Un petit pèlerinage

September - October 2020
A 31-day adventure by Michael
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  • Day 11

    Culmont

    September 17, 2020 in France ⋅ ☀️ 23 °C

    Zum Frühstück gibt's Cornflakes. Auch wenn es bestimmt nahrhaftere und sinnvollere Alternativen gibt, freue ich mich wie ein kleines Kind als ich die gestern noch gekaufte Milch und Tresor-Packung aus der Küche hole. Ohne Eile packe ich und verlasse um kurz nach 8 das presbytère während ich nebenan schon die Gemeindemitglieder beten höre.

    Als Ziel habe ich mir heute das lediglich 11 km entfernte Culmont gesetzt, weil es unweit der Strecke einen See gibt, den ich schon von Langres gesehen habe. Bei diesem möchte ich selbstverständlich vorbeischauen.

    Der Weg zum See dauert etwa eine Stunde und auf dem Weg laufe ich an grünen(!) Wiesen vorbei, auf denen wohlgenährte Kühe grasen, und einem kleinen Kanal, der zusammen mit den anliegenden Hügeln wieder eine schöne Szenerie bietet.

    Der See ist überraschend leer, denn außer einigen Anglern, ein paar Bauarbeitern und einer Segelschule sehe ich auf dem Weg zum Strand niemanden. Ja richtig, es gibt einen kleinen Sandstrand, wo ich mich entschließe die nächsten Stunden zu verbringen. Dieses Mal kann ich sogar ins Wasser und zögere keine Sekunde, diese Möglichkeit zu nutzen. Das Wasser ist frisch, aber sobald ich richtig schwimme, ist das vergessen. Ich drehe ein paar Runden und humple dann zurück zu meinem Handtuch, um möglichst wenig Sand an meine Blasen kommen zu lassen.

    Während ich in der Sonne trockne, gesellen sich noch ein paar andere Leute an den Strand, doch es ist kein Vergleich damit, wie viel hier wohl in Zeiten ohne Corona los sein muss. Der See ist sehr groß und sauber, es gibt Fahrradwege, Wiesen, einen Campingplatz, ein Hotel, mehrere Imbisse und viele andere Sachen, die den Ort hier attraktiv für Touristen machen. Man hat eine atemberaubende Sicht auf Langres und das Tal dazwischen, man kann angeln, Segeln und Segeln lernen und trotzdem sind als ich um 12 Uhr den See verlasse genau 9 Leute hier. Naja mir macht's nichts aus.

    Vom See aus folge ich der Landstraße wieder durch ein paar Örtchen, ein wenig Wald, ein wenig Feld. Die anfängliche Freude darüber, dass es jetzt etwas hügeliger ist, verfliegt als ich zum vierten mal auf einen Hügel steige, um zu sehen, dass es sofort danach wieder runter geht.

    Trotzdem laufe ich die 11 km vom See nach Culmont durch und werde dafür belohnt. Genau zur richtigen Zeit erreiche ich den Ortseingang von Culmont, wo ich Zeuge werde, wie ein Lkw versucht sich wieder aus dem Straßengraben zu lösen, nachdem der Fahrer wohl eine Kurve etwas zu eng genommen hat. Der relativ junge Fahrer flucht vor sich hin, also biete ich ihm meine Hilfe an, stelle mich etwas neben den Laster und lasse den Fahrer wissen, mit welcher Kombination aus Gas und Lenken er die größten Erfolge macht. Nach einigen Malen Abwürgen und einem etwas verbogenen Radkasten ist der Lkw wieder auf der Straße und der Fahrer bedankt sich bei mir. Leider habe ich von dieser gesamten Situation keine Bilder.

    Schlafen tue ich heute wieder in einer gîte, einer Art Hostel für Pilger, aber nicht kirchlich wie die presbytères. Beim Anblick des Stockbetts kommen schlimme Erinnerungen hoch an meine erste Nacht in Reims, aber auch heute habe ich das gesamte Haus für mich allein und damit auch kein Problem mit Stockbetten. Generell bin ich der erste Gast diesen Monat, erzählt mir der Besitzer.

    Den Rest des Tages verbringe ich draußen bei den Tieren im Hinterhof und lese. Außerdem spaziere ich kurz ins 2 km entfernte Chalindrey, wo ich mich im Supermarkt für heute abend und den langen Marsch morgen eindecke.
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  • Day 12

    Champlitte

    September 18, 2020 in France ⋅ ☀️ 25 °C

    Heute habe ich mit 29 km den bisher längsten Marsch der Reise vor mir. Ich habe noch vor Augen wie erschöpft und kaputt ich war, als ich am zweiten Tag die 28 km nach Châlons-en-Champagne gelaufen bin. Seitdem hatte ich von Strecken über 25 km abgesehen. Dieses Mal geht es nicht anders, aber gleichzeitig bin ich gespannt, ob ich, über eine Woche später, besser damit zurechtkomme. Ich bin zuversichtlich.

    Um 6 Uhr stehe ich auf, packe, fahre für meine Füße das volle Programm auf (Anti-Blasen-Socken, Hirschtalgcreme und Blasenpflaster) und frühstücke ausgiebig (zwei Quiches+2 Joghurts=1100 Kalorien), bevor ich mich noch früher als erhofft, um 7:15 Uhr, auf den Weg mache. Draußen ist es kalt und dämmert noch, aber ich möchte möglichst viel Strecke hinter mich bringen, bevor der unangenehme, warme Teil des Tages beginnt (immer ab 11:30 Uhr).

    Das gelingt mir ziemlich gut. Meine erste Pause mache ich um 10 Uhr an einer kleinen Hütte (Bild 5). Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon die Hälfte der Strecke geschafft. Der Weg bis dahin war ganz normal: Landstraße, Waldweg, ein paar hundert Meter nur Wald, ohne Weg (Danke Google)(Bild 4). Trotzdem ist alles viel grüner und damit einfach schöner, als es noch vor 150 Kilometern war.

