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  • Tag 116: Zhanaozen bis Shopan Ata

    June 13, 2023 in Kazakhstan ⋅ ☀️ 38 °C

    Die Nacht war leider wieder einmal nicht sehr entspannend, denn es war einfach viel zu warm im Haus. Wir frühstücken, kaufen beim nächsten Laden noch ein und dann geht es 20 km bei Seitwind zum nächstgelegenen Ort. Immer wieder sehen wir Pferdeherden und Kamele. Heute macht es das erste Mal in Kasachstan wirklich Spaß, da wir nicht mehr so fest eintreten müssen.
    Im Ort angekommen machen wir am Supermarkt halt und essen die Reste der gestern gekauften Wassermelone und die zu einem Ball zusammengeschmolzene Schokolade, die wir geschenkt bekommen haben. Wieder einmal bekommen wir etwas geschenkt, diesmal von einer Kundin, die uns eine Art Milchreis im Glas raus bringt. Da dies über 500g wiegt und wir neben den ganzen Vorräten wirklich nicht mehr mitnehmen können (geschweige denn, dass er sich in der Hitze hält), geben wir das Glas wieder an den Laden zurück. Allerdings darf Lukas es nicht abgeben, ohne von der Verkäuferin wiederum ein Geschenk anzunehmen. Dieses ist Käse (der aussieht wie Teig) von Kamelen. Gegorener Kamelkäse, um genauer zu sein. Interessiert an dessen Geschmack probiere ich einen Finger davon (wie gesagt, die Konsistenz wie Teig). Während Lukas der Käse noch einigermaßen schmeckt habe ich in meinen 26 Jahren vermutlich nichts Unappetittlicheres gegessen, so übersäuert ist er.

