• Day 3

    Tag 2 in Goma

    May 9 in DR Congo ⋅ ☁️ 29 °C

    Unsere Partner hatten Besuche bei Familien und in Gemeinden, also bei Menschen vor Ort, organisiert, Der erste Besuch musste ausfallen, weil ein Kind ins Krankenhaus und die Mutter natürlich dabei sein musste.
    Außerdem war im Vorfeld vergessen worden, dass vormittags die monatlichen Gemeinschaftsarbeiten angesetzt waren, dann ist jede Zirkulation auf den Straßen verboten.
    So konnte ich Menschen im Büro des Kirchenkreises Goma besuchen, die Gemeinde Virunga und das Virunga Hospital, alles Orte, an denen Menschen den Krieg vom 23.-26. Januar, der Einnahme Gomas und die bis jetzt folgende Gewalt, hautnah miterlebt haben.
    Es ist vor allem die Angst, die regiert, und von der ich nicht einschätzen kann, welche Auswirkungen sie noch hat. Mehr als sonst wird von Traumatisierungen gesprochen.
    Aus den Gesprächen nur ein paar Stichworte:
    Die Lage der Geflüchteten ist schier hoffnungslos. Die neuen Herrscher der M23 haben die Flüchtlingslager ja bekanntermaßen gewaltsam aufgelöst, wohlwissend, dass sowohl kongolesische, aber eben auch ruandische Diebe in vielen Fällen innerhalb der langen Zeit, die Menschen in Goma in den Lagern waren, deren Häuser und Felder besetzt haben und natürlich nicht wieder weg gehen. Das ist gewiss keiner friedlichen Lösung in irgendeiner Weise dienlich. Die Menschen wissen nicht, wohin sie gehen sollen.

    Der Alltag scheint sich wieder ein bisschen zu normalisieren, aber das bisschen Handel, was betrieben werden kann, reicht kaum aus, um die Bevölkerung zu ernähren. Dazu kommt, dass nicht wenige ihre Jobs bei Hilfsorganisationen verloren haben und auch sonst es so gut wie keine Arbeit gibt. Lehrer*innen sind seit Monaten nicht bezahlt, weil das Geld aus Kinshasa kommt. Aber die Banken sind geschlossen, die allermeisten kommen nicht an Geld. Und selbst Mobiltelefone müssen aufgeladen werden, um Geld zu überweisen. Das ist ein hochexplosives Gemisch aus Frust und Wut. Aber wer dagegen protestiert, wird eingesperrt, auf ganz ruandische Art und Weise.
    Immer wieder höre ich das: Nur nichts sagen, sonst bist zu weg vom Fenster. Goma hat sich verändert. Nicht zum Guten...

    Schlicht sprachlos macht aber die Information, dass die M23 wohl auf brutale Art und Weise Kindersoldaten rekrutiert. Eine ganze Sekundarschulklasse wurde vor zwei Wochen abgeführt und völlig ohne Ausbildung an die Front geschickt. Ich kann diese Nachricht vor Sonntag nicht verifizieren, darum ist sie noch mit Vorsicht zu genießen.

    Sie fügt sich aber ins Bild ein, dass sich immer mehr aufdrängt: Die M23 hat ihre Kapazitäten wohl massiv unterschätzt. Sie haben schlicht nicht genug Leute, um ihr Vorhaben einer effektiven Besatzung umzusetzen. Überall fehlt es wohl an Personal, die Justiz liegt vollkommen darnieder. Woran das genau liegt, muss ich noch genauer nachfragen. Aber es scheint so zu sein, dass die Gerichte so lange außer Kraft gesetzt sind, bis die "richtigen" Leute an die Stelle treten können. Inwiefern übergangsmäßig schlicht Militär(un)recht gilt, konnte ich nicht direkt in Erfahrung bringen.

    Im Krankenhaus Virunga empfängt mich der Chefarzt Steve Kisembo. Seine Offenheit und Klarheit stecken an. Er erzählt von den Tagen des Einmarsches, den völlig überforderten Mitarbeitenden, die Toten und die elende Trägheit der Behörden. 14 Tage mussten sie Leichen offen draußen liegen lassen, der Gestank muss unerträglich gewesen sein. Aber auch das Rote Kreuz hat nur die Toten beerdigt, deren Identität geklärt war. Die anderen lagen auf dem Gelände des Krankenhauses. z.T. in doppelter Plastikhülle und trotzdem der Gestank. Unvorstellbar.
    Aber auch die Finanzierung ist nach dem Rückzug vieler Hilfsorganisationen katastrophal. Ein äußerst komplexes Thema...

    Die eine Anekdote muss ich aber noch wiedergeben. Als der Krieg um den Einmarsch der M23 in Goma begann, traf ein Geschoss die Frühchen-Station, durschlug die Glocke um ein kleines Baby - und traf "nur" das Ohrläppchen! Steve war sichtlich stolz, das Baby konnte gerettet werden und "ich weiß, Mutter und Kind sind heute wohlauf". Ein kleines Wunder mitten im Wahnsinn der Zerstörung.

    Dann kam ein Anruf: Ein Besuch um Bethesda-Krankenhaus ist nicht möglich, Es gibt Probleme mit einem Aufstand der Menschen, die den Tod des Neuvermählten im angrenzenden Viertel nicht hinnehmen wollen. Dem Risiko wollten die Kirchenleitenden dem Gast nicht aussetzen. In allem bin ich dankbar für die Zuverlässigkeit und Verantwortung, die die Freunde hier übernehmen. Also zurück ins Hotel

    Am Ende des Tages steht außerdem fest: Das geplante Schiff am Dienstag fährt nicht. Richtig Mist. Die Pläne müssen umgestellt werden. Schade, dass nur so wenig Zeit bleibt.

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