    Ich nehme mir vor, es bis zur Mittagspause um 12 Uhr noch bis nach Coublanc zu schaffen, dem Ort, wo die heutige Etappe eigentlich laut der via francigena enden sollte, komme dort aber schon um halb 11 an und entscheide noch etwas weiter zu gehen.

    So kommt es, dass ich, kurz nachdem ich das nächste Département erreiche (Bild 6), mich um 12 Uhr auf ein paar Paletten an einer Scheune niederlasse (Bild 7) und offiziell Mittagspause mache. Diese habe ich mir reichlich verdient, denn vor mir liegen nur noch etwa 7 Kilometer und hinter mir 22. Meine Füße tun mir zwar etwas weh, aber es ist nichts, was 10 Minuten Füße hochlegen nicht wieder richten würden.

    Insgesamt verbringe ich über 1,5 Stunden mit Schlafen, Lesen, Sonnen und mache mich um kurz vor 2 wieder auf den Weg.

    Auch wenn die restlichen 7 Kilometer von der Szenerie her wieder viel zu bieten haben, sind sie gefühlt anstrengender als die ersten 22. Die Wärme, der Schweiß und die Sonne geben mir den Rest und ich komme wieder völlig fertig an. Es ist jedoch kein Vergleich zum zweiten Tag, an dem ich abends meine Beine nicht mehr bewegen konnte.

    Champlitte ist zwar die größte Stadt in der Umgebung, aber immer noch ziemlich klein. Es gibt ein Touristenbüro, wo ich mir den Schlüssel für meine heutige Unterkunft abhole, einen Supermarkt und ... ein Schloss (Bild 1+10 ). Dieses ist sogar ziemlich groß und beinhaltet ein Museum, welches ich mir unbedingt anschauen soll, rät mir die Dame im office de tourisme.

    Da ich kein großer Museenfan bin und nicht plane viel Zeit darin zu verbringen, tauche ich erst 20 Minuten vor Ladenschluss auf. Zu spät, findet das Mädchen am Schalter. Jetzt bin ich aber dort und würde mir gerne kurz ansehen, was dort ausgestellt ist, nicht aus Interesse, sondern aus Prinzip. Ich verwickele sie also in ein Gespräch über das Museum, ihre Englischkenntnisse und was man in Champlitte noch so machen kann. Als ihre Kollegin mit den letzten Besuchern in den Eingangsbereich kommt, tauschen sie kurz ein paar Worte auf Französisch aus und ich kriege eine halbstündige Tour durch die wichtigsten Teile der Ausstellung. Ausgestellt wird das Leben der Menschen im 19. Jahrhundert. Nichts, was man noch nie gesehen hat, und auf französisch besonders wenig reizvoll, aber ich habe meine Tour bekommen und darum ging es ja schließlich. Am Ende wünsche ich den beiden noch einen schönen Abend, bedanke mich für die Tour und mache mich auf den Weg in meine gîte, denn ich bin am verhungern.

    Zum Essen gibt es Nudeln mit Pesto und Würstchen und zum Nachtisch Snickers-Eis. Anschließend setze ich mich vors Rathaus, gegenüber von meiner Unterkunft und genieße das Gratis Wlan.
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  • Day 13

    Seveux

    September 19, 2020 in France ⋅ ☁️ 21 °C

    Die Erfolge des gestrigen Tages motivieren mich dazu, erneut um 6 Uhr aufzustehen und mich um 7:15 Uhr auf den Weg zu machen. Es ist bloß eine Sache anders als an allen anderen Tagen: Es ist Regen vorhergesagt ab 7 Uhr. Ich packe also meine Regenjacke und -haube für den Rucksack nach ganz oben und traue mich vorsichtig vor die Tür.

    Von Regen keine Spur, es ist sogar wärmer als gestern morgen und ich marschiere guter Dinge die Hauptstraße entlang in Richtung des 23 km entfernten Seveux. Ich sehe einen malerischen Sonnenaufgang über einer märchenhaften Landschaft und Punkt 8 Uhr kommt der Regen.

    Es ist bloß Nieselregen, wegen welchem ich mir zunächst zu faul bin die Regensachen rauszuholen, aber als er nach einer halben Stunde nicht verschwindet, packe ich sie doch aus. Wie ich feststelle, hat sich das gelohnt, denn der Regen hört erst gegen 11 Uhr wieder auf. Vor 100 Kilometern hätte ich mich noch über den Regen gefreut, aber die Gegend hier scheint nicht solche Wasserprobleme zu haben und beim Wandern ist er eher unpraktisch.

    Zum Glück folge ich heute ausschließlich der Landstraße und muss keinen Fuß auf die nasse Wiese oder die matschigen Waldwege setzen. Stattdessen komme ich durch viele kleine Dörfer durch, die ich in meinem Kopf vergleiche. Hier ist eine Liste, sortiert nach Beliebtheit (absteigend).

    1. Delain (Unauffällig, aber mit einer Art überdachtem antiken Fußbad, das einen guten Spot für eine Frühstückspause abgegeben hat (Bild 7+9)

    2. Achey (Unauffällig, aber flach und am Ortsausgang waren Pferde und eine Kuhherde, die mich nicht nur beobachtet haben, sondern auch ein Stückchen mitgelaufen sind und angefeuert haben)

    3. Denèvre (Unauffällig, aber flach)

    4. Neuvelle-lès-Champlitte (schön, ordentlich, aber ich musste einen kleinen Berg hoch)

    5. Framont (Charakter, erstaunlich große Kirche, schöne Häuser, aber ich musste einen großen Berg hoch)

    6. Dampierre-sur-Salon (kleine Stadt mit zwei Supermärkten(!), lebendig, aber viele Autos, hauptsächlich Industriegebiet und kein besserer Ort für eine Mittagspause als eine Parkbank an der Hauptstraße (Bild 10) (und bei meinen Mittagspausen bin ich wählerisch))

    Nach der Mittagspause in Dampierre sind es nur noch 6 km nach Seveux. Diese sind irgendwann auch gelaufen und um halb 2 komme ich an. Mit dem Gastgeber habe ich 14 Uhr vereinbart, also bleibt etwas Zeit für ein Nickerchen auf einer Steinmauer am Bach.

