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  • Day 58

    Mann und Frau über Bord! Endgültig!!

    March 10, 2021 in Mexico ⋅ ⛅ 22 °C

    Der Abgang von Eitans Sierra Wind hätte fast nicht schlimmer sein können... 😳 Wir müssen mit dem Segelboot unter einer Brücke hindurch, damit Eitan uns absetzen kann und wir von dort weiter mit Taxi fahren können 🌉 Als die beiden (in einem hochbewachten Industriehafen!) ihre Drohne steigen lassen, um die Höhe des Mastes einzuschätzen, werden wir per Funk ermahnt die Drohne wieder einzuholen! Das war ja auch nicht abzusehen 🤦🏼‍♀️ Eskortiert von zwei Booten und insgesamt 5 Hafenkontrolleuren 🛥👮🏽‍♂️ fährt Amanda uns dann mit dem, bis zum Anschlag mit uns und unserem Gepäck beladenen, Schlauchboot zum nächsten Steg 🚣‍♀️ Dort treffen wir auf vier weitere Mitarbeiter des Industriehafens. Wir müssen unser Gepäck öffnen, Pässe zeigen und werden zudem mindestens 100 mal von allen Seiten fotografiert und das von jedem der Mitarbeiter 🤳 Dann kommen zwei weitere Angestellte der Einwanderungsbehörde und wollen unsere Aufenthaltsgenehmigung kontrollieren ✅ Dabei ist zu wissen, dass man bei der Einreise nach Mexiko einen kleinen Schnipsel bekommt auf dem die erlaubte Dauer des Aufenthalts steht. Verliert man diesen, hat man ein Problem 🙁💰 Wir haben beide unsere Schnipsel noch und die beiden, sowie eigentlich alle Anwesenden, sind sehr nett zu uns. Man merkt, dass es eine besondere Situation für uns alle ist 😕 Als endlich alles abgesegnet worden ist, fahren wir wieder zu unserem 50m entfernen Segelboot, wo Amanda und Eitan darauf warten, dass sie endlich ohne uns weiterfahren können 😒 Nun müssen die Beiden ebenfalls noch ihre Pässe zeigen und deren Laune ist am Siedepunkt 😡 Ein Mitarbeiter erklärt Eitan, dass er uns nun mit dem Schlauchboot (so wie vorher vereinbart) ein Stück weiter hoch den Fluss außerhalb des Industriehafens bringen soll, weil er ja nicht mit dem Mast unter der Brücke durch passt. Auf schlechtestem Spanisch und mit abwertender Körperhaltung weist Eitan die Männer in Uniform an, dass sie uns doch bringen sollen 😳 Er hat ja grade sein Schlauchboot eingeholt und es ist ihm auch egal, dass wir dann noch 40$ für ein Spezial-Taxi aus dem Hafen zahlen müssen. Die Mitarbeiter und wir sind alle ziemlich sprachlos 😶 Auf das Wort Arschloch auf Englisch, welches Jessy „rausrutscht“, stimmen die Mitarbeiter sofort mit ein 😆 Jessy fragt den Mitarbeiter dann noch einmal sehr höflich, ob wir nicht doch laufen oder die Herren uns ein Stück weiter den Fluss hinauf bringen können, damit wir von dort ein normales Taxi für umgerechnet 1,50€ statt 35€ nehmen können 😣 Die Herren holen sich die Erlaubnis per Funk ab und nehmen uns tatsächlich mit, um uns aus dem Hafen auszuchecken und auf normalem Wege weiterreisen zu lassen 🙏 Fast geschafft: Nun nochmal das Gepäck beim nächsten Grenzkontrolleur öffnen. Er nimmt es diesmal genauer und unsere mühsam gestopften Rucksäcke werden heute das dritte mal gepackt 🎒 Er ist ebenfalls sehr aufmerksam und während er unsere Schlüppis 🩲 und dreckigen Socken 🧦 inspiziert, unterhalten wir uns nett über unsere Reise 👮🏾‍♂️ Wir erzählen ihm, dass wir uns jetzt auf den Weg nach Guyamas machen 🚌 Er empfiehlt uns nicht über Guadalajara zu fahren, sondern zunächst den Bus nach Morelia zu nehmen; guter Tipp 👍🏻 wir bedanken uns, er ruft uns noch ein Taxi und wir verabschieden uns nett 👋

