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  • Day 64

    Der letzte Tag im Praktikum

    December 21, 2018 in Argentina ⋅ ☀️ 25 °C

    Als Mensch der Gewohnheit macht mich Veränderung auf eine gewisse Art und Weise sehr melancholisch. Ich nehme es häufig viel zu ernst. Aber ich denke es geht letzten Endes den meisten so. Es gibt nur wenige, die tatsächlich auf solche Sachen abfahren.
    Als ich aber nun an meinem Arbeitsplatz saß und meine Liste bearbeitete, schaute ich mich zwischendurch im Büro um, beobachtete die arbeitenden Menschen, die lachenden Gesichter, wenn einer von ihnen einen Witz erzählte, hörte das Klackern der Tastaturen, später kam auch Ezequiels passend zu seiner Musik tappelnden Finger dazu. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Ich war melancholisch, aber auch einfach leer. Zwischenzeitlich hatte ich das Verlangen, aufzustehen, Musik von David Bowie anzumachen und wie wild zu tanzen, auf die Art und Weise man das macht, wenn die Welt um einen herum untergeht. Gleichzeitig hätte ich auch einfach losheulen können. Irgendwann bin ich zu dem Pizza- und Empanadaladen gegangen, zu dem ich mehr oder weniger jeden Tag gegangen war. Ich genoss das Essen noch ein letztes Mal, trank einen Kaffee, arbeitete weiter und überreichte Ezequiel bei unserem emotionalen Abschied einen Spielzeugtraktor und eine Dose deutsches Bier. Ich bedankte mich für die Zeit und seine Geduld und gelobte ein Wiedersehen, wenn ich im März zurückkomme. Auf dem Weg nach Hause wurde ich wieder nachdenklich. Die bevorstehende Reise, Weihnachten im Ausland ohne Familie, Hanna zu Hause. Das alles fühlte sich in dem Moment falsch an. In dem Moment verfluchte ich die Gesetze der Zeit, wollte ich doch nur Spanisch lernen, so viele Emotionen und Gefühle waren gar nicht vorgesehen, vor allem weil das der klassischen Philosophie widersprach, die ich zu allem Überfluss ja auch noch einhalten wollte. Vernunft und Objektivität ermahnte ich von mir selbst.
    Klar klingt das alles übertrieben und als ob ich seit dreißig Jahren diesen Job machte und jetzt in Rente ginge. Aber so war es nun einmal. Ich bin einfach ein Gewohnheitsmensch. Egal wo und was, irgendwann gewöhne ich mich an alles und will das dann auch nicht anders haben. Ich fand es einfach schön, morgens eine Stunde Bus und Bahn zu fahren, zu arbeiten, Mate zu trinken, zu meinem geliebten Pizza- und Empanadaladen zu gehen, im Dachgeschoss zu essen, während ich Hörbücher oder Podcasts höre, danach mit Ezequiel einen Kaffee zu trinken und schließlich nach weiteren Stunden Arbeit abends um sieben oder acht, manchmal sogar um neun oder zehn, wieder nach Hause zu fahren und ein Frank Goosen-Hörbuch zu hören. Aber so ist es eben. Jetzt habe ich mich schon wieder daran gewöhnt, das alles nicht zu machen. Ich warte nur noch darauf, dass ich mich an das Leben als Rucksackreisender gewöhne. Aber dazu später mehr.
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