    Bei der gîte werde ich vom 17-jährigen Sohn empfangen, der mir mein Zimmer zeigt und ein Bier anbietet. Diese Unterkunft ist ein wenig anders als die anderen, denn ich übernachte quasi bei einer Familie, in einem abgetrennten Bereich. Und das beste: Es gibt einen Pool. Zu diesem verschlägt es mich, nachdem ich meine Wäsche gewaschen habe. Der Poolbereich hat schon bessere Tage gesehen und das Wasser ist für meinen Geschmack zu kalt, aber ein paar Bahnen drehe ich trotzdem und lasse mich dann auf eine Liege nieder um zu lesen.

    Zum Abendessen um 19:30 Uhr sitzen der Vater, einer der zwei Söhne und ich zusammen und tauschen uns bei einem Glas Rosé und einem Reisauflauf mit Tomaten aus dem eigenen Garten über Deutschland, Frankreich und die Welt aus. Der Vater macht unter anderem deutlich, dass er das ländliche Leben bevorzugt und dass Städte, Flugreisen und Karrierepläne neuzeitige Phänomene sind, die den Menschen nur krank und unglücklich machen. Ich teile seine Meinung nur bedingt und so entsteht, auf französisch(!), ein lebhaftes Gespräch. Der Sohn mischt sich auch ein und ich erkenne, dass er mir bei vielem zustimmt, sich aber nicht traut das vor dem Vater zuzugeben. Um 21 Uhr ist dann aber auch wieder Schluss und für mich geht's Richtung Bettchen.
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  • Day 14

    Gy

    September 20, 2020 in France ⋅ ☀️ 22 °C

    Beim Frühstück um 8 Uhr unterhalte ich mich nochmal kurz mit dem Vater und mache mich um 9 Uhr auf den Weg. Es geht nach Gy, das nur 19 km entfernt ist. Gy war nicht die erste Wahl, denn der kurze Weg dahin bedeutet, dass ich morgen einen umso längeren nach Besançon vor mir habe. Auch die Unterkunft im Hotel "Pinocchio" ist suboptimal und eigentlich zu teuer. Außerdem ist es Sonntag und ich habe bei meiner Essensplanung nicht berücksichtigt, dass heute die Läden geschlossen haben.

    Alles nicht sehr zufriedenstellend, ich muss etwas ändern. Im Internet finde ich eine gîte, die ebenfalls in Gy liegt, aber auf keiner Unterkunftsliste auftaucht. Ich entschließe dort anzurufen und befinde mich kurz darauf in einem Gespräch mit Claudine.

    Keine Person, bei der ich bisher angerufen habe, hat es mir so einfach gemacht, meine Übernachtung zu organisieren, wie Claudine. Ich könnte gerne bei ihnen übernachten, kosten tue es normalerweise 40 Euro, aber als Pilger solle ich ihr einfach geben, was mir passend erscheint, es sei Sonntag und daher wäre es selbstverständlich, dass es Frühstück und auch Abendessen geben würde und als ich ihr mitteile, dass ich vermutlich schon um 13 Uhr in Gy bin, freut sie sich und teilt mir mit, dass ich dann ja mit ihrer Familie zu Mittag essen könne.

    Gesagt, getan, um 13 Uhr komme ich bei ihrer "gîte du parc de la charmotte" an und werde von Claudine empfangen, die es so cool findet, dass jemand so junges wie ich pilgert, dass sie direkt ein Bild von mir macht. Ich dusche, räume meine Sachen aus und frage sie ob ich beim Vorbereiten des Mittagessens helfen kann. Ohne zu zögern drückt sie mir die Teller in die Hand und schickt mich zum Tischdecken raus.

    Kurz darauf finde ich mich mit Claudine (Anfang 50), Francine (ihrer 88 Jahre alten Mutter), ihrem Sohn Arno (~27) und seiner Freundin am Tisch wieder und in mehreren Gängen werden Wurst- und Käseplatten, Salat, Reis, Omelett, Brot und zum Nachtisch Griesbrei mit Pfirsichkompott serviert. Auch wenn es offensichtlich keine alltägliche Situation für sie ist, fühlt es sich wie eine an. Alle erzählen, was sie zurzeit machen und ich werde zu allen Aspekten meines Lebens ausgefragt. Es ginge zu weit das Gespräch zu rekapitulieren, aber ich fühle mich sehr wohl bei ihnen zu Tisch und als wir danach durch deren Garten spazieren gehen mit ihrem Deutschen Schäferhund und ihrem Schaf Flockie, das anstatt scheu zu sein, einem auf Schritt und Tritt folgt und dabei mit seiner Halsglocke läutet, wundert mich das auch nicht mehr.

    Nachmittags lege ich mich in den Garten, lese ein wenig und dehne mich. Aus dem Nichts stehen Claudine und ihre Freundin vor mir und sagen, dass ich mitkommen soll, mir das Käsemuseum anschauen. Das "Käsemuseum" befindet sich 30 Meter weiter auf dem übrigens sehr großen Grundstück und besteht aus den übriggeblieben Stücken aus der riesigen Käserei, die hier einst war und ihrer Familie gehörte. Ich schaue mir das Ganze an und versichere ihr, dass man daraus tatsächlich ein Museum machen könnte, denn das könnte man.

