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  • Day 130

    Das beste Geburtstagsgeschenk

    January 3, 2019 in Canada ⋅ ☁️ -1 °C

    Aufgeweckt durch den umarmenden Geruch von Bacon und Spiegelei, öffne ich meine Augen an einem dieser 3. Januare, welcher sich nun schon zum 29sten mal jährt. Freudig kommt mir Nicole mit einem Muffin auf dem eine kleine Dinokerze brennt entgegen und mein Geist begreift langsam, dass soeben die dritte Lebensjahrdekade über mich herein bricht. Mit liebsten Glückwünschen und kleinen Herzchenaugen werde ich von der Frau mit der ich hftl auch noch mein 60. Lebensjahr beginne, an einen prall gefüllten Frühstückstisch geführt. Viele kleine brennende Dinos schauen mich thronend auf vielen weiteren Muffins mit Wachstränen der Vorfreude an, dass ich sie endlich auspuste. Auf meinem Teller wartet nicht nur Süßes, sondern auch selbst gemachte Frühstücksburger und ein ganzer Haufen an Geschenken. Bereits völlig überwältigt durch meine ersten Eindrücke des Tages lasse ich mich in mein erstes Präsent plumpsen, einen ultraleichten Helinox Camping Stuhl (innerliches Highfive – wollte ich schon immer mal haben). Ein frecher mexikanischer Pappmaschee-Biber überreicht mir daraufhin einen Gutschein, in dem ich erfahre, dass Nicole mich die ganze Zeit veralbert hat. Angenommen, dass sie heute arbeiten müsste, erfahre ich, dass wir heute einen kleinen Kurztrip nach Golden zur morgigen Snowmobile-Tour und nicht nach Mexiko antreten. Wie als wäre das nicht schon genug, gibt’s obendrauf noch einen Gutschein für eine Profi-Massage und Tickets für Snoop Dogg in Calgary. Der Wahnsinn, völlig beflügelt von all den überragenden Geschenken, schmeißen wir flott alles Notwendige zusammen und auf in den Toni.

    Da wir typischerweise für uns wieder etwas später loskommen als geplant, entscheiden wir uns kurzerhand, nicht in Kicking Horse, sondern auf halbem Weg nach Golden in Lake Louise für ein paar Stunden einen Skifahr-Stopp einzulegen. Auf dem Weg zum Ski-Mekka der Rockies stellen wir auf dem Trans-Canada Highway fest, dass Uller den Rang des besten Geburtstagsgeschenks durch Unmengen von Neuschnee ablaufen möchte. So juckeln wir ganz gemütlich mit 50 km/h über die Autobahn, da bereits 25 cm des weißen Goldes den Asphalt bedeckt und die dicken Flocken von oben scheinbar kein Ende nehmen möchten. Angekommen auf dem Parkplatz müssen wir feststellen, dass dieser nicht geräumt wurde und sich demzufolge nur Autospurschneißen durch die mittlerweile 35 cm Schnee ziehen. Nach heikler Parkplatzsuche bzw. Abschätzung der freien Schneefelder, ob wir mit unserem Van auch wieder fortkommen, finden wir einen Stellplatz. Frei nach dem Motto Zukunfts-Tim und -Nicole werden das schon machen. Trotz zwiegespaltenen Gemüt stapfen wir voller Vorfreude auf den frischen PowPow Richtung Gondel.

    Auf der Piste bekommen wir das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Es ist Skifahren wie in einem Meer aus Daunenfedern, wie in einem die Profi-Ski-Videos verschwinden unsere Ski und Unterschenkel unter den Massen aus weißen Pulver. Die Latten dicht zusammen, die Knie ganz weich und locker, wedeln wir zwischen Bäumen abseits der Piste oder auf den breiten Pistenschneisen den Weg von oben nach Unten. Von Schwung zu Schwung peppt es einen kurz aus dem Puder bevor man wieder abtaucht, den nächsten Schwung setzt und eine große Schneewelle sich am Kurvenradius aufwölbt. Davon haben wir geträumt bevor wir nach Kanada geflogen sind und heute wird es wahr. Was für ein Geburtstag, diese Freude, dieser Spaß… Ich fühl mich wie ein Kleinkind, das ein neues Spielzeug bekommen hat. Das Beste daran: Es mit Nicole zu teilen und damit dieses Erlebnis unvergesslich werden zulassen. Leider hat alles ein Ende, aber der Körper wird auch deutlich stärker gefordert wenn man die Schneemassen mit den Oberschenkeln wegdrückt. Wie wir später noch erfahren, hat es 83 cm Neuschnee gegeben, was für Lake Louise seit Aufzeichnung der Rekord für Schneefall in 24h war… Danke, Uller.

