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  • Day 108

    Auf in die Heimat - nichts leichter...

    March 20, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 10 °C

    ... als das🙈. Dass sich dieses Vorhaben als gar nicht so einfach herausstellen würde, wird mir erst nach und nach bewusst und wahrscheinlich ist das auch gut so.

    Als ich nach der Wanderung abends im Hostel ankomme, ist die Stimmung unter den Gästen seltsam angespannt. Die meisten sitzen mit Handy in der Hand am Laptop, recherchieren, suchen nach Flügen oder telefonieren mit ihren Familien und Freunden. Die Atmosphäre wird nicht besser durch alle möglichen ungefilterten Informationen, die das Hostel-Personal wild in die Runde wirft. So heißt es zwischenzeitlich, dass Kolumbien bereits abgeriegelt sei und niemand mehr das Land verlassen dürfe. Das kommt mir dann doch übertrieben und unreflektiert vor und tatsächlich finde ich keinerlei Informationen hierzu. Zur besonnenen Entscheidungsfindung tragen solche Nachrichten wenig bei. Ich beschließe, mir erstmal einen Twitter-Account einzurichten, da man hierüber tatsächlich am schnellsten mit Informationen versorgt wird, wenn man zum Beispiel der Bundesregierung, dem Auswärtigen Amt oder Heiko Maas folgt. Am nächsten Morgen telefoniere ich erstmal mit Mama, meiner Schwester Irene und meinen Freundinnen Claudi und Anna, um gemeinsam zu überlegen, ob ich früher nach Kanada reisen sollte oder besser nach Deutschland zurückkehre. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch nicht klar, dass die Rückkehr wohl die einzig richtige und auch mögliche Entscheidung sein wird. Parallel bin ich auch mit anderen Deutschen in Kontakt, die sich dieselben Fragen stellen. Die meisten von ihnen sind jedoch zunächst der Meinung, dass es in Kolumbien kaum Corona-Fälle gibt und man in Südamerika unter Ansteckungsgesichtspunkten sicherer sei als in Europa.

