Satelliet
  • Dag 74

    Die vielen Haie sind ein schlechtes Omen

    15 maart 2020, Ecuador ⋅ ☀️ 29 °C

    Unser erster Eindruck: Hier lässt es sich aushalten. Soeben wurden wir mit einem kleinen Schlauchboot auf unsere Yacht verfrachtet. Das Schiff bietet Platz für 16 Gäste und scheint fast neu zu sein. Unser Zimmer ist – für eine Kajüte – verhältnismässig gross und das Badezimmer geräumiger als in anderen Unterkünften. Wir richten uns behaglich ein und begeben uns anschliessend in die Lounge des Schiffs. Dort treffen wir auf die anderen Gäste der Tour: Zwei Familien und ein älteres Paar, alle aus den USA. Wir waren im Vorfeld gespannt, mit wem wir wohl in See stechen und wir scheinen auch dieses Mal an sehr gmögige Leute geraten zu sein. Wir setzen uns zu Frank und Vicky, dem älteren Paar, an den Tisch. Sie sind interessiert und wir haben eine angenehme Unterhaltung. Insgeheim amüsieren wir uns aber etwas ob den Essgewohnheiten von Frank: Beim Gemüse ist er wählerisch, Beilagen sind für ihn effektiv nur Beilage und Fleisch mag er lieber in grösseren Mengen. Gestärkt vom feinen Mittagessen machen wir uns auf unsere erste Expedition und besuchen El Chato, ein Reservat für Riesenschildkröten. Es befindet sich mitten auf der Insel Santa Cruz und ist deshalb gut mit dem Minibus erreichbar. Obwohl wir in der Darwin Station bereits Bekanntschaft mit den gewaltigen Tieren machen durften, beeindrucken sie uns immer wieder aufs Neue. Im Anschluss an die Expedition begeben wir uns wieder zurück auf die Yacht und erfreuen uns an einem leckeren Abendessen. Da wir ziemlich müde sind, gehen wir zügig in unsere Kajüte und machen uns bettfertig. Wir liegen denn auch bereits im Bett, als uns eine Lautsprecherdurchsage aus dem Schlaf reisst. Die Crew bittet uns in die Lounge des Schiffs, da es wichtige Neuigkeiten gibt. Etwas bang machen wir uns also auf den Weg und versammeln uns im Aufenthaltsraum. Dort teilt uns unser Tourguide James mit, dass aufgrund der Corona-Pandemie keine internationalen Flüge mehr nach Ecuador gelangen, unsere Tour aber wie geplant fortgeführt wird. Wir haben befürchtet, dass die Cruise abgesagt werden könnte und sind deshalb eher erleichtert. James bittet uns ihm zu sagen, ob wir die Tour fortsetzen wollen oder an Land gehen möchten. Nach kurzer Beratung entscheiden sich die beiden Familien und wir, dass wir die Cruise weitermachen möchten. Frank und Vicky kommen zum Entschluss, dass sie in Anbetracht der unsicheren Situation doch lieber verzichten und werden noch innerhalb der nächsten Stunde an Land gefahren. Danach legt das Schiff definitiv ab, wir verlassen die Insel Santa Cruz und steuern in der Nacht die Insel Floreana an.

    Am anderen Morgen gibt es ein leckeres Frühstücksbuffet, bei dem es sich Simon (ausnahmsweise) mal gutgehen lässt. Das macht Sinn, denn es steht die nächste Exkursion an: Wir machen einen Ausflug zur Flamingo-Bay. Dort finden wir einen idyllischen See vor, auf dem sich rund 20 Flamingos tummeln. Wir als alte Hasen im «Flamingo-Anschauen-Business» sind ehrlich gesagt nur mässig beeindruckt, bleiben aber cool und lassen uns nichts anmerken. Spannender wird es für uns dann, als wir zu einem nahegelegenen Strand laufen und dort einen Baby-Hai, Manta-Rochen sowie zahlreiche Krebse und Seelöwen sehen. Es ist fantastisch, so nahe bei diesen Tieren zu sein. Anschliessend wandern wir zurück zum Landepunkt am Strand und werden von dort mit den Schlauchbooten auf die Yacht zurückgebracht, um das Mittagsmahl einzunehmen. Am Nachmittag steht ein Ausflug zu einer ehemaligen Schmugglerhöhle auf dem Programm und ein Besuch der Post Office Bay. Dieser Ort dient als Poststelle für Seefahrer: Möchte man einen Brief aufgeben, deponiert man ihn dort und hofft, dass ihn die Besatzung eines später ankommenden Schiffes mitnimmt und den Brief an seinen Zielort bringt. Wir finden mehrere Briefe mit Adressen in der Schweiz und nehmen zwei davon mit. Die Post Office Bay regt unsere Fantasie an und wir denken uns Geschichten aus, bei denen dieser Ort auf der Insel Floreana im Mittelpunkt steht. Wir haben dafür Zeit, da die Crew des Schiffes gerade noch ein Fussballspiel austragen muss. Unentschieden steht es am Schluss.

    Zurück auf dem Boot geniessen wir ein feines Abendessen und bitten Darwin, den Barkeeper, uns einen kühlen Drink zu mixen. Darwin scheint übrigens ein verbreiteter Name zu sein auf den Galápagos – wir haben mehrere Leute getroffen, die nach dem berühmten Naturforscher Charles Darwin benannt sind. Wir nehmen den Drink aufs Sonnendeck und setzen uns in die Liegestühle. Es ist ein herrliches Gefühl, in der lauen Sommernacht den Fahrtwind zu spüren und übers Meer zu gleiten. Da wir auf den Galápagos-Inseln fernab von grossen Städten sind, ist die Lichtverschmutzung minimal und der Sternenhimmel wunderschön.