    Offenbar war ihre Familie Anfang des 20. Jahrhunderts einer der drei größten Käsehersteller des Landes und das hat in Frankreich etwas zu bedeuten. Stolz zeigt sie mir ein Fotoalbum, wo die Riesenarbeit abgebildet ist, die der Abriss der Käserei war. Wir unterhalten uns anschließend darüber, wie man mehr Gäste auf die gîte aufmerksam machen könnte und um 19:30 Uhr gibt es Abendessen, wieder mit der gesamten Familie.
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  • Day 15

    Besançon Tag 1

    September 21, 2020 in France ⋅ ☁️ 20 °C

    Heute werden die 30 geknackt. Genau zwei Wochen nach Beginn meiner Pilgerreise laufe ich das erste mal eine Strecke von 30,... Kilometern. Das bedeutet für mich um 6:30 Uhr aufstehen, frühstücken, nochmal bei Claudine für die herzlichste Unterbringung der gesamten Reise bedanken und anschließend um 7:30 Uhr loslaufen.

    Ich bin motiviert. Meine erste Pause mache ich erst 4 Stunden später, als ich bereits 20 Kilometer hinter mir habe. Die Highlights bis dahin umfassen:
    - Mir fällt in der Vormittagssonne auf, dass ich mehr und mehr aussehe wie der Typ auf meinem Pilgerpass.
    - im Wald fliegt ohne Vorwarnung ein Düsenjet des französischen Militärs schätzungsweise 200 Meter über meinem Kopf vorbei (Ich werde nie wieder so hören können wie zuvor)
    - zwei Jäger, die nach der Kurve, um die ich laufe, auf Kaninchen schießen (das erfahre ich erst nach der Kurve) und ein sehr erschreckter Michael, der laut "Attention" schreit, um nicht erschossen zu werden

    Während der 20 minütigen Pause gebe ich es auf, eine Unterkunft über die Seite "Couchsurfing" zu finden und entscheide mich für das Diözesanhaus, wo eine Unterkunft mit Frühstück 11 Euro für Pilger kostet.

    Die restlichen 11 Kilometer nehme ich mir vor, in zwei Etappen von 7 und 4 Kilometern zu teilen. Daraus wird nichts, denn "Besançon" erreiche ich schon nach 6,5 Kilometern. Vom Ortseingang, natürlich auf einem Berg, sehe ich Besançon vor mir und vor allem die Berge dahinter, über die ich wohl oder übel drüber muss auf dem Weg nach Pontarlier.

    Ab dem Moment, an dem ich in Besançon bin, besteht für mich wenig Sinn darin, noch eine Pause zu machen. Damit bin ich, als ich ankomme, 30 Kilometer in 6,5 Stunden gelaufen, abzüglich einer kurzen Pause von 20 Minuten. Ich bin ziemlich stolz. Am ersten Tag war ich schon von 19 Kilometern fix und fertig, heute jedoch habe ich genug Energie, um mir einen Bulgursalat zu holen und diesen auf dem "Place de révolution" zu verspeisen, während ich die Menschen hier beobachte.

    Mir kommt das großstädtische Treiben sehr bekannt, aber gleichzeitig auch sehr fremd vor. In Deutschland bin in Städte wie Frankfurt und Marburg gewöhnt, wobei mir Marburg sogar oft als sehr klein und zu überschaubar vorkommt. Besançon mit seinen 116.000 Einwohnern sollte damit sowas wie mein "natürliches Habitat" sein, aber irgendwie fühlt es sich nicht sehr natürlich an. Anstatt sich beim Vorbeilaufen anzulächeln und zu grüßen, wie ich es beim Wandern pflege, schauen die Leute oft weg, wenn man an ihnen vorbeiläuft, gucken eher streng als freundlich und nachdem man 15 Minuten durch die Fußgängerzone gelaufen ist, kann man auch nicht anders. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich habe mich an das ruhige, familäre und ländliche Frankreich gewöhnt.

    Es ist trotzdem schön, die jungen Menschen zu sehen und in der Universitätsstadt Besançon gibt es viele davon. Auf meinem Weg durch die Innenstadt treffe ich Lia, kurz für Cèlia, die erstaunlich gut Englisch spricht und mir die Zitadelle empfiehlt, wo heute der letzte Tag ist, an dem dort ein Festival der klassischen Musik stattfindet.

    In meiner Unterkunft, die übrigens eine sehr schöne Aussicht bietet (Bild 9), angekommen, mache ich aber erstmal meine Wäsche, ruhe mich aus und was der Abend noch bringt, steht in den Sternen.
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  • Day 16

    Besançon Tag 2

    September 22, 2020 in France ⋅ ⛅ 20 °C

    Der heutige Tag stellt eine kleine Besonderheit dar. Anstatt wie immer früh morgens aufzustehen und zum nächsten Ziel entlang der via francigena zu wandern, mache ich heute eine Pause. Eine Pause vom Frühaufstehen, eine Pause vom stundenlangen Laufen, eine Pause für meine Füße, Beine und Schultern und eine Pause für meinen Geist. Als ich heute morgen um 8 Uhr von meinem Wecker geweckt werde, besteht kein Grund zur Eile, ich kann einfach im Bett liegen bleiben und die Sonne genießen, die durchs Fenster strahlt.