    Mit insgesamt 30 Litern Wasser und Essensvorräten brechen wir nun unseren bisher längsten Abschnitt ohne Supermärkte an. Der nächste Supermarkt liegt laut Karte in etwa 200 km Entfernung. Wasser soll es an zwei Wallfahrtsorten auf dem Weg geben. Wir sind gespannt, inwieweit das stimmt, denn wenn wir nicht beim ersten Wallfahrtsort Wasser auffüllen können müssen wir umkehren, denn mit den 30 Litern kommen wir gerade so über zwei Tage hinweg, da wir bei der Hitze pro Tag zusammen 15 Liter Wasser verbrauchen.
    Mit einem ganz neuen Gefühl brechen wir also auf. Wir fahren mit wechselnden Winden durch eine lange Senke. Autos fahren hier nun deutlich weniger.
    Die Bergkämme, die sich nun am Ende der Senke vor uns auftun sind beeindruckend, aber nach drei Tagen ohne jegliche Veränderung bis zum Horizont ist vermutlich alles spannend.
    Schon recht früh kommen wir an dem ersten Wallfahrtsort "Shopan Ata" an. Von der Hitze müde hoffen wir hier auf ein wenig Ruhe und Abkühlung.
    Auf dem Parkplatz davor stehen vier Jeeps von Touristen, die die Wallfahrtsorte abfahren. Eine Frau aus der kasachischen Hauptstadt Astana spricht und in perfektem Englisch an. Mit ihrer Hilfe können wir den Frauen des religiösen Ortes unsere Bitte um Unterkunft für die Nacht mitteilen. Völlig normal ist es hier, wie wir später feststellen, dass Reisende hier eine Nacht übernachten dürfen.
    Direkt werden wir in ein rundes Haus zu Cay, fettiges Fladenbrot und Süßem eingeladen. Wir essen an einem niedrigen Tisch und sitzen im Schneidersitz auf dem Boden. Das ganze Haus ist mit Teppichen ausgelegt und um die Tische herum liegen Matten, um es gemütlicher zu machen. Lukas hat allerdings schwer damit zu kämpfen einigermaßen gemütlich an dem Tisch sitzen zu können.
    Nach und nach kommen immer mal wieder Pilger hinein, essen eine Kleinigkeit, trinken Tee und gehen dann zu den Gebetsstätten weiter. Wir lernen die 12 jährige Aysulu kennen, die ihre Schulferien hier mit ihrer Oma verbringt und die Frauen mit den Gästen unterstützt. Sie spricht ein paar Worte Englisch und ist ein aufgewecktes Mädchen. Was sie nicht mit Worten erklären kann stellt sie mir Keksen und Würfelzucker dar. So erfahren wir beispielsweise von ihr, dass die Schlafräume der Frauen und Männer getrennt sind, jedoch in einem Haus. Um das zu erklären verwendet sie einen Keks, sagt uns, dies sei das Haus, in dem geschlafen wird und bricht ihn in zwei Teile, für die Männer und Frauen. Sehr einfallsreich!
    Unser ehemaliger Plan, ein wenig auszuruhen, noch etwas zu essen und dann tatsächlich zu schlafen, klappt allerdings nicht so gut, denn Aysulu hat uns voll im Griff. Zuerst zeigt sie uns das Grundstück und erklärt, dass draußen und drinnen geschlafen wird. Draußen können aber manchmal Frösche und Schlangen vorbei schauen. Da sie die Worte nicht alle kennt, werden die Tiere verkörpert. Scheu ist sie wirklich nicht. Danach zeigt sie uns das Schlafhaus. Im Frauenschlafraum, ein Raum der außer dem Teppichboden ziemlich leer ist, finden wir eine Schildkröte, die sich hier ein wenig umschaut. Mit Aysulu scherzen wir, ob sie auch wirklich ein Weibchen ist und ob ihr Mann dann wohl im Männerschlafraum ist. In diesem, der ebenfalls leer ist, finden wir allerdings keine Schildkröte mehr. Dafür haben die Männer eine noch funktionierende Klimaanlage im Raum.
    Als wir uns gerade hinlegen wollen bittet uns Aysulu wieder zum Tee. Dieses Mal gibt es noch gekochte Eier dazu und ansonsten wieder das etwas fettige Fladenbrot. Bevor wir wieder hinaus gehen, nehme ich unsere Schüsseln, aus denen hier zu Lande der Tee getrunken wird, und spühle sie über einigen Spühlschüsseln aus. Auch die von Lukas wird mir in die Hand gedrückt, denn er darf als Mann nicht abspühlen.
    Jetzt legen wir uns hin! Dachten wir.
    Stattdessen deutet uns Aysulu an, dass wir rüber in Schlafhaus gehen sollen und sie schleicht sich um die Kameras, die hier zur Sicherheit angebracht sind, herum, damit ihre Oma nicht merkt, dass sie mit uns spricht. Vermutlich soll sie müde Reisende in Ruhe lassen. :D
    Wir setzen uns gemeinsam auf eine Decke, die hier sowohl am Tisch als auch bei Nacht als Unterlage beziehungsweise Matratze dient und erzählen ein bisschen, teils mit Händen und Füßen und teils sann doch mit dem Handy.
    Gegen Abend laufen wir noch zu den Gebetsstätten, die hier in den Berg hinein gehauen wurden. In den Höhlen ist es angenehm kühl und alles ist wieder einmal mit Teppichen ausgelegt. Über den Friedhof, dessen Gräber hier zu Lande aus massiven Gemäuern bestehen, laufen wir zurück, denn es ist doch noch ziemlich warm.
    Jetzt gehen wir schlafen! Wieder Fehlanzeige, denn es gibt zu Ehren der Gäste ein Nationalgericht aus Kartoffeln und Fleisch, das nicht abgelehnt wird. Blöd nur, dass wir bereits bettfertig sind und uns die Zähne geputzt haben. Also wieder umziehen und zurück in das runde Haus.
    Als wir fertig sind nehme ich schon selbstverständlich unsere beiden Teller, wohlwissend, wer abzuspühlen hat. Doch statt unsere Teller über den Spühlschüsseln zu spühlen, bekomme ich einen ganzen Stapel Teller in die Hand gedrückt. Ob das Aysulus Gedanke ist, um nicht den Abwasch alleine machen zu müssen oder ob die so Sitte ist, erfahre ich wohl nie.
    Lukas, der gerne helfen will, muss außerhalb der Küche warten. Aysulu und ich machen beim Abwasch Quatsch, tun so als ob die Teller Lenkräder seien und trotz Übermüdung habe ich meinen Spaß.
    Dann dürfen wir endlich in den Schlafraum. Dies wird die erste Nacht sein, in der wir getrennt schlafen, obwohl wir "verheiratet" sind.
    Im dunklen Raum hole ich mir eine Decke und ein Kissen und lege mich hin. Ich bin gerade am eindösen, da geht die Tür auf, Frauen und Männer kommen nacheinander reingelaufen, um sich ebenfalls Decken und Kissen zu holen und das Licht geht mehrfach an und aus. Rücksicht gegenüber Schlafenden gibt es hier nicht.
    Es ist eine warme Nacht, trotzdem kann ich neben einigen Wachphasen ein wenig schlafen.
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