    Um nichts zu überstürzen, beschließe ich zunächst, montags nach Minca zu fahren, wo ich ein sehr kleines und abgelegenes Hostel gefunden habe. Die Fluktuation in dem Hostel in Santa Marta ist mir zu hoch und die Nachrichten überschlagen sich. So fahre ich also ins etwa 50 Minuten entfernte Minca, wo es wirklich wunderschön ist. Das kleine Städtchen liegt mitten im Urwald und ist einer der artenreichsten Orte Kolumbiens, so gibt es beispielsweise über 5.000 verschiedene Vogelarten, die man besonders nachts ganz deutlich und laut hört. So richtig konzentrieren kann ich mich allerdings nicht. Die Nachrichten über Rückholaktionen und internationale Reiseverbote überschlagen sich, nach und nach höre ich von immer mehr anderen Reisenden, die sich so schnell wie möglich zurück in ihre Heimatländer begeben. Ich entscheide gemeinsam mit meiner Familie und meiner lieben und sehr reiseerfahrenen Freundin Anna, dass auch ich die Heimreise antreten werde. Zunächst buche ich mir einen Flug zurück nach Bogotá für den nächsten Tag. Den Flug buche ich in einem kleinen Café in Minca und brauche auf die ganzen Schreckensnachrichten erstmal eine Kaffee-Margarita, die ihr auf dem vierten Foto sehen könnt😆🍸. Ich bin etwas traurig, dass ich es nicht mehr nach Medellín schaffen werde, aber in Anbetracht der Umstände gibt es keine andere Lösung. Zudem muss ich in jedem Falle noch einmal nach Bogotá, denn ich habe einige Sachen bei meiner Gastfamilie gelassen, da ja ursprünglich geplant war, dass ich Ende März noch einmal dorthin zurückkomme. Über die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts bekomme ich fortlaufend Informationen über die aktuellen Entwicklungen in Kolumbien. Die Maßnahmen werden unglaublich schnell umgesetzt, innerhalb weniger Stunden werden Hostels, Nationalparks, Schulen, Universitäten und auch Strände geschlossen und eine vollständige Ausgehsperre steht im Raum. Das Auswärtige Amt rät allen Deutschen dringend dazu, sich schnellstens auf den Heimweg zu machen und ehrlich gesagt schlug die Stimmung in Kolumbien so schnell um, dass man schlicht nicht mehr bleiben wollte. Ich merke außerdem ganz deutlich, dass die kolumbianische Regierung und insbesondere der Staatspräsident Duque nicht so berechenbar ist wie die Deutsche Bundesregierung und man eine solche Krise nicht unbedingt alleine in Kolumbien durchstehen möchte. Schon gar nicht isoliert in einem Hotelzimmer, denn die Hostels werden nach und nach geschlossen, die Mehrbettzimmer gelten als zu risikoreich. Von meinem Hotelzimmer in Bogotá aus bin ich in ständigem telefonischen Kontakt zu meiner Schwester Irene und ihrem Freund Paul, die sich als hervorragende Krisenmanager bewiesen und sich mit mir wegen der Zeitverschiebung die Nächte um die Ohren geschlagen haben. Die beiden recherchieren die besten Flugrouten, telefonieren mit den Fluglinien und Botschaften, um herauszufinden, in welchen Städten ich noch umsteigen kann. Vielen Dank nochmal, Irene und Paul, ohne Euch wäre ich wirklich aufgeschmissen gewesen🥰. Wir entscheiden uns schließlich für einen Flug mit LatAm bis Cancún und von dort mit der Lufthansa nach Frankfurt. Bis mein Flug geht, habe ich noch einen guten Tag in Bogotá, den ich nutze, um meine Sachen bei Carolina und José abzuholen, meine Sachen zu packen und auf die Schnelle noch einen leckeren kolumbianischen Cappuccino in meinem Lieblingscafé in Usaquen zu trinken. Kurz darauf stellt sich heraus, dass ich die Energie gut gebrauchen werde, denn nachmittags wird mein Flug nach Cancún storniert. Ich fahre mit dem Uber direkt zum Flughafen und stelle mich gute zwei Stunden in die Warteschlange bei der LatAm. Am Schalter wird mir mitgeteilt, dass es sich um einen einheitlichen Lufthansa-Flug handle und ich mich daher zwecks Umbuchung an die Lufthansa wenden müsse. Da ich aus Kolumbien heraus nicht telefonieren kann, spricht Irene mit der LH-Hotline und erhält die Info, dass ich mich in der aktuellen Situation selbst um einen Ersatzflug nach Cancún bemühen müsse. Wir buchen also abends einen neuen Flug, der jedoch kurz nach der Buchung schon wieder storniert wird. Nachts finden wir dann noch einen Direktflug nach Cancún, den ich am nächsten Tag auch nehmen werde. Während ich donnerstags am Flughafen warte, treffe ich noch Lydia und Chris aus Berlin, die ein knappes Jahr auf Weltreise waren und mit denen ich bereits in Guatemala auf den Vulkan geklettert bin. Auch sie haben sich entschieden, die Heimreise anzutreten und ich freue mich riesig, sie in der ganzen Aufregung noch einmal zu treffen. Als Medienfachleute haben die beiden übrigens einen wirklich schönen Reise-Podcast, den man u. a. auf Spotify findet. Er heißt „Coffee, Rice and Questions“, falls Euch irgendwann das Fernweh packt☺️.

    Mit mir fliegen nur sechs weitere Personen nach Cancún, der Flug wird also nicht storniert. Es ist schon ein seltsames Gefühl, nur zu siebt mitsamt der gesamten Crew in einem großen Flugzeug zu fliegen. In Cancún angekommen, läuft die Einreise zum Glück problemlos und ich werde freudig vom Labrador des Grenzschutzes begrüßt. Ihr könnt unsere beginnende Romanze auf dem dritten Foto sehen😆. Wahrscheinlich war er einfach nur unterfordert und froh, dass er meine beiden Rucksäcke inspizieren konnte, denn der Flughafen in Cancún ist wie leer gefegt. Bis zu meinem Lufthansa-Flug habe ich noch ein paar Stunden Zeit und da ich fortlaufend Emails zu meinem Flug bekomme, gehe ich davon aus, dass ich abends nach Frankfurt fliegen kann. Als ich jedoch mein Gepäck aufgeben möchte, teilt die Lufthansa mir mit, dass ich auf dem Flug nicht registriert sei, da ich meinen ersten Flug von Bogotá aus eigenmächtig nicht angetreten hätte. Ich versuche zu erklären, dass dies nicht der Fall sei, sondern dass meine Flüge ausgefallen seien und die LatAm sich geweigert habe, meinen Flug umzubuchen. Parallel telefoniert Irene wieder mit der Lufthansa, die uns jedoch auch nicht weiterhelfen, sondern darauf beharren, dass ich mich an die LatAm wenden muss. Ich reise also mehrfach zwischen den Lufthansa-Schaltern und denjenigen der LatAm hin und her, die passenderweise in unterschiedlichen Terminals sitzen und sich fleißig die Kompetenzen zuschieben. Irgendwann bin ich so weit, ein neues Ticket bei der LH für über 2000 EUR zu buchen, um es später zurückzufordern. Jetzt wird mir jedoch mitgeteilt, dass der Flug überbucht sei und ich nicht mehr mitfliegen könne. Ich fürchte, das gibt meinen ersten Gerichtsprozess in eigener Sache😉🤦🏼‍♀️. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mir ein Hotel in Cancún zu suchen und nachts mit meiner Schwester einen neuen Flug, diesmal über Kanada zu buchen. Zum Glück kann ich über Kanada noch fliegen, da ich ein eTA-Visum habe, das auch für den Transitbereich in Kanada gilt. Die Rückreise über Montréal funktioniert dann zum Glück ohne Probleme und ich lande am 21. März früh morgens am Frankfurter Flughafen. Mit dem Zug geht es weiter nach Düsseldorf, wo mich Anna in Empfang nimmt und mich mit selbstgemachtem Hugo und meiner Lieblingssüßigkeit Curly-Wurly versorgt🥳🥂. Ihr könnt uns auf dem ersten Foto sehen. So haben Anna und ich immerhin eine Mini-Reise zusammen, denn Anna hatte schon Flüge gebucht, um im April ihre Osterferien mit mir in Vancouver und Calgary zu verbringen. Diese Reisepläne müssen wir dann nun erstmal verschieben.

