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  • Day 22

    Toila Oru Park - Estland

    July 28, 2019 in Estonia ⋅ ☀️ 24 °C

    Nach einem kurzen Zwischenstopp an einem winzigen (Tante Emma-) Supermarkt, wir mussten dringend unsere Vorräte auffüllen und hatten nicht wirklich Glück, denn sowohl Brot als auch Gemüse waren fast ausverkauft, errreichten wir Toila gegen 14 Uhr. Toila liegt nur rund 40 Kilometer von Narva entfernt und direkt am finnischen Meerbusen. Der Platz war wundervoll, obwohl wir bei unserer Ankunft schon fürchteten keinen Platz zu finden, weil uns eine große Wohnmobilgruppe mit ungefähr 15 Mobilen empfing, die einen guten (abgesperrten) Teil des Platzes belegten und offenbar zusammen unterwegs waren. Wir fanden aber einen schönen Platz mit Meerblick. Das erste Mal, auf unserer nun schon drei Wochen dauernden Reise standen wir direkt am Meer und konnten es rauschen hören, auch wenn es bis dahin über eine steile Treppe den Steilhang hinunter doch rund 200 m waren. Der Platz war wirklich voll, es war Sonntag und das sollte sich bald ändern, nachdem nämlich die estnischen und russischen Wochenendgäste abgereist waren. Gleich neben dem Platz findet sich ein - im typisch sozialistischen Plattenbaustil errichteter Hotelkomplex, dessen Vorzüge wir noch zu schätzen lernten. Wir gingen zur Kosmetik (Oma), zur Massage (ich) und alle zusammen ins herrliche Schwimmbad, mit Wellness und richtiger 50 Meter Schwimmbahn.
    Zunächst aber lernten wir Sergei aus St. Petersburg kennen. Er sprach uns an, weil er hörte, dass wir deutsch sprachen und auf dem Weg zum Strand waren. Er zeigte uns den Weg und nach ein wenig Fußmarsch fanden wir tatsächlich einen etwas sandigen Strandteil. Trotzdem war der Weg dorthin und das ganze Drumherum eher steinig, typisch für die Gegend. Es war wunderbar, das erste Mal im Meer zu baden. Draußen war es warm, das Meer selbst auch einigermaßen erwärmt, Rosa genoss es unglaublich und sprang und rannte immer wieder hinein und raus. (Am nächsten Morgen wollten Rosa und ich gleich nach dem Aufstehen noch einmal ins Wasser. Es hatte sich über Nacht um mindestens zehn Grad abgekühlt und das Wasser war so eisig, dass ich nur mit einiger Überwindung ganz schnell hinein und hinaus konnte. Es sollte unser einziges Bad im Meer - während des gesamten Urlaubs bleiben.)
    Wieder auf dem Platz lernten auch wir Sergejs Sohn Alex und seine Frau Marina kennen. Der kleine Mann - in Rosas Alter - schloß sie sofort ins Herz, die beiden nutzen die verbleibenden Stunden bis zur Abreise und spielten, Alex brachte ihr zum Abschied sogar einen Blumenstrauß. Marina war Kunstmalerin (ihre Tätigkeit bestand darin, Duplikate anzufertigen, derzeit in erster Linie Pastelle). Sie war eine wundervolle, interessante Frau, wir plauderten noch ein wenig, bis alle drei sich aufmachen mussten nach Narva, um die Grenze zu überschreiten. Wir lernten, dass die Russen, auch die St. Petersburger, oft am Wochenende nach Toila kommen, um sich zu erholen. Toila ist seit vielen Jahrzehnten ein anerkannter Erholungskurort.
