• Rückflug ungewiss!

    November 29, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 33 °C

    Es wird Zeit, mein Hab und Gut zusammenzupacken. Sechs Wochen Tansania und Sansibar sind vorbei. Zeit für einen kleinen Rückblick. Was bleibt, und was bleibt vor allem lieber hier in Tansania?
    Ich kann mich noch sehr gut an den Tag meiner Abreise in Deutschland erinnern. Auf dem Weg nach Amsterdam habe ich des Öfteren im Zug gedacht: Was zur Hölle machst du hier eigentlich gerade? Ohne Sprachkenntnisse in ein Land zu reisen, dessen Kultur ich nicht kenne. Mich hätte alles erwarten können. Und mir hätte eine Menge passieren können. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch ziemlich viel Schiss.
    Ich musste mich schnell auf ein einfaches, aber entspanntes Leben einstellen. Die Gastfreundschaft war unglaublich groß. Ohne die vielen netten Menschen, die ich auf dem Weg kennengelernt habe, wäre ich nicht so gut zurechtgekommen.
    Ich hatte eine tolle Zeit in Litembo, wo ich mich auch ausprobieren durfte. Natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten, und die ein oder andere Aufgabe habe ich dankend zurückdelegiert. Man muss sich seiner Grenzen bewusst sein, wenn man in ein Krankenhaus geht, dessen Ziel es ist, dass die Menschen überleben, mit den Mitteln, die es gibt. Mit einfachsten Mitteln wurde operiert, genäht, verbunden. Das Wenigste daran war steril. Für europäische Verhältnisse eine Katastrophe in Hinblick auf die Hygiene und Qualitätsstandards. In Litembo aber hilft es den Menschen ungemein. Vor allem kommt es den Patienten nicht darauf an, wie schön eine Narbe am Ende wird, sondern dass das Bein oder die Hand wieder funktioniert.
    Die Zeit im Doktors House war auch deshalb so schön, weil die beiden Volunteers Anna und Robin aus Deutschland sind. Während meiner ganzen Reise standen wir in Kontakt und bei Problemen hatten sie immer einen kleinen Tipp, wenn ich selber nicht weitergekommen bin. Auch die Gespräche über das Erlebte im Krankenhaus sind super wichtig gewesen, für die Mädels vielleicht etwas mehr als für mich.
    Die Interns aus Litembo, die wirklich Tag und Nacht die Patienten betreuen, vor denen ziehe ich meinen Hut. Ihre Ausbildung ist sicher nicht auf dem Stand wie in Europa, aber sie sind früh auf sich allein gestellt, noch bevor sie ihre letzte Prüfung haben. Das muss ein großer Druck sein, unter dem sie arbeiten. Großer Respekt.
    Neben den medizinischen Einblicken wurden mir sehr schnell Interna anvertraut. Unvergessen das Board Meeting mit dem Vorstand, wo die Geldgeber aus Deutschland kritisch nachgefragt haben, wofür das Geld verwendet wird. Plötzlich saß ich neben Geschäftsführer Raphael und war Teil des Klinikteams – bzw. der Führungsetage. Natürlich sind es andere Dimensionen als in einer deutschen Klinik.
    Erstaunt hat mich auch der Zusammenhalt unter den Menschen. Die große Party mit den 200 Firmungen war am ersten Wochenende direkt ein Highlight. Traditionen sind hier noch sehr, sehr wichtig. Als weißer und vor allem fremder war ich genauso willkommen wie jeder und jede andere. Wunderbar! Diese offene und gastfreundliche Lebenseinstellung würde ich gerne mit nach Deutschland bringen und einmal großzügig unter den Wahlberechtigten für die anstehende Bundestagswahl verteilen. Aber gut. Ich sollte nicht zu politisch werden…

    Die 3 Wochen, die ich durch Tansania gereist bin, waren vor allem eines: eine Reise zu mir selbst. Neben vielen interessanten Menschen und spannenden Lebensläufen habe ich mich sehr viel mit mir selbst beschäftigt. Meine Grenzen des Öfteren kennengelernt, aber auch neu definiert. Ich weiß viele Dinge mehr zu schätzen. Zum Beispiel einen (relativ) funktionierenden ÖPNV in Deutschland zu haben. Zu wissen, wann man wo ankommt. Im Zweifel Pläne und Abfahrtszeiten nachgucken zu können. Das alles gab es hier nicht und wird es sicher lange nicht geben. Denn hier ist alles Pole Pole. Aber funktioniert! Man muss sich drauf einlassen!
    Vor allem auf Sansibar und zuletzt in Dar im BeachCamp habe ich auch Deutsche kennengelernt, die Europa den Rücken gekehrt haben. Die hier (fragwürdigerweise) junge Partner gefunden haben und diese für ein gemeinsames Leben bezahlen. Es sind vor allem weiße Frauen, die ihr Glück mit sogenannten Beachboys (die meist Anfang 20 sind) suchen.
    Eine Begegnung der letzten Tage bleibt mir hoffentlich lange in Erinnerung:
    Gestern habe ich mich mit John unterhalten. Er ist Mitte 60 und aus Großbritannien. Seine Frau hat ihn nach 20 Jahren mit den Worten „Ich muss mit dir reden, ich liebe dich nicht und habe es nie getan“ verlassen. Die beiden heute erwachsenen Kinder unterstützen ihn finanziell. Vertraut habe er seitdem nie wieder. Sein Geld ist bei der Scheidung draufgegangen, so erzählt er es. Aber er ist glücklich mit dem, was er hat – kein Geld, keine Häuser, aber seinen Frieden und die Ruhe.
    Es sind viele dieser Gespräche, die ich hier höre oder selber habe. Schicksale, die die Menschen hierher verschlagen haben. Mit Geld und als Europäer bekommt man hier eben alles. Traurig. Denn Glück kann man auch hier nicht kaufen.

