• frischluftkur
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Apr – Sep 2025

Cape Wrath Trail (Schottland)

400 km durch die westlichen Highlands. Unmarkiert und bisweilen weglos, kein Empfang und wenig Infrastruktur, ist der CWT eigentlich eine Route und kein Trail. Atemberaubende Landschaften und nasse Füsse sind garantiert. Read more
  • Shiel Bridge

    May 2 in Scotland ⋅ ☁️ 9 °C

    Langsam steige ich durch felsiges Gelände auf einen niedrigeren Sattel, die Oberflächen glänzen im fahlen Licht vor Nässe. Ein zweiter Wanderer kommt mir entgegen, sein Akzent ist so stark, dass wir das Gespräch bald aufgeben.
    Etwas missmutig schaue ich ins Tal hinunter zum Bach. Schliesse kurz die Augen und denke, hilft ja nichts, einfach weitergehen. Der Führer beschreibt 'an unpleasant path down to the river even in the unlikely event you manage to keep it'. Die Formulierung erfreut mich, die Realität weniger. Jeder Schritt versinkt im nassen Gras, rutscht bisweilen und es schein e-w-i-g zu dauern. Am Bach wird der Weg besser erkennbar, aber nicht minder nass. Egal, mittlerweile ist es einfach egal. Ich plantsche voran, der Bach mündet in einen Querbach, ich stakse hindurch und gelange auf einen Kiesweg. Nur noch wenige Kilometer nach Shiel Bridge, dem Ende des ersten Abschnitts, 110km geschafft!
    Ich checke elektronisch ein, stelle das Zelt auf, schmeisse meine Kleider in die Waschmaschine und stehe lange unter der Dusche. Während meine Sachen im Tumbler trocknen, schaue ich im Quilt, Kaffee in der Hand, einen Film.
    Am Abend hole ich mein Resupply Paket ab und rede mit einer Hikerin. Als ich ihr von den beiden Wanderern erzähle, sagt sie etwas abschätzig: Munroists - und mir fällt der Groschen. Es ist schottischer Nationalsport, alle 282 Munros (Berge über 3000ft, 914m) zu besteigen...
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  • Auf zur Forcan Ridge

    May 2 in Scotland ⋅ ☁️ 7 °C

    Der Himmel grau, die Berge verhangen, Niesel ab und an, Wind. Langsam arbeite ich mich einem Pfad entlang, der an einer besonders nassen Stelle verschwindet. Das GPS leitet mich in Richtung des Passes, der zwischen den Nebelschwaden immer mal wieder sichtbar wird. Schritt um Schritt im nassen Gras, im getränkten Boden, frisches kaltes Wasser im Schuh bei jedem Schritt.
    Den Pass markiert wie so oft ein rostiges Gatter. Nebel, Wind und Regen haben zugenommen, mit dem GPS hangle ich mich von einem rostigen Zaunpfahl zum andern, bis zum Beginn der langsam verfallenden Steinmauer, die mich der Flanke der Forcan Ridge entlangführt. Immer wieder muss ich über vor Nässe rutschige Steine klettern. Langsam, denke ich, nur ja keinen Unfall machen. Die Mauer endet auf einem Sattel, der Wind peitscht mir Wasser ins Gesicht. Ein Mann taucht auf, die Hände gemütlich in den Taschen, durch Wind und Regen schreien wir uns an. Ob ich auf der Ridge gewesen sei. Ich bin irritiert, bei dem Wetter? Als Thruhikerin bin ich auf einer Mission, aber einfach so bissl in die Berge?!
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  • Stalkers Hut

