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  • Day 5

    Welcome to Jerusalem

    May 2, 2019 in Israel ⋅ ☁️ 29 °C

    Um kurz vor 9h holen uns Adi und Hanna ab, denn heute fahren wir nach Jerusalem, wo wir auch eine Nacht bleiben. Nachdem wir uns durch den ausklingenden Berufsverkehr von Tel Aviv gequält haben, kommen wir auch ganz gut voran, eigentlich sind es ja nur gut 70km. Um kurz vor 10h wundern wir uns, warum immer mehr Autos an auf den Seitenstreifen der Autobahn fahren und anhalten. Doch dann fällt es uns wieder ein: heute ist Holocaust Gedenktag und um 10h gibt es nationale Schweigeminute. Wir fahren also auch ran und steigen aus dem Auto aus. Um Punkt 10h hören wir Sirenen aus nah und fern, fast alle Autos haben angehalten und die Insassen sind ausgestiegen. Es ist ein beklemmendes aber auch bewegendes Gefühl. Die Sirenen verstummen und wir steigen wieder ein und setzen unseren Weg fort.
    Wir steuern als erstes unser Hotel an, was praktischerweise eine Tiefgarage hat. Wir können zwar noch nicht einchecken, aber so sind unsere Koffer gut verwahrt. In der Nähe stärken wir uns mit einem kurzen Frühstück und machen uns dann auf den Weg in die Altstadt. Unser Hotel liegt sehr zentral, sodass wir laufen können. Über die Jaffa Street, die Hauptachse der Fußgängerzone des modernen Jerusalem, wo auch der Light Rail (die Straßenbahn) fährt, erreichen wir nach gut zehn Minuten das Jaffa Gate, einer der sieben Zugänge zum historischen Stadtkern. Wir laufen die David Street hinab, eine enge Gasse, wo links und rechts ein Souvenirladen am anderen liegt. Hier werden wir heute noch diverse Male vorbeikommen... Am Ende der Gasse biegen wir links ab, quetschen uns mit gefüllt 1000 anderen Menschen durch einen schmalen Durchgang und stehen plötzlich vor der Grabeskirche. Hier soll laut der katholischen Kirche - wie der Name schon sagt - Jesus Christus gekreuzigt und begraben worden sein. Wirklich gesichert nachweisbar ist dies zwar nicht, die Kirche wird aber dennoch von sechs christlichen Gemeinschaften als ihre wichtigste Pilgerstätte angesehen: Katholiken, Griechisch-Orthodox, Armenier, Syrer, Äthiopier und Kopten. Sie konkurrieren in einer ständigen Auseinandersetzung um Rechte und Privilegien in der Kirche. Seit 1757 regelt ein "Status Quo" genanntes Abkommen au die Minute genau, wer wann wo seine Riten abhalten darf. Den Schlüssel zur Kirche verwalten seit dem 12. Jahrhundert zwei muslimische und damit neutrale Familien. Über dem Eingangsportal zur Kirche sieht man eine Leiter, die dort angeblich seit 150 Jahren steht, weil sich die Glaubensgemeinschaften nicht einigen können, wer sie entfernen darf.
    Wir sind also durch diese Geschichten und auch durch Erzählungen von Anja und Stefan sowie Hanna und Adi schon darauf vorbereitet, dass die Basilika eher wie ein Tollhaus als wie ein heiliger Ort wirkt, dennoch können wir das Treiben in der Kirche nicht fassen. Direkt hinter dem Eingang liegt der Salbungsstein, auf dem Jesus nach der Kreuzigung gelegen haben soll. Er gilt als gemeinschaftliches Eigentum aller sechs Kirchen und dementsprechend groß ist das Gedränge. Die Menschen platzieren Gegenstände auf dem Stein, berühren und küssen ihn oder reiben einfach gleich ihr Gesicht daran. Bei dem Gedanken, wie viele Keime sich auf diesem Stein befinden, überläuft uns ein Schauer... Dass der Stein nachweislich erst seit dem 19. Jahrhundert existiert und hier liegt, interessiert dabei scheinbar nicht. Unter der zentralen, mächtigen Kuppel befindet sich das eigentliche Mausoleum. Es enthält zwei winzige Räume: im ersten wird ein Teil des Steines aufbewahrt, der die Grabkammer verschlossen haben soll. Durch eine sehr niedrige Tür gelangt man in den zweiten Raum, wo der Überlieferung nach der Leichnam gelegen haben soll. Diese Informationen haben wir allerdings nur aus dem Reiseführer, denn die Schlange, um in das Mausoleum einzutreten schlängelt sich einmal komplett durch die Rotunde. Gute zwei Stunden soll es dauern, bis man am Eingang ist. Wir beschließen, dass uns ein Blick in den Eingangsbereich reicht und verlassen diesen sehr speziellen Ort, nachdem wir noch einen Blick in die diversen kleinen Kapellen der verschiedenen Glaubensgemeinschaften geworfen haben.
