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  • Day 270

    75 Kilometer föderale Fahrradeskorte

    July 6, 2023 in Indonesia ⋅ 🌧 31 °C

    Wir erreichen Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens. Auf dem Papier hat die Stadt mit 10 Millionen Einwohner:innen schon eine stattliche Größe, doch die gesamte Metropolregion Jabodetabek ist mit insgesamt 34 Millionen Menschen noch beachtlicher.

    Wir übernachten im Garten von Hendro und Hanni, die wir über WarmShowers kontaktiert haben. Sie wohnen am Stadtrand der Satellitenstadt Tangerang in einem ruhigen Wohnviertel. Hanni umsorgt uns mit frisch gekochtem Essen, es gibt einen Schlafplatz im Garten, eine Dusche und eine Waschmaschine - mehr brauchen wir nicht, um uns wohl zu fühlen. Eine kleine Anekdote am Rande: Bei Hendro hat vor 7 Jahren auch Dennis Kailing übernachtet, dessen Reisefilm "Besser Welt als Nie" uns zu der Tour durch Indonesien inspiriert hat.

    Am nächsten Tag steigen wir mit den Fahrrädern in die Metro, die uns in das Stadtzentrum Jakartas bringt. Hier sehen wir monumentale Gebäude und seit langem wieder glänzende Hochhäuser, ein geregeltes ÖPNV System und Shoppingmalls.

    Doch Jakarta bleibt Indonesien. Die Autos und Motorräder strömen bzw. stehen in der ganzen Stadt. Hatten wir eigentlich geplant den Verkehr so weit es geht zu meiden, werden wir am Ende 75 Kilometer durch die Straßen Jakartas gefahren sein - unter anderem dank Hendro. Er ist passionierter Fahrradfahrer und pendelt seit Jahren täglich 25 Kilometer (pro Richtung!) mit dem Fahrrad in die Innenstadt Jakartas. Auf dem Rückweg zeigt er uns sein Jakarta und wie er sich mit dem Rad durch den Verkehr schlängelt. Es gibt zwar ruhige Nebenstraßen, diese sind aber nur ruhig, weil dort alle zehn Meter Bodenschwellen liegen, die man auch mit dem Fahrrad nur in Schrittgeschwindigkeit überqueren kann - also bleiben nur die verstopften Hauptstraßen.

    In einem Café neben dem Nationalstadion treffen wir seine Fahrrad-Gang, die regelmäßig nach der Arbeit gemeinsam zurückradelt. Nach dem gemeinsamen Feierabendgetränk (hier: Kaffee) stürzen wir uns zu zehnt in den abenteuerlichen Verkehr. Wir schlängeln uns an den Autos vorbei und nutzen unsere Arme so deutlich als Handzeichen (Anwendungsfall der Lehrinhalte aus Footprint Nr. 15, Albanische Äpfel), dass jede:r Berliner Kampfradler:in einpacken könnte.

    In der Gruppe fühlen wir uns trotz Dunkelheit im dichten Verkehr sicher. Es ist zwar chaotisch, aber insgesamt sind alle Verkehrsteilnehmer:innen erstaunlich ruhig. Es wird gehupt, doch mehr freundlich als aggressiv. In ganz Indonesien haben wir noch keine:n Moped- oder Autofahrer:in Fluchen gehört.

    Die letzte Nacht in Indonesien verbringen wir bei den Federalisten - einem Fahrrad-Klub, der in ganz Indonesien aktiv ist. Hier werden alle unsere Erlebnisse indonesischer Gastfreundschaft auf eine fast schon unangenehme Weise potenziert. Morgens werden wir von einer Eskorte aus 10 in Trikots uniformierten Federalisten abgeholt und für die nächsten 30 Stunden nicht mehr alleine gelassen. Zunächst werden wir zum Clubhaus gebracht. Dort werden uns im Halbstundentakt neue Mitglieder der Federalisten vorgestellt. Die meisten können kein Englisch und so übersetzt der Anführer Rai die immer ähnlichen Fragen. Die meisten Gäste bringen lokale Spezialitäten mit, die uns mit sanfter Gewalt und dem Kommentar "Must Try!" in die längst übervollen Mägen gestopft werden (Nach dieser Erfahrung wollen wir uns in Zukunft gegen Foie Gras engagieren). Wie immer werden wir anschließend in sämtlichen Konstellationen fotografiert und dieses Mal auch gefilmt, wobei unser immer gequälter werdendes Lächeln nicht weiter negativ auffällt. Das geht bis in die späten Abendstunden so weiter und wir müssen hart verhandeln, damit das Programm am nächsten Morgen erst um acht und nicht schon um sieben weitergeht.

    Wir übernachten im Gebetsraum des Clubhauses, der immer für indonesische sowie ausländische Gäste zur Verfügung steht. Zur Sicherheit werden nachts zwei Federalisten abgestellt, die im Vorraum des Clubhauses auf dem Sofa schlafen. Es ist alles sicher nett gemeint, auch wenn wir wiederholt betonen, dass es nicht notwendig sei und wir statt dem ganzen Programm auch einfach mit einem Schlafplatz zufrieden wären.

    Am nächsten Morgen geht das Programm weiter, bis wir, wiederum nach harter Verhandlung, um 14 Uhr aufbrechen dürfen. Nur noch von zwei Federalisten begleitet, erreichen wir die Altstadt Jakartas, wo wir ein paar letzte Fotos knipsen, bevor wir von dort aus endlich unbeaufsichtigt weiter zum Hafen fahren können. Um 23 Uhr legt die KM Kelud ab. Auf ihr werden wir anderthalb Tage bis kurz vor Singapur fahren.
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