    May 1 in Scotland ⋅ ☁️ 8 °C

    Raus aus Kinlochhourn hält ein Auto neben mir, eine weisshaarige Lady will wissen, woher wohin. Ich antworte und frage auch. Sie fährt zu ihrem Boot und dann übers Loch - auf der anderen Seite hat sie ein altes Steinhaus gemietet, mitten im Nirgendwo, ohne Strom, mit einer Quelle neben dem Haus. Very cozy, sagt sie und ich nicke begeistert.
    Über Privatgrund und durch einen Wald geht es steil hoch. Zwei Holländer schliessen zu mir auf und so bewältigen wir den Hügel im Gespräch. Es ist sehr unterhaltsam und trotzdem bin ich froh, als sie (um 17h 🤪) Mittagspause machen und ich alleine weiterziehe. Sie wollen sowieso in Richtung Fähre nach Skye.
    Es beginnt leicht zu nieseln und ich überlege, ob ich auch in der Stalkers Hut, einem geräumigen Jagdstand, schlafen soll, wie @fitforadventure in ihrer sehenswerten Youtube-Dokumentation. Ich beschliesse allerdings, noch jetzt über den danebenliegenden Fluss zu hüpfen - wer weiss, wie sich der Regen entwickelt und wie der Fluss morgen aussieht. Sowieso glaube ich mich zu erinnern, dass das Dach der Hütte nicht dicht war.
    Drüben suche ich lange nach einem ebenen, trockenen Platz, während der Niesel in Regen übergeht. Einen Moment will ich mich bemitleiden, dann fällt mir ein, dass ich ja deswege hergekommen bin. Das versorgt mich mit neuer Motivation. Der Blick in den Talkessel mit der zwischen den Regenschüben durchscheinenden Sonne ist überwältigend. Und hier darf ich mein Zelt aufstellen?!
    Schliesslich ringe ich im Wind meine Heringe in den Boden. Als ich ins Zelt krieche, stelle ich fest, dass ein ca. 30cm hoher und ebenso breiter Grasbüschel mein Innenzelt verkleinert. Aber egal. Ich schmiege mich daran und mache mich an meine abendlichen Aufgaben, während Wind und Regen an meinem fragilen Unterstand zerren. Später kommt die Sonne wieder hervor und ich sehe über den Bergen sogar noch blauen Himmel.
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  • Kinloch Hourn

    May 1 in Scotland ⋅ ☁️ 9 °C

    Als 'long slog' bezeichnet Führerautor Iain Harper den 10km-Abschnitt nach Kinloch Hourn. Zu Beginn unterhalten mich noch die Ultraläufer*innen, die mir entgegen kommen. Sie gehören zum hinteren Feld, das besonders interessant ist: Während die Leute vorne im Rennen wissen, dass sie das können, sind hier die Menschen, die den Mut und den Irrsinn besitzen, sich anzumelden, obwohl sie es vielleicht nicht schaffen werden. Hier rennt niemand, aber alle sind gut auf den Beinen, scheint mir. How are you, frage ich einen. In sechs Stunden wirds mir besser gehen, sagt er. Ja, dann ist er im Ziel 🤣
    Hoch und runter geht ein guter Weg dem Loch entlang, der Wind zieht und gleichzeitig schwitze ich. Nach einigen Stunden lege ich mir einen Podcast auf die Ohren - das einzige Mal auf diesem Hike.
    Das Ende des Lochs scheint nicht kommen zu wollen. Schritt um Schritt, denke ich und konzentriere mich auf die Stimmen in meinem Ohr. Irgendwann komme ich auf die Teerstrasse und ins Dorf. Im Tearoom gibts eine Suppe und warmen Tee.
    Später werde ich oft an diesen Abschnitt zurückdenken: Hier verunfallte ein Westschweizer Wanderer tödlich, 65jährig und gut erfahren. Er soll ins Wasser gefallen und ertrunken sein. Zu dem Zeitpunkt bin ich wieder daheim und lese es in den schottischen Medien.
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  • Barisdale

    May 1 in Scotland ⋅ ☁️ 8 °C

    Der Nebel schluckt die Kuppen der Berge und es ist kühl, als ich auf den Pass Mam Unndalain hochsteige und siehe da, es ist nicht praktisch zum Zelten. Glück gehabt mit dem Spot gestern!
    Auf einem im Gras knapp erkennbaren Weg folge ich dem Bach ins Tal, irgendwann taucht in der Ferne das Loch Barisdale auf. Singletrail, dann Kiesweg, breiter Kiesweg. Ein Läufer rennt mir entgegen, er trägt eine Nummer.
    Beim Barisdale Bothy (bekannt und beliebt, weil es ein Klo hat), stehen zwei Leute mit Klemmbrettern, die die vorbeirennenden Läufer*innen abhaken. Im Bothy kann man Wasser auffüllen und natürlich aufs Klo gehen, diese Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Ich beobachte die Läufer*innen und ihre Ausrüstung. Gestern haben sie 100km gemacht, vor einer Stunde sind sie heute Morgen wieder gestartet. Chapeau, denke ich und schaue hoch zu den Bergen, durch die es für sie heute geht.
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  • Weglos zum Mam Unndalain

