Un petit pèlerinage

September - October 2020
A 31-day adventure by Michael Read more
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  • Day 1

    Reims

    September 7, 2020 in France ⋅ ⛅ 20 °C

    Nach einer erstaunlich entspannten Busfahrt bin ich fast pünktlich in "Reims" angekommen.
    Anscheinend sollte man jedoch sein Flixbusticket genauer durchlesen, denn anstatt wie erhofft am Hauptbahnhof, bin ich am "Champagne-Ardenne TGV" abgesetzt worden.
    Dieser befindet sich in einem Vorort von Reims und damit 7,5 Kilometer Fußweg von meinem Hostel entfernt. Eindeutig zu viel entscheide ich und setze mich dank der Hilfe von einem netten französischen Mädchen in den Zug, der mich für 2,10 € in knapp 10 Minuten zum Hauptbahnhof befördert. Ich bin in Reims, dieses mal wirklich.

    Der Weg zu meinem Zimmer dauert circa 20 Minuten und auf dem Weg kriege ich einen ersten Eindruck von Reims, schöne Parks mit vielen jungen Leuten, typisch französische Häuser und in fast jeder Straße befindet sich ein Weinkeller, weshalb es in der gesamten Stadt angenehm nach Alkohol riecht.

    Mein Zimmer teile ich mir mit vier jungen Männern, mit denen ich kurz quatsche bevor es zum Abendessen eine Tk-Pizza und einen Apfel gibt. Jetzt noch schnell in den Blog schreiben und ab ins Bett.
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  • Day 2

    Verzy

    September 8, 2020 in France ⋅ ☀️ 11 °C

    Meine erste Nacht auf dieser Reise war geprägt vom Schnarchen meiner Mitbewohner und einer sehr stickigen Luft im obersten Bett des Sechs-Personen-Zimmers. Als ich um 7:30 Uhr aufstehe, sind alle anderen schon weg oder dabei abzuhauen.

    Nachdem ich um 8 Uhr das Haus verlasse, hole ich mir kurz etwas zu Essen beim nächsten Carrefour (zwei Schinkensandwiches und ein Trinkjoghurt) und mache einen Abstecher bei der Kathedrale Notre-Dame de Reims, die ziemlich beeindruckend aber auch ziemlich geschlossen ist.

    Von hier aus mache ich mich wegen meines unerholsamen Schlafs auf in das "nur" 19 Kilometer entfernte Verzy.
    Der Weg besteht die ersten 5 Kilometer allein daraus, aus Reims rauszukommen, und unterwegs entdecke ich einen Pflasterstein, der das erste mal anzeigt, was ich hier überhaupt mache: Ich pilgere auf der "via francigena".

    Etwas später hole ich mir noch etwas bei Burger King (jaja, ich weiß) und mache pünktlich um 12 Mittagspause im Schatten am Wegrand.

    Als ich weiterlaufe dauert es nicht lange und ich bin vollständig von Weinfeldern namhafter Weinhersteller umgeben. Auf der Spitze eines Hügels passiere ich eine Mühle, die zwar auch sehr schön ist, der aber der Ausblick auf die umliegenden Dörfer die Show stielt. Ich sehe Verzenay, das ich 20 Minuten später durchkreuze, und gleichzeitig weit weg die Spitzen der hohen Gebäude Reims.

    In Verzenay mache ich wieder kurz eine Pause, bevor ich die letzten 2,5 Kilometer nach Verzy laufe. Hier macht sich der Pilgerpass bezahlt, denn ich übernachte mit einem 30 Euro Rabatt in einem gemütlichen familären Gasthof, in dem ich deutlich besser werde schlafen können als letzte Nacht.
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  • Day 3

    Châlons-en-Champagne

    September 9, 2020 in France ⋅ ☀️ 15 °C

    Um 7 hieß es wieder aufstehen und Sachen packen. In der Übernachtung war sogar ein kleines Frühstück inbegriffen, das mir genug Energie gab, um mich auf den langen Marsch zum 30 Kilometer entfernten Châlons-en-Champagne zu machen.

    Das erste Stückchen war wieder sehr idyllisch und führte durch das Dorf "Villers-Marmery" und ein paar Kilometer Weinberge.

