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  • Day 55

    Peruanisch Kochen bei Freunden

    February 25, 2020 in Peru ⋅ 🌧 18 °C

    «Are quepay» soll der Inkakönig Mayta Cápac geantwortet haben, als ihn seine Soldaten fragten, ob sie am Fusse des Vulkans Misti bleiben und eine Siedlung gründen dürfen. Die Worte sind in Quechua und bedeuten auf Deutsch «Ja, bleiben Sie!». Historiker vermuten, dass sich aus diesem Satz der Name der Stadt Arequipa ableitete. Als wir in der zweitgrössten Stadt Perus ankommen, verstehen wir zunächst nicht, weshalb die Soldaten des Inkakönigs unbedingt in Arequipa bleiben wollten. Die Umgebung ist wolkenverhangen und der Regen verleiht der Stadt einen tristen Ausdruck. Zudem beutelte in den vergangenen Tagen ein Unwetter die Stadt, es riss Brücken mit sich und überschwemmte zahlreiche Gebäude, unter anderem den Busbahnhof. Eins vorweg: Wir freunden uns trotzdem mit Arequipa an. Doch der Reihe nach.

    Die frühmorgendliche Fahrt von Puno nach Arequipa gestaltet sich sehr angenehm, da wir in einem modernen Reisecar unterwegs sind und viel Platz für uns beanspruchen können. Zudem erklärt uns die Reiseleiterin die wichtigsten Stationen unserer Strecke, was eine willkommene Abwechslung zu den ansonsten eher eintönigen Busfahrten bietet. In Patahuasi machen wir einen Stopp und die anderen fünf Passagiere steigen in einen Car mit Destination Chivay um. Die restlichen 80 Kilometer nach Arequipa verbringen wir sodann zu viert im grossen Reisecar: Der Chauffeur, sein Begleiter und wir beide. Da der Fahrer nun nicht verschiedene Haltestellen anfahren muss, lädt er uns freundlicherweise direkt vor unserer Unterkunft etwas ausserhalb des Zentrums aus. Wir sind froh, wieder einige Tage am selben Ort zu bleiben und richten „unsere“ Wohnung gemütlich ein. Anschliessend erledigen wir den «Wocheneinkauf» und verbringen den späteren Nachmittag im modernen Einkaufscenter Mall Aventura mit über 150 Geschäften, teilweise sehr teure Marken. Wir bezweifeln, dass sich Durchschnittsperuaner hier viel leisten können. Wir kaufen vor allem Lebensmittel und treten den Heimweg an. Zum Znacht gibt es Roselines leckere Älplermagaronen, die schmecken auch in Südamerika vorzüglich. Anderntags machen wir uns auf, die Stadt zu erkunden.

    Arequipa steht nicht nur im Schatten von imposanten Vulkanen, sondern ebenfalls etwas im Schatten der Hauptstadt Lima. Sie ist die zweigrösste Stadt Perus und will sich teilweise bewusst von Lima und dem restlichen Land abheben. Nicht von ungefähr heisst es in Peru, wenn jemand nach Arequipa will: «Hast Du Deinen Pass dabei?» Arequipa wird auch «die weisse Stadt» genannt, wofür es zwei Erklärungen gibt. Erstens: Die stattlichen Gebäude wurden hauptsächlich mit vulkanischem Gestein erbaut, das sich Sillar nennt und einen edlen weissen Farbton besitzt. Bei einer Führung entlang der Ruta del Sillar können wir live erleben, wie die Cortadores genannten Steinmetze das Vulkangestein mit einfachen Methoden und ohne Maschinen aus dem Fels hauen. Andere Historiker weisen aber zweitens darauf hin, dass der Name im Zusammenhang mit den spanischen Kolonialherren stehen könnte. Diese verboten der einheimischen, indigenen Bevölkerung, im Stadtkern zu wohnen, weshalb Arequipa «weiss» blieb.