    April 30 in Scotland ⋅ ☀️ 17 °C

    Während das belgische Paar, das durch meine Badepause zu mir aufgeschlossen hat, am Fluss entlang weiterläuft, nehme ich den Aufstieg auf den Mam Unndalain in Angriff. Die GPX-Route führt mich durch steiles, mit Felsen durchsetztes Grasland hoch. Im nassen Gelände kann ich jeden Fuss sicher setzen, weil es unter dem herabhängenden Gras etwas wie Tritte gibt. Manchmal ist unklar, ob ich unter- oder oberhalb der Felsen vorbeisteigen soll, aber oft spielt es auch keine Rolle. Ich komme langsam voran, mit 2 Stöcken und 1 GPS fehlt mir eine Hand. Dafür gewinne ich rasch an Höhe und schaue mich immer wieder um. Der Fluss wird klein und kleiner, der Berg gegenüber ragt mächtig über mir auf und in der Ferne taucht ein Loch auf. Als ich einen flachen Spot in der Nähe eines Bachs finde, mache ich Feierabend. Kurz darauf zieht das belgische Paar an mir vorbei. Der Pass Mam Unndalain ist nicht mehr weit weg. Aber meine Erfahrung ist, dass Pässe oft sumpfige Angelegenheiten sind.Read more

  • Fluss Carnach

    April 30 in Scotland ⋅ ☁️ 18 °C

    Nach der Brücke mache ich Pause, Schuhe, Sohlen und Socken neben mir an der Sonne ausgebreitet. Stockmann hat mir nach seiner NST-Erfahrung im nassen Januar empfohlen, ein zweites Paar Einlegesohlen mitzunehmen. Darüber bin ich sehr froh und über meine trockenen zweiten Socken auch.
    Nun gehts dem River Carnach entlang, über einen Feldweg und durch Wiesen, gerade so leicht ansteigend, dass ich mich frage, warum es so harzt. Faut plat, denke ich vom Radfahren her, obwohl ich das beim Hiken eigentlich mag. Vielleicht einfach ein Hänger. Mit vielen kurzen Pausen kämpfe ich mich vorwärts.
    Wo die Route vom Carnach abbiegt und in die Hügel führt, hat sich der Fluss am Fuss einer steilen Felswand ein Becken gegraben. Ich muss baden, beschliesse ich. Konzentriert atme ich mich ins kalte Wasser, dann sitze im Kies und möchte Kaffee trinken. Nur, wo ist meine Filterflasche?!
    Anhand von Fotos und GPS-Daten rekonstruiere ich, wo ich sie verloren haben muss. Ich lasse den Rucksack liegen und haste durch das letzte Stück zurück, eine Kletterpartie über dem Fluss, die mit 15km weniger deutlich mehr Spass macht. Die Filterflasche liegt im Gras und ich bin äusserst erleichtert!
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  • Im Sumpf

    April 30 in Scotland ⋅ ☁️ 16 °C

    Die ganze Talsohle besteht aus richtig nassem Bogland. Ich stehe immer mindestens bis zum Knöchel im Wasser, manchmal höher. Auf der anderen Seite des Tals kann ich am Hang einige Steinmauern erkennen, darunter eine Brücke. Da will ich hin. Gegen das Loch hin, wo das Bogland bei Flut überspült wird, watet eine Herde Hirsche durchs Wasser.
    Aufmerksam lese ich die Pflanzen vor mir, welche deuten wohl Nässe an, welche lassen einen festen, trockenen Untergrund vermuten? Ich laufe langsam, verlagere das Gewicht nur zögernd von einem Fuss auf den anderen. Zwischendurch stehe ich an Wassergräben an, die zu breit sind fürs Drüberspringen. Also umgehen, auf ein Ende hoffen oder auf eine schmale Stelle. Anderthalb oder zwei Kilometer sind es vielleicht bis zur Brücke. Ich ergebe mich dem bei jedem Schritt in den Schuh hineinsaftenden Wasser, der brennenden Sonne. Mücken könnte es auch noch haben, denke ich und bin dankbar, dass es dafür noch zu früh ist.
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  • Sourlies Bothy

