• Endlich Wolken

    July 2, 2024 in Romania ⋅ ☁️ 22 °C

    Ich befinde mich jetzt schon 5 Tage auf der Zeltwiese der Pension Cristal in Sucevita. Auch wenn es mir hier an nichts mangelt, ist dieser Aufenthalt nicht ganz freiwillig, aber beginnen wir am Anfang. Nach meiner Landung in Suceava wurde ich am Flugplatz von Marius in Empfang genommen. Wir hatten uns über eine Facebookgruppe kennengelernt und er hatte mir angeboten mich nach Putna zu fahren. Über dies hinaufhalf mir Marius auch noch bei anstehenden Besorgungen. Er dolmetschte im Supermarkt, half köstliche Lebensmittel aus regionaler Herstellung für meinen Rucksackvorrat zu beschaffen und zeigte sich als geduldige Begleiter bei der Suche nach einem neuen Regenschirm. Noch vor der Pension in Putna, machten wir ein gemeinsames Foto und er bekam den ersten Platz in meinem Buch der Begegnungen.
    Die Pension Daria wurde von einem Namensvetter geführt. Michael begrüßte mich mit ebenfalls mit einer extra Portion Gastfreundschaft und einem Rundgang durchs Haus. Im Gegensatz zu Marius sprach er zwar kein Englisch, aber mit Hilfe des Google Translaters führten wir die nächsten Tage sehr angeregte und vielfältige Gespräche. Am Frühen Abend reisten Lavinia und Toma an. Nun waren wir schon 3 Transilvanica Wanderer in der Pension. Lavinia und Toma sind gebürtige Rumänen, sprachen aber sehr gut deutsch und arbeiteten schon ein paar Jahre in der Schweiz. Irgendwann stellte sich sogar heraus, dass sie dort nur wenige Kilometer entfern von meiner Freundin Pia lebten. Ein glücklicher Zufall, der ein Wiedersehen während meiner Rückreise sehr wahrscheinlich macht. Wir haben an diesem Abend viel gelacht und sind irgend wann zu sehr später Stunde auf unsere Zimmer gegangen.
    Da sich Michaels Frau gerade im Krankenhaus befand, führte er die Pension alleine. Als am Morgen die Gäste abgereist waren, begann er mit der Reinigung der Zimmer. Irgendwann kam er mit einem großen Berg Wäsche aus dem Haus, stopfte diese in den Kofferraum seines Autos und fragte mich, ob ich Lust hätte, ihn ins Kloster zu begleiten. Wir fuhren zum benachbarten Kloster in Putnei. Gleich neben den historischen Klostergebäuden befanden sich einige Wirtschaftsgebäude, in denen auch eine Wäscherei untergebracht war. Dort entluden wir die Wäscheladung und Michael führte mich zu einem Nebengebäude. Er klopfte an der Tür, rief etwas auf Rumänisch und wenig später stand ich in einer Holzwerkstatt, in der wunderschöne, filigrane Schnitzereien angefertigt wurden. Pater Nicolai lud uns zu einem Glas Wein ein, verschwand und kehrte nur einen kurzen Augenblick später mit einem gefüllten Krug und Weingläsern zurück. Der Wein schien gerade frisch aus einem Weinballon gezapft wurden zu sein. Er war leicht trüb und auf seiner Oberfläche schwammen kleine Hefeflocken, aber er schmeckte großartig. Ich durfte mich in Ruhe in der Werkstatt umsehen und entdeckte dabei immer mehr unglaublich schöne Kunstwerke. Unsere Unterhaltung mussten wir mit Händen und Füßen führen, was der Kommunikation aber nicht im Wege stand. Nach gut 1 Stunde verabschiedeten wir uns und Michael und ich besichtigte die Kirchen des Klosters. Im ersten Moment war ich wie erschlagen von den unzähligen und unbeschreiblichen schönen Ausmalungen und Verzierungen im Inneren. Die Abbildungen unzähliger Heiliger schmückten die Wände und von den Deckenbalken hingen schwere, vergoldete Leuchter, die mit grünen Zweigen geschmückt waren. In der kleineren der beiden