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- Day 15,003
- Sunday, October 4, 2020 at 8:53 AM
- ☁️ 11 °C
- Altitude: 285 m
GermanyWeißenhof48°48’15” N 9°10’45” E
211 - Le Corbusier: Weissenhofsiedlung

Die Kombination aus Weissenhofmuseum und Weissenhofsiedlung wurde 2016 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Zunächst widmen wir uns dem Museum, das in einem 1927 von Le Corbusier und Pierre Jeanneret errichteten Doppelhaus untergebracht ist.
Schwierig in Coronazeiten: es dürfen nur maximal 15 Besucher gleichzeitig im Museum sein. Und obwohl eng und beschränkte Anzahl müssen wir hier mal keine Kontaktdaten angeben (gestern im Freilichtmuseum Heuneburg schon - das versteht doch kein Mensch... 🧐).
Die eine Hälfte des Doppelhauses widmet sich der Geschichte der Weissenhofsiedlung mit der gesamten Vorgeschichte von Werkbund und den Querverbindungen zum Bauhaus. Die ganz besondere Bedeutung dieses Ortes ergibt sich daraus, daß die Stadt Stuttgart in der Zeit der großen Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg bewußt eine Siedlung nach modernsten und bislang nicht erprobten Ideen frei bauen ließ unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe mit diversen gemeinsam ausgewählten Architekten. In der anderen Doppelhaushälfte wurde versucht, den Originalzustand von 1927 wiederherzustellen, nach bereits in den Dreißiger Jahren und später vorgenommenen Umbauten, die faktisch nichts vom Original übrigließen. Beispielsweise orientierte man sich bei der Rekonstruierung des Badezimmers an den Dübellöchern!
Welch ein faszinierender Ort: extrem moderne Konzepte, die man bis dato nicht kannte und nach fast 100 Jahren noch zum Teil aktuell wirken; andere, die uns noch heute zu radikal vorkommen, und eine Enge in den Wohnräumen, die man von außen nicht vermutet hätte.
Doch haben wir uns selber damit überrascht, wie wir das Haus nach unseren Maßstäben gedanklich nach unseren Bedürfnissen verändert hätten. Technisch kein Problem, da konzeptionell Stahlskelett mit variablen Wänden :-)
Die Siedlung war Teil der 1927 vom Deutschen Werkbund initiierten Ausstellung „Die Wohnung“, die an verschiedenen Stellen Stuttgarts stattfand. In der kurzen Bauzeit von nur 21 Wochen entstanden 21 Häuser mit insgesamt 63 Wohnungen. Es gab mehrere Werkbundsiedlungen im deutschsprachigen Raum, doch keine hatte die nachhaltige Bedeutung wie diese.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Siedlung wegen der weißen Dachterrassen als „Araberdorf“ bezeichnet und sollte abgerissen werden. Zu diesem Zweck wurde die Siedlung bereits an das Deutsche Reich verkauft.
Im zweiten Weltkrieg wurden Teile der Siedlung zerstört. Nach dem Krieg wurden einige Gebäude abgerissen, andere durch Umbaumassnahmen stark verfremdet. 1958 wurde die Siedlung unter Denkmalschutz gestellt, in den 1980er Jahren die noch verbliebenen Gebäude saniert.
Faszinierend, wie die einzelnen Architekten (die zum Teil gar keine waren, sondern Autodidakten bzw. Künstler, die Häuser entwarfen), modernste Konzepte umsetzten, immer mit der Prämisse, durch Licht und Luft die damals durch extreme Wohnverhältnisse grassierenden Krankheiten zu vertreiben - in Coronazeiten plötzlich wieder aktuell.
Meistens kubische Formen, gelegentlich abweichend durch organische Formen wie von Hans Scharoun. Aber egal wie, alles wurde von den Nationalsozialisten angefeindet. Wenn der 2. Weltkrieg nicht gekommen wäre, hätte vermutlich gar nichts von der Siedlung überlebt.
Heute sind alle noch stehenden Häuser bis auf die 2 von Le Corbusier, in denen sich das Museum befindet, private Wohnhäuser. Das muß man aber lieben, wenn einem ständig die Leute ins Wohnzimmer fotografieren. Oder man ist gleich Architekt im Ruhestand wie der Herr aus dem Haus von Peter Behrens, der uns neugierig die auf einer Tafel angebrachten Grundrisse diskutieren sehend, gleich ein Gespräch aufhängte über den Architekten :-).Read more