    Nachdem wir nun also die wichtigste Pilgerstätte der Christen besichtigt haben, machen wir uns auf den Weg zum Äquivalent für die Juden: der Klagemauer. Klagemauer ist übrigens ein Begriff, der nur von Nichtjuden verwendet wird. Die britische Mandatsmacht hatte ihn im 20. Jhd. geprägt. Die Juden selbst sprechen von der "Westwand" bzw. "Western Wall". Bevor wir den großen Platz vor der Klagemauer betreten dürfen, müssen wir unseren Rucksack durchleuchten lassen und einen Metalldetektor passieren. Gebetet wird an der Klagemauer geschlechtergetrennt (wenn auch erst seit 2013, vorher war dies einzig den Männern vorbehalten), sodass wir uns also kurz aufsplittern. Die zwei Ad(d)is rüsten sich mit je einer Kippa aus, wir müssen keine weiteren Vorkehrungen treffen. Die Stimmung hier ist sehr viel ruhiger und der Besonderheit des Ortes angemessen. Die Menschen sitzen entweder direkt vor der Mauer oder auf Stuhlreihen etwas weiter entfernt, viele haben im stillen Gebet die Augen geschlossen. Auch wir notieren Wünsche und Bitten auf einem kleinen Zettel, den wir in die Mauer stecken. In jedem Jahr platzieren Gläubige und Touristen etwa eine Million Papierfetzen in den Ritzen, die alle sechs Monate entfernt und auf dem jüdischen Friedhof des Ölbergs vergraben werden. Die Klagemauer zieht sich über fast 500m entlang der gesamten Westseite des Tempelberges, jedoch sind nur 57 m davon sichtbar. Der Rest ist von Gebäuden verdeckt oder baulich integriert. Die Bereiche für Männer und Frauen sind mit einem Sichtschutz getrennt. Leider stehen viele Touristinnen auf der Befestigung des Sichtschutzs und versuchen darüber hinweg in den Bereich der Männer zu sehen, was wir als sehr schade und respektlos empfinden.
    Um die wichtigsten Pilgerstätten der drei großen Glaubensrichtungen in Jerusalem direkt von unserer Besichtigungsliste abzuhaken, wollen wir als nächstes auf den Tempelberg. Der Zugang liegt direkt neben der Klagemauer und wir sind genau pünktlich für den Nachmittagsslot von 13.30 - 14.30h. Wir sind ein bisschen nervös, ob wir wohl auch Zugang bekommen, denn manchmal ist dieser nämlich auch aus unerfindlichen Gründen einfach nicht möglich, was in unserem Fall schlecht wäre, da der Zugang am morgigen Freitag auf jeden Fall nicht möglich ist. Aber wir haben Glück: sogar schon einige Minuten vor halb zwei bewegt sich die Schlange und nach gut zehn Minuten passieren wir die Sicherheitskontrolle. Ein weiterer spannender Moment ist, als Adi die Kontrolle passiert, denn offiziell ist ihm zwar als Jude der Zugang zum Tempelberg gestattet, sicher ist er sich aber nicht, ob es klappt. Er muss seinen Pass vorzeigen (wir nicht), aber er darf passieren. Wir bekommen aber direkt hinter der Kontrolle noch eine gesonderte Einführung in die Verhaltensregeln von einem - sehr freundlichen - Sicherheitsbeamten: wir dürfen auf dem Tempelberg nicht beten und uns auch nicht berühren oder gar küssen. Wir Frauen müssen unsere Arme und Dekolletee bedecken, lange Hosen haben wir alle sowieso an. Dem muslimischen Aufsichtspersonal direkt am Zugang zum Plateau ist es dann allerdings nicht genug, dass Hanna und ich uns mit einem Tuch die Arme bedecken (wir haben beide T-Shirts an), und so müssen wir noch einmal ein Shirt mit 3/4 Ärmeln überziehen. Das damit mehr von unseren Armen sichtbar ist, als es mit unserem Tuch der Fall gewesen wäre, stellen wir mal nicht in Frage.
    Das Plateau ist größer als wir erwartet haben. Wir laufen zunächst an der Al-Aqsa Moschee vorbei, der drittwichtigsten Moschee des Islam. Betreten dürfen wir sie leider nicht, dies ist nur Muslimen gestattet und wird wohl ggf. auch mit einer Abfrage des religiösen Wissens getestet, wenn man versucht, Zutritt zu erhalten. Wir laufen weiter zum Felsendom, einem der ältesten und schönsten Beispiele islamischer Architektur. Mit seiner goldenen Kuppel ist er einer der bekanntesten Bauwerke Jerusalems. 1993 verkaufte König Hussein von Jordanien eine Immobilie in London und finanzierte damit die Verzierung mit 80kg Blattgold. Das eigentliche Heiligtum des Felsendoms ist im Übrigen nicht der Dom selbst, sondern der Fels im Inneren. Hier soll Mohammed seine nächtliche Reise in den Himmel angetreten haben. Juden dagegen verehren den Fels als die spirituelle Verbindung von Himmel und Erde. Betreten dürfen wir auch diesen nicht, dies ist ebenfalls ausschließlich Muslimen vorbehalten.
