Seelenpfade

Julai - November 2024
Eine Pilgerreise in die Vergangenheit. Baca lagi

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Mengembara, Mendaki, Alam semula jadi, Penemuan diri, Perjalanan tunggal
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    2 September 2024, Switzerland ⋅ ☀️ 24 °C

    Eintausend Kilometer - oder etwas bei 1.302.507 Schritten. So ziemlich ein Drittel des Weges ist bereits vorüber und als ich in den sonnen überfluteten Morgenstunden Nyon erreiche, komme ich ins Grübeln und Reflektieren. Gibt es teilbare Weisheiten und gewonnene Erkenntnisse aus den letzten Tagen?

    Ich habe irrsinnig viel gesehen und erlebt. Mehr, als es mir im bloßen Alltag irgend möglich wäre. Habe harmonische Chormusik in heiligen Hallen gehört, bin durch Säulen und Gemäuer gegangen, älter, als wir beide es jemals zusammen sein könnten.

    Habe in Gesichter geblickt, deren Münder ihre eigenen Geschichten wiedergaben und deren Worten ich sehr gerne lauschte. Zumindest zu einem Teil. Für eine kurze Weile, denn wie so oft im Leben, ist es nur ein flüchtiges Treffen und ein rasch folgender Abschied.

    Das, was ich dir bislang mitgeben kann, ist wahrlich nicht viel. Doch es ist eine Sache, an der ich selber akribisch arbeiten mag. Wer weiß, vielleicht bringt sie mich in meiner eigenen Persönlichkeit, genau wie meine tragend Füße, ein Stück weit voran.

    Stolpere keinen Idealen hinterher, die nicht deine eigenen sind. Lass dich von ihnen inspirieren, motivieren und dich gern wie tosender Wind im Segel antreiben, aber finde dein eigenes Tempo auf dem weiten Meer. Deinen eigenen Trampelpfad im Dasein.

    Noch bevor ich diese Reise antrat, gabst du mir zweitausend Kilometer, ehe ich abbrechen würde. Weißt du noch?

    Gib mir ein paar weitere Wochen Zeit, um mich an dieses Limit heranzutasten.
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  • Gastfreundschaft

    6 September 2024, Perancis ⋅ ⛅ 24 °C

    Während mir die bezaubernde Schweiz mit ohrenbetäubenden Paukenschlägen und in ärgster Manier ihre unbestechliche Schönheit in den Frontallappen gehämmert hat, schwingen in Frankreich eher sanfte Harfenklänge durch den gewundenen Gehörgang.

    Dekorativ geschmückte Dörfer, geduldig zuhörende Anwohner und schweißtreibende Höhenmeter. Es ist beinah so, als würde der aktuelle Streckenabschnitt mir Zeit zur inneren Besinnung geben. Kaum Pilger unterwegs, zumindest habe ich von einem abgesehen, keine anderen getroffen - fürs Wildcampen sind es paradiesische Zustände und allen voran, ist die Gastfreundschaft und Freundlichkeit das oberste Sahnehäubchen auf der gewaltigen Erfahrungstorte.

    Um dir einen kleinen Einblick zu bieten, möchte ich dir von einer Familie erzählen, die mir erlaubte mein Zelt im Garten aufzuschlagen, als Tropfen um Tropfen vom Himmel fiel. Kaum stand die mobile Behausung, folgte die Einladung zum unsicheren Gespräch, Bier, Kuchen und zwei saftigen Tomaten.

    Drei Tage später vergesse ich meine stockartigen Ersatzbeine an einer Apotheke. Als ich zurückkomme, hat diese bereits geschlossen. Der nette Besitzer kommt aus einer Seitentür, überreicht mir meine Stützen und ruft ein Deutsches "Auf Wiedersehen" hinterher. Autofahrer, die mir den Daumen entgegenstrecken, für das was ich tue. Nicht den Mittelfinger, weil ich auf der Straße latsche.

    Nach all diesen Begebenheiten frage ich mich; warum hatte ich all die Jahre Angst vor Sprachbarrieren, wenn Kommunikation doch so vielfältig ist?
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  • Zusammenleben

    13 September 2024, Perancis ⋅ ⛅ 8 °C

    - Nebengedanken Teil 3 -

    Die Sichtweise von Optimisten ist beneidenswert. In der tiefen, stockfinstren Nacht, erhellen die leuchtenden Sterne den Himmel. Selbst im verborgensten Tunnel durchbricht am Ende der fade Schein die Staubschicht und ein einzelnd brennend' Licht, kann den Raum mit aller nötig Hoffnung durchziehen.