    April 30 in Scotland ⋅ ☀️ 15 °C

    Kurz vor dem Bothy werden meine Schuhe nass, das nervt mich - gleichzeitig weiss ich da noch nicht, was nach dem Bothy kommen wird.
    Aber erstmal was trinken, das Bothy anschauen und die Füsse lüften.
    Manche Bothies haben nur einen Raum, manche haben mehrere und wiederum andere sogar einen oberen Stock. Klo gibts keines, dafür eine Schaufel und eine Erklärung: Loch graben genug weit weg vom Gebäude, nicht am Wasser (wobei ich das in Schottland schwierig fand, weil der Boden so nass ist), Klopapier mitnehmen oder verbrennen.
    Wasser gibts in der Nähe immer, so dass man nicht weit laufen muss. Es gilt, first come first serve. Daneben kann man zelten.
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  • Abstieg nach Sourlies

    April 30 in Scotland ⋅ ⛅ 12 °C

    Goldgelb färbt die Sonne die Landschaft, als ich losgehe. Einige Hirsche ziehen nah an mir vorbei. Bald bin ich auf dem Pass, den ein Steinhaufen markiert.
    Entlang zweier tiefblauer Lochs arbeite ich mich voran - noch gilt die Mission, die Schuhe möglichst trocken zu halten.
    Als der Weg in einen kleinen Canyon führt, bin ich etwas verunsichert. Aber der GPX-Track ist eindeutig. Und als ich gut hinschaue, sehe ich immer den nächsten Schritt. Plattgedrücktes Gras, ein Fussabdruck im nassen Boden oder wie ich mich über die Steine hieven kann. Es macht viel Spass - gleichzeitig bin ich auch erleichtert, als ich drüben rauskomme. Wie hat es hier ausgesehen, als der Wasserstand so hoch war?
    Bald sehe ich das Loch Nevis, an dem das Sourlies Bothy liegt. Steil gehts nun im Zickzack hinunter. Zwei Wanderer kommen mir entgegen, wohl Einheimische mit den Gamaschen, und später eine Gruppe mit Tagesrucksäcken. Woher kommen die, frage ich mich. Wir sind Stunden vom nächsten Parkplatz entfernt.
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  • Glen Dessary

    April 29 in Scotland ⋅ ☁️ 14 °C

    Die Pause hat mich wiederbelebt. Mit neuer Kraft gehe ich voran, durch einen erneuten Nutzwald, durch den ein Bach mäandert, was für einen sehr schönen Wanderweg sorgt. Danach kann mich das Tal Glen Dessary nicht mehr begeistern. Mit einem Raupenfahrzeug hat jemand herumgefuhrwerkt, so dass ich mir bisweilen wie auf einem Bauplatz vorkomme. Ich beschliesse denn auch, noch vor dem Pass zu zelten.
    Ich steige vom Weg weg, der dem Bach entlangführt. In der Höhe will ich einen Platz für mein Zelt finden, idealerweise an einem kleinen Zubach, so dass ich nicht weit zum Wasser holen laufen muss.
    Windschutz ist generell kaum möglich in dieser Landschaft. Das heisst, gut abspannen, vertrauen und Ohropax zum Schlafen, wenn die Zeltwand zu viel Lärm macht. Eine trockene Stelle hingegen ist wichtig. Und zwar nicht nur an der Oberfläche. Ich entwickle rasch ein Auge dafür, welche Pflanzen und Moose auf Nässe oder Trockenheit schliessen lassen und richte mich ein. Dann wasche ich mich am Bach und sitze anschliessend beim Zelt und entferne eine erste Zecke von meinem Körper.
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  • Kaffee am A'Chùil Bothy