    Aus dem Zimmer muss ich irgendwann trotzdem, denn ich muss noch nachfragen, ob ich noch eine Nacht bleiben kann (Ja, kann ich.) und das Frühstück hat auch nicht ewig offen. Letzteres nehme ich in einem Saal zeitgleich mit 4 älteren (also, wirklich älteren, älteren) Herren zu mir und es ist so still, dass ich mich kaum traue, richtig zu kauen. Als ich aufstehe, um zu gehen, fragt mich einer der Herren, wie es mir geht und was ich hier mache. Freundlich antworte ich ihm auf französisch, er versteht offensichtlich kein Wort, lächelt und nickt bloß. Ich bedanke mich für die Nachfrage und wünsche den Herren einen schönen Tag. Das verstehen sie wieder und wünschen mir im Kanon einen schönen Tag zurück.

    Nach dem Frühstück mache ich auf eigene Faust eine kleine Sightseeing-Tour und laufe dazu hoch Richtung Zitadelle. Die Altstadt von Besançon ist wirklich wunderschön und nachdem ich durch die "Porte Noire" schreite (Bild 2) bin ich im oberen Teil der Altstadt angekommen, die praktisch nur aus Denkmälern und wichtigen Gebäuden besteht. So zum Beispiel die Cathédrale Saint-Jean (Bild 3), die sehr groß und anmutig ist, weshalb es mich wundert, wieso ich der einzige Mensch darin bin, abgesehen von einer Reinigungskraft, die den Altar säubert. Wirklich beeindruckend wird es aber erst, als ich bei der Zitadelle ankomme. Diese liegt ganz oben auf dem Berg und bietet eine überwältigende Aussicht über das gesamte Besançon-Tal. In den vorderen Bereich der Zitadelle kann man sogar ohne Eintritt zu zahlen und dieses Angebot reize ich natürlich vollständig aus. Außer der Aussicht (von welcher ich meine zwei Lieblingsbilder beifüge) ist das Highlight dort oben das Tierreservat.

    Zunächst bemerke ich es gar nicht, aber als ich am Graben zum innersten Teil der Burg stehe, fällt mir ein Schild wie im Zoo auf, auf welchem die Affengattung "Gelada" abgebildet ist. Verwirrt sehe ich mich um und bemerke, dass unten im Burggraben tatsächlich ein paar Affen sitzen. Bei weiterem Hinsehen entdecke ich noch mehr von ihnen und sogar 2 Steinböcke, die auf meiner Höhe auf der anderen Seite des Grabens stehen. Auf dem Weg runter, aus der Zitadelle heraus, fallen mir dann schließlich auch die Lamas und Emus auf, die, durch einen einfachen Zaun abgetrennt, ebenfalls auf dem Gelände der Zitadelle leben.

    Nach der Zitadelle laufe ich den Fluss entlang in Richtung eines Parks, im welchem sich laut Aussage Lias ein Sportbereich befinden soll, den ich sehr gerne besuchen würde. Ich werde fündig und mache ein kleines Workout bestehend aus Klimmzügen und Dips, während zwei andere junge Männer dort Calisthenics betreiben, als wären sie im Olympischen Turnerteam. Nach dem Workout gehe ich kurz einkaufen und duschen und treffe mich anschließend mit Lia zum Mittagessen. Während wir am Kanal unsere Sandwiches essen, erzählt sie mir von ihrem Leben hier in Frankreich und um 14 Uhr begleite ich sie zu ihrem Vorlesungsgebäude, das praktischer Weise direkt neben dem Diözesanhaus liegt. Dort packe ich kurz ein paar Sachen und begebe mich mit Handtuch, Buch und Kopfkissen ausgestattet zu einer Wiese am Fluss, auf die ich heute morgen schon ein Auge geworfen hatte. Spontan stößt später auch Lia dazu, wir quatschen über meine Reise, das Reisen generell und um 19 Uhr macht sie sich auf zum Sport und ich mich zu meiner Unterkunft. Hier tanke ich nochmal Energie, esse wieder Bulgursalat und bereite mich auf den Marsch morgen vor.
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  • Day 17

    Ornans

    September 23, 2020 in France ⋅ ☀️ 18 °C

    Als um 6:30 Uhr mein Wecker klingelt, bin ich mir kurz sicher, dass mein Zeitplan auch einen zweiten Tag Pause vertragen könnte. Diesen Gedanken verwerfe ich sehr schnell, denn ich bin nicht hier her gekommen, um faul herum zu liegen, sondern um zu pilgern und mein nächstes Pilgerziel heißt Ornans und liegt 25 Kilometer Fußmarsch entfernt. Ich packe also, frühstücke wieder mit einigen älteren Herren, bezahle für die Unterbringung und mache mich, etwas später als erhofft, um 7:50 Uhr auf den Weg.

    Es hat heute Nacht durchgeregnet, aber gnädigerweise um 6 Uhr aufgehört. Als ich loslaufe beträgt die Temperatur angenehme 15 Grad, insgesamt gute Voraussetzungen. Die ersten 10 Minuten führen mich den Fluss entlang aus der Stadt, doch noch bevor ich Besançon verlasse, führt mich der Weg auf einmal links den Berg hoch. 5 Minuten später bin ich vollständig durchgeschwitzt und mein Puls, vorsichtig geschätzt, bei 140. Die angefügten Bilder (2+3) transportieren nur bedingt die Steigung, mit der ich morgens um 8 Uhr, noch halb verschlafen, konfrontiert wurde. Oben angekommen werde ich selbstverständlich mit einer tollen Aussicht belohnt (Bild 4), aber nicht einmal, von oben auf die Zitadelle zu schauen, lässt mich diesen dreisten Überfall auf mein Wohlbefinden vergessen.

    Zur Abwechslung geht es nach dem Berg nicht wieder herunter, sondern ich erreiche ein weites Plateau von Wäldern, grünen Wiesen und kleinen Dörfern (Bild 5), auf welchem ich langsam, aber sicher an Höhe gewinne. Das ist gut, denn während Besançon im Schnitt auf 400 Metern Höhe liegt, befindet sich mein Wochenziel Pontarlier auf ungefähr 1000. Hart erkämpfte Höhenmeter wieder zu verlieren, wäre damit sehr bitter und würde bedeuten, dass ich noch den ein oder anderen Schweißausbruch vor mir habe.