    Der zuletzt hereingelassene Gast fand recht schnell großen Gefallen an mir und während im Gleichzug die Prozentzahl der eigenen Gesundheit rapide abnahm, labte er sich mit Genuss an Botenstoffen und meiner schwindenden Lebensfreude.

    Schon bald war der Wunsch nach Abgrenzung plötzlich stärker geworden als die bloße Anziehungskraft zweier Magnete.

    Denn in der schweigenden Isolation, gibt es niemanden, der einem dazwischenredet.

    Versteckt unter Bettdecken, die mir den persönlichen Sargdeckel mimten oder in kochenden Badewannen, die zumindest etwas Wärme gaben, wurde das beschauliche Spielfeld auf dieser weiten runden Erde zu einer Winzigkeit reduziert.

    "Alles nur eine Phase, das geht vorüber. Geh zur Arbeit, das lenkt dich ab. Ab nach draußen mit dir - mach mal Sport. Sieh mal hier die Landschaft, ist doch alles nur halb so schlimm. Du brauchst 'ne kleine Auszeit, mach doch mal Urlaub in Baden-Württemberg."

    Schwierig, unter Menschen tragbar zu sein, wenn der Blick nur auf die wackligste Kante eines Hochhauses gerichtet ist.

    Schwierig, sich zu bewegen, wenn dich deine gesamten Emotionen als einzelne Eisenkugel wie ein Anker nach unten in die Tiefe zieht.

    Schwierig, Schönheit zu sehen, wenn auf einmal alles Schöne in der Vergangenheit zu liegen scheint.

    Eine Kerze mag den Raum hell durchfluten, doch irgendwann schmilzt das Wachs zu einem trostlosen Klecks zusammen. Ist der gewundene Tunnel erst einmal eingestürzt, dringt auch kein klares Licht mehr hinein und selbst die Sterne, sind durch eine bedrohlich wirkende Sturmfront nicht immer frei zu erkennen.

    Ganz schön hier, aber waren Sie eigentlich schon mal depressiv?
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  • Seitengassen

    16 September 2024, Perancis ⋅ ⛅ 12 °C

    Das, was ich mir ursprünglich unter Konstanz vorgestellt hatte, tat sich mir schließlich ein paar hundert Kilometer später in Le Puy-en-Velay auf.

    Seitengassen, in denen ich mich gern der drehenden Orientierungslosigkeit hingab. In denen schmucke Fahnen und Dekorationen für ganz wunderbare Gefühle von Heimlichkeit sorgten. Es wirkte auf mich beinah wie ein lebendig gewordenes Kunstwerk aus einer anderen Epoche oder zumindest so, wie eines dieser sprechenden Gemälde aus dem Harry Potter Universum.

    Eine Kurve, über die Kreuzung hinweg, an der steinernen Wand entlang und auf einmal stehst du vor der Kathedrale, deren Stufen ein letztes Hindernis zu Gottes irdenen Pforte darstellen.

    Ich weiß, so langsam wäre es ohnehin an der Zeit, das Thema Glauben, Kirche und den Allmächtigen in die Geschichte mit einfließen zu lassen. Nur leider fühle ich mich unwohl dabei, meine persönliche Meinung gemeinsam mit einer großen Prise angesammelten Halbwissens in einem Cocktail-Shaker zu mixen und das Ganze in einer viel zu großen Suppenschüssel zu servieren.

    Daher erzähle ich dir einfach, dass ich in den frühen Morgenstunden die französische Pilgermesse besucht habe und nach beinahe zwei Monaten des Alleinseins, für einige Momente in angespannter Schockstarre verharrte, als sich das steinerne Bollwerk zunehmend mit interessierten Teilnehmern und Mitpilgern füllte.

    Wenn ich überlege, dass dies die gesamte Woche über stattfindet, schwirrt mir der Kopf mit einer mathematisch surrealen überschlagenen Zahl an plötzlich aufgetauchten Menschenwesen. Im Leben war ich noch nie gut in Mathe, jedoch treffe ich nach der Gleichung von nun an täglich etwa dreißig bis vierzig Leute...

