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  • Day 51

    Valle Encantado - Vamos Hippiiiiies!

    March 10, 2022 in Argentina ⋅ ⛅ 17 °C

    Der gute Hirtenjunge Jakob zählt einen Krauthaüpü, ein Lampü und Gevatter Wolf zu seinen treuen Gefährten. Ersteres ist eher kurzlebig und dient vor allem zur Ernährung von zweiterem oder dem Hirtenjungen selbst. Wie es dem Hirtenjunge's Alltag so will hat er auf seinem Weg zum Verdienste des Lebensunterhalt einen Fluss zu queren. Eine Zille zum Übersetzen hat Platz für maximal einen Jakob und einen treuen Gefährten.
    Manche Gefährten wollen nicht allein gelassen werden, da sie sonst vom jeweils anderen Gefährten um ihre Existenz beraubt werden:
    Lampü frisst Krauthaüpü.
    Wolf frisst Lampü.

    Wie oft muss der gute Hirtenjunge mit der Zille hin und her fahren damit alle seine getreuen Gefährten heil und unversehrt auf der anderen Flussseite ankommen?
    - Soweit die Theorie.

    In der Praxis wollten die letzten beiden Wochen täglich ca. 10 Kletterer mit Equipment und Verpflegung in einem Schlauchboot für anfangs 2 Personen und mit zunehmender Kühnheit bis zu vier Personen inklusive Equipment den Rio Limay queren um ins verheißungsvolle Valle Encantado (bezauberndes Tal) zu kommen. Erschwerende Umstände sind temporäre Löcher im Boot (die zum Glück geflickt werden konnten), das Vergessen der Paddel (Flip Flops sind mindestens gleichwertig) und das Übersetzen zwischen argentinischen Provinzgrenzen (als gelernter Österreicher ist einem Föderalismus in verwirrender und jeglicher Grundlage entbehrender Reinkultur nix Neues - hier in Argentinien sind sie aber diesbezüglich leider auch nicht wirklich besser dran). Die Provinzgrenzen hatten zum Glück nicht viel Einfluss auf unsere täglichen Überfahrten - im Gegensatz zum Kraftwerk etliche Kilometer flussabwärts welches entweder mehr oder weniger Strömung im Oberlauf verursachen kann.
    Im Vergleich zu anderen Jahren fehlen im Fluss ca. 3 Meter Wasser - ob Trockenheit oder Kraftwerk - wir haben es nicht herausgefunden.

    Wie wir ins Valle Encantado gekommen sind war wieder klassisch für uns. Angekommen um 9 Uhr morgens in Bariloche haben die meisten Busunternehmen am Busbahnhof noch nicht offen gehabt. - Es gibt hier keine zentrale Auskunft wann welcher Bus wohin fährt - sowas will bei jedem Busunternehmen einzeln erfragt werden - es weiß aber natürlich keine Firma über die andere Bescheid. Kann also sein zB dass ein Bus nach Córdoba bei einer Firma erst in 3 Tagen geht, bei der anderen heute und morgen (fix ausgebucht im Normalfall) und bei einer dritten erst gar nicht im Programm ist. - Der Privatisierung sei Dank! (Kennt wer die Szene aus Asterix auf der Suche nach dem Passierschein A38? - https://youtu.be/NQV6PA6BOVE)