    Um halb 11 mache ich meine erste und einzige Pause. Zu diesem Zeitpunkt befinde ich mich in Tarzenay und habe bereits 14 Kilometer hinter mir. Während dieser Pause fällt mir eine Kleinigkeit auf: Ich habe den Zimmerschlüssel meiner letzten Unterkunft, inklusive Chip, mit dem man zu jeder Uhrzeit ins Gebäude rein und wieder raus kommt, noch in meiner Jackentasche. Als regelkonformen Deutschen stresst mich dieser Fund ungemein und ich rufe sofort im Diözesanhaus an. Die Frau am anderen Ende der Leitung scheint damit ein deutlich geringeres Problem als ich zu haben und mag meinen Vorschlag, den Schlüssel in einem Briefumschlag an sie zurückzusenden. Im Übrigen sagt sie, es gebe kein Grund zur Eile, es gebe ja schließlich einen Zweitschlüssel. Nach diesem Telefonat muss ich kurz schmunzeln. Oft denke ich, dass ich mich bereits an die französische Gelassenheit gewöhnt habe, manchmal, wie in diesem Fall, überrascht sie mich aber trotzdem.
    Nach einer halben Stunde und einer Packung Nüsse mache ich mich wieder auf den Weg ins nur noch 11 Kilometer entfernte Ornans.

    Nach der Pause geht's, wie sollte es anders sein, bergab (zur Information: Die Abschnitte davor habe ich in der Pause geschrieben, als ich noch nicht wusste, was kommt). Ich laufe wieder am Seitenrand der Landstraße, welche mich Stück für Stück um jeden gewonnenen Höhenmeter bringt. In Ornans angekommen, befinde ich mich wieder auf 350 Metern Höhe. Die schöne Lage der Stadt am Fluss zwischen den Bergen tröstet mich auch nur in Maßen darüber hinweg.

    Meine Unterkunft, das "Au Sanglier Qui Fume" liegt etwas außerhalb von Ornans. Genauer gesagt nennt sich so der Schrebergarten von Laurent und Augustine (beide um die 40), auf welchem sie schon seit einigen Jahren leben. Ich habe zunächst Schwierigkeiten, ihn zu finden, aber als ich dort bin, bin ich von seiner Größe überrascht. Er ist liebevoll dekoriert, es gibt mehrere Blumen- und Pflanzenbeete, eine große Wiese, auf der sich sogar ein Volleyballnetz und ein kleiner Spielplatz befindet, mehrere Bänke und Tische, die zum Verweilen einladen, und zwei Hütten. Eine ist etwas größer, hat eine Terrasse und gehört Laurent und Augustine und die andere ist etwas kleiner und beherbergt die Pilger, die hier gelegentlich vorbeikommen. Auch diese ist gemütlich eingerichtet und das Beste: Das Bett ist sogar 1,60 m breit, ein Traum.

    Wirklich interessant wird es aber erst beim "Badezimmer". Dieses ist hinter meiner Hütte situiert und zugegebenermaßen die praktischste Lösung für die Lage. Das Klo ist ein Plumsklo, bei welchem man mit Sägespänen "nachspült". Ein Fan bin ich nicht, aber es ist nicht das erste Mal, dass ich so eine Toilette benutze und wohl auch nicht das letzte. Erst bei der Dusche gewinnt Laurent aber mein Herz. Diese ist direkt neben der Toilette und besitzt die beiden Einstellungen "froid" und "moins froid". Was das bedeutet, können sich die Lesenden bestimmt denken. Damit es noch "moins froid" wird, solle ich aber noch eine Stunde warten, damit die Sonne noch mehr Zeit hatte, das Wasser aufzuwärmen. Als ich eine Stunde später dusche, entscheide ich mich für moins froid und dusche damit kalt, aber noch angenehm. Was "froid" ist, möchte ich zu dieser Gelegenheit aber nicht herausfinden.

    Um überhaupt erst Wasser zu haben, muss ich außerdem hinter die Hütte der beiden laufen und den Hahn aufdrehen, aber das stört mich nicht. Empfang gibt es hier keinen und Wlan damit noch weniger und auch das stört mich nicht. Es ist 17:30 Uhr als ich das hier in meiner Hütte schreibe und es wimmelt jetzt schon überall vor Mücken, aber auch das ist mir alles egal, denn: Sie sind nett. Sie sind unglaublich nett. Sie geben mir einen Briefumschlag für den Schlüssel und bieten an, ihn selbst zur Post zu bringen, ein Handtuch, weil meins evtl. bis morgen nicht trocknen würde, selbstgemachten Ingwersaft (gar nicht so übel), einen Wäscheständer damit ich nicht wieder mit meiner Wäscheleine auf Bäumesuche gehen muss und und und.
    Bei den beiden fällt mir nochmal deutlich auf, was dir alles egal und sogar recht ist, solange die Menschen freundlich zu dir sind.
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  • Day 18

    Pontarlier 1

    September 24, 2020 in France ⋅ ☁️ 17 °C

    Jetzt übertreibst du es Michi. Diese Worte gehen mir durch den Kopf, als mein Wecker um 6:15 Uhr klingelt.
    Als wir gestern Abend noch "Boule" mit Freunden von Laurent gespielt haben (Laurent und ich haben natürlich gewonnen), war noch alles gut. Als ich jedoch anschließend nach mehreren vergeblichen Versuchen, eine Unterkunft für den folgenden Tag zu finden, nur eine für den übernächsten in Pontarlier finde, steht meine Entscheidung fest: Ich überspringe eine Übernachtung.

