene. Rene kommt aus Graz, ist querschnittsgelähmt und hat beim Rollstuhl-Rugby schonmal eine Frau vom Sitz geschleudert. Viel mehr erfahren wir trotz einiger gemeinsamen Stunden nicht über ihn, aber ziemlich beste Freunde werden wir wohl nicht.
    Immerhin haben wir es geschafft Anna, die Kellnerin an unseren Tisch und unsere Anekdoten zu fesseln wie das Schicksal Rene an seinen Rollstuhl. Nachdem Fabian das Gefährt von Rene übernommen hat, um sich schonmal an ein Leben ohne Beine zu gewöhnen, gesellen sich zwei weitere Reisende an unseren Tisch wie an einen Teekessel im afghanischen Hochland. Als wären wir entfesselte Tanzbären, ergötzen sich die Zugereisten an unseren Geschichten und Taten, bis die Tristesse des bereits Erlebten uns einholt wie die Katze, die mit der tot geweihten Maus spielt. Auch wir wollen unterhalten werden und brechen auf in die sternenklare Nacht von Portoroz. Rene hält es für eine gute Idee uns zu begleiten. Mit dieser Einschätzung soll er allerdings alleine bleiben. Eine gute Sache hat das Ganze dann doch noch. Mit wenigen Handgriffenist der Rollstuhl in eine motorisierte Rennmaschine umgebaut. Samt Krücken und Gips wird Fabian auf Renes Schoß gebettet. Ein riskantes Unterfangen. Niemand weiß wann Rene das letzte Mal so einen engen Körperkontakt zu einem anderen Lebewesen hatte - abgesehen von der Geschichte mit der Rugby Spielerin vielleicht. Die Sorge um Fabians Ehre verfliegt schneller als uns lieb ist. Wie von der Tarantel gestochen Rasen die beiden in die Finsternis mit schlitternden Reifen und dem unguten Gefühl, Fabian die verbleibenden Tage in einem Ganzkörpergips über den Balkan zu wuchten. Der beinahe schon lächerlich offensichtliche Sturz bleibt jedoch aus und wir enden in vertrauter und sicherer Umgebung, wundern uns über den langen Spaziergang von Christoph und lassen den Abend einmal unkonventionell enden: ehrwürdig und bescheiden und dankbar für die Chance diese Reise gemeinsam antreten zu dürfen..
    Read more