Kirchen fand gerade eines Messe statt. Die Gesänge der Mönche wurden mit Lautsprechern nach draußen übertragen und tauchten das Klostergelände in eine feierliche und mystische Atmosphäre. Diese Eindrücke werde ich noch eine ganze Weile bei mir tragen. Michael fuhr mit mir nach Putna in ein kleines Restaurant, wo ich eine Portion Polenta mit frischen Waldpilzen zu mir nahm. Am Nachmittag brach ich zu einer Wanderung in die Umgebung auf. Ich stieg auf einen Hügel, dessen Gipfel ein großes Kreutz zierte. Von hier oben aus soll im Jahr 1466 Stefan der Große einen Pfeil ins Tal geschossen haben. An der Stelle im Tal, an der der Pfeil landete, ließ der Fürst einen Altar errichten und wenig später das Kloster Putna. Von dort oben aus hatte man einen wunderbaren Blick über den Ort und das große Kloster samt seinen Gärten. Michael erwies sich als unglaublich gastfreundlicher Fremdenführer. Er fuhr mich zur Tankstelle, in der ich mich mit Getränken eindeckte und den Stempelpass der Via Transilvanica kaufen konnte. Wir fuhren ein weiteres mal zu Bruder Nicolai, damit ich ein gemeinsames Foto für mein Buch der Begegnungen mit ihm machen konnte und er lud mich erneut zum Essen ein. Ich denke, wir beide genossen die Gesellschaft des anderen Sehr. Am Abend vor meiner Abreise lud mich Michael ein, noch ein paar Tage bei ihm zu bleiben. Schweren Herzens lehnte ich ab. Ich wollte endlich loslaufen. Mein Gastgeber fuhr mich am Morgen zum Kloster Putna. Mit machten vor dem Kilometerstein Nr. 1 noch ein gemeinsames Foto, Michael schrieb mir etwas in mein Buch und dann verabschiedeten wir uns voneinander, nicht jedoch ohne uns ein letztes mal lange zu umarmen. Als Michael am Ende der langen Klosterallee verschwunden war, besichtigte ich das Kloster Putna, welches in Pracht und Schönheit dem Kloster in Putnei in nichts nachstand. Im kleinen Laden vor dem Kloster kaufte ich mir, aus dem Gefühl heraus, dass ein Talisman auf dieser Reise nicht schaden könnte, ein kleines Holzkreuz an einem Lederband, welches ich seitdem um meinen Hals trage. Ich legte am Startpunkt noch eine kleine Pause ein und lief dann Richtung Ortsausgang. Nun dauert es auf so einer Wanderung immer ein paar Tage, bis man seinen eigenen Takt gefunden hat, bis die Schuhe und der Rucksack richtig sitzen, bis im Rucksack alles dort verstaut ist, wo es für die Gewichtsverteilung am sinnvollsten ist, oder bis man das richtige, ganz eigene Tempo gefunden hat. Das war mir bekannt und dass sich noch nicht alles so rund anfühlte, verwunderte mich nicht. Trotzdem war da noch etwas anderes. Ich fühlte mich bereits nach kurzer Zeit schlapp und kraftlos. Mir wurde schwindlig und ich hatte Kreislaufprobleme. Zwar spürte ich die Last der Rücksacks deutlich, aber dies schien es nicht zu sein, denn es drehte sich in meinem Kopf und die Knie wurden weich, egal ob ich den Rucksack trug oder nicht. Es war die Hitze. Ich weiß nicht aus welcher Überheblichkeit heraus ich nicht in Betracht gezogen hatte, dass meine Schwächeanfälle etwas damit zu tun haben könnten, dass ich bei 32°C auf einer Straße ohne schattenspendende Bäume oder Bebauungen unterwegs war. Nun ist es so, dass es in Rumänien recht viele Straßendörfer gibt. Ortschaften, die aus einer Straße und denen, sich an dieser befindlichen Häusern bestehen. Selten wird in zweiter Reihe gebaut, sodass sich so ein Dorf auch mal auf eine Länge von 4 km strecken kann. Meine Eigentliche Tagesetappe wieß eine Länge von 22km auf. Ziemlich in