    Angekommen in Bariloche müssen wir also feststellen, dass der nächste Bus in die Nähe von Valle Encantado erst in 2 Tagen fährt - dieser uns aber auch nur auf ca. 10 Kilometer in die Nähe bringen kann. Bei unserer Taktik - mangels Auto - uns mit Essen für 2 Wochen dort einzurichten und dem ganzen Zeux was wir sowieso immer dabei haben ist das ein bisl zu weit. Autostopp ist aufgrund vom ganzen Zeux a eher ned so vielversprechend und Autoausleihen ist hier weitaus teurer als in Europa. Es wär billiger gewesen mit dem Taxi zb täglich die 60 Kilometer hin und her zu fahren als sich für die Zeit ein Auto auszuborgen.
    Also wieder Taxi (5000 Pesos ~ 20 Euro).
    Dieses haben wir aber gleich zusätzlich noch vollgestopft mit dem anfangs schon erwähnten Schlauchboot, Paddel und Pumpe. Hat sich also auf jeden Fall ausgezahlt.
    Schlauchboot, Paddel und Pumpe haben wir bereitwillig ohne sich vorher gekannt und nur einmal telefoniert zu haben von einem argentinischen Kletterer geborgt bekommen.
    So kompliziert das Land und gewisse Sachen oft sind - so hilfsbereit und freundlich sind die Leute!!! ❤️

    Im Valle Encantado treffen wir auf eine Gruppe nasser und kalt bibernder Leute aus Mendoza - mit Auto aber ohne Boot! Perfect Match! Somit können wir im aufgelassenen Campingplatz 5 Kilometer flussaufwärts übernachten und müssen uns nicht 'versteckt und verdeckt' in die Wälder schlagen - und die Mendocinos (Gruppe aus Mendoza) muss den Fluss nicht schwimmend durchqueren.
    Die Mendocinos sind eine total gemischte Gruppe mit denen wir die 2 Wochen gemeinsam verbringen und auch mit einem Teil danach noch weiterreisen bzw. vielleicht auch in deren Heimatstadt mal besuchen werden.

    Die Abende: Lagerfeuer und guter Vino Malbec aus Mendoza.
    Die Dusche: kalter Fluss und daher ziemlich selten.
    Das Valle Encantado*: Bezaubernd! Extrem griffiges Vulkangestein in unbeschreiblich schönem Ambiente und mit wunderschönen Linien.
    Die Autostopp-Versuche: selten bzw. Erfolgsquote zwischen extrem einfach bis zu Fußmarsch.
    Handyempfang und Internet: Nullo für wiedermal 2 Wochen.
    Morgendlicher Wecker: Vamooooos Hippieeees!
    Die Gruppe: los Hippieeees del Valle Encantado! 🚣‍♀️🧑‍🤝‍🧑👬👩🏼‍🤝‍👨🏾👭🧑🏼‍🤝‍🧑🏻👨🏾‍🤝‍👨🏽👩🏿‍🤝‍👨🏼🚐

    * Lange Zeit war das Valle Encantado aufgrund von Problemen mit dem Grundstücksbesitzer gesperrt. Ein Teil des Tales bzw. die vielen Hektar rundherum gehören einem Ausländer welcher dieses vor allem zur Geldanlage gekauft hat. Die lokale Bevölkerung beklagt diesbezüglich in den letzten Jahren einen verstärkten Ausverkauf von großen argentinischen Landflächen (mehrere tausend Hektar) an ausländische Firmen/Investoren/Privatpersonen. Bei dem schier unendlichen Weiten und Flächen mag dies vielleicht nicht weiter tragisch wirken - hat aber viel Spaltungspotenzial und wird als moderne kapitalistische Form des Kolonialismus angeprangert.
    Auf jeden Fall war der Betreuer der Flächen Kletterer und erschloss einen Teil des ungeheuren Potentials an Kletterlinien. Zurecht wurde das Gebiet beliebt und offensichtliches Campingverhalten inkl. ungewünschter Lagerfeuer ließen das Valle durch zwei aufeinander folgende Sperren in einen Dornröschenschlaf verfallen. Ein Vulkanausbruch in Chile mit giftigen Ascheregen im Valle Encantado verlängerte diesen. Erst seit den letzten Jahren darf wieder zwischen März und Dezember geklettert werden - weiterhin wird aber das Gebiet in keinem offiziellen Kletterführer publiziert und das Übernachten beschränkt sich auf die andere Uferseite. Die lokale Klettergemeinschaft ist bedacht darauf dass dies auch so bleibt. 🏞️
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