    Als ich kurze Zeit später das Haus meiner Eltern (6. Foto) und meine Familie wiedersehe, freue ich mich riesig und bin dankbar, dass ich 3/4 meiner Reise erleben konnte. In den letzten Tagen habe ich immer wieder Reisende getroffen, die erst vor einigen Tagen aufgebrochen sind und nun lang geplante Weltreisen abbrechen müssen. Verglichen damit habe ich wirklich riesiges Glück gehabt. Auch darauf stoße ich abends mit Mama, Achim und meinem Bruder Adrian mit einem Glas Sekt an. Irene und Paul sind per Videoanruf aus Berlin zugeschaltet. Kurz nach dem Anstoßen (2. Foto 😉) falle ich ins Bett und schlafe für etwa 13 Stunden so lange und gut, wie seit Monaten nicht mehr. Im Flugzeug hatte ich wegen der ganzen Aufregung nur etwa zwei Stunden geschlafen und war daher fast 40 Stunden am Stück auf den Beinen. Vielleicht war die Aktion gar nicht schlecht, denn vom Jet Lag habe ich überhaupt nichts gemerkt.

    Da meine Eltern gerade unsere Holzböden abschleifen und lackieren und die Zimmer umräumen, fühle ich mich fast wie in einem Travel and Work😆. Liebe Mami, lieber Achim, Ihr seid meine liebsten Hosts bisher😅😍. Im Ernst fühlt es sich nicht so an, als wäre ich 3,5 Monate weg gewesen. Es ist eher so, als hätte ich die Zeit angehalten. Ich übernehme (sehr gerne☺️) das Kochen und die Einkäufe und meine Jogging-Strecke ist um ein paar erste grüne Blätter und Buschwindröschen reicher. Verrückterweise fallen mir die Knappheiten beim Einkaufen in Deutschland auch gar nicht so auf. In den vergangenen Monaten war ich es gewohnt, dass ich mindestens 2/3 meiner Einkaufsliste nicht bekam, da es die Produkte entweder nicht gab, sie nur in riesigen Mengen verkauft wurden (z.B. Speiseöl) oder einfach zu teuer waren (z.B. Käse oder Sojasoße). So habe ich gelernt, zu improvisieren und mache damit einfach weiter. Wenn Achim Pech hat, bekommt er nächsten Sonntag einen Geburtstagskuchen aus Kichererbsenmehl, das ich bei Rossmann aufgetrieben habe😆🎉.

    Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass meine Reise so abrupt endet und ich hätte Euch gerne noch mit nach Kanada genommen. Ich werde es vermissen, meine Eindrücke und Erlebnisse mit Euch zu teilen und mich mit Euren Kommentaren, Fragen, lieben und hilfreichen Ratschlägen, Ideen und Sichtweisen auseinanderzusetzen. Ich freue mich riesig, dass so viele von Euch mitgelesen und mitgefiebert haben und mir auf diese Weise Kraft und Unterstützung gegeben haben. Vielen Dank dafür, Ihr habt meine Reise auf ganz unterschiedliche Art bereichert und ich bin froh, Euch alle zu haben ☺️. Mit meiner kanadischen Gastfamilie aus Calgary habe ich übrigens vereinbart, dass ich sie nächstes Jahr besuchen werde. Unsere Kanadareise ist also nur etwas aufgeschoben ☺️.

    Nun wünsche ich Euch allen viel Gesundheit und hoffe, dass Euch die vielen Einschränkungen momentan nicht allzu sehr zusetzen.

    Es grüßt Euch alle ganz herzlich
    Eure Astrid😘❤️
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