    Mit dem Felsendom im Hintergrund machen wir ein Selfie von uns allen. Dabei stehen wir offensichtlich zu nah beieinander für den Geschmack eines Aufsehers, der sofort herbeieilt und uns dies mitteilt. Wir umrunden den Felsendom und verlassen dann den Tempelberg über einen Zugang im Nordwesten. Es ist höchste Zeit für eine kleine Pause und wir suchen uns wieder in der Nähe der Grabeskirche ein kleines Café für eine frische Limonade und arabischen Kaffee. Adi und Hanna beschließen nach der Pause schon einmal ins Hotel zu gehen und sich noch etwas auszuruhen. Marisa, Addi und ich wollen noch den südlichen Teil der Stadtmauer begehen.
    Dieser führt uns vorbei am armenischen und jüdischen Viertel. Zudem haben wir immer wieder tolle Blicke auf Ostjerusalem und das dahinterliegende Westjordanland. Nach da. einer Stunde kommen wir am Dungtor heraus, welches wieder neben der Klagemauer am Fuß des Tempelbergs liegt. Wir schlendern noch ein wenig durch das jüdische Viertel auf der Suchen nach einem Aussichtspunkt, von dem man auf den Tempelberg schauen kann. Ein orthodoxer Jude bekommt mit was wir suchen und führt uns zum Ausblick. Auf dem Vorplatz vor der Klagemauer finden gerade Vorbereitungen für eine Militärversammlung statt, vielleicht im Zuge des heutigen Holocaustgedenktags. Als wir uns zum Gehen aufmachen, scheint es mit der Nächstenliebe des Orthodoxen nicht mehr ganz so weit her zu sein, er erwartet ein Trinkgeld dafür, dass er uns den Weg gezeigt hat. Als wir dies verweigern, lässt er uns aber auch ziehen.
    Auf wundersame Weise kommen wir wieder an der David Street heraus, die wir heute ja schon einige Male begangen haben. Der Reiseführer hat hier mal wieder recht: wenn man sich innerhalb der Altstadt nicht orientiert und einfach losläuft, landet man irgendwie immer wieder an denselben Punkten. Es ist schon kurz vor 17h und so machen wir uns ebenfalls auf den Weg zurück zum Hotel. Leider haben wir keine Zeit mehr noch durch das muslimische Viertel der Altstadt zu laufen und eventuell den ein oder anderen christlichen Pilger zu sehen, der mit einem Mietkreuz den Kreuzweg nachläuft, aber dann heben wir uns das einfach für unseren nächsten Jerusalembesuch auf.
    Im Hotel beziehen wir unsere sehr schönen Zimmer im 5. Stock und machen uns kurz frisch. Zum Abendessen wollen wir zum Mahane-Yehuda-Markt, dem größten Markt der Stadt. Zwischen den Ständen, die alle möglichen Lebensmittel verkaufen, finden sich diverse Restaurants und Bars. Ab ca. 19h / 20h, wenn die Stände langsam schließen, verwandelt sich der Markt in eine große Bar, alle paar Meter schallt andere Musik, die Bars scheinen sich gegenseitig übertreffen zu wollen. Bevor wir uns ins Nachtleben stürzen, müssen wir uns aber stärken. Wir gehen zielstrebig zum Laden von Manou, wo es die besten libanesischen Spezialitäten gibt. Wir haben Glück und bekommen direkt einen Tisch, so viele gibt es nämlich davon nicht. Wir bestellen einmal die Karte rauf und runter und lassen uns Humus, Falafel, gefüllte Weinblätter, Shakshuka, Kebab, gebackene Aubergine und Tahine schmecken. Herrlich!
    Zum Verdauen schlendern wir danach durch alle Marktgassen und beobachten das bunte Treiben. Viele Stände, vor allem die mit Backwaren, versuchen kurz vor Feierabend noch die restlichen Waren zu sehr günstigen Preisen loszuwerden und die Einheimischen versuchen die besten Schnäppchen zu machen. Wir kehren bei zwei verschiedenen Bars ein und stellen fest, dass wir insgesamt den Altersdurchschnitt ziemlich nach unten ziehen. Die meisten sind ca. Mitte 20, es gibt auch einige Ältere ab ca. Mitte 40, aber in unserem Alter sehen wir so gut wie niemanden. Adi und Hanna erklären uns, dass die meisten Israelis in unserem Alter 1 bis 2 bis 3 kleine Kinder zu hause haben und daher um diese Zeit selten in Bars anzutreffen sind.
    Auch uns hat der lange Tag geschafft und gegen Mitternacht machen wir uns auf den Weg zurück ins Hotel. Marisa, Addi und ich freuen uns, dass uns morgen früh kein Baulärm wecken wird!
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