    Am Busbahnhof nehmen wir den Hinweis des Grenzontrolleurs wahr und kaufen Tickets nach Morelia 🎫 Bis dahin haben wir einfach nur funktioniert und uns an Jessys Lehre, aus der Vipassana Meditationszeit im vergangenen Jahr, erinnert, dass alles vorbeigeht 💆🏼‍♀️💆🏼‍♂️ In der einstündigen Wartezeit auf den Bus lassen wir dann nochmal langsam Revue passieren, was in den letzten zwei Stunden passiert ist.... 🤯 Die Zeit reicht dafür jedoch nicht aus! In den nächsten 28 Stunden Busfahrt haben wir dann nochmal genug Zeit alles sacken zu lassen und uns um noch offene Posten zu kümmern: Eitan hat uns 2 Minuten vor unserer Abfahrt 80$ in die Hand gedrückt, die er uns noch von einem Einkauf schuldete. Nun geht es noch um die zu viel gezahlten Tage an Bord ❗️ Denn das Geld scheint er nicht so einfach rausrücken zu wollen 💸 Wir schreiben ihm in unsere WhatsApp Gruppe und verlangen ebenfalls nach den Rechnungen für Philipps Sicherheitsmaterial, wofür er einfach eine pauschale Summe im Vorfeld verlangt hat. Hierzu später mehr 😠 Wir warten auf Antwort...

    Die Busfahrt fühlt sich an, wie so manch angeklebter Kaugummi an den Bussitzen 🚌 Die ersten beiden Busse, jeweils 4-5 Stunden, bringen uns in größere Städte und sind schon fast luxuriös 🤗 Gegen Mitternacht kommen wir in Guadalajara an. Wir erwarten eigentlich einen stündlichen abfahrenden Bus zu unserem Endziel Guyamas. Aber auch dort empfängt uns COVID mit offenen Armen und hat 90% der Busse gecancelt 😷 Letztlich können wir die Fahrt über die Großstadt, Guadalajara, nicht vermeiden ohne knapp 20 Stunden auf den nächsten Bus zu warten 🤨 nach 30 minütlichen hin und herlaufen entscheiden wir uns den nächsten Bus nach Ciudad Obrégon zu nehmen, was schon ziemlich nah an unserem Ziel liegt. Diese Fahrt dauert dann nochmal knappe 18 Stunden 😣 na gut Zähneputzen und los geht die wilde Fahrt 🚌

    In Ciudad Obrégon kommen wir am frühen Abend an und haben Glück gleich den nächsten Bus (10 min später) nach Guaymas nehmen zu können 🔜 Der ist erstaunlich günstig, dauert aber noch mal 2,5 Stunden. Am Busbahnhof 21:00 Uhr in Guyamas angekommen, schnappen wir uns das nächstbeste und einzige Taxi 🚕 Der 3-zähnige Fahrer will uns den doppelten Preis abknöpfen, was wir selbstverständlich runterhandeln 👊🏻 Am Bootshafen San Carlos angekommen, freuen wir uns, dass die Fahrerei und Sitzerei nun endlich ein Ende hat 🙏 Der Taxifahrer wirft uns noch ein paar Flüche hinterher und wir stolpern die Promenade entlang zum Boot von John ⚓️