    Nachdem ich also gefrühstückt und meine noch nicht einmal ansatzweise getrockneten Unterhosen und Socken außen an meinem Rucksack befestigt habe, mache ich mich um 7:40 Uhr auf den Weg.
    9 Stunden später, 37 Kilometer weiter, 500 Meter höher und komplett durchnässt vom Regen sitze ich in Pontarlier in einem schicken Café und genieße Tee zusammen mit einem Stück Kuchen. Ich bin fertig, selbstverständlich bin ich fertig. Ich bin heute 7 Kilometer weiter gelaufen als mein bisheriger Rekord und das ausgerechnet auf der steilsten Etappe der gesamten Reise. Meine Füße haben schon vor einigen Stunden aufgehört nur "weh" zu tun.

    Gleichzeitig bin ich froh, dass ich nicht gekniffen und in einem teuren Hotel geschlafen oder für einen Teil der Strecke den Bus genommen habe. Sonst wüsste ich jetzt nicht, wozu ich fähig bin und dass meine körperlichen Grenzen deutlich höher liegen, als ich mir zugetraut hätte. Denn obwohl ich fertig bin, fühle ich mich, als wäre sogar noch mehr möglich, nicht empfehlenswert, aber möglich. Dieses Gefühl, meine angeblichen Grenzen überschritten zu haben, macht mich stolz und ist sehr motivierend.

    Dafür, den Weg adäquat zu beschreiben, fehlt mir jedoch die Energie und es würde eh zu lange dauern. Ich bin entlang eines Flusses, durch einige wunderschöne Dörfer, auf einem fast 200 Jahre alten Gebirgspass, durch Wälder, Wiesen und sogar meinen ersten Tunnel auf der Reise gelaufen. Die Eindrücke, die ich heute bekommen habe, lassen sich schwer verschriftlichen, aber sie bleiben fest gespeichert in meinem Kopf und das ist das Wichtigste.
    Angefügt sind einige meiner Lieblingsbilder des Tages, die hoffentlich einen kleinen Einblick geben in die Schönheit der Natur, die ich heute erleben durfte.

    Etwa 40 Minuten vor meiner Ankunft in Pontarlier hat es angefangen zu regnen, besser gesagt zu schütten. Auch meine Regenjacke und Rucksackhaube waren keine große Hilfe. Wenn ich nicht kurz vor meinem Ziel gewesen wäre, weiß ich nicht, ob ich die Motivation hätte aufbringen können, den Marsch klitschnass zu beenden. Dieses Erlebnis bekräftigt mich in meiner Entscheidung, (dieses mal) die Schweiz zu überspringen, für welche niedrige Temperaturen und Regen vorhergesagt sind, und stattdessen meine Reise im sonnigeren Italien fortzusetzen.

    Meine Unterkunft in Pontarlier ist eine klassische "auberge de jeunesse". In der Nebensaison bedeutet das für mich aber bloß: 4-Personenzimmer bezahlen, Einzelzimmer bekommen. Da beziehe ich sogar gerne mein Bett selbst. In dieses kuschele ich mich übrigen nach einer heißen Dusche rein und genieße nach einem nasskalten Tag die Wärme. Abends gehe ich nur nochmal raus, um mir einen Döner zu holen. Dafür, Pontarlier zu erkunden, bleibt morgen noch mehr als genug Zeit, denn erneut habe ich mir einen Tag Pause herausgearbeitet.
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  • Day 19

    Pontarlier 2

    September 25, 2020 in France ⋅ ☁️ 8 °C

    Die Nacht ist sehr erholsam und ich wache um 7:30 Uhr auf, genau rechtzeitig für das Frühstück, welches um 7:45 Uhr beginnt. Außer mir sind noch 2-3 Leute beim Frühstück, was ziemlich sicher auch der Anzahl der besetzten Zimmer in der Herberge entspricht. Nach dem Frühstück lege ich mich in den gemütlichen Gemeinschaftsbereich. Hier gibt es Wlan und ich schaue, was ich heute machen kann.

    Die Recherche ist ernüchternd, denn Pontarlier hat mit seinen 17.000 Einwohnern nicht soo viel zu bieten. Außerdem hat es heute kuschelige 5-6 Grad und nieselt den ganzen Tag. Mein wärmstes Kleidungsstück, ein Thermopulli, trocknet zudem noch, nachdem ich ihn gestern gewaschen habe. Meine Motivation, die warme Herbege zu verlassen, hält sich in Grenzen.

    Um 11 Uhr überringe ich mich dann doch und mache mich zunächst auf den Weg ins Touristenbüro. Dort hole ich mir einen Stempel für meinen Pilgerpass ab und frage, was man hier in Pontarlier so machen kann. Die junge Dame zögert nicht lange und gibt mir einen Flyer mit einer Karte, auf welcher eine Route abgebildet ist, die alle Sehenswürdigkeiten enthält. Das passt mir sehr gut, denn so habe ich ein konkretes Programm und kann mich besser motivieren, dem kalten Wetter zu trotzen.

    Um 12 Uhr bin ich mit der Tour fertig. Pontarlier ist wirklich nicht sehr groß. Die Highlights umfassen die Kirche, in welcher zu meinem Glück gerade Orgel gespielt wurde, eine alte Kapelle, welche heute als Galerie für Kunstausstellungen fungiert, und die interessante Geschichte von Philippe Grenier, einem Arzt, der Anfang des 20. Jahrhunderts eine lokale Berühmtheit war und maßgeblich die ausgeprägte muslimische Gemeinde in Pontarlier mitgestaltete.

