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  • Day 123

    Auf Messers Schneide

    July 10, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 11 °C

    Liebes Tagebuch. Der Tag begann in der Nacht mit einem mächtigen Gewitter, dass an uns vorbeizog. Blitze erhellten den Cispus Pass. Regen tropfte auf das Zelt. Ich nahm es recht locker zumal mein Kopf inkl. Höhenangst eh schon woanders war. Auf der "Knife's Edge". Ein 1.4 Meilen langer Gang über einen schmalen und steilen Kamm, welcher sich aus dem Old Snowy Mountain erstreckt. Zu eben diesen sollte es hinaufgehen. Als ich aus dem Zelt kroch ging Peter gerade los. Wir machten einen Treffpunkt aus wo wir uns treffen würden. Dann erst realisierte ich erst, dass wir vollkommen im Nebel waren. Gespenstisch. Ian kam aus seinem Zelt gekrochen. Auf mein "What a night!" machte er ein fragendes Gesicht. Er hatte von dem ganzen Hokuspokus am Himmel nichts mitbekommen. "I'm a deep sleeper."
    Los gings. Während ich den Hang hinaufstieg lichtete sich der Nebel und gab die Sicht frei auf eine graue Feldwand. Zu ihren Füßen grüne Weiden, Bäche und allerlei Blumen. Chipmunks tummelten sich. Wie bei Disney. Doch je höher wir kamen verwandelte sich die Landschaft in eine Geröllwüste mit Schneefeldern. Easy. Die Ausblicke waren spektakulär. Am Fuße des Old Snowy gab es zwei Möglichkeiten. Entweder dem PCT folgen und zwei ziemlich fiese Schneetraversen machen oder die Alternative über den Old Snowy mit mehr Höhenmetern. Old Snowy. Der Anstieg war einfach. Unwirkliche Aussichten in die Täler, auf Gletscher, Mt. Rainier und die Knifes Edge. Anstatt auf den Gipfel zu gehen stiegen wir auf der anderen Seite ab. Über lose Steinplatten. Und zack zweimal hintereinander ausgerutscht. Scheisse. Zum Glück imm er gut angefangen und nur ein paar Schrammen. Das machte natürlich Mut. Nicht. Ja und dann ging es auf die Knife's Edge, die schon ein Pfad war, aber teilweise sehr exponiert und ausgetreten. Da muss jeder Tritt sitzen. Ich kann nicht sagen wie die Aussicht war, denn ab hier wurde nur noch auf den Weg geachtet. Ich war froh, dass Peter und Ian dabei waren. Für die beiden kein Problem. Ian genoss es total. Für mich war es einfach nur unglaublicher Stress. Adrenalin. Und so ging es ganz langsam Schritt für Schritt hoch und runter über den Grad, der irgendwann nur noch steil in den Himmel ragte. Der Weg bog nach links ab und der Hang war nicht mehr so steil. Ich entspannte mich ein wenig. Durchatmen. Trotzdem höchste Konzentration. Es ging bergab und die erste Bäume kamen zum Vorschein. Alles wurde wieder gemäßigter. Geschafft. Puh. Das war mental extrem hart und ich einfach nur froh, dass es vorbei war. Brauch ich so in dieser Form nicht nochmal. Könnte ich es? Ja. Möchte ich es? Nein!
    Wir machten eine dringende Pause. Ich dankte den beiden für ihre Unterstützung. Und dann musste erstmal Energie rein. Nach einer halben Stunde fühlte ich mich wieder normal und machte mich auf den Weg ins Tal. Auf einem ganz normalen Pfad, ein bischen Geröll, Schnee, Bäche und Grünflächen. Dann ging es in den Wald. Ich flog über den Trail. Immer tiefer ins Tal. An einer Quelle abseits des Weges machte ich mir mein Abendessen. Ian kam vorbei. Er war am Überlegen hier zu Zelten. Ich nicht. Zu viele tote Bäume. Das sah er dann auch ein. Wir machten eine lange Pause und quatschten über Punk. Endlich wer mit Geschmack. Es war schon halb sieben, als wir endlich loskamen. Es ging auf den nächsten Sattel. Ja und da stand Peter strahlend und zeigte uns zwei Zeltplätze. Danke sehr.
    Liebes Tagebuch. Das war ein ganz schön wilder Tag. Wie jeder eigentlich. Aber wilder. Ich bin gespannt wie ich in ein paar Tagen so darüber denke. Mir kam heute eine fünfköpfige Familie entgegen, die den PCT gehen. Sie fragten nur nach Schnee. Für die meisten ist das wohl einfach kein großes Ding. Die Knife's Edge.
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