    April 29 in Scotland ⋅ ☁️ 15 °C

    Unendlich kommt mir die Forststrasse durch den Nutzwald vor. Sie ist breit genug, dass es kaum Schatten gibt. Ich bin durstig und müde und brauche eine Pause. Träume davon, meine Schuhe auszuziehen, die Füsse zu sonnen und die Socken zu trocknen. Und ja, das könnte ich auch am Wegrand tun, aber ich will zum Bothy.
    Ein kurzer, steiler Abstieg dem Waldrand entlang, ich kann den nassen Stellen kaum ausweichen. Vor dem Bothy lasse ich meinen Rucksack fallen und drehe drinnen eine kurze Runde. Eine Fünfergruppe richtet sich für einige Tage ein. Naja, ich wollte eh nicht hierbleiben.
    Draussen befreie ich endlich meine Füsse und werfe den Kocher an. Zum Kaffee esse ich ein Stück eingeschweissten Militär-Cake von R. Staunend schaue ich das Tal entlang - und bin ganz zufrieden mit meinem Leben.
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  • R: don't pack your fears

    April 29 in Scotland ⋅ ☁️ 15 °C

    R. habe ich im Corryhully Bothy kennengelernt. Nun begegne ich ihm in einem kleinen Nutzwald. Am Strassenrand steht er ratlos vor dem Inhalt eines resupply Pakets, das er eben ausgegraben hat. Und zwar nicht gefriergetrocknet, sondern eingeschweisste, recht schwere Armynahrung. Im Bothy hatte er erzählt, dass er vier Jahre für den Cape Wrath Trail geplant hat. Welche Taschen er an seinen Rucksack genäht hat, alle mit einem bestimmten Zweck. Was er alles für interessante Dinge dabei hat: pack your fears just reached a new level - level R. Alles ist sehr ingeniös gemacht, top genäht. Zum Beispiel die kleine Leiste an seinen Regenhosen, damit das Wasser nicht in die Gamaschen läuft. Mit hängenden Armen steht R. vor seinem viel zu vielen Essen und seinem schweren Gepäck: What am I gonna do?
    Ich nehme ihm ein bisschen was ab, denn ich habe knapp Snacks. Seine Verzweiflung ist greifbar. Ich bin etwas überfordert, wie kann man sich so verplanen? Wie kann man so von der Realität wegdriften? Welchen Mechanismus hat er wo verpasst?
    R. schafft es nicht, einen Halt einzulegen und umzudisponieren. Zwei weitere Tage später erzählt mir die schottische Hikerin A., er habe aufgegeben. Offensichtlich hat seine Situation sie auch beschäftigt. Welche Freude muss er beim Planen und Vorbereiten verspürt haben. Zwei Tage lang habe er Milchpulver in Tütchen und Snacks in Vakumiersäckchen abgefüllt. Hat gelesen und jede Doku über den Trail geschaut und immer gedacht, das brauche ich auch noch und das und das... 35 kg schwer sei der Rucksack am Ende gewesen, erzählt A., und er habe sich die Füsse verletzt. Ich hoffe, dass er dadurch zur Besinnung kommt und auf den Trail zurückkehrt. Denn an Determination mangelt es ihm nicht. Und ich werde mir in Zukunft sagen, wenn ich in die Nähe von Überplanen und Ängste packen gerate: Mach nicht den R. hier.
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  • Der erste Pass

    April 29 in Scotland ⋅ ☁️ 12 °C

    In den Zelten vor dem Bothy regt sich das erste morgendliche Leben, als ich die Tür hinter mir zuziehe und losgehe. Beim Wasser holen fürs Frühstück ist mir schon aufgefallen, dass der Wasserpegel des Bachs vor dem Gebäude deutlich gesunken ist. Und der Bach, den ich nach wenigen hundert Metern problemlos auf den dafür vorgesehenen Steinen überqueren kann, ist zahm und brav im Vergleich zu gestern.
    Ein Strässchen, dann ein grober 4x4 Track, schliesslich ein single trail windet sich zu dem gut erkennbaren Pass hoch. Diesen markiert ein Eisengatter ohne Zaun. Berührt fasse ich es an, ich habe schon viele Fotos davon gesehen, nun bin ich da.
    Vor mir öffnet sich ein weites, u-förmiges Tal, der Bach in der Mitte. Sorgfältig suche ich mir den Weg hinunter, Schritt für Schritt. Der Boden ist noch immer stark wassergesättigt und bald sind meine Füsse bei jedem Schritt von Neuem nass.
    Bald sehe ich einem Pfad, bald laufe ich einfach durchs Gras, umgehe allzu nasse Stellen, klettere Torfabbruchkanten hinunter und wechsle, erscheint es mir dort günstiger, auf die andere Seite des Bachs. Dabei begibt man sich heute nicht in Lebensgefahr. Zweimal rutsche ich aus und setze mich ins Nass, wobei mir das torfbraune Wasser in die Hose läuft. Aber die Sonne scheint und alles wird wieder trocknen!
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  • Zeitdruck als Risikofaktor