    Bald darauf hatten Google Maps und ich eine kleine Auseinandersetzung, was ein "Weg" ist und was nicht (siehe Bild 3+4). Ich entschied mich, auf Google Maps zu hören und gelangte nach ein einem kurzen Stückchen durchs Feld und den Wald wieder auf einen gescheiten Weg.

    Google Maps hatte heute für mich generell nicht viel übrig, denn nach den ersten Kilometern fand ich mich am Rand der Bundesstraße wieder, der ich für die nächsten 22 Kilometer folgen sollte (Bild 5). Eine nicht sehr motivierende, aber zugebener Weise effiziente Route.

    Pünktlich um 12 machte ich auf halbem Wege im Örtchen "Les Grandes Loges" eine Mittagspause. Zum Essen gabs zwei Riegel und eine Packung Nüsse. Das Lufttrocknen meiner frischgewaschenen Socken an meinem Rucksack hat auch sehr gut funktioniert, auch wenn ich zu Beginn Zweifel hatte.

    Das Örtchen "La Veuve" war, ebenso wie "Les Grandes Loges" komplett leergefegt und ich bekam insgesamt nur 2 Personen zu Gesicht, einen Mann, der einer älteren Frau einen Tisch abkaufte und laut mit ihr um den angemessenen Preis diskutierte.

    Die letzten 8 Kilometer waren die bisher schwersten der Reise. Meine Beine, meine Füße und mein Nacken taten weh und langsam ging mir das Wasser aus. Ich machte mehrmals Pausen und brauchte über 2 Stunden für dieses Stück. Heute Nacht (im Prèmiere Classe Hotel Châlons-en-Champagne) werde ich seeeehr gut schlafen.

    Nach einem kurzen Nickerchen ging's abends in die Stadt, um den Heißhunger nach Döner zu stillen. Das "Nachtleben" von Châlons-eC war, wie für eine 45.000 Einwohner Stadt zu erwarten, überschaubar, aber schön war der Heimweg im Dunkeln trotzdem.
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  • Day 4

    Saint-Germain-la-Ville

    September 10, 2020 in France ⋅ ⛅ 23 °C

    Heute lasse ich es etwas ruhiger angehen und pilgere in das 13 km entfernte Saint-Germain-la-Ville. Weil der Weg nur etwa 3 Stunden dauert, schlafe ich aus, frühstücke in Ruhe und begebe mich erst um 10 Uhr auf Wanderschaft.

    Ich komme durch die Innenstadt von Châlons-en-Champagne und statte der Kathedrale einen Besuch ab. Auch wenn es immer beeindruckende Gebäude und architektonische Meisterleistungen sind, war und bin ich kein großer Fan von Kirchen. Im Inneren faszinieren mich damit eigentlich nur die schönen bunten Fenster, die riesige Orgel und die mit Playmobil nachgestellte Kreuzigung und Auferstehung Jesu.

    Im Touristenbüro hole ich mir einen weiteren Stempel für meinen "Crèdential de pèlerin" ab und begebe mich dann auf die offizielle Route der Via Francigena. Diese führt mich entlang der Marne aus der Stadt und hinein in den Wald.

    Dort mache ich um kurz vor 1 Mittagspause an einem kleinen Steg, der wie dafür geschaffen ist. Zu essen gibt es einen Fertigsalat von Lidl, den ich mit einer Dose Thunfisch aufpeppe.

    Von hier aus versuche ich dem Weg allein anhand der kleinen Wegweiser der Via Francigena zu folgen (Bild 6), was eigentlich auch ganz gut gelingt.

    Auf halber Strecke lichtet sich der Wald und ich finde mich auf einer sonnigen Lichtung an einer Flußgabelung wieder. Das Ufer hier besteht aus einer circa zwei Meter hohen Kante aus Sandstein, die geradezu zum Springen einlädt. An einer Stelle gibt es so etwas wie eine Zwischenstufe, die nur etwa 40 cm aus dem Wasser ragt, hier könnte ich also hochkommen.