    Wieder am Vehikel angekommen, liegt mittlerweile nicht nur 50 cm um, sondern auch 30 cm Schnee auf Toni. Für alle Allrad-Pick-Ups um uns drum herum natürlich kein Problem, die wühlen einfach mit ihren grobstolligen Reifen solange, bis es vorwärts geht. Langsam überkommend, dass Toni mit seinen Winterslicks evtl nicht vom Platz kommt, betreiben wir akribischste Beräumarbeit, inklusive Platttretens der vorgesehenen Fahrspur, um in die Hauptfahrrinne zu gelangen. Mit mulmigem Gefühl betätige ich langsam das Gas und muss feststellen, dass nach gefühltem 1 cm Weg die Reifen durchdrehen. Mit gefühlvoller Vorwärts-Rückwärts-Wipptechnik und dem Motto „Sobald wir rollen - einfach nicht mehr anhalten“ kommen wir dann doch noch frei und rollen an Respekt zollenden Kleinfahrzeugbesitzern vom Platz. Die 80 cm Schnee sind natürlich nicht spurlos am Highway vorbei gegangen, sodass sich die Weiterfahrt Richtung Golden über die Passstraße durch den Yoho-Nationalpark als spannende Angelegenheit entpuppt. In den Nationalparks werden die Straßen und Highways nur mechanisch mit Schneeflug und Bagger bzw. ohne Chemie, wie etwa Salz, beräumt. Demzufolge findet die flächendeckende Beräumung deutlich langsamer, aber dafür umweltschonender statt. Unsere Weiterfahrt führte uns über völlig zugeschneite Fahrbahnen, wobei sich die eigene Spur nur erahnen ließ, und Passagen, in denen die schweren LKWs die Menge an Schnee zu einer fahrbahnüberziehenden Eisfläche umgeformt hatten. Mit viel Geduld, bester Laune vom genialen Skitag und zaghafter Betätigung des Gaspedals rollen wir nach 2h Fahrt (normalerweise 45min) nach Golden, der Stadt am Fuße der nördlichen Purcell-Kette, rein. In „Ellies Cove“. einem herrlichen Airbnb, lassen wir den Abend mit Gourmet-ToGo-Dinner, Kuchen, Bier und einer Folge aus unserem Game of Thrones-Marathon in der Badewanne ausklingen.

