- Show trip
- Add to bucket listRemove from bucket list
- Share
- Day 7
- Saturday, June 14, 2025 at 7:20 AM
- ☀️ 18 °C
- Altitude: 9 m
GermanyPrerow54°26’51” N 12°33’30” E
Prerow und der Nordstrand

Ich hatte Margriet schon die ganze Woche von dieser Wanderung vorgeschwärmt. Eine der schönsten an der ganzen Ostseeküste – mit Leuchtturm, Urwald, Weststrand-Romantik und überhaupt allem, was das wanderfreudige Herz begehrt. Ich lauf diese jedes Jahr einmal ab. Margriet ist 85. Ich war mir also nicht ganz sicher, ob ich sie auf eine 18-Kilometer-Tour über Sand- und Wurzelpfade schleppen sollte. Sie dagegen sah mich ruhig an und sagte: „Ich laufe dir davon wie ein Duracell-Häschen. Ich trau mir das zu.“ Ich lachte.
Also los. Erstmal Frühstück beim Bäcker – frische Brötchen, ein Croissant (aber so eines, das aussieht, als wäre es aus Frankreich importiert worden und unterwegs dreimal aufgegangen - es war noch warm). Weiter nach Ahrenshoop, wo wir das Auto abstellten, um den Bus nach Prerow zu nehmen.
Der Busfahrer war ein Original. Ich sagte: „Zwei nach Prerow, bitte möglichst nah an den Nordstrand.“
Er: „Prerow Mitte. Weiter fahr ich nicht. Ich bin zwar Insulaner. Aber da war ich noch nie.“
Ich war etwas beeindruckt von dieser norddeutschen Konsequenz – ein Mann, der beruflich Bus fährt und trotzdem noch nie einen Fuß an den eigenen Nordstrand gesetzt hat. Das ist entweder Zen oder Dienst nach Vorschrift.
Der Fahrpreis war 11,50 €. Ich reichte einen 50er. Er sah mich an, als hätte ich ihn beleidigt. Ich kramte Kleingeld zusammen und kam auf exakt 8,64€. Er griff nach dem Fünfer, zwinkerte und sagte: „Passt doch.“ Ich mochte ihn jetzt sehr.
Im Bus frühstückten wir wie zwei Ausflügler aus dem Bilderbuch. Margriet kaute schweigend und wirkte vollkommen unbeeindruckt. Ich hingegen war voller Vorfreude – oder Sorge, dass ich sie demnächst Huckepack zum Leuchtturm tragen muss.
In Prerow war es still. So still, dass man das Gefühl hatte, man würde die Dorfbewohner wecken, wenn man zu laut läuft. Wir marschierten durch das schläfrige Örtchen zum Nordstrand. Und dann – wow. Weißer Sand, flache Dünen, ein Hauch Karibik, wenn man die Temperatur am Morgen ignoriert. Margriet sah sich um und sagte nur: „Das ist hübsch.“ Was, übersetzt aus dem Margrietischen, bedeutet: spektakulär.
Ein Vater saß mit seinem Sohn in einer Sandkuhle und baute eine Kleckerburg. Ich fragte vorsichtig, ob wir sie als Kulisse für ein Foto benutzen dürften. Der Vater strahlte stolz. Margriet setzte sich neben das Bauwerk, lächelte – und baute kurzerhand eine zweite Burg daneben. Kleckertechnik mit Erfahrung. Sie erklärte mir, wie sie das früher an der Nordsee gemacht hätten, „damals, als sie noch ohne UV-Filter draußen spielte“. Wir lachten.
Dann ging es weiter. Am Ende des Nordstrands öffnete sich die Landschaft zu einem stillen Paradies, das jedem Naturfreund das Herz höherschlagen lässt. Das Naturschutzgebiet war wie eine kleine, geheime Welt, in der die Zeit langsamer zu vergehen schien. Das Meer rauschte sanft, während hinter uns die Dünen flüsternd mit dem Wind spielten. Die Luft war erfüllt vom salzigen Duft der See, vermischt mit einem Hauch von feuchtem Moor und frischem Grün. Ein sanfter Wind spielte mit den vorherrschenden Kiefern, und ab und zu ertönte ein melodisches Zwitschern, das wie eine zärtliche Einladung klang, einfach stehenzubleiben und den Moment zu genießen.
Es war einer dieser seltenen Orte, an denen sich das Herz öffnet, und die Seele einen kurzen Atemzug der Freiheit nimmt – ein Fleck Erde, der Geschichten erzählt von Meer und Wind, von Flug und Stille.
Ich war überwältigt. Margriet lief. Und lief. Und lief. Ich hatte Mühe, Schritt zu halten. Ich trug schließlich auch den größeren Rucksack ;0)...
Am Leuchtturm dachten wir an eine Pause. Dort gibt es ein Café. Angeblich. Nur erreicht man es ausschließlich, wenn man vorher durch den Museumsshop geht – und dafür 8 € Eintritt zahlt. Ich fragte, ob wir einfach nur ins Café könnten. Die Antwort war ein trockenes: „Dann sind Sie hier falsch.“ Es war eine Art spirituelle Prüfung. Wir bestanden sie, indem wir umdrehten. Kaffee kann warten.
Wir zogen weiter, Richtung Weststrand. Und das war dann ein ganz eigenes Kapitel.Read more