Satellite
Show on map
  • Day 124

    Palinka Black Out

    October 1, 2023 in Hungary

    Nachdem ich eine ruhige Nacht auf dem Sportplatz verbracht hatte, versuchte ich vergeblich ein paar Sonnenstrahlen mit meiner kleinen Solaranlage einzufangen, aber die aufziehenden Wolken verhinderten das. Ich hatte noch immer ein Stromproblem und mein Handy zeigte nur noch 6% an. Einer meiner neuen Freunde hatte mir am Vorabend 2000 Forint geschenkt. Somit war ich nun in der Lage mit dem Bus nach Romhany zu fahren, wo es einen Geldautomaten geben sollte. Ich packte meine Sachen und verließ gegen 8:30 Uhr den Fußballplatz. Mein Weg führte mich entlang der Dorfstraße Richtung Bushaltestelle, direkt wieder am Tabakladen vorbei. Schon von weitem war zu erkennen, dass der kleine Biergarten vor diesem sozialen Treffpunkt des Dorfes, bereits gut besucht war. Ich versucht die Tatsache, dass dort gerade alle in Gespräche vertieft waren zu nutzen und schlich mich so unauffällig wie möglich an ihnen vorbei. Nun ist das mit der Unauffälligkeut bei fast 2 Metern Körpergröße und einem 25kg Rucksack so eine Sache. Ich war noch keine 20m an meinen Freunden vorbei, als hinter mir jemand unüberhörbar "Hallo Chef, komm trinken" rief. Ich schloss meine Augen für einen kurzen Moment und atmete tief durch. Diese Einladung konnte ich nach all dem, was die Leute dort gestern Abend für mich getan hatten, nicht ausschlagen. Gleichzeitig war mir aber auch sofort klar, dass das nicht gut ausgehen würde. Spürte ich in mir doch den Drang, alle Wanderdisziplin fallen zu lassen und den Ruf der Verlockung zu folgen. Wenn du nicht einmal richtig mit den Einheimischen getrunken hast, dann warst du nicht wirklich hier. Sagte ich mir und kehrte in Richtung Biergarten um. Außerdem würde mir das die Gelegenheit geben, mich wenigstens mit der ein oder anderen Runde für die Gastfreundschaft zu bedanken. Was dann passierte liegt im Nebel, denn mein Kopf lag 2 Stunde später, nachdem ich mich dezent und minimalistisch in ein Blumenbeet übergeben hatte, auf meinen Armen und diese lagen auf einem Tisch. 5 Palinka und 2 Bier hatten mich niedergestreckt. Vielleicht hätte ich frühstücken sollen. Vielleicht war es die Hand voll Tabletten, die ich jeden Morgen zu mir nahm. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass die kleinen Schnäpse, nicht wie in Deutschland 32% oder 38% Alkohol hatten, sonder 52%. Ich weiß es nicht. Ich bin jedenfalls dankbar, dass sich alle um mich gesorgt haben und immer wieder nachgefragt haben, ob alles ok ist. Wenn ich betrunken bin, also so, dass Zunge und Beine ihren Dienst beginnen zu versagen, dann werde ich einfach nur unheimlich müde und bin in der Lage, meinen Rausch an den ungewöhnlichsten Stellen auszuschlafen. In der Regel dauert es 2 Stunden bis ich wieder in der Lage bin, mich einigermaßen unauffällig zu verständigen und fortzubewegen. So war es auch in diesem Fall. Als ich meine Augen wieder öffnete, lag eine ungewöhnlich Ruhe über dem rustikalen Mobiliar. Außer Christian und mir war niemand mehr da. Christian, der nach meinem Empfinden zu der Gattung Mensch gehört, die zu gut für diese Welt sind, hatte mir vor 2 Stunden noch von seinem großen Traum, einmal die Route 66 in Amerika zu befahren erzählt, saß nun regungslos auf einen Stuhl. Nein, das stimmt nicht ganz. Er saß nur mit einer Körperhälfte auf dem Stuhl, mit der anderen war er bereits Richtung Boden gesunken, schwebte aber noch immer, wie von einem Bühnenhypnotiseur versteinert, mit seinem Gesicht wenige Zentimeter vor dem grauen Beton der harten Realität. Ich schoss schwankend ein Erinnerungsfoto und kämpfte angestrengt gegen die Schwerkraft, als ich mir meinen Rucksack auf den Rücken wuchtete. Am Ortsausgang nutzte ich die 2 Stunden Wartezeit auf den Bus für einen weiteren Schönheitsschlaf auf einer Wiese. Dann verweigerte ich überraschend selbstsicher auf Höhe der Dorfkneipe eine weitere Einladung für einen Umtrunk, stieg in den Bus und fuhr Richtung Romhany.Read more