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- Aug 1, 2023, 2:00 PM
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CroatiaBatina45°50’39” N 18°51’26” E
Worte zu Bihac Teil 2

Hier nochmal der Link zu der Doku aus Bihac:
https://youtu.be/hyP-h6mye0Y
Von meinen persönlichen Erlebnissen in Bihac haben sich drei Punkte besonders eingeprägt.
1. In Bihac habe ich viel Zeit mit Zlatan von SOS Bihac verbracht, der auch ausführlich in der Doku über die Situation vor Ort berichtet. Wir hatten viele, lange Gespräche und ich wäre gern auch noch länger dort geblieben um ihm weiter zuzuhören. Ich glaube ich habe noch nie eine so inspirierende Person kennengelernt. Wie er unermüdlich aktiv für das Gute einsteht, sich keinen Millimeter unterkriegen lässt, trotz allem was er selbst erlebt hat und trotz allen Widerständen, die ihm entgegengesetzt werden, weil er einfach nur Menschen sieht, die Hilfe brauchen, ist das worauf es ankommt. Leider.
Er ist mit mir an eine Straßenecke in der Stadt gegangen und hat mir eine Hauswand gezeigt, wir standen drei Meter davor. Genau dort stand er an einem Tag im Juni 92. Als er dort stand ist genau neben ihm eine Granate explodiert. Genau dort hat er im Bosnienkrieg sein Bein verloren. Genau dort zu stehen hat mir bewusst gemacht, wie weit wir vom Leid in der Welt und von Krieg entfernt sind. So nah hat sich Krieg für mich noch nie angefühlt. Und gerade weil wir die Möglichkeit haben einen großen Abstand dazu aufzubauen, sollten wir aktiv werden, denn der Abstand hat eigentlich nichts zu bedeuten, Krieg ist Krieg, egal wo.
2. Najib und Kazem
Ich habe bei SOS Bihac mit zwei Afghanen zusammen in einem Haus gewohnt. Sie sind in Bosnien, weil sie genauso Angst vor der Taliban haben, wie der Rest der Welt. Bzw. ist ihre Angst noch berechtigter, da sie den Strukturen der Taliban direkt ausgesetzt sind. Darum sahen sie ihre einzige Chance auf ein Leben in Sicherheit durch den Versuch die Balkanroute entlang zukommen, was für sie durch unsere Politik lebensgefährlich ist, aber sich der Taliban auszusetzen war keine Option. Aus Afghanistan sind sie zu Dritt aufgebrochen, Najib, Kazem und Najibs Bruder. Da diese Menschenleben in der EU offensichtlich weniger wert sind als andere, müssen sie gefährliche Mittel wählen, bei denen schon einige stillschweigend Gestorben sind. Die vielen Toten im Mittelmeer sollten hoffentlich präsent sein. Aber genauso gefährlich ist es sich unter LKWs oder auf Züge klemmen zu müssen. Najib, Kazem und Najibs Bruder hatten es bis nach Bihac geschafft. Dort ist der Fluss Una die Grenze zu Kroatien und der EU. Ein Nationalpark mit viel Natur, die viele Touristen anzieht. Genau an dem Wochenende war dort auch die alljährliche Regatta für die Anwohnenden in der Region, ein riesiges Event, alle mit guter Laune auf dem Fluss und volles Rahmenprogramm. Also ein Ort, an dem man das Leben genießen kann. Najib, Karzem und Najibs Bruder und andere sind aber wenn es um so etwas geht oft außen vor, einfach weil sie Fremde sind. Sie versuchten wie viele andere den Fluss zu durchqueren, um nach Kroatien in die EU zu kommen. Ohne schwimmen zu können. Sie haben es nicht geschafft. Najibs Bruder ertrank bei dem Versuch. Seine Leiche konnte gefunden werden und so konnte er um wenigstens etwas Anstand und Menschenwürde zu bewahren in Bihac beerdigt werden. Da Najibs Bruder nun in Bihac bleibt, entschlossen Najib und Kazem, dass ihr Schicksal auch in Bihac ist und sie wollen auch dort bleiben. Sie fanden mit SOS Bihac eine neue Familie und sehen es jetzt als ihren Sinn an, dort zu helfen. Bis sich irgendetwas in der Welt ändert.
3. In der Doku werden viele Widerstände aus dem Umfeld und aus der Gesellschaft gezeigt, was zum Alltag von Hilfsorganisationen gehört. Dabei wollen sie einfach nur Menschen helfen, was in einer gesunden und funktionierenden Gesellschaft ja auf viel Zuspruch stoßen sollte. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich möglichst viele Leute aktiv damit solidarisieren und so unterstützen, dass die Organisationen wirklich ihrem Zweck bestmöglich nachkommen können und sich nicht mit lauten Gegenstimmen beschäftigen müssen. In Bihac war ich positiv überrascht davon, wie friedlich SOS Bihac arbeiten konnte. Sie sind inzwischen akzeptiert in der Region und stoßen auf großen Zuspruch. Sie sind mittlerweile so gut etabliert, dass die Behörden ganz offiziell sie anfragen, um bei Angelegenheiten zu unterstützen, wo eigentlich staatliche Institutionen gefragt wären. Was natürlich auch auf die Fluchtthematik zutrifft. Aber bei der Regatta stellte SOS Bihac den Rettungsdienst und nicht das Rote Kreuz oder andere offizielle Organisationen. Sie arbeiten mit so viel Herz, dass sich die Behörden in dieses gemachte Netz setzen und SOS Bihac machen lassen, damit sie sich selbst weniger kümmern müssen. Eigentlich sollte es ja eher andersrum sein, dass sich die staatlichen Einrichtungen um alle Menschen kümmern, dass es keine Hilfsorganisationen, keine Spenden, keine Leute, die ihre Freizeit opfern, braucht. Aber es war schön zu sehen, dass die Leute in der Region bemerkt haben, dass es nur miteinander geht. Es war zwar ein langer, steiniger Weg für SOS Bihac, aber nun wird die Arbeit nicht nur geduldet, sondern von den Leuten in der Region auch wertgeschätzt und es wurde erkannt, dass es nur durch das gegenseitige Helfen allen Menschen besser geht, nicht durch das Ausgrenzen.
Es ist ein großes und vor allem trauriges Thema und es gibt leider noch viele weitere Einzelschicksale. Aber diese drei Punkte und die Doku sollten Grund genug sein, um sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.Read more
Wir haben den eindrucksvollen Film geschaut. So also sieht Willkommenskultur in der EU aus. - Der Arzt Trabert, der sich ja vorbildlichst dort engagiert, war, wenn auch aussichtslos, so doch immerhin, Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Der dann gewählte Herr Steinmeier hat ihm in seiner Antrittsrede zugesichert, mit ihm in Kontakt zu bleiben wegen der Menschen, um die er sich kümmert. Wäre interessant, zu erfahren, was daraus geworden ist... [Norbert W.]