    Eine ziemlich krasse Umstellung im Vergleich zu den vergangenen Kilometern, doch einzelne bemerkenswerte Persönlichkeiten erleichtern mir diesen Übergang ungemein und zeigen mir viele neue Perspektiven auf. Ich verstehe mich gut mit ihnen, wenngleich auch nicht auf Französisch.

    In den späten Nachmittagstunden wird es wieder gewohnt ruhig auf dem Weg und da der mürrische Herbst schon lange dabei ist, seinen farbenprächtigen und zugleich tödlichen Einzug zu halten, stehe ich aktuell mit der Sonne auf und verschwinde mit ihrem Untergang im vertrauten Zelt.
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  • Stimmungsschwankungen

    28 September 2024, Perancis ⋅ ☀️ 14 °C

    Oha, schon beinahe kurz vor knapp. Das virtuelle Tagebuch ist am Verstauben und erlebte Momente finden bereits seit Tagen keinen wortreichen Platz mehr in der langatmigen Lektüre.

    Seit meinem letzten Eintrag sind viele Kilometer ohne Lebenszeichen verstrichen und das ist vor allem meiner aktuellen Stimmung geschuldet. Ich bin knartschig. Grantig, mit zusammen gezogenen Augenbrauen. Grummlig und schlichtweg in einer missgünstigen Laune.

    Unweit nach Le Puy hat sich meine emotionale Befindlichkeit, wie die abgebrochene deutsche Wirtschaftskurve schnell nach unten wegbewegt.

    Sollte noch ein Mitpilger seinen euphorischen Senf dazu abgeben, wie malerisch dieser Weg doch sei und was für eine ganzheitliche Bereicherung diese Wanderung mit sich bringt, dann breche ich seinen bedeutungsvollen Wortschwall mit sämtlichen Süßigkeiten, die ich im Rucksack mit mir schleppe und stopfe ihm damit beide Backen.

    Keine Angst, - ist diesmal wirklich nur eine Phase. Vor körperlicher Gewalt habe ich außerdem schon immer zurückgeschreckt.

    Versteh mich bitte nicht falsch, es gab schöne Highlights, wie das pittoreske Dorf "Conques" oder den langgezogenen Landschaftsteil mit der Viehwirtschaft. Doch ansonsten ist es, zumindest für mich, eher arg bescheiden.

    Nach einer ziemlich lustlosen Woche wollte ich mir dann selbst entgegenwirken und steuerte hoffnungsvoll auf ein beschauliches Kloster zu. Endlich ein sauberes Bett, eine Mahlzeit, die nicht aus nur aus Croissants, French Fries und Sandwiches besteht und vielleicht, ja nur vielleicht, gäbe es sogar die Möglichkeit, meine Sachen zu waschen.

    Eigentlich traf alles zu.

    Doch dann befand ich mich plötzlich bei Kammerbewohnern, die mich so unbedingt gern an ihren Schnarchgewohnheiten teilhaben lassen wollten, dass ich beinahe zwischen zwei Optionen wählen wollte. Im passenden Moment ein Kissen auf den tonalen Ausgang drauf zudrücken oder doch eher den Notarzt zu verständigen. Nach dieser Nacht war die Gesamterfahrung mit einem simplen Fingerschnips wieder zunichtegemacht.

    Gaststuben, wo sich das Wasser in Schubfächern sammelt, während es von der Decke tropft. Schlecht gewählte Zeltplätze, Regentage, Asphalt und steinerne Wege gaben dann noch ihren seligen Rest zu dieser explosiven Mischung mit zu kurzer Lunte hinzu.

    Ich weiß natürlich, dass meine Wut in die falsche Richtung gelenkt wird. Hätte' ja schließlich auch woanders schlafen können. Ich weiß, dass es wahrscheinlich nur der Neid ist, der aus mir spricht, denn mit einer anderen Einstellung hätte ich vielleicht längst die Offenbarung meines Lebens erfahren. Doch ich weiß auch, dass ich garstig sein darf und das es ab und an einfach mit dazu gehört.
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  • Vergangene Architektur

    2 Oktober 2024, Perancis ⋅ ☁️ 16 °C

    Der Wunsch endlos nach oben zu thronen, gen fernen Himmel zu ragen und auf filigrane Weise empor zu steigen.

