Tommy fährt nach Hamburg. Am Stück. Körper dankt. Read more
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    Was ein Erlebnis.

    August 17, 2021 in Germany ⋅ 🌧 14 °C

    Mit kleinem Umweg, um Johannes ein Werkzeug zurückzubringen, ging der Trip endlich los! Die ersten Kilometer bewegten sich auf ruhigen, gut asphaltierten Straßen, schönen Radwegen durch den Wald und vorbei am Spreewaldring. Ein lauter Ort männlicher Ergötzung…
    Leider gibt es nichts Spannenderes, als auf brandenburgischen Straßen zu fahren, die einen nicht davon ablenken, dass der kleinste Popel im hintersten Raum der Nase juckt. Und leider musste ich einige tote Tiere am Straßenrand entdecken, dabei war ein wunderschöner Fuchs.
    Nach einer Weile erreichte ich ein kleines Dorf: Glashütte. Ein zauberhafter, kleiner, schöner Ort, ein wahres Ausflugsziel! Dort muss ich unbedingt mal mit Hannah hin. Überall kleine Bauernhäuser, Museen und süße Cafés und Restaurants. Das alles eingebettet in die Natur. Einfach schön! Ich pausierte kurz und fuhr auf richtig tollen Fahrradwegen, so wie es Teltow-Fläming verspricht! Nach Luckenwalde kam jedoch ein gemeines Stück Landstraße. Noch blöder wurde es, da ich das Gefühl hatte, dass so einige einem Stau auf der Autobahn ausweichen und gerade an mir vorbei rasen. Der Verdacht verhärtete sich: riesige LKW, polnische Transporter und Kennzeichen aus ganz Deutschland.
    In dem kleinen Dorf Kemnitz machte ich eine Pause und telefonierte schön mit Hannah. Eine riesige Schweinehaltung begrüßte mich zu Beginn. Ein trauriger Anblick und ein stinkender Beigeschmack. Nichtsdestotrotz futterte ich Brot, Gemüse, Obst und etwas Schoki, zog mir einen kalten Kaffee rein und bereitete mich so auf die nächste Passage vor. Bisher lief alles gut.
    Angekommen in „Potsdam-Mittelmark“ begegneten mir gleich zwei Kuriositäten im Wald: einmal eine Mikrowelle, die einfach mitten im Wald stand. Ich raffe einfach nicht, wie Leute ihren Kram nicht einfach zur Deponie bringen können, als wenn das so schwer wäre. Und zum zweiten eine Stelle im Wald, natürlich Kiefern, die erhöht war, ähnlich eines Hügelgrabs. Sie war leicht beschienen und an all den Bäumen rund und auf dem Hügel wuchs Efeu. Episch, ich fühlte mich wie in einem Fantasy-Film! Leider kein Foto, ballern, dass die Ohren schallern! (Naja, schlechte Ausrede, ich war so beeindruckt, dass ich vorbei war und zu faul, umzukehren…)
    Kurz nach neun begann die „Nachtschicht“. Ich habe gefuttert und mich etwas angezogen, leider stand ich in der absoluten Walachei und wurde übel von Mücken attackiert. Der Ort war perfekt, mit Dach, ich wollte kurz erholen, aber so war es ein hastiges Schlingen und schnell weiter…
    Licht war angebaut Reflektionsjacke angezogen, auf ging es in die Nacht, erst mal einen Schluck Kaffee! Wenig später erreichte ich Brandenburg an der Havel, das erste Drittel der Tour ist geschafft! Da stand ich gleich mal 5 Minuten an den Bahnschienen rum… von nun an fuhr ich wieder auf guten Radwegen durch die Dunkelheit. Ich war zwar an großen Landstraßen, aber ein wenig gruselig ist es doch, durch den dunklen Wald zu fahren. Immer raschelte es und man befürchtete, gleich in ein Reh zu fahren oder vom berüchtigten brandenburgischen Wolf zerfleischt zu werden. So ballerte ich durchs Land, entlang der Havel. In „Premnitz“ hielt ich wieder, aß, telefonierte und machte mich „bettfertig“, sprich ich putzte Zähne. Nun ging ich aber nicht zu Bett, sondern schwang mich auf meinen treuen Esel und wir entschwanden.