    Als er uns empfängt, schauen wir verwundert, weil John humpelnd auf einem Gehstock uns entgegenkommt 😯 Er empfängt uns sehr freundlich, auch mit Umarmung und wir gehen zu Bettie 🙋🏼‍♂️ Bettie ist sein Segelboot und John wird nicht müde zu erzählen, wie besonders Bettie ist und dass wir noch kein vergleichbares Boot gesehen hätten 😳 Ok, wir sind gespannt! Die Marina ist schon mal sauber und schön gelegen zwischen den rotbraunen Felsen allemal 🏜

    John ist nicht viel älter als wir, aber deutlich vom Leben bzw. Militäreinsätzen in Afghanistan gezeichnet, körperlich wie auch geistig 🇦🇫 Er ist super entspannt, was auch an dem regelmäßigen Konsum von medizinischem Marihuana liegt, dass er gegen die Schmerzen seiner vielfältigen Kriegsverletzungen einnimmt 🚬 Er empfängt uns auf Bettie mit Bier und Rum, was den ersten Eindruck von Bettie jedoch nicht vertuschen kann 🤯 Bettie soll unser Boot für die nächsten Monate sein. So unser (einzige) Plan den wir zu dem Zeitpunkt haben. Nach gefühlten 1,5 Minuten schauen wir uns an und wissen, dass Bettie zu speziell ist, im Zusammenspiel mit John, als dass wir hier länger aushalten könnten 👀 John hat das ca. 17m lange Segelboot seit dem 26.10. nicht bewegt ⛵️ So sieht es auch außen wie innen aus. Es ist ziemlich verkramt, überall liegt etwas rum und sonderlich sauber ist es auch nicht. Wir sind nicht wirklich pingelig, aber Bettie müsste sich schon ordentlich rausputzen, um irgendeiner außenstehenden Person zu gefallen 🧼 😓
    Abgesehen davon, dass wir nach über 24h on the road ziemlich fertig sind, fährt John gegen 23-24 Uhr erst so richtig auf 🤩 und wird nicht müde uns den kompletten Kahn zu zeigen und zu erklären: jeden einzelnen Knopf und jede Anweisung. Das Innere des Bootes ist KOMPLETT vollgestopft mit Zeug, sicherlich allerhand Nützlichem, aber auch Gegenteiligem! Alle Fenster sind zu oder zumindest verhangen: “We do not like sunlight” meint er dazu 🌞🚫 Er erklärt uns, dass er jede Nacht bis 4-5 Uhr morgens Wache hält, dass niemand in die abgesicherte Marina und auf sein Boot kommt. Sein Tag startet demnach auch nicht vor Mittag 🕛 Wir versuchen ihm mehrmals, auch schon fast unfreundlich klarzumachen, dass wir totmüde sind und verflüchtigen uns Richtung Marina-Duschen 🚿 Auf dem Weg dahin, können wir unser Unglück kaum fassen, schmieden aber sofort Abreisepläne für den nächsten Tag und Überlebenspläne für die Nacht 🙆🏼‍♀️ John erwähnt mehrere Male wie sauber das Boot ist. Wir müssen sogar die Hände desinfizieren, wenn wir nach dem Duschen aufs Boot kommen! Wie absurd das ist, zeigen die Bilder der Küche 😫 Als wir uns Bettfertig machen, macht sich John keinen Meter neben uns Eier und Speck um 1:30 Uhr, spielt dann laut auf seiner XBox Kriegsspiele und raucht sich die Birne zu 🙅🏼‍♂️ In dem Boot gibt es außer zum Mini-Klo keine Tür. Er weist uns auch noch daraufhin, dass er auf uns keine Rücksicht nehmen kann, da er seine Routinen hat, wann er isst oder ins Bett geht 🤬 Jessy hat ihn „aus Versehen“ bei dieser Aussage gefilmt 🎤
    Alles ist offen, aber durch die komplette Abschottung nach Außen weht auch kein Wind, außer der Wind aus Johns Hose, den er anscheinend nicht so unter Kontrolle hat 💨 🤢 Wir kauern uns in das für uns vorgesehene 1m breite, in der Küche befindliche und in die Navigationsstation integrierte, „Bett“. Unter den kläglichen Versuchen die Ballergeräusche aus John Kriegsspielen nicht in unsere Träume einzubauen, schlafen wir um 2:30 Uhr morgens vor Erschöpfung ein 💤