    Ich entscheide mich, es zu wagen und ziehe mich vollständig aus. Der einzige, der mich sieht, ist ein Fischer, der auf seinem Boot 50 Meter flußabwärts treibt. Der stört mich nicht, entscheide ich, und springe.
    Das Wasser ist kalt und sehr sauber, perfekt eigentlich. Es war definitiv die richtige Entscheidung. Ich schwimme für ein paar Minuten gegen den Strom, um ansatzweise so etwas wie Muskeltraining zu betreiben und entscheide mich dann rauszuklettern.
    Ich habe die Höhe unterschätzt. Ich verbringe einige Momente damit, die ideale Stelle zu finden, und gebe alles, was ich hab um hochzukommen. Hochstemmen, Oberkörper ablegen, ein Bein hoch, dann das andere. Der Fischer, der geahnt hatte, dass es schwierig werden könnte, beobachtet währenddessen wie ich mich splitternackt abmühe, ans Trockene zu kommen. Der Anblick muss herrlich gewesen sein.

    Nach dem die Sonne mich getrocknet hat, geht's wieder weiter. Der Rest der Etappe verläuft, bis auf ein auf dem Weg geparktes Auto, ziemlich unspektakulär und ich komme um 16:30 Uhr in Saint-Germain-la-Ville an. Meine Unterkunft ist zwar mit 40 Euro die Nacht etwas teurer, dafür bietet mir die Besitzerin aber bei der Ankunft ein Bier aus der Region an, was mir zu diesem Moment allein die 40 Euro wert ist.
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  • Day 5

    Vitry-le-François

    September 11, 2020 in France ⋅ ☀️ 23 °C

    Nach einem einfachen, aber leckeren Frühstück geht's um 8:20 Uhr los auf den 22 km langen Weg nach Vitry-le-François. Die Schmerzen, die ich gestern schon im rechten Fuß hatte, sind noch da, aber deutlich weniger geworden und nach einer Weile wieder vergessen.

    Das heutige Stückchen führt mich die gesamte Strecke über einen kleinen Schiffskanal entlang, der parallel zur Marne verläuft. Die Highlights bis zur Mittagspause umfassen zwei große Steinbrüche auf der anderen Kanalseite, meine Frühstückspause und die Schiffsschleusen.

    Diese gibt es alle paar Kilometer auf dem Kanal und sie öffnen sich nicht automatisch. Stattdessen muss der Kapitän manuell an einem Seil drehen, das ein paar hundert Meter vor der Schleuse über dem Wasser baumelt (Bild 5+6).

    Mittagspause mache ich um 13 Uhr in "Couvrot". Hier gibt es ein paar Bänke im Schatten, wo ich mir eine selbstgemachte Quiche und ein Croissant aus der "boulangerie" einverleibe.

    Der restliche Weg ist von der Szenerie wieder unnachahmlich, aber nicht spektakulär. Das Highlight bildet eine kleine Schlange, auf die ich fast trete. Beim Versuch sie von näherem zu fotografieren, schnappt sie zweimal nach mir, was bei ihrer Größe sehr süß aussieht.

    Um 15 Uhr erreiche ich Vitry, wo ich mir erstmal einen Liter Milch hole und ihn im Park des Hôtel de Ville austrinke. Auch wenn Vitry-le-François nur 12.000 Einwohner hat, wirkt es sehr lebendig und hat einen Stadtkern, der auch einer Großstadt würdig wäre.

    Heute abend stößt Naomi dazu. Ich habe sie auf der Busfahrt nach Reims kennengelernt und sie hat sich entschlossen, ein paar Tage mit mir zu wandern. Ich freue mich, frage mich aber gleichzeitig, ob sie weiß, worauf sie sich eingelassen hat ^^.
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  • Day 6

    Outines

    September 12, 2020 in France ⋅ ☀️ 15 °C

    Heute geht's ins 23 Kilometer entfernte Outines, genauer gesagt Mitten ins Nirgendwo. So heißt nämlich der Gasthof, an dem Naomi und ich heute abend übernachten und wir sind gespannt, wie wir uns dieses Mitten im Nirgendwo (="Au Milieu de Nulle Part") vorstellen können.