    Mein Lichtkegel und ich flogen gemeinsam durch die Nacht. Über Felder ging es nach Havelberg. Die Sicht war somit völlig frei und weit: der nächtliche Horizont grüßte mich mit krassem Wetterleuchten, einfach Wahnsinn! Teilweise so hell, dass ich die Wolkenwand detailliert sehen konnte. Wirklich beeindruckend. Das beunruhigende Problem: Ich fuhr dem Wetter entgegen…
    Meine Müdigkeit war gering, Kaffee, Red Bull und Cola regelten. Wobei sicher vor allem die Endorphine und Konsorten kickten. Um 1:39 Uhr hatte ich die 200 geknackt, die Stimmung war fabelhaft. Als ich 2:20 Uhr die Elbe erreichte, verunsicherte mich Getröpfel, ich machte trotzdem weiter. Meine Intuition lag richtig, das Wetter hielt. Rasante Dampffahrten auf dem Elbdeichen versüßten mir die Nacht, die Knie machten gut mit, auch wenn es etwas zwackte. Um 3:20 Uhr kurz mit Johannes geschrieben und um 4:00 Uhr mit Hannah telefoniert, verrückt, wer einen so durch sie Nacht begleitet. Mit Hannah klärte ich das Wetter, ich schlich mich durch die Wetterfront. 4:30 Uhr hielt ich in Wittenberge, die letzten Vorräte wurden gegessen. Die Autos vermehrten sich, der Himmel heller. Pünktlich 5:00 Uhr Zwangspause in einem netten Bushäuschen aufgrund des Regens. Powernap und nach 20 min weiter. Hier begann der schwere Teil der Reise. Meine Leistungsfähigkeit sank, plötzlich tat der Po weh, die Knie, Nacken… alles übermannt einen.
    In dem Örtchen Dömitz konnte ich einkaufen. Leckere Backwaren (Kroaaazong!), Saft und Banane sollten mich über die letzten Stunden bringen. Mein Magen grummelte arg, schon eine Weile. Und ich musste mich leeren. Dringend. Nun ja. Es wurde erledigt und ich aß zur Stimmungserhellung Kaffee mit Kuchen vor einem kleinen Bäcker. Und dann ging es los: knackiger Gegenwind. Und zwar für die ganzen letzten 100 km. Es war eine regelrechte Qual. Jeder Baum, jede Häuserfront war ein Segen. Mir begegneten mehr und mehr Reisende, einige nett grüßend, andere ernst. Ich verstehe diese reisenden Grummel nicht. Warum ist man denn dann unterwegs? Nun ja, immer mal wieder rettete ich mich in eine Bussi (Bushaltestelle) und ruhte kurz. Langsam kroch die Müdigkeit empor, auch weil es sehr eintönig war.
    Irgendwie raffte ich mich mit einem Podcast im Ohr bis Boizenburg durch. Ich genoss einen feinen Kaffee. Und weil es noch nicht reichte, kam der Regen. Viel Regen. Im Schneckentempo quälte ich mich die letzten 50 km nach Hamburg. Immer mal wieder haltend, um stärkeren Regen auszuweichen. Irgendwann war es mir egal, völlig durchnässt kämpfte ich mich die letzten 25 km durch. Der Arsch im arsch. Das war zum Abschluss das Schlimmste, da ich kaum noch eine Position finden konnte. Zweimal dachte ich, es fast geschafft zu haben, nur um dann weitere 2 oder 3 Kilometer zu fahren. Der „Marschbahndamm“ sieht einfach überall gleich aus… und schließlich, nach 26 Stunden, davon 20,5 Fahrzeit, kam ich bei Susi und Norman an!
    403 km, 380 hm, 19,6 km/h
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