    Für die Spanier stellte Arequipa einen zentralen Knotenpunkt dar, war es doch die Verbindungsstelle zwischen der Küstenregion und den Anden. Aufgrund der fruchtbaren Landschaft konnten auch zahlreiche Agrarprodukte, Wein und Wolle angebaut werden. Zudem bieten die umliegenden Berge Vorkommen an Kupfer und Gold. Arequipa wurde unter der spanischen Herrschaft zu einer reichen Stadt, was die herrlichen Gebäude im Zentrum bezeugen. Eindrücklich ist für uns auch die Besichtigung des Kloster Santa Catalina, das flächenmässig einen ganzen Strassenblock einnimmt. Wir sind denn auch erstaunt, wie geräumig die heute begehbaren Zellen der Nonnen sind. Die meisten besitzen sogar eine eigene Küche. Grund hierfür ist, dass sich die Nonnen in das Kloster einkaufen mussten und mitunter gar Servicepersonal mitnahmen. Das ermöglichte einen passablen Lebensstil. Das Kloster ist auch heute noch sehr gut erhalten und teilweise restauriert. Wir staunen ob der Farbenpracht: Viele Wände sind in azurblau oder zinnoberrot gehalten. Wir lesen, dass die Spanier diesen Stil von den muslimischen Mauren übernahmen, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts weite Teile Spaniens bevölkerten.

    Einen interessanten Mix der Kulturen erleben wir auch, als wir einen Kochkurs bei Diana und Patricio besuchen. Zunächst gehen wir mit Diana bei strömendem Regen zum Markt. Siedlungsentwässerung scheint in Arequipa ein Fremdwort zu sein. In der Markthalle haben wir Gelegenheit, die Zutaten für unser Essen sowie andere Köstlichkeiten zu probieren. Danach geht es mit dem Taxi zurück zum Haus, wo Patricio bereits diverse Esswaren bereitgestellt hat. Er erklärt uns diese mit grosser Leidenschaft und wir spüren, dass er Feuer und Flamme ist für die peruanische Küche. Schliesslich dürfen wir selbst in die Küche und bereiten unter fachkundiger Anleitung von Patricio ein Ceviche sowie Lomo Saltado und ein Omelette mit Quinoa zu. Spätestens als wir den Lomo und den Quinoa flambieren dürfen, sind auch wir Feuer und Flamme. Siehe Bilder. Auf jeden Fall macht es grossen Spass und es fühlt sich an, als ob wir bei Freunden zuhause gemeinsam kochen. Als Patricio uns zum Dessert noch verschiedene Pisco-Varianten zubereitet und wir mit unseren Gastgebern anstossen, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Fast sechs Stunden haben wir Spannendes über die peruanische Küche erfahren und gekocht, was das Zeug hält. Wir hoffen, dass wir die Gerichte auch in der Schweiz so lecker hinbekommen.

    Wie eingangs erwähnt, herrscht regnerisches Wetter in Arequipa und die Gegend ist wolkenverhangen. Wir sehen nicht weit und die Stadt wirkt eher grau. Die Regenfälle der letzten Tage waren ungewöhnlich heftig und hatten Unwetter zur Folge. Trotz des erstmals schlechten Wetters freunden wir uns mit Arequipa an. Wir besuchen interessante Museen wie das Museo Santuarios Andinos, das pietätsvoll über das Thema der menschlichen Opfergaben der Inkas berichtet, die in den Anden gefunden wurden. Und wir verbringen gemütliche Stunden in unserem neuen Lieblingscafé La Despensa. Am Tag unserer Abreise schliesslich haben sich die Wolken verzogen und der Blick auf die atemberaubende Umgebung ist frei. Wir erspähen den Vulkan Misti, der 5’822 Meter hoch ist und nur 16 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt. Zum Glück hält er sich schön ruhig. Für die Inka war der Berg heilig und wir verstehen nun auch, weshalb sie sich an diesem Flecken Erde niederlassen wollten. Nichtsdestotrotz birgt dieses Gelände natürlich Gefahren: Erdbeben sind häufig und der Vulkan kann jederzeit ausbrechen. Die letzte grössere Eruption im Jahre 1985 lief glücklicherweise glimpflich ab.

    Nach anfänglichen Schwierigkeiten macht uns Arequipa den Abschied also nicht leicht, da es sich von seiner besten Seite zeigt. Wir müssen aber weiter, da Cusco und Machu Picchu rufen. Der Busbahnhof wurde durch das Unwetter arg in Mitleidenschaft gezogen, weshalb wir etwas früher hingehen und schauen, ob die Fahrten regulär stattfinden. Das ist der Fall und wir deponieren unsere Rucksäcke in einem Lädeli, damit wir nochmals die Innenstadt geniessen können. Wir genehmigen uns ein feines Mahl in einer Picantería. Sie liegt in einem der zahlreichen schönen Patios. Danach machen wir uns wieder auf den Weg ans Busterminal. Dort besteigen wir ein weiteres Mal einen Nachtbus und setzen grosse Hoffnungen in die 160°-Sitze, auf dass sie uns ein paar Stunden Schlaf bescheren mögen.
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