    Der Weg führt uns zunächst auf der Landstraße aus Vitry und nach einer kurzen Pause im Ort "Blaize-sous-Arzièlles" entlang der Bahnschienen weiter Richtung Süden.

    Weder das Laufen auf der Landstraße, noch entlang der Gleise oder der kurze Abschnitt durchs Feld machen Naomi das Pilgern wirklich schmackhaft, geben ihr aber ein ganz gutes Bild davon, wie ein normaler Tag auf Wanderschaft aussieht.

    Spätestens aber als wir auf eine Herde Kühe stoßen, die zu uns an den Zaun kommen und sich von uns streicheln lassen, ist Naomi wieder Feuer und Flamme für's Pilgern.

    Mittagspause machen wir in "Saint Remy ....". Der vollständige Name ist mir zu lang, um ihn zu schreiben (Bild 6). Hier wäre eigentlich der Halt entlang der Via Francigena gewesen, da es aber weder im Internet, noch in der Unterkunftsliste eine mögliche Unterkunft hier gibt, bleibts nur ein Zwischenstopp.

    Der Rest des Weges führt uns durch die Felder. Hier sieht man, wie trocken dieses Jahr tatsächlich war. Wir sehen vertrocknete Sonnenblumen- und Maisfelder und einen Bachlauf, durch den vermutlich seit Wochen kein Wasser mehr geflossen ist.

    Unser Gasthof liegt tatsächlich mitten im nirgendwo. Auf einem leichten Hügel bildet er mit seinem Garten und den Apfel- und Birnenbäumen eine kleine Oase von der sonst kargen Landschaft.

    Das Haus ist wunderschön und mit Abstand die beste Unterkunft, in der ich auf dieser Reise geschlafen habe. Den Rest des Tages verbringen wir im Schatten im Garten, lesen, was die Umgebung zu bieten hat, und tanken Energie für den nächsten Tag.
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  • Day 7

    Lac du Der

    September 13, 2020 in France ⋅ ☀️ 21 °C

    Der eigene Garten wird morgens zunächst für eine 20-minütige Yogasession genutzt, bevor anschließend gefrühstückt wird und wir uns gegen 10 Uhr auf den Weg machen. Wohin, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Naomi muss am Montag an einer Bahnstation sein, um wieder rechtzeitig zu ihrer Uni zurückzukommen, und diese sind in der Gegend sehr rar gesät.

    Nach einigen Telefonaten mit möglichen Unterkünften und einer gewissenhaften Studie des französischen Bahnnetzes, entschließen wir, dass unser heutiges Ziel ein Gasthof auf der anderen Seite des "Lac du Der" ist.

    Dieser ist ein 48 km2 großer Stausee, der offenbar ein beliebtes Reiseziel für viele aus der Gegend und auch weiter weg darstellt. Unsere gesamte Route führt uns den Radweg um den See entlang und Mittagspause machen wir sogar an einem extra angelegten Sandstrand.

    Schwimmen gehen konnten wir leider nicht, denn dafür ist der Wasserstand zu niedrig.

    Der Rest des Weges führt uns unter anderem über zwei Brücken, von denen man eine gute Aussicht auf den See hat.

    Gegen 17:30 Uhr erreichen wir unser Ziel, die "MesHutes". Dabei handelt es sich um die kreative Idee eines älteren Herren und seines Sohnes, am Ufer des Sees Übernachtungen in verschiedenen Zelten anzubieten. Es gibt ein Tipi, ein Runddachzelt mit bewegbaren Dach, von dem es möglich ist, nachts die Sterne zu beobachten und, unser Schlafplatz, ein original mongolisches Zelt, das mit Rentierfell isoliert ist und damit die beste Wärmedämmung bietet.

    Da wir die einzigen Gäste sind und der Besitzer sich sorgt, wir würden am Morgen frieren erhalten wir dieses Zelt. Zusätzlich bietet er uns Bier und Nudeln mit Thunfisch an. Beides nehmen wir sehr sehr gerne an nachdem wir heute mal wieder über 30.000 Schritte gelaufen sind und über 3000 Kalorien verbrannt haben, wie uns Naomis FitBit mitteilt.