    April 28 in Scotland ⋅ 🌧 10 °C

    Am nächsten Morgen besucht uns der Estate Manager (faktisch der landwirtschaftliche Gemeindeverwalter) und zeigt uns auf einer Karte, wo wir am sichersten langlaufen. Den ersten Bach nicht auf der Strasse durchwaten, sondern bachaufwärts über eine schmale Brücke. Auf dem Pass auf die rechte Talseite wechseln, bevor der Bach beginnt. Er tippt mit dem Finger auf eine Stelle weiter unten: If you try to cross the river there you will die.
    Stetig prasselt der Regen auf meinen Kopf, meine Schuhe sind nach wenigen Schritten wieder nass. Der Bach, der die Strasse quert, ist zu einem tosenden Ungetüm geworden. Die Brücke ist schmal und wirkt wackelig. Auf der anderen Seite steht jemand. Watch me, deute ich ihm - falls ich verunfalle, kann er mir zu Hilfe kommen. Die Brücke schwingt, aber ist problemlos passierbar. Der Mann heisst Paul und wir bereden die Situation. Der Pass sei machbar, sagt er, aber er habe keine Lust auf einen Tag full of misery. Nachmittags um drei solle der Regen aufhören, danach würde das Wasser innert einiger Stunden deutlich zurückgehen.
    Ich gehe weiter, aber das Besprochene hallt in mir nach. Will ich mir das heute antun, an meinem dritten Tag, als highland newbie? Ich habe genug Zeit und die Alternative ist ein Tag in einem Bothy mit Strom.
    Mein Bauch entscheidet: Ich gehe zurück zum Bothy, schaue einen Film, lade mein Handy, trinke Tee, rede mit allen, die im Bothy kurz aus dem Regen flüchten. Am Abend kommen neue Wanderer*innen und auch einer, der vom Pass zurückgekehrt ist. Er war auf einen Schafpfad geraten, der ins Wasser abrutschte. Auf dem Pass hätte man durch einen hüfthohen See waten müssen.
    Mitte Nachmittag hört der Regen auf, ich hänge meine nassen Sachen draussen zum Trocknen auf. Und ich denke darüber nach, dass genügend Zeit auch ein Sicherheitsfaktor ist. Oder Zeitdruck ein Risikofaktor.
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  • Corryhully Bothy

    April 27 in Scotland ⋅ 🌧 12 °C

    Bothies sind Schutzhütten in den Highlands mit unterschiedlichem Ausbaustandard. Corryhully ist von der Gemeinde unterhalten (nicht von der Mountain Bothy Association) und verfügt über Strom.
    Ich bin unendlich dankbar, als ich die grobe Holztür aufstosse und aus dem ewigen Regengeräusch auf meiner Kapuze komme. Ich hänge meine nassen Klamotten auf, richte mich auf einer Schlafpritsche ein und wärme Wasser für einen Tee.
    Am Abend stossen nacheinander noch S. und R. dazu, zwei einheimische Wanderer. Sehr gemütlich sitzen wir beisammen und unterhalten uns über den Trail und das Leben. Der andauernde Regen macht uns Sorgen, er lässt die Bäche anschwellen.
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  • Glenfinnan

