• Michael Meyer
Sep – Okt 2020

Un petit pèlerinage

Pengembaraan 31hari oleh Michael Baca lagi
  • Madonne delle Bozzole

    2 Oktober 2020, Itali ⋅ 🌧 15 °C

    Der heutige Footprint dreht sich um ein Thema: Regen.
    Dieser war für heute ab 12-13 Uhr vorhergesagt und ist etwas nach dem man seine Tagesplanung beim Pilgern richten sollte. Denn beim Pilgern gibt es einen entscheidenden Unterschied im Gegensatz zum Alltag oder zum normalen Wandern: Morgen geht's weiter, also seh besser zu, dass deine Kleidung und deine Schuhe, für welche du keinen Ersatz hast, trocken bleiben.
    Das funktioniert natürlich nicht immer, aber dann macht man im Zweifelsfall einen Tag Pause, wie ich vor einer Woche in Pontarlier. Diese Möglichkeit haben wir jedoch nicht, da wir am Samstag in Pavia sein müssen, um Samstag Abend unseren Bus in Mailand zu erwischen (Spoiler: Morgen geht's nach Hause).
    Das bedeutet für uns im Klartext: 7 Uhr aufstehen, 7:30 Uhr Frühstück, 8 Uhr von Frau Hoffmann verabschieden und ins Gästebuch schreiben und um 8:20 Uhr loswandern. Madonna delle Bozzole, unser heutiges Ziel, liegt 19 Google Maps Kilometer oder 25 via francigena Kilometer entfernt. Wir entscheiden uns für die Google Maps Variante.

    Am Anfang sieht noch alles gut aus. Es ist bewölkt und windig (zum Teil sehr) (Bild 4), aber bei 15 Grad und einem flotten Lauftempo ist das solides Wanderwetter. Die Kilometer purzeln geradezu einer nach dem anderen von der Anzeige runter. Um 9:30 Uhr kommen die ersten Tropfen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir nicht mehr weit von Gambolò entfernt, ein Dorf mit Supermarkt, in welchem wir gerne Pause machen würden. Meine Mama möchte noch nicht herausfinden, was es bedeutet, bei Regen zu pilgern und gibt daher für ein paar Kilometer die Geschwindigkeit vor. Zu Beginn ärgere ich mich innerlich über ihren asymmetrisch bepackten Rucksack (Bild 6), der bestimmt eine Schulter mehr belastet als die andere. Nach kurzer Zeit muss ich mich jedoch mit meinen 1,94 m darauf konzentrieren, mit meiner einen Kopf kleineren Mama Schritt zu halten, sodass keine Zeit bleibt, Gedanken an ihr Wandergepäck zu verschwenden. Mir kommen Erinnerungen an meine Kindheit hoch, als mit meiner Mama durch die Stadt zu gehen, für mich bedeutete, dass ich meine Laufschuhe anziehen muss.
    Dank diesem flotten Tempo kommen wir um 10:30 Uhr am Supermarkt an. Zu diesem Zeitpunkt haben wir über 11 Kilometer hinter uns, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 5 km/h bedeutet. So schnell bin ich auf meiner Reise noch nie gelaufen und selbst Pilgerführer raten, von einer Höchstgeschwindigkeit von 4 km/h bei der Routenplanung auszugehen.
    All diese Zahlen nützen uns relativ wenig, denn was um 9:30 Uhr als tröpfeln angefangen hat, ist gegen 10 Uhr zu einem richtigen Regen geworden. Als wir im Supermarkt ankommen, sind wir nass.

    Dort ist Wärme wegen der vielen Kühlprodukte Fehlanzeige. Wir holen uns etwas Obst und jeweils einen Kefir, die wir unter einem Dachvorsprung, der Schutz vor dem strömenden Regen bietet, verspeisen. Uns ist kalt, sogar sehr kalt. Auch wenn 15 Grad sich erstmal nicht schlimm anhören, so ist die Mischung zusammen mit Regen einfach nur eklig. Wir ziehen uns alles an, was wir haben und damit meine ich wirklich alles. Ich stehe am Ende mit einer Konstruktion aus T-Shirt, Fleecejacke, Sportjacke, Regenjacke und Regenponcho da. Meine Kappe baue ich in die Mitte der vier Kapuzen ein, damit mein Gesicht, wenn ich konsequent auf den Boden schaue, ebenfalls keinen Regen abbekommt.