    Nach der Tour mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt. Mir ist inzwischen so kalt, dass ich sogar meine Maske anziehe, damit meine warme Atemluft mein Gesicht wärmt. Im Supermarché hole ich mir zwei Tiefkühlpizzen, eine Paprika, Skyr und etwas Obst. Als ich wieder in der Herberge ankomme und mir die Pizzen machen möchte, wird es lustig. Es gibt gar keinen Ofen und die Mikrowelle hat auch keine Backfunktion. Nach kurzem googlen finde ich heraus, dass es möglich ist, Tk-Pizza in der Mikrowelle zu machen und danach in der Pfanne anzubraten, um sie zumindest ein bisschen knusprig zu machen. Nicht empfehlenswert, aber möglich. Gesagt, getan, 10 Minuten später "genieße" ich meine Pizza, die tatsächlich essbar geworden ist.

    Auch nachmittags regnet es durch und das einzige, das es noch zu sehen gebe in Pontarlier, ist eine Absinthbrauerei am anderen Ende der Stadt. Die reizt mich nicht genug, um die Wärme zu verlassen, weshalb ich den restlichen Tag auf der Couch im Gemeinschaftsraum in der Jugendherberge verbringe. Auch solche Tage gibt es. Meine Füße haben jedenfalls nichts dagegen.
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  • Day 20

    Mailand

    September 26, 2020 in Italy ⋅ ☀️ 17 °C

    Der Titel dieses Footprints überrascht vielleicht den ein oder anderen Leser. Auch wenn ich im Laufe dieser Reise immer längere Strecken zurückgelegt habe und jeden Tag über mich hinausgewachsen bin, so ist die Strecke Pontarlier-Mailand weder auf der via francigena vorgesehen, noch mit insgesamt 398 Kilometern im Rahmen des für mich möglichen.

    Was heute stattdessen auf dem Programm steht, ist es, mich mit meiner Mama in Bern zu treffen und anschließend zusammen nach Mailand zu fahren. Von dort aus planen wir nach Ivrea zu fahren, damit wieder auf die via francigena zu stoßen und dieser dann gemeinsam für eine Woche zu folgen.

    Das Stück Pontarlier-Ivrea zu überspringen macht mir aus mehreren Gründen nichts aus.
    1. Die letzten zwei Tage in Pontarlier haben mir einen Vorgeschmack dafür gegeben, was mich für ein Wetter in der Schweiz erwartet. Es ist durchaus möglich, bei 3 Grad und Regen zu wandern, mit Spaß hat es nach meinem Geschmack jedoch nichts zu tun.
    2. Ab Pontarlier gibt es keine vernünftige Strecke, die man in 6-7 Tagen laufen könnte. Wie Naomi und ich bereits vor 2 Wochen erfahren durften, liegen nicht alle Ziele entlang der via francigena in der Nähe von Bahnhöfen. Da meine Mama aber mit der Abbreise am 3.10. wegen ihrer Arbeit nicht sehr flexibel ist, müssen wir nächsten Samstag an einem Bahnhof sein. Das ist in Italien besser möglich als in den Bergen der Schweiz.
    3. Ich werde dieses Stück nachhholen. Mir hat das Pilgern sehr viel Spaß gemacht und die via francigena in ihrer Gesamtheit zu vollenden, habe ich mir schon mehr oder weniger fest vorgenommen. Dazu gehört das Stück, Canterbury-Reims, Pontarlier-Ivrea und was uns nach den 7 Tagen noch Richtung Rom übrig bleibt. Alle diese Strecken eignen sich gut für 2-3 wöchige Reisen und lassen sich bequem in die Ferien eines Studenten einbauen.

    Auf der Zugfahrt von Pontarlier nach Bern bin ich alleine im Zug. Das ist mir ganz recht, denn so kann ich ganz schamlos von einem Fenster zum anderen laufen, um die malerischen Voralpen zu bewundern und zu fotografieren. Als der Zug auf halber Strecke am Genfer See und den vielen schönen modernen Häuser vorbeifährt, die alle den riesigen See überblicken, frage ich mich, wie die Jobaussichten für Psychologen in der Schweiz aussehen, denn hier lässt es sich definitiv leben.

    In Bern treffe ich dann meine Mama, die praktisch gleichzeitig mit mir ankommt und 30 Minuten später sitzen wir gemeinsam im Zug nach Mailand. Dieser ist erstaunlich voll und zum ersten mal kommt mir die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr sinnvoll vor.
    Die gelegentliche Aussicht auf die Alpen während der Zugfahrt ist zwar überwältigend, aber die Hälfte der Zeit sind wir im Tunnel, weshalb ich die Zeit lieber mit dösen und Blog schreiben verbringe.

    Um 16:40 Uhr kommen wir in Mailand an und begeben uns direkt zu unserem (4-Sterne) Hotel (Danke Mama). Mir fällt sofort auf, dass ich seit langem in keiner so großen Stadt war. Mit 1,3 Millionen Einwohnern ist Mailand mehr als 10 mal so groß wie Besançon, welches ich vor einigen Tagen noch als anonyme Großstadt betitelt hatte. Davon die Leute zu grüßen, kann hier überhaupt nicht die Rede sein. Trotzdem muss ich zugeben, dass es eine wunderschöne, moderne und saubere Stadt ist, in welcher viele sehr gut angezogene Leute herumlaufen.

    Als wir abends in Chinatown essen gehen, ist in der Stadt ordentlich was los. Klar, Mailand hat 1,3 Millionen Einwohner und es ist Samstag Abend. Selbstverständlich ist das zu Zeiten von Corona trotzdem nicht. Beim Chinesen tippe ich einfach nur zufällig auf die Karte und kriege eine sehr leckere Nudelsuppe, die ich mit meiner ersten Kokosmilch aus der Dose abrunde. Um halb 9 sind wir wieder im Hotel, denn morgen geht's wieder früh los.
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