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  • 4642 Ruhetag in Nürnberg

    May 19, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 19 °C

    Ich bin mir ziemlich sicher, ihr seid schon gespannt, wie wir unseren heutigen Ruhetag in Nürnberg verbracht haben. Eins vorweg: wir haben nicht die Beine hochgelagert und uns dem freudigen Müßiggang überlassen.

    Am Vormittag haben wir die Route bis nach Göttingen überarbeitet und uns neue Tagesziele gesteckt. Wir haben die Etappe 6 und 7 jeweils um ca. 15 – 20 km verlängert, am 8. Tag nur mehr maximal 40 – 50 km fahren zu müssen, damit Harald seinen Zug noch erreicht. Das ist manchmal einfacher gedacht als umgesetzt, aber wir haben es geschafft.

    Am Nachmittag haben wir uns einer öffentlichen Stadtführung angeschlossen, um auch unser Wissen zu erweitern. Das war wahrscheinlich eine der informativsten, beeindruckendsten und kurzweiligsten Führung, der ich jemals beigewohnt habe.

    Sie lief unter dem Motto „Cui bono – wem nützt es“ und sollte uns die letzten 1200 Jahre Stadtgeschichte unter diesem Aspekt näher bringen. Statt geplanter eineinhalb Stunden wurden zweieinhalb und es hätte noch weitergehen können.

    Wir haben zwar kaum Jahresdaten zu hören bekommen, aber manch wichtige Information, warum Nürnberg sich zu einer der mächtigsten und vermögendsten Städte Deutschlands entwickeln konnte. Wir haben nicht das Dürer-Haus besichtigt und all die anderen Weltwunder, welche in Nürnberg ausgestellt sind, aber wir haben ein bisschen hinter die Vorhänge lugen dürfen.

    Hier die wichtigsten Lehren in Kurzfassung:

    @wie wird man die reichste und wichtigste Stadt Deutschlands
    1. Eine Hand wäscht immer die andere
    2. Nichts ohne schriftliche Beurkundung
    3. Man darf nicht zimperlich sein
    4. Man muss immer darauf achtgeben, dass die richtig Mächtigen Schuldner sind.

    @Torschlusspanik:
    Im Mittelalter war das Bier vor den Stadtmauern billiger als innerhalb der Stadt. Bei einem angeblichen Konsum von 12 Litern am Tag hat das schon im Säckl zu Buche geschlagen. Die Stadttore wurden aber zu einer bestimmten Zeit geschlossen und danach nicht mehr geöffnet. Wer also zu spät kam, musste vor den Toren übernachten. Ja, und hier gab es die Räuber. Daher sollte man rechtzeitig wieder innerhalb der Stadtmauern sein.

    @Lebkuchen:
    Esst keinen Industrielebkuchen. Esst nur Elisen-Lebkuchen von den Lebzeltern der Stadt. Diese unterscheiden sich nicht nur durch die Zutaten, sondern vor Allem auch durch die Dicke der Schokoladeglasur. Mindestes 2,5 mm anstelle von Schockglasur im Zehntelmillimeterdicke. Und sie werden auch ohne Mehl und sonstigen Zusatzstoffen hergestellt. Aber wie isst man diese:
    Original-Elisenlebkuchen sind Kalorienbomben. Daher sollte man einen Lebkuchen immer in mundgerechte Teile schneiden und mit guten Freunden teilen. Dann nimmt jeder eines dieser mundgerechten Happen in den Mund und lässt als erstes langsam die Schokolade, ohne zu kauen, im Mund schmelzen. Erst wenn dieser Schmelzvorgang abgeschlossen ist, beginnt man zu kauen und vermischt den Geschmack der Schokolade mit dem Kräutergeschmack des Lebkuchens. Halt – noch nicht schlucken. Jetzt kommt der Höhepunkt – wenn alle Geschmäcker im Mund Purzelbaum schlagen, nimmt man einen Schluck, nicht Café oder Kaffee, wie unsere deutschen Brüder sagen, nicht Tee, nein, man nimmt einen Schluck besten Bieres und dann, die reinste Geschmacksexplosion.

    Wir haben es nicht probiert, 5000 Kalorien pro Person waren uns dann doch zu viel, aber vielleicht begleitet uns jemand zum Christkindlmarkt und wir machen die Probe aufs Exempel.

    @Christkindlmarkt
    Viel älter ist der Ostermarkt. Den Grund für den Ostermarkt habe ich vergessen, aber ihr könnt ja alles in Wikipedia nachlesen.

    @Geheimtipp
    Wenn ihr einmal nach Nürnberg kommt und dem Trubel der Stadt entfliehen wollt, besucht das Heilig-Geist-Spital (https://www.heilig-geist-spital.de/). Dies ist ein Ort der Ruhe inmitten der Stadt und geht zurück auf eine Stiftung von Konrad Groß, einem der reichsten Bürger der Stadt im 14. Jhdt. Es war die größte städtische Einrichtung zur Versorgung von Kranken und (vor allem) Alten in der Reichsstadt und ist bekannt als Aufbewahrungsstätte der Reichskleinodien, die von 1424 bis 1796 in Nürnberg verwahrt wurden.

    @Zerstörung Nürnbergs am Ende des 2. Weltkrieges (https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_um_Nürnberg)
    Jetzt noch etwas zum Nachdenken, auch in Hinblick auf derzeitigen Gräueltaten in der Ukraine.
    Vom Jänner bis April 1945 wurde Nürnberg immer wieder von englischen und amerikanischen Bombern bombardiert. Der schwerste Luftangriff auf Nürnberg fand am 2. Januar 1945 von 19:20 Uhr bis 20:06 Uhr statt, der Luftangriff am 11. April 1945 war der letzte Luftangriff auf Nürnberg. Damit war Nürnberg sturmreif bombardiert worden. In der Altstadt waren etwa 90 Prozent aller Gebäude vollständig zerstört oder unbewohnbar.

    Das heißt, alles was man heute wieder sieht, wurde nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut. Wenn ihr mit offenen Augen durch die Stadt wandert und an manchen Häusern Steine mit Löchern seht, dann sind das Originalsteine aus der Vergangenheit. Alle anderen Steine sind neu.

    Ja, das war unser heutiger Tag. Natürlich haben wir auch „3 im Weggla“ bzw. „6 am Zinnherz“ mit dem dazugehörigen Bier genossen.

    Postscript:
    Ich möchte mich bei allen Mitreisenden für ihre aufmunternden und anerkennenden Postings bedanken und freue mich auch auf zukünftige Kommentare. Seid mir nicht bös, wenn ich nicht jedem zurückschreibe, aber sonst komm ich erst im Winter ans Nordkap.

    Danke und liebe Grüße an Alle
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