    Jetzt heißt es ausruhen, den Abend genießen und ein wenig mit der Hündin Kim spielen.
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  • Day 8

    Chaumont

    September 14, 2020 in France ⋅ ⛅ 27 °C

    Aufstehen, Yoga, Packen, mit Kim, dem süßesten Hund auf der Welt spielen, Frühstück, Weiterlaufen, diese Morgenroutine sagt mir unerwarteter Weise ziemlich zu, denn trotz der bereits hohen Temperaturen machen wir uns um 10 Uhr motiviert auf den Weg in das 15 km entfernte Saint-Dizier.

    Dieses haben wir uns als Ziel ausgesucht, weil es einen Bahnhof hat, von dem Naomi wieder nach Metz, zu ihrer Uni, und ich nach Chaumont, wieder zurück auf meinen Pilgerweg, fahren kann.

    Auch wenn es nur 15 km sind, machen sie uns sehr zu schaffen, da es bereits um 12 Uhr 30 Grad hat und unser Weg uns zusätzlich die Landstraße und einen Fahrradweg entlang führt, wo wir nur selten Schatten abbekommen und sonst vollständig der Sonne ausgesetzt sind.

    Um halb 1 machen wir Pause an einer ziemlich ranzigen Straßenunterführung, was uns zu diesem Moment aber egal ist, weil es dort unten schön kühl und schattig ist. Wir essen ein paar Kekse und ein wenig Obst, Naomi bringt ein Blasenpflaster an und nach 20 Minuten sind wir wieder auf dem Weg.

    Die restlichen 4,4 km vergehen vergleichsweise schnell und wir machen Halt in einem Supermarché, wo wir uns Couscoussalat, Baguette und Hummus holen, die wir auf einer Wiese in unserem Zielort Saint-Dizier verspeisen.

    Nach einigen semierfolgreichen Telefonaten auf der Suche nach Unterkünften, buche ich widerwillig eine Nacht in einem F1 Hotel in Chaumont. Diese sind mit die günstigsten Hotels in Frankreich, liegen aber mit einem Preis von 39 € pro Nacht trotzdem über den Kosten einer Nacht in einem Chambres d'hôtes und bieten nicht mal die Hälfte des Komforts (Aufpreis, wenn man Handtücher will, Gemeinschaftsduschen und keine Seife um nur ein paar Besonderheiten zu nennen).

    In Saint-Dizier löse ich noch Wettschulden bei Naomi ein und kaufe uns beiden zwei Bier, die wir in einem gut besuchten Café am schönen Hauptplatz Saint-Diziers austrinken, bevor wir uns anschließend zum Bahnhof begeben.

    Hier steige ich in den Zug, der mich in das 80 km entfernte Chaumont bringt und damit wieder auf die via francigena.

    Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, auf der gesamten Strecke keine anderen Fortbewegungsmittel zu verwenden außer meinen Füßen, habe ich kein schlechtes Gewissen auf der Zugfahrt.

    Die vergangenen drei Tage mit Naomi waren eine schöne Abwechslung vom sonst eher einsamen Pilgerdasein. Sie war eine tolle Reisegefährtin, die trotz heißer Temperaturen, tristen Marschrouten und einem gelegentlich anstrengenden Reisepartner, nie gejammert und mich oft zum Lachen gebracht hat. Gemeinsam nach Saint-Dizier zu laufen war demnach das Mindeste, das ich tun konnte und das kurzzeitige Abkommen von meiner Route ein Preis, den ich mehr als gerne zahle.

    In Chaumont will ich eigentlich nur kurz bei der Kirche vorbeischauen, bevor ich mich auf meinen 3 km langen Marsch vom Stadtzentrum zu meinem Hotel begebe, werde aber von den unfassbaren Schönheit dieser Stadt aus dem Konzept gebracht.

    Die Innenstadt, wo der Zug glücklicherweise hält, ist auf einem Berg gelegen, um die so etwas wie ein Graben verläuft, der ins "Tal" führt. Die Aussicht ist unbeschreiblich und auch die Innenstadt selbst besteht aus vielen kleinen verwinkelten Straßen mit niedrigen, dicht stehenden Häusern, die ihr ein sehr mediterranes Feeling geben. Ich fühle mich, als wäre ich vielleicht am Ende der via francigena in Italien und nicht in Ostfrankreich, und erwische mich dabei, wie ich seit etlichen Minuten mit offenem Mund durch die Gegend laufe.

