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  • Day 15

    Besançon Tag 1

    September 21, 2020 in France ⋅ ☁️ 20 °C

    Heute werden die 30 geknackt. Genau zwei Wochen nach Beginn meiner Pilgerreise laufe ich das erste mal eine Strecke von 30,... Kilometern. Das bedeutet für mich um 6:30 Uhr aufstehen, frühstücken, nochmal bei Claudine für die herzlichste Unterbringung der gesamten Reise bedanken und anschließend um 7:30 Uhr loslaufen.

    Ich bin motiviert. Meine erste Pause mache ich erst 4 Stunden später, als ich bereits 20 Kilometer hinter mir habe. Die Highlights bis dahin umfassen:
    - Mir fällt in der Vormittagssonne auf, dass ich mehr und mehr aussehe wie der Typ auf meinem Pilgerpass.
    - im Wald fliegt ohne Vorwarnung ein Düsenjet des französischen Militärs schätzungsweise 200 Meter über meinem Kopf vorbei (Ich werde nie wieder so hören können wie zuvor)
    - zwei Jäger, die nach der Kurve, um die ich laufe, auf Kaninchen schießen (das erfahre ich erst nach der Kurve) und ein sehr erschreckter Michael, der laut "Attention" schreit, um nicht erschossen zu werden

    Während der 20 minütigen Pause gebe ich es auf, eine Unterkunft über die Seite "Couchsurfing" zu finden und entscheide mich für das Diözesanhaus, wo eine Unterkunft mit Frühstück 11 Euro für Pilger kostet.

    Die restlichen 11 Kilometer nehme ich mir vor, in zwei Etappen von 7 und 4 Kilometern zu teilen. Daraus wird nichts, denn "Besançon" erreiche ich schon nach 6,5 Kilometern. Vom Ortseingang, natürlich auf einem Berg, sehe ich Besançon vor mir und vor allem die Berge dahinter, über die ich wohl oder übel drüber muss auf dem Weg nach Pontarlier.

    Ab dem Moment, an dem ich in Besançon bin, besteht für mich wenig Sinn darin, noch eine Pause zu machen. Damit bin ich, als ich ankomme, 30 Kilometer in 6,5 Stunden gelaufen, abzüglich einer kurzen Pause von 20 Minuten. Ich bin ziemlich stolz. Am ersten Tag war ich schon von 19 Kilometern fix und fertig, heute jedoch habe ich genug Energie, um mir einen Bulgursalat zu holen und diesen auf dem "Place de révolution" zu verspeisen, während ich die Menschen hier beobachte.

    Mir kommt das großstädtische Treiben sehr bekannt, aber gleichzeitig auch sehr fremd vor. In Deutschland bin in Städte wie Frankfurt und Marburg gewöhnt, wobei mir Marburg sogar oft als sehr klein und zu überschaubar vorkommt. Besançon mit seinen 116.000 Einwohnern sollte damit sowas wie mein "natürliches Habitat" sein, aber irgendwie fühlt es sich nicht sehr natürlich an. Anstatt sich beim Vorbeilaufen anzulächeln und zu grüßen, wie ich es beim Wandern pflege, schauen die Leute oft weg, wenn man an ihnen vorbeiläuft, gucken eher streng als freundlich und nachdem man 15 Minuten durch die Fußgängerzone gelaufen ist, kann man auch nicht anders. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich habe mich an das ruhige, familäre und ländliche Frankreich gewöhnt.

    Es ist trotzdem schön, die jungen Menschen zu sehen und in der Universitätsstadt Besançon gibt es viele davon. Auf meinem Weg durch die Innenstadt treffe ich Lia, kurz für Cèlia, die erstaunlich gut Englisch spricht und mir die Zitadelle empfiehlt, wo heute der letzte Tag ist, an dem dort ein Festival der klassischen Musik stattfindet.

    In meiner Unterkunft, die übrigens eine sehr schöne Aussicht bietet (Bild 9), angekommen, mache ich aber erstmal meine Wäsche, ruhe mich aus und was der Abend noch bringt, steht in den Sternen.
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