    Wir machen uns auf den Weg. Maximal 10 Minuten später stehe ich mit meinem Unterkörper komplett unter Wasser. Während meine Oberkörperkonstruktion noch für etwa eine Stunde hält (gewiss nicht bis zum Schluss), sind meine Schuhe kurz nach dem Loslaufen komplett mit Wasser gefüllt. Und hier setzt der Kopf ein.
    Wir haben etwa 1,5 Stunden Marsch vor uns und damit auch 1,5 Stunden Regen. Ich fange also an, mich damit abzufinden, dass zum Beispiel mit jedem Schritt, Wasser aus meinem Schuh, an der Innenseite meiner Hose hinauf, an meine Kniekehle hochspritzt. Ich stelle mir vor, dass ich gerade an der Nordsee bin. Dort laufe ich gerade den Strand entlang, genau auf der Höhe, auf der das Wasser nur einige Zentimeter hoch steht. Mit jedem Schritt durchbreche ich die von der Sonne aufgewärmte Wasseroberfläche und trete danach auf den Sand, der unter meinem Gewicht nachgibt und damit ein kleines Wasserbecken für meinen Fuß formt. Fernab der Realität, aber mit solchen Gedanken entfliehe ich der nasskalten Umgebung und wache nur gelegentlich auf, um unter großen Anstregungen mein Handy zu entsperren und auf die Karte zu schauen. So vergeht Kilometer für Kilometer und .. es ist gar nicht übel. Irgendwann, wenn mir die Nordsee zu langweilig wird, achte ich auf das Geräusch wie der Regen auf die äußerte meiner Kapuzen prasselt und stelle mir vor, wie ich nach einem langen Tag nach Hause komme, den Kamin anwerfe und zu dem Klang von Regen, der gegen die Scheibe peitscht, eine heiße Tasse Tee genieße, während ich mich vom Feuer wärmen lasse. Als ich zudem realisiere, dass kein Grund besteht, den teilweise sehr tiefen und großen Pfützen auszuweichen, sondern ich mit meinen klitschnassen Schuhen einfach durchlaufen kann, eröffnet sich mir eine ganz neue Beschäftigung und die Zeit verfliegt.

    Meine Mama hingegen geht etwas anders mit der Situation um. Zunächst ist etwas Zuspruch notwendig, um sie davon zu überzeugen, dass wir uns kein Taxi holen und auch nicht per Anhalter fahren. Während wir dann schließlich laufen, erfahre ich im Nachhinein, dass sie sich vor allem damit auseinander gesetzt hat, wie wir aus dieser Situation herauskommen. Ob wir doch ein Auto anhalten sollten, warum aber niemand uns klitschnasse, fremde Pilger im Auto haben wollen würde, wie viel wohl ein Taxi kosten würde und wie lange wir denn jetzt noch vor uns hätten, wenn wir jetzt dort und dort sind. Später habe sie einfach nur den Kopf ausgeschaltet und still vor sich hingebetet.
    Als wir ankommen, lächelt einer von uns mit den Worten "War doch gar nicht so schlimm." während der andere sagt, dass er/sie morgen nirgendwo hinläuft. Ihr dürft raten, wer wer ist.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Auf dieser Reise habe ich gelernt, wie mächtig unsere Gedanken sind. Egal, ob es zu kalt, zu weit oder du zu schüchtern bist, jemanden anzusprechen, das alles ist deinem Körper egal und bloß eine Sache des Kopfes. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Mensch zu allem fähig ist, solange er es nur doll genug will. Auch wenn, durch etwas Regen zu laufen, nicht nach einer genügenden Qualifikation klingt, um Aussagen wie diese zu treffen, so bin ich mir sicher, dass ich nach dieser Reise, meine Ziele, egal wie hart sie erscheinen mögen, mit anderen, motivierteren und selbstüberzeugteren Augen sehen werde. Alles, was sich uns in den Weg stellt, lässt sich überwinden.

    So viel dazu.

    Um kurz nach 1 kommen wir in Madonna delle Bozzole an. Hier übernachten wir im "Albergo Restaurante Margherita". Auch wenn wir ursprünglich vereinbart hatten erst um 16 Uhr da zu sein, wird uns in unserem Zustand Zutritt gewährt. Die Frau vom Telefon hat seit dem letzten Gespräch wundersamer Weise nicht fließend Englisch gelernt, weshalb wir uns auch mit ihr nur auf italienisch verständigen. Sie zeigt uns unser Zimmer (Bild 7) und meine Mama erfragt, wo wir Wäsche waschen und vor allem trocknen können. Die Dame verweißt uns auf eine Wäscherei, 1,8 Kilometer entfernt.