    Die beiden Besitzer des Hotels auf Sansibar, mit dessen Sohn Steven ich die Nächte in Paje unsicher gemacht habe, sind bewundernswert. Sie haben in Deutschland alles aufgegeben, um den Traum vom eigenen Hotel zu verwirklichen. Die beiden Söhne leben weiter in Deutschland. Ein sehr herzliches Paar, die hier aber einen hohen Preis zahlen. Weil sie eben nicht von hier sind, will jeder mitverdienen. Vom kleinsten Beamten in den Behörden, auf die sie als Hotelbetreiber angewiesen sind, bis zu den Beamten, die regelmäßig zu Kontrollen kommen. Jeder muss geschmiert werden. Korruption ist eines der größten Probleme.
    Neben dem vielen Plastikmüll. Wo man hinguckt, liegt Plastik, wird einfach aus dem Busfenster geschmissen und vor den Häusern verbrannt. Mülltrennung, Müllentsorgung, Mülldeponien – alles das soll es auf dem Papier geben. Gesehen habe ich davon nichts. Immer wenn ich durch die Städte gelaufen bin, habe ich vergeblich Mülltonnen gesucht. Zuletzt meinte ein deutscher Auswanderer: „Wir Europäer sind es schuld, die Menschen wissen eben nicht, was richtig ist hier.“ Ich bin ja durchaus ein streitbarer Zeitgeist und habe ihm zu verstehen gegeben, dass es sein mag. Der Blick nach hinten, einen Schuldigen dafür zu benennen, löst aber das Problem nicht. Man könnte ja auch nach vorne schauen und das Problem angehen, unabhängig von seinem Auslöser. Aber sobald Geld ins Spiel kommt, ist die Sache gelaufen. Es sind natürlich Probleme, die den einfachen Bürger hier nicht wirklich interessieren. Denn weil die Menschen so wenig haben, ist ihr Ziel, den Tag zu überstehen. Mitunter hat sich das sehr dramatisch dargestellt. Die Armut der Menschen ist wirklich spürbar. Vielleicht nicht als Tourist in Dar Es Salaam, aber durchaus als Backpacker, der naiv durchs ganze Land reist.
    Nichtsdestotrotz ist die Kultur eine sehr offene und herzliche. Egal wo ich war, und egal wie wenig ich mich verständigen konnte, niemals wurde ich bedroht oder bösartig angegangen. Aus der deutschen Geschichte heraus hätten sie ja durchaus viele Gründe. Aber genau im Gegenteil. Ich wurde oft sehr angehimmelt. Ich werde wohl nie vergessen, wie ein älterer Herr sich vor mir niederkniete und nicht aufstehen wollte. Ein sehr beklemmendes Gefühl war das am Anfang meiner Reise.
    Die letzten beiden Wochen waren ein Segen. Die wunderschönen Strände, viel Ruhe und viel Zeit für mich. Die Sonne, so nah am Äquator, war mein einziges Problem. Aber wenn’s nur das ist.

    Und so sitze ich im internationalen Terminal, warte aufs Boarding und freue mich auf Zuhause und auf Düsseldorf. Trotz aller Abenteuer bin ich unverletzt und gesund. Für Nepal nehme ich mir einfach mal das gleiche vor.

    Plot Twist:
    Der Flug nach Nairobi sollte um 20:45 starten. In Nairobi hebt der Flieger um 23:50 ab. Entspannter Nachtflug. Die Hiobsbotschaft aber ist, dass der erste Flug von Dar mit mehr als zwei Stunden Verspätung abheben soll. Ich starte in Dar um 23:00 Richtung Nairobi. Der Flug dauert 1:20 h. Nach meiner Rechnung ist der Anschluss-Flieger um 23:50 dann ohne mich weg. Am Check-in in Dar versuche ich schon im Vorfeld eine Lösung zu finden. Man versichert mir, dass ich in Nairobi am Flugzeug abgeholt werde und direkt in den Anschluss-Flieger eskortiert werde. Mir fällt es schwer, das zu glauben bei dem ganzen Chaos, das ich beim Hinflug dort erlebt habe. Meine Heimreise steht also erstmal in den Sternen. Die Ruhe und Erholung der letzten Tage ist wie weggefegt. Ich bin angespannt. Die Nacht in Nairobi zu verbringen, wäre nicht mein Wunsch.
    Aus Nairobi wird’s ein Update geben. Versprochen! Also, falls ich dann die Zeit habe…
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