    Am nächsten Morgen fällt es schwer, die große Zehe aus der Bettdecke hervorzuschieben, denn das Bett ist soooooo bequem. Mit unserer Unterkunft in Banff haben wir schon Glück, aber leider eine verdammt unbequeme Matratze. Ein klassisches Pretzel-Bun-Frühstück bei hektischem Zusammensuchen der am Vorabend wild abgelegten Gepäcksstücke später, sitzen wir im Toni und brummen Richtung Kicking Horse Skiresort. Angekommen in der unscheinbaren Snowmobile-Hauptsitz-Holzhütte werden wir mit extra warmen Schuhen und Motocross-Helmen ausgestattet, die auf einen bevorstehenden wilden Ritt hoffen lassen. Unsere Gruppe besteht witziger Weise aus zwei weiteren Deutschen (…die sind auch überall) und unserem Guide Jeff. Nach einer kurzen Einweisung des -Snowmobiles- bestehend aus zwei Kufen und eines rotierenden Gummibandes mit Schaufeln, geht es auch schon los. Vorneweg Jeff, dichtgefolgt von Nicole, ich und hinter mir der Doppelbob tuckern wir zu Beginn mit mäßiger Geschwindigkeit durch den unberührten Winterwald, da auch hier der Schneesturm nicht ohne Folgen durchgezogen ist. Es ist einfach nur märchenhaft, die Bäume schwer behangen mit Schnee, die unangetasteten Waldwege vor uns, die frischen Pulverschneekristalle die in allen Regenbogenfarben reflektieren und wir, die mit unseren großmotorigen Schnee-GoKarts durch die Idylle knattern und nur eine Spur der Verwüstung und Abgasen hinterlassen. Nach kurzer Zeit haben alle ein gutes Gefühl für ihre Maschine entwickelt, sodass wir das Tempo anheben und immer rasanter durch den Wald knallen. Durch die enorme Menge an Neuschnee sind viele Bäume zerborsten und liegen quer, deshalb müssen wir regelmäßig Hindernisse umfahren, wegräumen oder uns eine Schneise durchsägen. Als ob es nicht schon genug Abenteuercharakter besitzt, legen wir zwischendurch einige „Spielpausen“ auf völlig zugeschneiten Seen ein, welche wir damit verbringen, fußballfeldgroße unberührte Schneefelder in kürzester Zeit so umzugraben, als wäre eine Wildschweinherde auf der Flucht vorm Bigfoot darüber gefegt. Nach 40 km Fahrt kommen wir an einem unscheinbaren Platz mitten im Wald an, wo kurzerhand der im Schnee versunkene Gasgrill ausgebuddelt wird und ein Burgerpicknick mit allem was dazu gehört von Jeff zubereitet wird. Bei Burger und Coke erzählt Jeff von seinem hingeschmissenen Grown-Up Werdegang als seriöser Solarzelleninstallateur, welches er kurzerhand nach Abschluss seiner Ausbildung gegen ein neues Snowmobil und das Arbeiten als Tourguide hingeschmissen hat. Jetzt lebt er einfach seinen Traum vom Draußen sein und versucht, aus jedem Tag ein Abenteuer zu machen. Frei nach dem Motto, den seriösen Lifestyle kann man auch noch später verfolgen - Lebe deinen persönlichen Traum, solang es dein Körper noch kann. Dazu der absolute Kontrast unsere zwei deutschen Mitstreiter, gleiches Alter wie wir, jedoch leicht versnobt, sehr arbeitsliebend und aus dem Ruhrgebiet. Er leitet eine Tennisschule und sie ist für Tommy Hilfiger – Shop Corporate Design Monitorin. Nach Abschluss der Rast mit einem gegrillten Cookie – niom niom - schwingen wir uns wieder auf unsere Mobile Richtung Startpunkt und machen nochmals halt an einem See. Dieses Mal kommt nur alles anders und wir bleiben so richtig stecken bzw. unser Guide. Eine kleine Fehleinschätzung des schneeüberhäuften Geländes und zack gräbt sich die rotierende Schaufel immer tiefer in einen Graben, anstatt Vortrieb zu bieten. Völlig unbeeindruckt von der beklemmenden Situation gibt Jeff routiniert Anweisung zur Freilegung, sodass wir zunächst das Mobil freischachten und dann dies mittels Seitwärtsrollens Richtung Weg zurück befördern. Nach dieser 30-Minütigen Ausbuddelaktion sitzen wir wieder auf unseren Hintern und drehen an den beheizten Gasgriffen um nochmal Fahrt auf zunehmen. Dieses Mal bin ich vorne am Konvoi und aufgrund der zunehmend zerfahrenen Waldpisten, die immer mehr zu durchschüttelnden Buckelpisten mutieren, nun stehender Weise um mit dem ganzen Körper alle Stöße abzufangen. Immer wieder muss ich anhalten, um auf die Nachhut zu warten, da es einfach so viel Laune macht das Gerät mal nach eigenem Ermessen auszufahren. Schnell setzt sich Jeff jedoch wieder vorne ab um alle seine Schäfchen zusammen zuhalten, doch auch dieser ist angefixt und so schiessen wir beide voraus regelmäßig Pause einlegend um auf die anderen zu warten. Nach 6h Ausfahrt kommen wir mit breitem Grinsen und ausgelaugten Körpern wieder am Ausgangspunkt an.

    Mit Lionel Richie’s Geträller rollen wir mit Toni über die nun beräumten Straßen wieder in die Heimat und lassen die unvergesslichen zwei Tage bei der besten Dorfpizza und einem kühlen Blonden ausklingen. Was für ein grandioser Geburtstagsausflug, der wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.
    Danke Nicole =*
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