    April 27 in Scotland ⋅ 🌧 12 °C

    Die ersten Kilometer bleiben meine Schuhe trocken, es geht weiter auf der Kiesstrasse. Zwei andere Zelte sehe ich, still stehen sie im Regen. Als die Strasse in einen schmalen Fusspfad übergeht und an einem Talkessel entlang hochführt, wird der Trail zum Bach. Spätestens ab dem Pass ist jeder Widerstand zwecklos. Meine Schuhe sind komplett nass, bei jedem Schritt dringt neues Wasser ein. Vom Weg abzuweichen bringt wenig, wie ich rasch feststelle: Dort ist der Boden nur noch nasser. Ich ergebe mich schnell, hatte mich ja darauf eingestellt.
    In Glenfinnan ist viel los: Im visitor centre stehe ich zuerst fürs Klo an und dann für einen Kaffee. Reisebusse entladen ihre Fracht. Ich bleibe nicht lang - beim Rauslaufen fährt der Zug über den Viadukt. Bekannt wurde dieser mit dem Harry Potter Film (in dem Ron Harry mit dem fliegenden Auto vor seiner Muggelfamilie rettet).
    Ich laufe einfach weiter und versuche, meine Hoffnung zu zügeln, dass das Bothy geöffnet ist.
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  • Die erste Nacht

    April 27 in Scotland ⋅ 🌧 10 °C

    Als das Licht abnimmt, stelle ich mein Zelt am Bach auf und schaue über die Tüte mit meinem Abendessen der Nacht beim Fallen zu. Die ersten 15 km sind geschafft, denke ich. Bleiben noch ca. 385 übrig.
    In der Nacht beginnt ein Regen, der 36 Stunden nicht aufhören wird. Dazu windet es so fest, dass sich ein Hering losreisst und das Zelt über mir einsinkt. Ich haste hinaus und befestige es wieder. Danach sitze ich wach im Dunkeln und durchdenke meine Optionen. In 4km Entfernung gibt es ein Gebäude, aber ich weiss, dass es privat und daher geschlossen ist. Und ob ich da einen Unterstand finde, ist fraglich. Also beschliesse ich, zumindest auf Tageslicht zu warten.
    Die Frage dreht in meinem Kopf: Werden mein Zelt und ich den Bedingungen dieses Trails standhalten?
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  • Conaglen

    April 26 in Scotland ⋅ ☁️ 11 °C

    Nach 10 km auf einer schmalen Asphaltstrasse entlang des Lochs biege ich ab ins Conaglen. Schon erheben sich die Hügel links und rechts, glänzt ein verbreiterter Bach, die Farben bräunlich, gelblich.
    Ich laufe auf einer gekiesten Strasse, aus den Büschen starren mich Hirsche an. Ein Schild erklärt, warum sie so wenig schreckhaft sind: Es handelt sich um eine Farm.
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  • Camusnagaul

    April 26 in Scotland ⋅ ☁️ 12 °C

    Ich schlafe lange, geniesse noch eine Dusche, das Klo mit Wasserspülung und die Küche. Dann packe ich meine Sachen und hole im Outdoorladen noch einige Mahlzeiten und ein Mückennetz für den Kopf. Wohin gehts, fragt der Verkäufer, Typ Bergsteiger. Cape Wrath, nuschle ich und nestle meine Karte ans Bezahlgerät. Nervös, fragt er. Ich nicke und schaue ihn nicht an. Warum nur habe ich diese unglaublichen pre trail jibbers? Ach, das schaffst du, sagt der Mann, es wird wundervoll. Und jetzt habe ich definitiv Tränen in den Augen.
    Die Fähre bringt mich übers Loch nach Camusnagaul, hier beginne ich den Trail. Das Wetter ist grau, windig, ein paar Regentropfen. Ich mache den ersten Schritt, noch einen und noch einen und bin unterwegs. Und wie immer der Trail wird - ich werde es sehen.
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  • Fort William

    April 25 in Scotland ⋅ ☁️ 11 °C

    Um 10 Uhr entlässt mich der Caledonian Sleeper nach einer erholsamen Nacht und einem wundervollen Morgen - mit dem early morning tea sass ich in meiner Kabine und schaute auf das vorbeiziehende Hochland hinaus - in Fort William. Der kleine Ort bietet alles, was man vor einer langen Wanderung noch benötigt: Supermärkte für den Resupply, Cafes, Post, Outdoorladen - und für mich ein kleines Apartment mit weichem Bett, warmer Dusche und einem Air fryer 😄
    Ich kaufte gross ein, brachte zwei Resupply Pakete auf die Post und füllte meinen Rucksack mit Essen für sechs Tage.
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    Trip start
    April 24, 2025