    Nach 5 Stunden “Schlaf” in der Mini-Koje werden wir wach, weil John um 8 Uhr morgens den Segler-Funk auf voller Lautstärke mithört 🔊 Das Radio ist bei Booten nun mal an der Navigationsstation, welche eben quasi in unser Bett integriert ist 📻 So dürfen wir jedes Wort lautstark mitverfolgen. Wir stehen morgens unter Schock und Erleichterung zugleich. Schock, da such unsere Pläne für die nächsten 2-3 Monate so schnell zerschlagen haben💥 uns Erleichterung, da wir mit dem Kapitel Boote abschließen 🙅🏼‍♀️ So machen wir ihm nach dem morgendlichen Toilettengang klar, dass wir noch heute Vormittag wieder abreisen und sind dabei diplomatisch ehrlich wie möglich 😬

    Da der Drops nun eh gelutscht ist, fragen wir ihn direkt nach seinen offensichtlichen Narben und Verletzungen 🤕 Er hat mehrere 30 cm große Narben am Körper, nimmt unglaublich viele Tabletten und hat nur noch ein halbes rechtes Bein🦵Wir unterhalten uns daraufhin mehr über ihn und seine Afghanistan-Einsätze in der US-Spezialeinheit der Navy Seals 🥷🏼 Bei einem Anschlag auf das Auto in dem er zu einem Einsatz unterwegs war, sind 5 von 6 Autoinsassen ums Leben gekommen. Er war der Sechste 🥺 Er erzählt von seinen Einblicken in die organisierte Kriminalität und von zerhackten Prostituierten in Kofferräumen und dass er das Drogenkartell vor Ort um Erlaubnis gebeten hat, hier mit seinem Boot zu sein 🤨 Alles ein wenig skurril und schön, als es vorbei ist 🙏 Wir helfen ihm noch bei 2-3 Dingen an Bord, die er körperlich nicht allein schafft und ziehen gegen Mittag los 🚶🏼‍♀️🚶🏼 Später hören wir von ihm, dass ein Mädel, dass ihn die nächsten Jahre bei der geplanten Weltumrundung begleiten sollte, auch nach einer Nacht das Weite gesucht hat 🏃🏼‍♀️ So tat es übrigens auch der Franzose, der vor uns für ein paar Wochen auf dem Boot in der Marina war 🏃🏼 Manche Einsicht mag schwer sein... 😅

    So auch unsere Einsicht: Schweren Herzens aber auch erleichternd schließen wir nach den letzten beiden Erfahrungen nun unser insgesamt 6-wöchiges Segelabenteuer für diese Reise ab ⛵️🌊 In die Südsee soll es wohl während der Pandemie nicht gehen und die Bootsreise zu erzwingen ist auch nicht (mehr) unser Ziel 🗺 Und nun?

    Weiter auf dem Landweg 🛣 Den Norden Mexikos kennen wir noch nicht und so entschließen wir uns von West nach Ost rüberzumachen ➡️ Der erste Stopp ist Hermosillo, wo wir ausnahmsweise mal ein Airbnb buchen 🏨 Zur gleichen Zeit haben wir glücklicherweise einen Gast auf Dienstreise in unserer Ferienwohnung in Friedrichskoog. Ein Geben und Nehmen! 😅

    Wir freuen uns über das erste richtige Bett nach über 4 Wochen Boot 🛌 und versuchen uns erstmal mit den neuen Rahmenbedingungen zu organisieren. Naja und wo könnte man nach so viel Meer eher hin als in die Wüste? 🏜
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