    Am anderen Morgen stehen wir zeitig auf und machen endlich mal wieder Yoga, auf dem Sonnendeck notabene. Die Sonne ist gerade aufgegangen und hilft uns, unsere Müdigkeit abzuschütteln. Nach dem Frühstücksbuffet (bei dem es sich Simon ausnahmsweise gut gehen lässt) steht die nächste Exkursion an. In der Nacht haben wir die Insel Española angelaufen. Wir gehen an Land und machen uns auf zu einer schweisstreibenden Wanderung. Der Schweiss wird hauptsächlich von den klimatischen Bedingungen hervorgerufen: Es ist schwül und drückend. Die Isla Española besticht mit herrlichen Klippen und einer eindrücklichen Brandung. An gewissen Orten spritzt die Gischt über 20 Meter in die Höhe. Als wir an den Landungssteg zurückkommen, müssen wir um zahlreiche Seelöwen herumlaufen, die sich frech in den Weg gelegt haben. Den putzigen Tieren mit ihren Knopfaugen kann man aber irgendwie nicht böse sein. Zurück auf dem Schiff steht Schnorcheln auf dem Programm und wir sind sehr gespannt. Nach einer kurzen Einführung fahren wir mit den Schlauchbooten zu der Corona del Diablo, einem eindrücklichen Riff, dessen steile Felsen weit aus dem Meer ragen. Dort tummeln sich unzählige Meeresbewohner und wir schwimmen quasi Seite an Seite mit Seelöwen, kleinen Haien und vielen farbigen Fischen. Unter Wasser finden wir eine andere Welt vor, man fühlt sich schwerelos und frei in der Stille.

    Später erkunden wir das Meer dann nochmals von der Oberfläche her und paddeln mit den Kajaks um das Riff. Wieder begegnen wir gwundrigen Seelöwen, die sich auf den Klippen sonnen, es dann aber trotzdem nicht lassen können und unser Kajak umschwimmen. Die Tiere sind wohl etwas vorsichtig, jedoch mitnichten schüchtern. Als wir zurückkehren, schnappt Roseline ein Gespräch zwischen zwei Mitgliedern der Crew auf. Sie reden von «Abbruch» und «zurückkehren» - wir hoffen, dass wir das falsch verstanden haben. Wir sind beruhigt, als wir uns für den Ausblick auf den folgenden Tag in der Lounge versammeln. Das Programm klingt fantastisch und wir freuen uns schon auf die Insel San Cristóbal. James fügt aber hinzu, dass sie nicht wie ursprünglich geplant den Hafen anlaufen werden, sondern etwas ausserhalb anlegen. Sie hätten gehört, dass die Regionalregierung gewisse Yachten im Hafen behalten hätte und das möchten sie bei uns vermeiden. Wir nehmen das Abendessen ein, als beim Kaffee eines der Kinder hereinstürmt und uns erzählt, dass unzählige Haie draussen seien. Zuerst denken wir, dass sie übertreibt und es eventuell andere Fische sind. Wir gehen trotzdem nach draussen und sind bass erstaunt: Auf beiden Seiten des Schiffes tummeln sich über 80 Haie, einige davon sind über zwei Meter lang. Sie wurden angelockt durch die Fliegenden Fische, welche wiederum durch das Licht unserer Yacht in Bann gezogen wurden. Das Schauspiel ist überwältigend und bedrohlich zugleich. Sobald ein Fliegender Fisch im Wasser landet, schnappen mehrere Haie gleichzeitig zu. Überall zischt es im Wasser und wir sind froh, sind wir auf dem Boot und nicht mehr im Kajak. Die ganze Crew des Schiffes hat sich mittlerweile versammelt, auch für sie ist das etwas Ausserordentliches. Sie sprechen von einem Zeichen der Natur, einem Omen.

    Leider scheint es ein böses Omen zu sein: Um etwa 21 Uhr werden wir erneut in die Lounge gebeten und dort ereilt uns dann die Hiobsbotschaft. Die Cruise muss auf behördliche Anordnung abgebrochen werden, morgen finden die letzten Flüge aufs Festland statt. Wir sind konsterniert, da wir die Bootstour abbrechen müssen und auch, da unser Rückflug-Ticket erst in drei Tagen gültig ist. Wohl oder übel gehen wir aufs Zimmer und packen unsere Siebensachen, am Morgen müssen wir um sechs Uhr bereitstehen. Um möglichst früh am Flughafen zu sein, legt das Schiff in der Nacht einige Kilometer zurück. Es schaukelt entsprechend und wir schlafen nicht besonders gut. Am anderen Morgen gibt es ein letztes Frühstück und wir verabschieden uns von der Crew – zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass es vorläufig das letzte Morgenessen auf südamerikanischem Boden ist. Mit den Schlauchbooten werden wir zur Fährstation der Insel Baltra gebracht und von dort mit den uns wohlbekannten Bussen an den Flughafen. Wir verabschieden uns von James und den beiden anderen Familien. Das lange Warten am Flughafen auf den Galápagos-Inseln beginnt. Der Anfang vom Ende unserer Südamerika-Reise.
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