    Mein Wissen über alte Baukunst ist arg beschränkt, aber so wurde mir die Zeitachse der Gotik beschrieben. Während mir als ein Paradebeispiel dieser Meisterarbeiten dafür nur der Kölner Dom mit seiner dunklen Farbpalette in Erinnerung schwebt, fühlte ich mich in der Kathedrale der Stadt Condom beinah hell auf beseelt.

    Steck dir dein Grinsen ein und verkneife dir einen unpassenden Spruch, denn ja, die Stadt heißt wirklich so und nein, es gibt neben dem Namen keine anzüglichen Verbindungen oder Relationen. Das soll auch gar nicht das Thema sein.

    Ich hatte dich einmal gefragt, ob du glaubst, dass wir in unserem Dasein noch ein Zeitalter der Renaissance, eine kreative und aufbrechende Epoche erleben würden. Deine Antwort darauf war ziemlich klar und sehr eindeutig zu verstehen. - Nein.

    Sicherlich liegt die Schönheit aller Dinge dieser Welt im Auge des Betrachters. Verborgen, im überfüllten Wimmelbild oder offensichtlich, in der richtig gebrochenen Perspektive. Gewiss gibt es Menschen, die sich an modernen Strukturen erfreuen und einen kreativen Mehrwert in scheinbar banalen Skulpturen oder Bauwerken aus stabilem Beton und gekräuseltem Metall ziehen können.

    Mir selbst gefällt diese Art von Kunst kein kleines bisschen. Jedoch, dieses alte Kirchenschiff mit den grauen, lichtdurchfluteten Fenstern, den melancholischen Figuren und Bögen...

    Denk dir einmal, wie viele dutzend Träume auf abgenutzten Papier und in schweren Stein einstürzen mussten, ehe Bauherren aus Erfahrung wussten, wie nah man dem Himmel kommen darf. Nach all diesen Niederschlägen etwas Graziles, halbwegs beständiges zu erschaffen - kannst du da nicht auch gewisse Parallelen zum Leben ziehen?

    Ich versuche es zu versuchen. Nicht immer klappt es und die steinigen Wege der Vergangenheit, plagen mich nur zu häufig mit ihren spitzen Kieseln auch weiter in der Gegenwart.
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  • "Wie geht's dir?"

    5 Oktober 2024, Perancis ⋅ ⛅ 21 °C

    - Nebengedanken Teil 4 -

    Da war die garstige und kratzbürstige Katze also endlich aus dem Sack. Der reichhaltige Tisch mit der unappetitlichen Realität gedeckt und das Spieglein an der Wand mit tiefen Furchen zum Schweigen verdonnert.

    Wenn mich jemand fragen würde, wie es sich anfühlt depressiv zu sein, dann wäre meine Antwort wohl, wie zu ertrinken. Allerdings ohne den dramatischen Höhepunkt, wo man im Akt stirbt oder sich schwindend der beruhigenden Ohnmacht hingibt.

    Wobei, ohnmächtig wirst du in gewisser Weise.

    Gelähmt im undurchsichtigen Ozean, wo Welle für Welle dich erneut nach unten zieht, während nur wenig dutzend Meter über dir, sich oberhalb der Normalnull die Sonnenstrahlen auf ganzer Flur ausbreiten. Unterdessen, im strudelnden Sog, schafft es maximal ein nachlässiger grauer Himmelsschein, deine müden Augen zu erreichen.

    Da dir bislang noch immer bestimmte kulturelle Filme fremd sind, lass es mich vielleicht so beschreiben. Es ist wie der Moment, als Boromir sieht, dass die Halblinge entführt werden und er trotz aller Ambitionen und Stärke nichts dagegen unternehmen konnte. Wie ein schemenhafter Dementor, der Hogwarts Schülern sämtlichen Frohsinn und Heiterkeit aussaugt, ohne dass sie in der Lage wären, sich ihm zu erwehren.

    Schlichtweg alles erscheint mit einem Mal belanglos und die geniale Frage: "Wie geht's dir?", landet ohne oppositionelle Gegenstimme deines Kopfes auf Seite eins des Buchs der nervigsten Dinge weltweit.

    Dicht darauf folgen in den anderen Kapiteln bröckelnde, aber eigentlich wichtige Freundschaften und soziale Kontakte. Pausenlose Dauerfahrten im kostenlosen Gedankenkarussell. Bewegungslose Schonhaltung im Winterschlafmodus.