    An dieser Stelle spreche ich mein tiefstes Dankeschön und Lob an meine Mama aus. Nachdem wir uns beide geduscht und etwas aufgewärmt haben, beschließt sie sich auf den Weg zu der Wäscherei zu machen. Ich sehe ihr an, dass es ihr wichtig ist, saubere und vor allem trockene Wäsche für morgen zu haben und bestehe darauf, dass ich gehe. Unter dem Vorwand, dass sie ja aber besser wisse, welches Programm und wie lange die Wäsche bräuchte, setzt sie ihren Mutterinstinkt durch, nicht ihren Sohn raus in die Kälte zu schicken. Auch wenn ich gerade groß darüber philosophiert habe, wie gut ich mit dem Wetter draußen klar gekommen bin, habe ich durchaus nichts dagegen, nicht nochmal nach draußen in den Regen zu müssen.
    Als meine Mama 2 Stunden später mit wohlriechender und trockener Wäsche zurückkommt, platze ich fast vor Stolz vor meiner starken Mama.

    Um unsere Schuhe kümmern wir uns mit dem kleinen Fön in unserem Bad. Damit dieser nicht durchbrennt (gerechtfertigte Befürchtung) trocknen wir unsere Schuhe alle 10 Minuten für 2-3 Minuten. Nicht sehr effektiv, aber trocken sind unsere Schuhe morgen trotzdem. Der war gut.
    Um 18 Uhr gibt es Abendessen in unserem Albergo Restaurante. Die Spaghetti mit pollo, die wir uns gewünscht hatten, werden uns wider Erwarten nicht zusammengemischt serviert, sondern in zwei Gängen: Zuerst Spaghetti mit Tomatensauce, danach quasi als zweiter Gang Hähnchenfilets mit jeweils einer Scheibe Zitrone. Schmecken tut's und satt macht es auch, und mehr könnten wir uns nach einem solchen Tag nicht wünschen.
    Baca lagi

  • Pavia

    3 Oktober 2020, Itali ⋅ ☁️ 17 °C

    Pavia heißt unser heutiges Ziel und somit auch das letzte Ziel auf meiner Reise. Nach 27 Tagen steige ich heute abend, um 21:50 Uhr, zusammen mit meiner Mama, die mich die letzte Woche fleißig begleitet hat, in den Bus nach Frankfurt.
    Bis dahin haben wir aber noch ein bisschen was vor uns.
    Zunächst einmal müssen wir nach Pavia kommen und dieses liegt 23 Google Maps Kilometer von unserer Unterkunft entfernt.
    Wir stehen also klassisch um 7 Uhr auf, frühstücken um 8 und laufen um kurz vor 9 los.

    Das Wetter meint es gut mit uns, denn während es die komplette Nacht bis morgens durchgeregnet hat, hört der Regen gegen 8 Uhr auf. Als wir uns ab 9 Uhr einen Weg durch die Landschaft bahnen, kriegen wir nur noch einzelne Tropfen ab und gegen Mittag kommt sogar die Sonne raus. Das gute Wetter hat aber zwei Nachteile:
    Zum einen sind Pfützen, die gestern noch wie eine Spielwiese für mich waren, heute strengstens zu meidende Erzfeinde meiner inzwischen nahezu trockenen Schuhe. Und Pfützen gibt es nach 24 Stunden Regen viele.
    Zum anderen bedeutet Sonne, dass die Fliegen rauskommen. Egal, ob bei unserem Pause"versuch" in "Canarazzo", den wir wegen dem Fliegenbefall abbrechen mussten, oder auf der Wiese in Pavia, die Biester sind überall und machen ein entspanntes Verschnaufen unmöglich. Bild 6 wurde während dem Laufen auf der Landstraße geschossen und gibt einen Vorgeschmack, wie es stillliegend auf der Wiese war. Es muss an dem Wechsel von Regen zu Sonne liegen, denn ich kann mich nicht entsinnen, wann ich das letzte mal, binnen so kurzer Zeit, so viele Fliegen im Ohr (!) gehabt habe.

