• Horizonte

    9 ноября 2024 г., Испания ⋅ ☁️ 17 °C

    Hey, liest du auch immer den Schluss vom Roman zuerst?

    Manchmal glaubt man da schon einschätzen zu können, ob es sich überhaupt lohnt, noch den Anfang zu schmökern oder das Buch lieber gleich hinter sieben Strängen und Siegeln geschlossen zu halten.

    Hier, am entfernten Kap Finistère, kommt also letztlich alles zusammen. Verquere Weltanschauung, rastloser Reisebericht und scheues Verständigungskonzept.

    Konntest du mich durch meine Metaphern und Wortklaubereien etwas besser verstehen lernen? Hat es dir etwas gebracht oder war die Zeit des Lesens, in einer Ära des Stromsparens, doch nur reine Energieverschwendung?

    Das hier gesetzte Puzzlestück ist nur eines von vielen in der großen Teilepackung und welches Motiv sich am Ende nach dem geduldigen Zusammensetzen erkennen lassen soll, ist aktuell noch gar nicht eindeutig auf der Vorderseite ersichtlich. Schließlich wird erst einmal beflissen der Rand gelegt, ehe die schwierige Mitte Beachtung findet.

    Vielleicht fragst du dich daher, ob mir diese Reise zum Zusammensetzen des Charakters etwas genutzt hat. Habe ich das offensichtliche Glück auf diesem Weg auch ohne Brille und Kontaktlinsen wahrnehmen können? Es wie ein lechzender Midas, einfach ergriffen und mit in der persönlichen Reichtumsausstellung präsentiert oder es eher wie Dagobert, sicher und unter wachsamen Augen im Tresor verwahrt?

    Glück ist flüchtig.

    Glück ist jedes feine und einzeln gestapelte Sandkörnchen in der zu kleinen Lebensuhr, ehe sie sich zu drehen beginnt.

    Ein ziemlich ungewohntes Statement aus meinem Mund. Allerdings, das Begreifen dieser Tatsache ist die eine Sache. Etwas daraus zu machen, eine ganz andere.

    Mein eisern Erspartes ist bald zur Gänze aufgebraucht und ich habe nicht den Funken einer Idee davon, wie es weitergehen soll. • Stattdessen war ich irgendwo in Frankreich mit einem lustigen Typen unterwegs und konnte den wohl leckersten Flan-Kuchen des Landes vertilgen.

    Ich habe keine eigene Wohnung mehr und auch keine Vorstellung davon, wo ich eigentlich auf dieser weiten runden Welt zu Hause sein möchte. • Doch dafür lag ich wohlbehütet in meinem Zelt zwischen bunten Weinreben und bekam den ehrenhaften Logenplatz zur Neuaufführung der Gewitter-Oper.

    Unterwegs stachen mir flirrende Sonnenuntergänge mit ihrer brennenden Aufmachung in die Augen, ich wurde von einem fluchenden spanischen Großmütterchen lautstark beleidigt und nach einer kalten Nacht, gab es am Morgen Porridge mit Schnecke zum Frühstück. Alte Römerbrücken trugen auch noch im einundzwanzigsten Jahrhundert mein Gewicht, gleich zwei Eisvögel kreuzten flatterhaft meinen Weg und zwischen Léon und Ponferada, separierten mich mehrere Hirtenhunde sorgfältig von ihrer zu schützenden Herde.

    Freilich sind auch das nur kleine Einblicke der letzten Monate, aber weißt du was? Sie fühlen sich für mich wertvoller an, als viele vergangene Jahre zuvor. Weil ich nicht das immanente Gefühl empfand, meine Zeit zu vergeuden, sondern sie sinnvoll genutzt zu haben, anstatt mich zu Hause in meinem Zimmer zu verkriechen.

    Die graue Nebelwand, die sonst über meinen Gedanken schwebt, befindet sich heute passenderweise komplett um mich herum. Es regnet, ist diesig und die Gischt aus der geschlagenen Brandung gibt dem Ganzen eine fein salzige Note.

    Ich will dich nicht anlügen oder dir etwas vormachen; dieser Weg war nicht die erlösend kurierende Kur, trotz guter Gespräche bin ich noch lang kein Philanthrop geworden und nach wie vor, tue ich mich endlos schwer damit, Gefühle zu erkennen und vor allem sie zuzulassen.

    Am Anfang der damaligen ersten Schritte meinte ich, dass meine Geschichten selten in einem Happy End ausgehen. Doch all die Erfahrungen, das Gesehene und Erlebte, fühlen sich zu gut an, als das ich es hier nun im Drama enden lassen möchte.

    Eine Frau sagte mir kürzlich auf dem Weg, dass ich selig vor mich hin strahlen würde und auch wenn ich es selbst nicht sehen kann, so tut es gut zu wissen, dass sich vielleicht jetzt gerade, eine neue, stabilere Maske aufbaut.

    Kein billiger Abklatsch mehr.

    Keine, zum Wohlgefallen anderer.

    Sondern endlich meine eigene.
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