    Vorstellungen zur Zukunft befinden sich im Epilog, denn das Ende der Geschichte steht für dich schon längst fest geschrieben und in Sandstein gemeißelt.

    Mit der verspäteten Einsicht folgte sogleich die zermarternde Erkenntnis und so beendete ich umgehend mein damaliges Tagewerk, floh von der Arbeitsstelle und befand mich nur kurze Zeit darauf in einer psychiatrischen Tagesklinik wieder.
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  • Anfang und Ende

    9 Oktober 2024, Perancis ⋅ 🌧 18 °C

    Okay lieber Bruder, es gibt so viele wichtige Höhepunkte, welche ich am heutigen Tag unbedingt mit dir zelebrieren möchte!

    Die zweitausend Kilometermarke wurde unlängst überschritten und ich habe das nächste große Etappenziel erreicht. Der Sinn des Lebens ist mir nun ganz klar offengelegt und scheint wie eine lichterloh brennende Leuchtfackel vor meiner Iris. Auch die Liebe fand unlängst Einzug in meinem zuvor so einsamen Herzen. Endlose güldene Münzen fallen aus meinem Portemonnaie heraus und selbst die kahlen Stellen an meiner Stirn tragen endlich wieder sprießende Haare. Ich liebe einfach dieses Dasein und alle Lebensformen darin, darauf und drumherum.

    ...

    Ab welchem Punkt hast du die Glaubwürdigkeit meinen Worten gegenüber verloren?

    Ich bin in Saint-Jean-Pied-de-Port angelangt. Seit Tagen laufe ich auf die Pyrenäen zu und es ist immer wieder beeindruckend, wie schnell Gebirge im Augenwinkel wachsen können, je aufdringlicher du dich ihnen näherst. Es ist meines Wissens nach die letzte Station, ehe mein Telefonanbieter mir schreiben wird, dass ich Roaming in Spanien betreibe.

    Der anfängliche Zynismus im Text hat seinen Grund. Denn weißt du, ich war zuvor nicht wirklich "gehyped" oder gab mich diesem Ort gegenüber zu unrealistischen Vorstellungen hin, aber... das?

    Es würde nun eine halbe Seite mit Genörgel, Gemecker und Geschimpfe folgen, allerdings - und das ist eine kleine Veränderung, würde es gewiss auch nichts bringen. Weder dir noch mir.

    Stattdessen höre ich auf dem Platz lieber den Reggae-Franzosen mit ihrer Maultrommel zu, weil das ja so fucki.... entspannend ist.

    Viele der Wandersleute aus Le Puy-en-Velay, beenden hier ihre Reise und ein noch viel größerer Prozentsatz beginnt sie von diesem Ort aus. Eine Pilgerorganisation verteilt den Credencial (Pilgerausweis) und stempelt schneller als jede deutsche Behörde darin herum.

    Ich bin gespannt auf die Berge und freilich auch Spanien, doch mindestens genauso viel Sorge bereitet mir als introvertierter Sonderling der Kommerz und die Anzahl von Menschen, die diesen Weg bestreiten. Ausgerechnet den Camino Frances zu laufen mag sich unter Umständen als die falsche Entscheidung herausstellen. Doch wie war das - wir wachsen an unseren Herausforderungen?
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  • Hinauf und Hinunter

    14 Oktober 2024, Sepanyol ⋅ ☁️ 15 °C

    Eine gewisse Schreibfaulheit breitet sich wie ein verqueres Vorfahrtsschild demonstrativ in meinen Gedankengängen aus. Zu sehr bin ich mittlerweile damit beschäftigt, fluffige Wolkenformen zu beobachten oder Abends einfach blindlings in die Ferne zu starren, während auf der naheliegenden Autobahn indes viele Scheinwerfer ihre gradlinigen Wege ziehen. Grillen zirpen zugleich lautstark im Chor und der seicht warme Wind fegt gemächlich über die gewundenen Täler. Es ist beschaulich friedlich und sicher kennst du das Gefühl oder diese Situation, wenn du eine bestimmte Momentaufnahme am liebsten für immer im Denkpalast abspeichern möchtest.

    Spanien also.