    Am selben Abend tauchen noch Nadja, Guido und Luna mit ihrem Hund Lotta auf dem Platz auf. Sie kommen aus Bremen und wir schlossen ziemlich schnell Bekanntschaft. Insbesondere die Mädchen waren (gleichalt) vom ersten Moment an praktisch unzertrennlich. Wir blieben auf dem Platz schließlich drei Nächte und unternahmen viel mit den Bremern. Erstaunlich deren Geschichte, die wie für mich geschickt schien. Beide hatten schon vor einiger Zeit beschlossen, ihr Leben zu ändern. Weniger Arbeit, weniger Konsum, mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Nadja hatte schon vor einiger Zeit den Job gewechselt und war nun für eine Stiftung mit 15h/ Woche tätigt. Die beste Entscheidung ihres Lebens, wie sie selbst sagte. Guidos Unternehmen hatte sich verkleinert, er hatte sich eine Abfindung auszahlen und kündigen lassen. Beide hatten sich das Wohnmobil gekauft und wollten nun erst einmal sechs Wochen unterwegs sein. Guido bastelte an neuen Berufsideen als Coach oder Referent als Hilfe für alle diejenigen, die wie er, "runterfahren" wollten. Beiden macht insbesondere die Umweltverschmutzung extrem zu schaffen. Bei unseren Strandspaziergängen wurden sie nicht müde, jede Art von Müll oder Abfall aufzulesen und zu entsorgten. Ich finde diese Biografien, die Geschichten hinter den Menschen, deren Motivationen, beeindruckend und hab mir eine ganze Menge "abgehört". (Dank Internet konnte ich sogar die empfohlenen Sachbücher gleich vor Ort bestellen. Sie würden dann zuhause auf mich warten.) Die drei waren in entgegengesetzter Richtung unterwegs und wollten noch nach Petersburg. Wir konnten gute Tipps geben, unter anderem die Reservierung am Grenzübergang in Estland betreffend. Ich fühlte mich fast schon wie ein alter Hase. Wir haben viel geredet und wunderschöne Ausflüge vor Ort gemacht. Insbesondere der Oru Park ist einen Spaziergang wert. Der Park und der Palast im Flusstal des Pühajõgi waren von Grigori Jelissejev erbaut worden, einem der reichsten Männer Russlands im 19. Jahrhundert. 1935 kauften drei estnische Industrielle den Palast und den Park und schenkten ihn Präsident Päts, um ihn als Sommerresidenz zu nutzen. Der Palast war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Den Park gibt es noch immer. Mit seinen Pavillions, Grotten und Gärten ist er noch heute wundervoll zu besichtigen. Es gibt auch eine große neue Konzerthalle in seiner Mitte. Am Rande des Parkes findet sich ein Soldatenfriedhof und eine Gedenkstätte für die Gefallenen deutschen Soldaten des zweiten Weltkrieges. Über 1.500 deutsche und 600 estnische Gefallene des Zweiten Weltkriegs haben dort ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Kriegsgräberfürsorge war hier sehr aktiv. Auf einem Gedenkstein standen tausende Namen in alphabetischer Ordnung, Während des Krieges befand sich auf dem Gelände ein Lazarett mit vielen Baracken, die schwer verwundeten Soldaten, die dort versorgt wurden und starben, wurden vor Ort auch begraben. Vom Ort des ehemaligen Lazaretts schaut man direkt aufs Meer und ich musste einen Moment lang daran denken, was die Soldaten gedacht haben mussten, wenn sie aufs Meer hinaus schauten.
    Nach drei Tagen machen sich Nadja, Guido und Luna bereits in der Nacht auf nach Russland. Für uns nun auch Zeit, weiterzuziehen. Das Wetter hatte sich leider nach unserem ersten herrlichen Tag wieder verschlechtert. Es regnete oft und war auch ziemlich kalt. Leider kam noch dazu, dass unsere, nach dem Schlag am Grenzübergang in Luhaama schon lädierte Jalousie noch gerade so wieder zu schließen ging. Ich befürchete, sie werde sich beim nächsten Mal wohl nicht mehr öffnen lassen und war eigentlich sehr froh, dass ich sie wenigstens wieder zusammen machen konnte.
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