• R: don't pack your fears

    April 29 in Scotland ⋅ ☁️ 15 °C

    R. habe ich im Corryhully Bothy kennengelernt. Nun begegne ich ihm in einem kleinen Nutzwald. Am Strassenrand steht er ratlos vor dem Inhalt eines resupply Pakets, das er eben ausgegraben hat. Und zwar nicht gefriergetrocknet, sondern eingeschweisste, recht schwere Armynahrung. Im Bothy hatte er erzählt, dass er vier Jahre für den Cape Wrath Trail geplant hat. Welche Taschen er an seinen Rucksack genäht hat, alle mit einem bestimmten Zweck. Was er alles für interessante Dinge dabei hat: pack your fears just reached a new level - level R. Alles ist sehr ingeniös gemacht, top genäht. Zum Beispiel die kleine Leiste an seinen Regenhosen, damit das Wasser nicht in die Gamaschen läuft. Mit hängenden Armen steht R. vor seinem viel zu vielen Essen und seinem schweren Gepäck: What am I gonna do?
    Ich nehme ihm ein bisschen was ab, denn ich habe knapp Snacks. Seine Verzweiflung ist greifbar. Ich bin etwas überfordert, wie kann man sich so verplanen? Wie kann man so von der Realität wegdriften? Welchen Mechanismus hat er wo verpasst?
    R. schafft es nicht, einen Halt einzulegen und umzudisponieren. Zwei weitere Tage später erzählt mir die schottische Hikerin A., er habe aufgegeben. Offensichtlich hat seine Situation sie auch beschäftigt. Welche Freude muss er beim Planen und Vorbereiten verspürt haben. Zwei Tage lang habe er Milchpulver in Tütchen und Snacks in Vakumiersäckchen abgefüllt. Hat gelesen und jede Doku über den Trail geschaut und immer gedacht, das brauche ich auch noch und das und das... 35 kg schwer sei der Rucksack am Ende gewesen, erzählt A., und er habe sich die Füsse verletzt. Ich hoffe, dass er dadurch zur Besinnung kommt und auf den Trail zurückkehrt. Denn an Determination mangelt es ihm nicht. Und ich werde mir in Zukunft sagen, wenn ich in die Nähe von Überplanen und Ängste packen gerate: Mach nicht den R. hier.
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