Satellite
Show on map
  • Day 17

    Medellin und alles was dazu gehört…

    August 18, 2022 in Colombia ⋅ ⛅ 28 °C

    Nach unserem aufregenden Aufenthalt im Dschungel verbrachten wir noch einen Tag bei unserem Hostel, genossen den naheliegenden Strand, quatschten mit den unglaublich netten Leuten, um auch unser spanisch weiter voran zu bringen und nahmen langsam Abschied vom Paradies.
    Am nächsten Tag ging es wieder los, Rucksack aufschnallen und ins nächste Abenteuer rein. Bei Santa Marta gibt es noch ein kleines Fischerdörfchen namens „Taganga“, dass für seine entspannte Atmosphäre bei vielen Backpackern beliebt ist. Ich hatte darüber gelesen, dass es eigentlich nicht mehr lohnenswert ist, dort einen Abstecher zu machen aber wir hatten noch etwas Zeit, bis der Nachtbus uns nach Medellin bringen würden. Also fuhren mit einem Taxi hin und lernten den nettesten Taxifahrer überhaupt kennen. Er sah wohl zwei Töchter in uns, brachte uns hin, holte uns auch wieder ab, hielt für Fotostopps und sorgte dafür, dass wir für die Fahrt auch genügend Essen hatten. Wirklich zauberhaft. Es war auch schön, dann doch nochmal Taganga gesehen zu haben und sich ein eigenes Bild zu machen. Die Bucht, in der das Dorf liegt ist traumhaft und die Uhren scheinen still zu stehen. Wir sogen alles auf: das Licht, die entspannten Menschen, das Meer und die Stimmung. Der Abschied hätte nicht besser sein können. Einen Bus später als geplant, rollten wir dann gegen 20:00 Uhr gen Süden los. Geplant waren ca. 16h Fahrt, gebraucht haben wir 20h. Was ein Ritt… und das für ca. 600km. Aber wenn es über die Anden geht, es nur einspurige Straßen gibt und man LKWs bei den Serpentinen nicht überholen kann, dann muss man Geduld mitbringen. Das Schöne daran war, dass wir am nächsten Vormittag die traumhafte Landschaft genießen konnten, auch wenn so eine Fahrt ganz schön kräftezehrend ist. Die Busfahrten sind dennoch sehr bequem und das Straßennetz seit 15 Jahren gut ausgebaut. Es gab schon Jahre keine Überfälle oder Unfälle mehr, ein hartnäckiges Vorurteil, dass sich leider hält. Das System wirkt sehr durchdacht und funktioniert einwandfrei. Ich kann nur nicht ganz verstehen, wie die Busfahrer das durchhalten.
    Endlich angekommen, finden wir in einem Hostel im Stadtteil Laureles ein Platz zum Schlafen. Durch eine Empfehlung stolpern wir in einen völlig verrückten Laden. Als wir eintreten, werden wir von prächtig gut gelaunten Menschen empfangen. Rechterhand wurde Schmuck hergestellt, linkerhand tätowierte eine Frau einem Typ den Schädel. Jemand spielte Gitarre und ein süßer Duft lag in der Luft. Dieses Hostel gleicht eher einem kreativen Wohnprojekt, wo gesungenen, gelacht und gechillt wird. Wir zahlten hier 7€ für drei Nächte pro Person, irres Ding. Die Lage ist außerdem perfekt, um die Stadt zu erkunden, was wir auch am nächsten Tag taten.