    Dieses Feeling verschwindet langsam als ich meinem Hotel näher komme. Die Dame an der Rezeption, die dort gleichzeitig die Reinigungskraft ist, teilt mir mit, dass ich am besten mit dem Duschen nicht warten sollte, da es nur bis 21 Uhr möglich sei. Ich folge ihrem Rat und gehe frisch geduscht nur noch zu Burger King für einen Abendschmaus, bevor ich mich anschließend schlafen lege.
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  • Day 9

    Mormant/Leffonds

    September 15, 2020 in France ⋅ ⛅ 26 °C

    Die Nacht im Hotel ist erstaunlich gut, obwohl es so warm ist, dass meine gewaschenen Socken über Nacht vollständig trocknen, etwas, das bisher noch nie passiert ist.

    Nach ein paar Telefonaten sind meine Unterbringungen für die nächsten beiden Nächte geklärt. Heute geht's erstmal ins 15 km entfernte Mormant, welches eigentlich zu Leffonds gehört, aber irgendwie auch nicht.

    Der Weg nach Mormant führt mich zunächst durchs Industriegebiet und vorbei an einem Lycée (vergleichbar mit der deutschen Oberstufe). Ich denke daran zurück, wie schön und einfach es damals doch alles war und bin etwas enttäuscht, dass ich keinen einzigen Schüler/Schülerin zu Gesicht bekomme.

    Weiter gehts entlang der Landstraße in ein Dorf, das eine Besonderheit darstellt. Es ist nämlich das erste mal, dass ich außerhalb der Städte eine Ampel sehe. Es ist eine kleine Fußgängerampel, die eine sichere Überquerung der Landstraße ermöglichen soll, die durch den Ort führt. Auf beiden Seiten gibt es jedoch nicht wirklich so etwas wie Fußgängerwege, noch habe ich hier einen besagter Fußgänger gesehen. Desweiteren ist das Verkehrsaufkommen hier so gering, dass man schon auf der Straße einschlafen müsste, um eine realistische Chance zu haben, von einem Auto erfasst zu werden. Dennoch steht sie da, eingeschaltet, und wartet darauf, ihren Job erledigen zu dürfen.

    Nach diesem Dorf geht es hoch auf einen Hügel, von wo aus ich eine beeindruckende Aussicht auf die kargen, vertrockneten Felder habe, die sich in einigen Richtungen bis an den Horizont erstrecken.

    Danach laufe ich das erste mal auf der Reise für ein längeres Stück durch den Wald, welcher ganz im Gegensatz zu den Feldern voller Leben ist und trotz erneuter Ungenauigkeiten auf Google Maps Seite, die angenehmste Teilstrecke meiner heutigen Etappe bildet.

    Mittagspause mache ich auf einem Jäger"hoch"sitz und breche versehentlich dabei eine der wichtigsten Regeln beim Pilgern: Immer die Schuhe ausziehen beim Pause machen. Dieser Regelverstoß kommt mir teuer zu stehen, denn als ich um 14 Uhr meine Unterkunft erreiche, habe ich zwei Blasen an meinen Füßen, die ersten dieser Reise. Ich bin zwar bestens für dieses Szenario vorbereitet, aber angenehm ist es trotzdem nicht.

    Die Unterkunft bietet mit 30 Euro die Nacht inklusive Abendessen, Frühstück und einem kompletten Haus für mich allein das bisher beste Preis-Leistungs-Verhältnis der Reise. Die Besitzerin gestattet es mir sogar, die Waschmaschine zu benutzen und gibt mir eine Anleitung und ein Waschmittelpad.

