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  • Day 5

    Der Bananen GAU

    May 14, 2021 in Germany ⋅ 🌧 9 °C

    Ich habe keine Hüfte. Optisch jedenfalls nicht. Nachdem ich vor gut 15 Jahren von stressigen Beschäftigungen im stehen, laufen und rennen zu Beschäftigungen mit ehr passiven Bewegungsverhalten übergegangen bin, habe ich sehr viel Zeit auf Bürodrehstühlen zugebracht. Mein letzter Bürodrehstuhl zeichnete sich sogar durch ein besonders rückenfreundliches Design aus. Alle Bürodrehstühle hatten aber eines gemeinsam. Ich habe mich nie auf ihnen ausgeruht. Gedreht habe ich mich, von links nach rechts und von rechts nach links. Manchmal voller Freude auch ganz 360°, ohne mich festzuhalten. Gedreht wie ein Wirbelwind, bis nichts mehr da war. Nichts mehr zu erkennen war, von meinen Hüften. Die andauernd auf mein Körper einwirkende Zentrifugalkraft, hatte mich unbemerkt aber stetig zu einem abgeflachten Rotationselypsoiden zusammengedrückt. Dies Zusammenhänge wurden mir klar, als ich neulich eine Dokumentation über Gagarin sah, welcher in seinen letzten Monaten ebenfalls merkwürdig verdickt, fast aufgequollen aussah. Wenn bei diesem bemittleidenswerten Weltallhelden trotz all der Zentrifugen-Trainingseinheiten am Ende überhaupt noch so etwas wie der Ansatz einer Hüfte zu erkennen gewesen war, dann nur dank eines berühmten, aber im Hintergrund arbeitenden, kaukasischen Uniformitätenschneiders. Gern gehe ich später nochmal näher auf diese, durchaus interessante Figur des Zeitgeschehens ein. Täte ich es jetzt, würde ich abschweifen. Immerhin ging es ja darum, dass Bananen durchaus ihren Aggregatzustand ändern können. Nämlich, wenn man, genau wie Gagarin, aus Ermangelung von Kontur, einen schweren Wanderrucksack nur dann ordentlich am Körper fixieren kann, wenn man die Hüftgurte dermaßen gewaltsam festzurrt, als hätte man nach Feierabend jahre lang mit Milo Barus Kartenspiele und Telefonbücher zerrissen. Organe werden dabei verschoben und Haut wird aufs unnatürlicheste gestaucht, gequetscht, gezwickt und wieder auseinandergerissen. Aber dies muss ertragen werden, damit der Beckengurt auch nur im Ansatz seiner Funktion nachkommen kann und sich mit den, bereits fast bis in die Bauchhöle eingedrungen Hüftgurtverschlüssen an der Optimierung des Tragekomforts beteiligen kann. Eine Banane also,die man nur wenige Minuten vorm ersten Anlegen des Ruckackes in der Seitentasche genau dieses Hüftgurtes verstaut hat, beginnt just in diesem Augenblick ein Eigenleben zu entwickeln. Sie ordnet ihre Moleküle neu, verflüssigt sich schlagartig aber lautlos und beginnt unbemerkt, sich als lange, schmierigbraune Bananenwiedergeburt am Hosenbein herab ihren Weg in die Bananenfreiheit zu erkämpfen. Versucht man nur 48 Stunden nach diesem Hussarenstück die versiffte Hose und die ebenfalls kontaminierte Beckengurttasche mit einem Frotteewaschlappen zu reinigen, kann man gewiss sein, diesen Waschlappen danach nur noch einem reinigende Feuer übergeben zu können. Ein Solches Ereignis wird auch nicht besser, wenn man hinterher noch einen halben Liter Brennspiritus im Rucksackinneren verteilt und das frisch zubereitete Tütenabendessen den Göttern als letzte Anbiederung in der Hoffnung auf einen schnellen Sonnenuntergang, gekonnt mit einer kleinen Bewegung des rechten Fußes,aus dem Lotussitz heraus, kreuz und quer auf einer thüringischen Bergwiese verteilt. So viel zu den ersten kleinen Missgeschicken auf den bisher zurückgelegten Kilometern. Warum nicht jeder Maulwurfshügel ein Maulwurfshügel ist, warum das wichtig ist und man darauf achten sollte, werde ich im Kapitel über die "Kackschaufel" erläutern.

    Als einen Fehler sollte sich letzte Nacht erweisen, das ich, 1km vor Oberhof und verleitet vom Regen und einer schicken Schutzhütte mit Panoramafenster, bei der Wahl meines Nachtlagers nicht richtig nachgedacht habe. Stand da doch nicht plötzlich ein 8-köpfiges Hitlerjugendimmitat mit Klappgrill und Bierkasten vor der Schutzhütte, blickte sauertöpfisch drein und musste spätestestens beim Anblick, meines zum Trocknen aufgehangenen Wanderschlüpfers erkennen, dass hier bereits jemand sein Revier gekennzeichnet hatte. Mein freundliches "Na? Wollt ihr grillen?" ließen sie unerwiedert. Sie entfernten sich ein paar Meter, bildeten dort mit ihren testosterongeschwängerten und in Lonsdalechick gehüllten Körpern eine Art Wagenburg, um in deren Inneren ihre Hitzköpfe zusammenzustecken. Dort verharrten sie endlose Minuten,um deutlich hörbar darüber zu entscheiden, welche Alternativen es für die Abendgestaltung noch so geben könnte. Zur Auswahl standen "Wenn wir dem eine auf die Fresse hauen, haut der von alleine ab" und " Komm wir gehen woanders hin". Ich nutzte die Zeit, um ebenfalls einen Plan zu entwickeln und war fest entschlossen, im Angriffsfall alles auf eine Karte zu setzen. Ich spekuliert auf die weit verbreiteten Kombination aus Rechtsradikalismus und Homophobie und war meinerseits bereit, mich blitzartig und für die Angreifer nicht vorhersehbar, in Gänze zu entblößen. Musste ich nicht. Sie gingen woanders hin. Ich bin sehr spät eingeschlafen. Ich hatte eine unruhige Nacht. Neben mir lag als Placebo mein aufgeklapptes Taschenmesser und ein auf Schlagstockgröße zusammengeschobener Wanderstock. Ich werde nach Möglichkeit nicht nochmal so dicht an menschlichen Siedlungen übernachten. Das ist einfach unaufgeregter.
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