der Mitte der Strecke befand sich ein Berg, auf den es hinauf und auf der anderen Seite wieder hinab ging. Der Rest des Weges war, recht flach. Leider bestand die Strecke, bis auf Ausnahme des Berges hauptsächlich auf Betonstraßen und breiten, geschotterten Waldautobahnen, auf denen in sehr kurzen Abständen, große Holztransporter versuchten Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen. Nun kam zur unbarmherzig scheinenden Sonne auch noch die Gefahr hinzu, in einer Staubwolke vom nächsten Holztransporter unbemerkt zermalmt zu werden. Manchmal schaffte ich es von einem Kilometerstein zum nächsten. Oft musste ich mich aber bereits nach spätestens 500m irgendwo am Straßenrand fallen lassen. Dann versuchte ich mich unter meinem Regenschirm oder im Schatten eines Papierkorbes ein wenig zu erholen, bevor ich mich weiterschleppte. Bei Kilometer 8 hatte ich den Wald erreicht. Auf einer winzigen Lichtung, wenige Meter von einem Bach entfernt, schlug ich mein Zelt auf und beendete die erste Etappe auf halber Strecke. Ohne jeglichen Funkempfang hatte ich keinerlei Möglichkeit zu recherchieren, wie weit es zur nächsten Unterkunft, oder zum nächsten Zeltplatz sein könnte. Auch bestand keine Möglichkeit Hilfe zu holen, sollte es mir noch schlechter gehen. Immerhin, deutet nichts darauf hin, dass es sich um mehr als ein paar Probleme mit der Hitze handeln könnte. Ich hatte genug zu essen für 3 Tage beim mir und das Wasser des Bachs erschien auch in Ordnung zu sein. Sollte ich am nächsten Tag noch nicht weiterlaufen können, würde ich es hier noch eine ganze Weile aushalten. Um die Kühle des Morgens zu nutzen, startete ich am nächsten Tag schon sehr zeitig. Die knapp 200 Höhenmeter, die es nun zu bewältigen galt, bewältigte ich im Schatten der Bäume, engagiert schwitzend und mit ein paar kleinen Pausen. Das fehlen nahender Ohnmachtsanfälle stimmte mich äußerst positiv. Kaum war ich aber vom Berg wieder hinabgestiegen und am Waldrand angekommen, entzog mir die flirrende Hitze des schattenlosen Weges erneut alle Kraftreserven. Ich schleppte mich bis ins Zentrum von Suveava, schwankt in den kleinen Laden vor den Toren des Klosters, verzehrte 2 Eis, 2 Cola, sowie, in der Hoffnung damit meinen Elektrolytehaushalt wieder in Gleichklang zu bringen, eine Tüte Chips mit Bacongeschmack. Anschließend suchte ich im Internet nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Und so bin ich vor ein paar Tagen dort gelandet, wo ich jetzt diese Zeilen schreibe. Die Pension Cristal bietet, neben ihren Pensionszimmern, auch die Möglichkeit, im Garten dieses kleinen Bauerngehöftes zu zelten. Ich habe mein Lager im Schatten eines großen Walnussbaumes aufgeschlagen. Wenige Meter entfernt hat ein großer Pool die Hitze der letzten Tage erträglich gemacht. Die Betreiberfamilie ist zurückhalten, aber äußerst nett. Ich durfte Gast auf einer rumänischen Geburtstagsfeier sein und dort unglaublich leckere Spezialitäten vom Grill genießen. An den Sanitären Anlagen gibt es nichts auszusetzen und die Tatsache, dass ich momentan der einzige Gast bin, beschert mir viel Ruhe. Ich kann mich also nicht beklagen. Seit gestern Abend stehen graue Wolken am Himmel. Die Temperatur sinkt langsam und wenn der Wetterbericht nicht ganz falsch liegt, dann regnet es morgen zwar, aber ich werde bei angenehmen 16°C auf eine Etappe aufbrechen, die mit 1200 zu bewältigenden Höhenmetern schon respekteinflößend daherkommt.
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