    Den Rest des Tages verbringe ich mit Lesen und leichten Dehn- und Muskelübungen, bevor es um 19 Uhr Brot, Tomaten aus dem eigenen Garten und Linseneintopf zum Abendessen gibt.
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  • Day 10

    Langres

    September 16, 2020 in France ⋅ ⛅ 25 °C

    Motiviert stehe ich heute um 6:30 Uhr auf, packe meine Sachen, ziehe mich an und mache mich nach dem Frühstück um Punkt 8 Uhr auf den Weg ins 23 km entfernte Langres.

    Der Weg nach Langres setzt sich aus einer angenehmen Mischung von Landstraßen und Feld- und Waldwegen zusammen. Auf einem Feldweg stoße ich dabei auf etwas Interessantes: mehrere Hektar Hanf.

    Es handelt sich hier offensichtlich um männliche, legale Pflanzen, die kein THC enthalten. Riechen tun sie trotzdem und ich wundere mich wie diese doch eigentlich sehr sensiblen Pflanzen in dieser Hitze und Trockenheit überlebt und vor allem teilweise Michael-große Exemplare entwickelt haben.

    Meine erste Pause mache ich in einem kleinen, gepflegten Örtchen namens "Marac", was sich für mich nach einem nicht sehr französischen Namen anhört. Nach nur 10 Minuten geht es für mich aber weiter, denn hier gibt es keinen Empfang und eben diesen brauche ich, um meine weitere Route zu planen, im Blog zu schreiben oder mich um Unterkünfte zu kümmern.

    Die nächste Pause mache ich in "Beauchemin", was sehr passend ist, weil die heutige Etappe tatsächlich ein "beau chemin" ist (="schöner Weg").

    Unterwegs laufe ich mehrmals an Kuhherden vorbei und freue mich jedes mal aufs Neue, dass sie allesamt innehalten und sich Zeit nehmen, meine Anstrengungen mit ihrer Aufmerksamkeit gebührend zu würdigen und mich auf meinem weiten Marsch zu beobachten.

    Von hier aus wird der Weg sogar noch plus beau, denn auf einer kaum befahrenen, schmalen, umschlungenen Landstraße arbeite ich mich durch eine sehr idyllische Landschaft, die nebenbei immer grüner und hügeliger wird.

    Auf der Spitze so eines Hügels finde ich mich erneut mitten zwischen Feldern wieder, habe von hier aber eine unglaubliche Aussicht auf das umliegende Land. Unter anderem sehe ich erstmalig mein Ziel Langres. Dabei handelt es sich um eine Burgstadt, die auf einem Hügel und damit in etwa auf der selben Höhe wie ich gerade liegt. Es gibt nur ein Problem: dazwischen geht's runter.

    Ich klettere also widerwillig von meinem Hügel herunter und laufe durch das Tal zwischen mir und Langres. Hier begegne ich dem ein oder anderen Bach, die noch Wasser führen (eine Besonderheit!) und einem Kieferknochen, der auf dem Pfad liegt.

    Am Fuße von Langres mache ich nochmal eine Pause, bevor ich mich auf den Anstieg in diese mittelalterliche Stadt begebe. Dieser lohnt sich, denn wieder fühle ich mich deutlich weiter im Süden, als ich eigentlich bin.

    Langres besteht aus vielen kleinen Fachwerk- und Sandsteinhäusern und einigen imposanten großen Gebäuden wie dem Rathaus oder der Kathedrale. An der Stadtmauer setze ich mich hin, abseits der hektischen und etwas touristischen Hauptstraße und genieße eine Grapefruit und die beeindruckende Aussicht.

    Die Nacht verbringe ich in einem presbytère, einer Art Hostel für Pilger. Die Nacht kostet mich ganze 10 Euro und weil heute sonst keine Pilger hier übernachten, habe ich das Bad, die Küche und das Zimmer für mich allein. Alles ist ein wenig alt und heruntergekommen, aber für 10 Euro würde ich in einer Scheune schlafen.

    Zum Abendessen mache ich mir Nudeln und spaziere abends nochmal zu McDonalds, um deren Wlan zu nutzen. Dabei passiert ein kleines Wunder: Es nieselt. Es ist zwar nicht genug, dass es der Pflanzenwelt wirklich etwas nützt, aber danach liegt der Geruch von Regen in der Luft, den ich sehr vermisst habe.
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