    Die bezaubernden Pyrenäen liegen kaum hinter mir, da überflügelt mich ein neuer Schwarm an gewaltigen Eindrücken. Ich wollte diesem Land ein wenig vorurteilsfreie Zeit verschaffen, ehe sich meine, mit Stereotypen gefüllte Schublade, zu schließen beginnt. Mich darauf einlassen und dem Ganzen offen gegenüber stehen, wie es mir die lieben Mitpilger wohl anraten würden.

    Um dem entgegen gleich mal ein vorschnelles Fazit abzulegen; es mangelt ganz klar an Toiletten. Oder am allgemeinen Regelverständnis. Dutzende Taschentücher säumen stellenweise die Wege, der restliche Müll hält sich angesichts der schieren Massen noch in Grenzen - wohl auch zum Dank einiger freiwilliger Unterstützer und alles in allem, ist es einigen Anwohnern mittlerweile einfach nur zu viel des Guten. Verständlicherweise.

    Im berühmten Kloster von Roncesvalles bekam ich bereits einen ersten Eindruck von der Beliebtheit dieses französischen Jakobswegs und bin den dortigen niederländischen Ehrenhelfern noch immer dankbar für die Gespräche und Zuweisung eines Zeltplatzes neben dem alten Gemäuer.

    Kontrastreich. Ich denke, dieses Wort trifft es ganz gut. Zwischen florierenden Weinreben und dem Kampf nach Unabhängigkeit, zwischen stinkendem Tourismuspfad und angehender Dystopie. Okay, das ist sicher ein Müh' übertrieben, aber manche Orte und Gegenden wirken auf mich recht verwahrlost und heruntergekommen.

    Dafür spielen Lebensfreude und die Gemeinschaft untereinander zugleich eine große Rolle. In den Restaurants und Bars kommen spätestens am Abend viele Anwohner zusammen und halten energische Gespräche ab. Hier sehe ich dich vor meinem inneren Auge sitzen, wie du mit deinem Laptop an skurrilen Skripten arbeitest und dir einen Milchkaffee nach dem anderen orderst.

    Spanien. Es ist für mich das erste Land, das aufgrund seiner Vielseitigkeit oder eben seiner Kontraste Lust auf mehr macht..
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  • Prozesse im System

    15 Oktober 2024, Sepanyol ⋅ ⛅ 18 °C

    - Nebengedanken Teil 5 -

    Unsere gesellschaftlichen Erwartungshaltungen sind eigentlich ziemlich simpel. So bekommst du beispielsweise das, wofür du bezahlst. Du beauftragst jemanden und der Dienst wird erledigt. Du gehst zu einem Arzt und wirst anschließend wieder genesen.

    Klingt doch überraschend einleuchtend, oder?

    Wie du aus eigener leidvoller Erfahrung allerdings gelernt hast, weicht die Theorie von der realen Praxis so weit ab, dass die ursprünglich glückliche Vorstellung im enttäuschten Wunschdenken elendig verendet.

    Der Grundgedanke einer Tagesklinik ist ähnlich einfach aufgebaut. Die Probleme offenlegen, Einsicht schaffen, Mentalität stabilisieren und anschließend schnell zum nächsten Zahnrad im Systemgetriebe weiterschicken. Währenddessen rutscht bereits ein anderer Patient hinterher und verlangt nach neuer Justierung. Klick. Klack.

    Aufgrund unserer diversen kleinen Eigenheiten als Persönlichkeit, ist daher ein gewisses Maß an Feinheit erforderlich, um die richtigen Wörter und Denkanstöße im perfekten Sekundenschlag eines Metronom sowie mit einer bedeutungsschwangeren Tonlage dem Norm-Abweichler einzuflößen.

    Nur, mit der betörenden Psyche ist das so eine Sache. Denn die hat schon in der vergangenen Mythologie Menschen und selbst Götter um den seligen Verstand gebracht. Nicht die Ausnahmen bestätigen hier die Regel, sondern die Regel bleibt schlichtweg die Ausnahme in der Therapie.

    Vielen hilft es jedoch und so zunächst auch mir. Wenn Pandoras verzierte Büchse erst einmal geöffnet ist, alle Ängste, Befürchtungen und vergangene Taten auf dem Faktentisch zum Studieren ausgebreitet sind, dann steht dem Heilungsprozess nämlich eigentlich nur noch eines im Weg.

    Dein eigenes selbst.
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