    Medellin, per Fuß, was ein Kulturschock. Einst die gefährlichste Stadt der Welt, geprägt durch Pablo Escobars furchtbare Machenschaften, hat sie es geschafft, innerhalb von nur zwei Jahrzehnten, eine der innovativsten und sichersten Städte in Südamerika zu werden. Drastische politische Umwälzungen brachten moderne Seilbahnen, Radwege und pulsierende Viertel mit sich. Vor allem die Infrastruktur wurde ausgebaut, um die Viertel an den umliegenden Berghängen an die Stadt anzubinden. Es gibt ein gut ausgebautes Bildungs- und Gesundheitssystem, dass wohl für alle zugänglich gemacht wurde. Wir waren also irre gespannt, was uns erwartet und wie die Stadt auf uns wirkt. Wir haben ja keinen Vergleich, wie die Stadt gewesen sein muss, wo Menschen täglich auf offener Straße erschossen wurden, es kein Tourismus oder Unterhaltung gab, sondern nur Angst. Letztere hatte ich keine aber die Stadt hat wirklich eine ganz besondere Atmosphäre und ist etwas schräg. Es gibt Kneipenviertel, alles ist bunt, laut, Menschen strömen von A nach B, immenser Verkehr, obdachlose Menschen liegen mitten auf dem Gehweg und die Luft ist sehr stickig. Dennoch gibt es viel grün und sehr große Straßenbäume. Wenn man das so sieht, kommt die Frage auf, wie viel bei den neuen Innovationen bei jedem Einzelnen angekommen sind aber auf der anderen Seite, muss man in 20 Jahren eine Stadt auch erstmal so umkrempeln. Bei uns wäre ein erstes Formular ausgefüllt. Auch wenn hier „nur“ ca. 4 Millionen Menschen leben, wirkt die Stadt doppelt so groß. Wir laufen durch die Distrikte, die gefühlt alle ein kleiner Mikrokosmos sind: wir sehen massenhaft Autowerkstätten, dann unzählige Schuhläden, daneben ein Distrikt, indem es nur Motorradwerkstätten gibt, dann läuft man durch ein Haushaltswarenviertel, wieder weiter wird es touristischer mit bunteren Häuschen und an anderer Stelle kann man jeglichen Plastikschrott kaufen. Es ist soviel los, wir kamen uns vor wie Rundumleuchten und nahmen 10 Eindrücke auf einmal wahr. Das hörte den ganzen Tag auch nicht auf, wir waren nur am Staunen. Auf einem zentralen, kulturellen Platz sind die Figuren des Künstlers Fernando Botero ausgestellt. Seine fetten Skulpturen sind beeindruckend und einfach einzigartig. Ein äußerst lebendiger Platz mit beeindruckenden Gebäuden. Als wir weiter gingen, kamen wir an einem imposanten Gebäude vorbei das einst 1920 als Justizgebäude erbaut wurde und nun als Konsumtempel genutzt wird. Spannend sich vorzustellen, wie das damals gewesen sein muss.
    Um ein wenig Abzuschalten gingen wir in den botanischen Garten, der für uns, neben viel Grün fürs Auge, ein Leguan, ein Äffchen und eine Schildkröte bereit hielt. Wir erfahren außerdem, dass eine aus zehn Pflanzen weltweit in den Anden zu finden ist. Das war alles ganz schön beeindruckend. Nach dieser wohltuenden Pause machten wir uns auf, weiter die Stadt zu erkunden. Ein Flaniermeile setzte dem allen nochmal einen oben drauf. Aus sämtlichen Lautsprechern dröhnen Stimmen, die ihre Ware verkauften oder einen in den Laden locken wollten. Und wenn keine Stimme erklang, wurde ohrenbetäubende Musik gespielt. Es gibt nichts, was man nicht in Medellin kaufen kann. Überall wird gehandelt und an jeder Ecke gibt es Obst, Süßigkeiten oder Essensstände. Daneben junge Frauen der indigenen Stämme, die durch Tanzen etwas dazu verdienen wollen und wieder andere, deren Lebensumstand sehr kritisch wirkte. Gen Abend sahen wir Prostitution auf der Straße, die wohl auch ihr ganz eigenes System hat. Es gab einfach so irre viel zu sehen.
    Wir beeilten uns dann doch ein wenig, um vor Einbruch der Dunkelheit im Hostel zu sein. Nicht nur, weil wir die Straßen nicht kannten und nicht leichtsinnig sein wollten aber auch, weil wir völlig überfüllt mit neuen Eindrücken waren und die erstmal kurz sacken lassen mussten, um nochmal los zuziehen.

    Es ist schwer, diese Stadt zu beschreiben. Sie ist beeindruckend, überfordernd, sehr grün, chaotisch, autolastig, überfüllt, etwas angsteinflößend, künstlerisch, vielfältig und hektisch. Die Armut fällt sehr auf, sodass im Gesundheitssystem sicherlich noch Luft nach oben ist. Man spürt jedoch, dass die Stadt sich wohl von dem heftigen Maffiaimage gelöst hat und nun endlich leben will, anstatt nur bekannt durch Pablo Escobar zu sein.

    Wenn so ein Wandel in 20 Jahren möglich ist, seit neustem auch noch eine zukunftsvisionäre Regierung die Fäden in der Hand hält, mit der ersten afroamerikanischen Vizepräsidentin, dann bleibe ich optimistisch und faszinierend.

    Zwei Tage später schauen wir uns noch den mit bekanntesten Stadtteil der Stadt an: Comuna 13. Einst selbst für die Bewohner kaum ein Ort zum aufhalten, nun ein Touristenmagnet. Das Bild, das wir von Medellin gewonnen haben, spiegelt diese Kommune wieder. Divers, laut, kaum zu fassen und viel fürs Auge. Am Hang liegende Häuser, die nur aus Ziegeln bestehen, schmale Gassen, eng gebaute Häuser und seit nunmehr einiger Zeit wunderschöne bunte Fassaden. Es werden unglaublich viele Touren angeboten, um sich ein Bild zu machen. Wir schleichen durch die Gassen, besuchen die berühmte Rolltreppe und ziehen mit den Touris voran. Der Stadtteil wirft viele Fragen auf aber wir sind froh Kinder spielen zu sehen, Jugendliche tanzen und offensichtlich Bewohner, die von der Anbindung und den Besuchern profitieren. Dass es mal das ärmste Viertel der Stadt war, ist unübersehbar aber es birgt seine eigene Faszination. Wir sind schon wieder so bereichert, durch die neuen Eindrücke.
    Read more