    Motiviert sind wir auf jeden Fall trotzdem, denn um kurz vor 12 haben wir bereits 15 Kilometer hinter uns.
    Ein Highlight, das ich auf dem Hinweg noch erwähnen möchte, ist ein Mann, der wegen uns anhielt und auf Englisch (!) fragte, ob bei uns alles in Ordnung sei und ob wir etwas bräuchten. Wir lehnten zwar dankbar ab, sind aber über diese Freundlichkeit sehr erstaunt und vor allem sehr dankbar. Lieber einmal zu oft fragen, als einmal zu wenig.
    Um 14 Uhr sind wir in Pavia. Hier legen wir uns erstmal zur Feier auf eine Wiese am "Ticino" (Bild 8) und genießen die Sonne. Das Vergnügen hält für eine halbe Stunde, bis ich schließlich abbrechen muss, wegen dem andauernden Fliegenbefall. Schwerfällig stehen wir auf und laufen in die Innenstadt Pavias. Auf dem Weg zum Touristenbüro flanieren wir durch eine gut gefüllte Einkaufsstraße und bewundern die vielen gut gekleideten Menschen. Selbst mir, der ich gewöhnlich nicht sehr auf Mode und die Kleidung andere achte, fällt auf, dass, egal welches Alter, die Menschen sich einfach stilvoller und experimentierfreudiger anziehen als in Deutschland. Pavia ist eine Universitätsstadt mit ca. 70000 Einwohnern und damit demographisch vergleichbar mit Marburg. Die Menschen in Marburg sehen definitiv nicht so aus. Normalerweise wäre es mir unangenehm so "underdressed" durch die Stadt zu laufen, doch der Pilgerlook ist ein ziemlich guter Joker, um nicht am stillen Wettstreit um das schönste Outfit teilnehmen zu müssen.
    Im Touristenbüro holen wir uns den letzten Stempel für unsere Reise ab. Unsere beiden Pilgerpässe nebeneinander sehen damit schon ziemlich beeindruckend aus (Bild 1) (rein objektiv betrachtet).
    Die Studentin, die im Touristenbüro arbeitet, empfiehlt uns zu der Einkaufsstraße, durch die wir gekommen sind, zurückzukehren, dort wären nämlich die einzigen Restaurants, die um 16 Uhr offen hätten. Wir stillen unseren Hunger mit einer Quiche und einem Stück Pizza und machen danach, was Pilger immer tun: Wir besichtigen Kirchen. Die erste ist ziemlich unspektakulär, aber die zweite ist nicht ohne. Dabei handelt es sich um den Dom Pavias, welcher, wie meine Mama fleißig recherchiert, die drittgrößte Kuppel in Italien beherbergt. Auch sonst ist er beeindruckend, aber langsam haben wir uns an Kirchen satt gesehen und verlassen den Dom baldig, um uns ein Eis zu holen.
    Im Eiscafe werden wir wieder von einer süßen Studentin bedient, die uns mit leckerem Pistazieneis und Eiskaffee verwöhnt. Hier füllen wir auch nochmal unsere Wasserflaschen auf und machen uns anschließend auf den Weg zum Bahnhof. Den Zug um 18 Uhr verpassen wir knapp und müssen auf den 19 Uhr Zug warten. Meine Mama fürchtet, dass wir zu spät kommen, weshalb wir in einen anderen, früheren Zug steigen, der uns an ein anderes Ende von Mailand befördert. Das ist kein Problem, denn aus einem Gespräch mit wiederum zwei anderen Studentinnen im Zug erfahre ich, wo wir rauskommen, mit welcher Metro wir wo hinfahren müssen und wie lange das dauert. Nicht lange danach sind wir am Busbahnhof Lampugnano. Die beiden Fahrten über eine Strecke von über 40 Kilometern haben uns übrigens jeweils 6 Euro (!!!) gekostet. Liebe Deutsche Bahn, bitte mitschreiben.

    Lampugnano ist wie die Südseite des Frankfurter Hauptbahnhofs vor 10 Jahren, im used look. Wir sind 1,5 Stunden vor unserem Bus da und wollen diese 1,5 Stunden nur sehr sehr ungerne hier verbringen. Deshalb benutzen wir unsere Metrotrickets nochmal, um runter an die Station zu kommen und dort am Gleis auf einer Bank zu warten (Bild 10). Ein heftiges Upgrade verglichen zu dem, was uns oben erwartet.
    Um 22:10 Uhr steigen wir schließlich in den leicht verspäteten Bus. Bin ich traurig, dass die Reise vorbei ist? Ein wenig. Wurde es langsam Zeit? Definitiv.
    Ich bin zu müde, um meine Gefühlswelten heute näher zu erörtern. Was ich aus meiner Reise mitnehme und ein generelles Follow-up plane ich morgen oder in den nächsten Tagen in einem separaten Footprint hochzuladen. Ob ich das wirklich in die Tat umsetze, erfahrt ihr dann. Gute Nacht 😴
    Baca lagi

  • Tamat perjalanan
    7 Oktober 2020